Leitsatz (amtlich)
Für die Beurteilung der Frage, ob die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen den bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff erfüllt, ist jedenfalls für Stichtage ab 1. Januar 1974 wesentlich, daß diese Zusammenfassung von Räumen eine von anderen Wohnungen oder Räumen, insbesondere Wohnräumen, baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bildet. Grundsätzlich müssen die Räume Wohnzwecken dienen oder zu dienen bestimmt sein. Es muß ein eigener Zugang bestehen. Darüber hinaus müssen die Räume eine bestimmte Mindestfläche aufweisen. Außerdem ist grundsätzlich erforderlich, daß die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Nebenräume wie Küche, zumindest ein Raum mit Kochgelegenheit, ein Bad oder eine Dusche und eine Toilette vorhanden sind.
Normenkette
BewG 1965 § 75 Abs. 5-6
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eigentümer eines Wohngebäudes, das im Jahre 1981 bezugsfertig wurde. Es handelt sich um ein zweigeschossiges Gebäude mit je ca. 76 qm Wohnfläche im Erd- und Obergeschoß. Das Haus besitzt nur einen Zugang. Durch die Hauseingangstür gelangt man unmittelbar in eine Diele, von der aus nach links eine Dusche mit WC und geradeaus ein Schlafzimmer zu erreichen sind. Am Ende der Diele schließt sich - ohne Tür - nach links ein Stichflur an, der durch einen offenen Rundbogen in das Eßzimmer führt. Von dem Stichflur gelangt man geradeaus in die Küche und nach rechts durch einen breiten, ebenfalls offenen Rundbogen in das Wohnzimmer. Unmittelbar nach der Hauseingangstür beginnt nach rechts zur Außenwand hin der Aufgang zum Obergeschoß über eine zweimal um 90 Grad gewendelte unten und oben offene Treppe. Sie endet in einer Diele, von der aus durch Türen insgesamt drei Zimmer, eine Küche und ein Bad betreten werden können. Der als Küche bezeichnete Raum war zum 1. Januar 1982, dem hier streitigen Stichtag, nicht als solche ausgestattet. Es waren lediglich die erforderlichen Installationsanschlüsse verlegt. Das Gebäude wurde seinerzeit von den Klägern allein genutzt.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) bewertete das Wohngrundstück zum 1. Januar 1982 als Einfamilienhaus.
Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. In seiner Entscheidung (veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1984, 334) vertrat es die Auffassung, daß das Wohngrundstück der Kläger zwei abgeschlossene Wohnungen enthalte. Die Räume im Erd- und Obergeschoß seien durch ihre Lage auf je einem Geschoß baulich in ausreichendem Maße abgeschlossen. Eine Verbindung bestehe nur über das außerhalb der Wohnbereiche gelegene Treppenhaus. Man gelange in das Obergeschoß, ohne Wohnräume des Erdgeschosses betreten zu müssen. Unerheblich sei, daß die Wohnbereiche keine Abschlußtüren besäßen. Dies sei jedenfalls bei Zweifamilienhäusern im Gegensatz zu Mehrfamilienhäusern nicht ungewöhnlich. Aufgrund der Gestaltung des Obergeschosses als eigenständige Wohneinheit komme es nicht darauf an, ob der mit den notwendigen Anschlüssen versehene Raum tatsächlich als Küche eingerichtet sei und benutzt werde (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Juli 1980 III R 46/78, BFHE 132, 99, BStBl II 1981, 152 ).
Hiergegen wendet sich die Revision des FA. Es trägt vor, die Räumlichkeiten im Erd- und Obergeschoß seien nach der Verkehrsauffassung nicht als abgeschlossene Wohnbereiche zu beurteilen, so daß die Grundsätze des vorgenannten BFH-Urteils nicht anwendbar seien. Nach den Vorschriften der einschlägigen Deutschen Industrie-Norm (DIN 283 Bl. 1 Nr. 1.11.), der Bauordnungen der Länder und des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG), in denen sich die Verkehrsauffassung ausdrücke, sei für eine abgeschlossene Wohnung immer ein Wohnungsabschluß erforderlich. Es genüge nicht, wenn die einzelnen Räume lediglich durch Zimmertüren gegenüber einer Diele oder einem Treppenhaus abgeschlossen seien. Die Lage der Räume in einem eigenen Geschoß erfülle lediglich das Merkmal der räumlichen Zusammenfassung, nicht jedoch das Erfordernis baulicher Abgeschlossenheit.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Das Wohngrundstück der Kläger enthält zum Fortschreibungszeitpunkt nur eine Wohnung und ist deshalb als Einfamilienhaus zu bewerten.
I.
1. Einfamilienhäuser sind Wohngrundstücke, die nur eine Wohnung (§ 75 Abs. 5 Satz 1 des Bewertungsgesetzes - BewG -), Zweifamilienhäuser solche, die nur zwei Wohnungen enthalten (§ 75 Abs. 6 Satz 1 BewG). Eine zweite Wohnung steht nach Maßgabe des § 75 Abs. 5 Satz 3 BewG selbst dann dem Begriff Einfamilienhaus entgegen, wenn sie nur von untergeordneter Bedeutung ist.
a) Das Gesetz enthält keine Legaldefinition des Wohnungsbegriffs i. S. von § 75 Abs. 5 und 6 BewG 1965. Der Begriff der Wohnung ist sowohl in diesen Vorschriften als auch in § 32 Abs. 1 Nr. 4 der Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz vom 2. Februar 1935 (RBewDV) zu § 52 BewG 1934 als Tatbestandsmerkmal enthalten und wird methodisch als unbestimmter Rechtsbegriff behandelt (BFH-Urteile vom 9. Dezember 1970 III R 3/69, BFHE 101, 266, BStBl II 1971, 230; vom 30. April 1982 III R 33/80, BFHE 136, 293, BStBl II 1982, 671 , und die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 4. April 1984 1 BvR 1347/83 und 1348/83, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Grundsteuergesetz 1973, § 5, Rechtsspruch 2). Kennzeichnend für einen solchen Begriff ist es, daß er nicht durch die Angabe genauer Merkmale bestimmt ist. Er enthält einen festen "Begriffskern" und einen mehr oder weniger weiten "Begriffshof". Der Sinngehalt ist mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln zu erschließen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 5 AO 1977 Tz. 4). In methodologischer Hinsicht handelt es sich beim Wohnungsbegriff nicht um einen Klassenbegriff, sondern um einen Typus, d. h. um einen offenen Begriff, der nur umschrieben, aber nicht definiert werden kann (Isensee, Die typisierende Verwaltung, in: Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 288, S. 69 f.; Leenen, Typus und Rechtsfindung, 1971, Schriften zur Rechtstheorie, Heft 26). Das Charakteristische am Typus ist, daß einzelne Merkmale nicht unbedingt logisch konstitutive Bedeutung haben, sondern daß sie in geringerem oder größerem Umfang erfüllt sein und sich unter Umständen sogar substituieren können (vgl. als Beispiel BFH-Urteil vom 15. März 1974 III R 11/73, BFHE 112, 198, BStBl II 1974, 403 ). Die Behandlung des Wohnungsbegriffs als eines offenen Typusbegriffs ließ es zu, daß besondere Umstände, wie die Wohnungssituation in der Kriegs- und Nachkriegszeit und die damit verbundene Änderung der Wohngepflogenheiten, besondere örtliche Verhältnisse sowie auch individuelle bauliche Gestaltungen in angemessener Weise berücksichtigt werden konnten (vgl. dazu beispielsweise BFH-Urteile vom 16. Dezember 1955 III 158/55 S, BFHE 62, 126, BStBl III 1956, 47 ; vom 26. September 1958 III 244/57 U, BFHE 68, 410, BStBl III 1959, 157 ; vom 25. Mai 1979 III 101/77, BFHE 128, 263, BStBl II 1979, 542 ). Auf diese Weise ist Raum für eine den tatsächlichen Gegebenheiten im Wohnungsbereich entsprechende Auslegung.
b) Ausgehend von der inneren baulichen Gestaltung des Gebäudes versteht der erkennende Senat unter einer Wohnung in ständiger Rechtsprechung die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, daß die Führung eines selbständigen Haushalts möglich ist. Ferner gehört es zum Begriff der Wohnung, daß sie gegen andere Wohnungen und Wohnräume abgeschlossen ist und einen selbständigen Zugang aufweist. Grundsätzlich erfordert die Annahme einer Wohnung das Vorhandensein der notwendigen Nebenräume, wie Küche, Toilette und eine besondere Waschgelegenheit (vgl. Urteile in BFHE 112, 198, BStBl II 1974, 403 , und vom 24. November 1978 III R 81/76, BFHE 126, 565, BStBl II 1979, 255 ). Bei der Auslegung des Wohnungsbegriffs ist die Verkehrsauffassung von Bedeutung für die Entscheidung, ob einzelne Merkmale des Wohnungsbegriffs, wie z. B. die Möglichkeit, einen selbständigen Haushalt zu führen, oder die Mindestgröße, erfüllt sind. Die Anwendung der Verkehrsauffassung auf den Gesamtbegriff würde zu Unsicherheiten in der Beurteilung führen.
2. In Anwendung dieser Grundsätze ließ es der Senat in Fällen zweifelhafter baulicher Gestaltung bisher genügen, daß sich die Zusammenfassung mehrerer Räume zu einer Wohnung bereits aus der Lage dieser Räume zueinander, aus ihrer Zweckbestimmung und der dieser Zweckbestimmung entsprechenden tatsächlichen Nutzung ergibt. Erforderlich war jedoch stets, daß die Küche entsprechend eingerichtet war und tatsächlich als solche genutzt wurde (vgl. Urteil in BFHE 126, 565, BStBl II 1979, 255 ). Ein baulicher Abschluß und ein eigener Zugang wurden bisher nicht als unabdingbares Merkmal angesehen.
An dieser Rechtsprechung zur bewertungsrechtlichen Beurteilung des Wohnungsbegriffs in den Fällen zweifelhafter baulicher Gestaltung hält der erkennende Senat, jedenfalls für Feststellungszeitpunkte ab 1. Januar 1974, nicht mehr fest. Für die Entscheidung der Frage, ob die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen den bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff erfüllt, hält der Senat nunmehr für wesentlich, daß diese Zusammenfassung von Räumen eine, von anderen Wohnungen oder Räumen, insbesondere Wohnräumen, baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bildet. Es muß ein eigener Zugang bestehen. Darüber hinaus müssen die Räume eine bestimmte Mindestfläche aufweisen. Außerdem müssen grundsätzlich die notwendigen Nebenräume wie Küche, zumindest ein Raum mit Kochgelegenheit, ein Bad oder eine Dusche und eine Toilette vorhanden sein. Dagegen ist nicht erforderlich, daß in den Räumen tatsächlich ein selbständiger Haushalt geführt wird, der Küchenraum als Küche eingerichtet ist und als solche genutzt wird. Es genügt, wenn darin die Anschlüsse für solche Einrichtungs- und Ausstattungsgegenstände vorhanden sind, die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendig sind (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 1980 III R 46/78, BFHE 132, 99, BStBl II 1981, 152 ). Grundsätzlich ist jedoch erforderlich, daß die Räume Wohnzwecken dienen oder zu dienen bestimmt sind.
a) Nach dem Wortlaut von § 75 Abs. 5 und 6 BewG ist für die Artfeststellung Einfamilienhaus oder Zweifamilienhaus entscheidend, wieviele Wohnungen das Grundstück enthält. Bei Beurteilung dieser Frage sind die architektonische Zielsetzung und das äußere Erscheinungsbild des Wohngrundstücks nicht maßgebend (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 1974 III R 11/73, BFHE 112, 198, BStBl II 1974, 403 ). Entscheidend ist vielmehr grundsätzlich die innere bauliche Gestaltung. Die Worte "nur eine Wohnung enthalten" setzen eine konkrete, optisch wahrnehmbare, in sich abgeschlossene räumliche Einheit voraus. Ein Zweifamilienhaus ist ein Wohngrundstück, das nur zwei Wohnungen, also zwei Wohneinheiten im vorgenannten Sinne enthält. Da es auf den zahlenmäßigen Bestand der Wohnungen ankommt, muß es bei einem Zweifamilienhaus allein aufgrund der baulichen Gestaltung möglich sein, die einzelnen Wohnräume eindeutig auf zwei "Wohnungen" zu verteilen. Die Zuordnung eines Raumes zu einer bestimmten "Wohnung" entscheidet sich danach, ob er durch seine Lage Teil dieser bestimmten räumlichen Einheit ist. Auch bei der Frage, ob die Führung eines Haushalts möglich ist oder ob z. B. eine gewisse Mindestfläche erreicht ist, können grundsätzlich nur solche Räumlichkeiten zusammen beurteilt werden, die nach der baulichen Gestaltung zu einer Einheit zusammengefaßt sind. Welche Räumlichkeiten der Steuerpflichtige selbst nutzt, leerstehen läßt oder vermietet, ist grundsätzlich unerheblich. Nur wenn bei der Abgrenzung zwischen Ein- und Zweifamilienhaus auf die innere bauliche Gestaltung abgestellt wird, ist eine willkürliche, bewertungsrechtlich nicht begründete Änderung der Grundstücksart ausgeschlossen. Aus dieser Erwägung ergibt sich auch, daß der gegenseitige bauliche Abschluß zweier räumlicher Einheiten von einer gewissen Dauerhaftigkeit sein muß. Daran fehlt es, wenn die Trennung ohne besonderen Aufwand aufgehoben und wieder vorgenommen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juni 1979 III R 17/77, BFHE 129, 65, BStBl II 1980, 175 ). Diese Auffassung des erkennenden Senats entspricht auch dem modernen Wohnverständnis, wonach Räumlichkeiten, in denen die Führung eines selbständigen Haushalts möglich sein soll, von anderen Wohnungen und Wohnräumen baulich getrennt sein und einen eigenen Zugang aufweisen müssen. Nur bei einer solchen Gestaltung ergibt sich ein dauerhaft geschützter Wohnbereich. Insoweit unterscheidet sich eine Wohnung von bloßen Wohnräumen. Die Tendenz, bei der Abgrenzung zwischen Ein- und Zweifamilienhaus zunehmend auf die innere bauliche Gestaltung abzustellen, zeigt sich auch seit Jahren in der Rechtsprechung der FG (vgl. Entscheidungen des FG München vom 3. Juli 1980 IV 216/79, EFG 1980, 584, und vom 3. März 1983 IV 332/82 EW, EFG 1983, 443; FG des Saarlandes vom 27. Februar 1981 II 281/78, EFG 1981, 612; Hessisches FG vom 20. Januar 1983 III 259/82, EFG 1983, 442; FG Rheinland-Pfalz vom 16. Februar 1984 3 K 278/83, EFG 1984, 334).
Die Änderung der Wortfassung des § 75 Abs. 5 BewG gegenüber § 32 Abs. 1 Nr. 4 RBewDV steht dieser Auslegung nicht entgegen. Der erkennende Senat hat bereits entschieden, daß jedenfalls hinsichtlich der Bestimmung des Wohnungsbegriffs eine sachliche Änderung durch die Neufassung nicht eingetreten ist (vgl. BFHE 129, 65, 67, BStBl II 1980, 175 ).
b) Im übrigen hat der erkennende Senat seit Beginn seiner Rechtsprechung zum Wohnungsbegriff deutlich gemacht, daß entscheidend auf die innere bauliche Gestaltung des Wohngrundstücks abzustellen sei und daß nur während der Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse wegen der dadurch sich für den Wohnungsbestand ergebenden Auswirkungen eine abweichende Beurteilung angebracht gewesen sei (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juli 1951 III 35/51 U, BFHE 55, 442, BStBl III 1951, 176 , und Urteil in BFHE 62, 126, BStBl III 1956, 47 ). Bereits in seiner Entscheidung vom 9. Dezember 1970 III R 3/69 (BFHE 101, 266, BStBl II 1971, 230 ) hat der Senat die Nachkriegsverhältnisse zum Feststellungszeitpunkt 1. Januar 1967 grundsätzlich als überwunden angesehen. Er hielt es nur wegen des großen Altbestandes an Wohnungen - 49 v. H. des Gesamtbestandes stammten aus der Zeit vor 1948 - und wegen der Tatsache, daß ein Großteil der Neubauten ab 1949 als sog. Einfachwohnung errichtet worden ist, nicht für gerechtfertigt, bereits für diesen Zeitpunkt den baulichen Abschluß und einen eigenen Zugang als unabdingbar für den Wohnungsbegriff zu fordern.
c) Der Senat verkennt nicht, daß aufgrund der nunmehr vertretenen Rechtsauffassung zum Wohnungsbegriff Wohngrundstücke, die früher in der Verwaltungspraxis möglicherweise als Zweifamilienhäuser bewertet worden sind, bei gleicher baulicher Gestaltung künftig als Einfamilienhäuser zu bewerten sein werden. Dem steht § 27 BewG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift sind unter anderem bei Fortschreibungen und bei Nachfeststellungen der Einheitswerte für den Grundbesitz die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt zugrunde zu legen. Zweck dieser Vorschrift ist es, die Gleichmäßigkeit der Bewertung innerhalb eines Hauptfeststellungszeitraums zu sichern. Veränderungen des Wert- und Preisniveaus innerhalb eines Hauptfeststellungszeitraums sollen sich nicht auswirken (Rössler/Troll/Langner, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 13. Aufl., § 27 BewG Anm. 6). Alle auf das Wertniveau abgestellten Bewertungsfaktoren sind daher auf die Wertverhältnisse des letzten Hauptfeststellungszeitpunkts zurückzubeziehen. Hierzu rechnen nach der Rechtsprechung vor allem die allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und Verkehrsverhältnisse, die sich in dem allgemeinen Markt- und Preisniveau im Hauptfeststellungszeitpunkt niedergeschlagen haben (vgl. BFH-Urteil vom 12. März 1982 III R 63/79, BFHE 135, 341, BStBl II 1982, 451 ). Unter die Wertverhältnisse i. S. von § 27 BewG fallen nicht die die Grundstücksart begründenden Merkmale. Soweit die Artfeststellung Ein- oder Zweifamilienhaus an die bauliche Gestaltung des Wohngrundstücks und an die Zahl der Wohnungen anknüpft, handelt es sich nicht um Wertverhältnisse in dem vorstehend umschriebenen Sinne, die sich in dem allgemeinen Markt- und Preisniveau im Hauptfeststellungszeitpunkt niedergeschlagen haben. Dem steht nicht entgegen, daß die Einordnung eines Wohngrundstücks in die Grundstücksart Ein- oder Zweifamilienhaus wegen der Auswirkungen auf die Vervielfältiger und die Jahresrohmiete auch Einfluß auf die Höhe des Einheitswerts hat. Insoweit handelt es sich um eine bloße Folgewirkung von Bewertungsfaktoren, die mit dem allgemeinen Markt- und Preisniveau im Hauptfeststellungszeitpunkt nichts zu tun haben.
3. Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze im Streitfall ergibt, daß das Wohngrundstück der Kläger zum Fortschreibungszeitpunkt nur eine Wohnung enthält, da es an einem baulichen Abschluß der Wohnbereiche fehlt. Die Frage, welche bauliche Gestaltung gegeben sein muß, um die Voraussetzungen der baulichen Abgeschlossenheit zu erfüllen, kann nicht allgemein beantwortet werden. Dazu sind die gestalterischen Möglichkeiten zu vielfältig. Entgegen der Auffassung des FG reicht es für die Annahme einer baulichen Abgeschlossenheit nicht ohne weiteres aus, daß die Räumlichkeiten, die eine Wohnung darstellen sollen, auf je einem eigenen Stockwerk liegen. Dem FG ist zwar zuzustimmen, daß im Streitfall durch die Lage der Räume und die besondere Gestaltung des Treppenaufgangs eine gewisse bauliche Trennung zwischen den beiden Wohnbereichen vorhanden ist. Während der Wohnbereich im Obergeschoß noch zu einem gewissen Grad als abgeschlossen betrachtet werden könnte, läßt sich eine bauliche Abgeschlossenheit des Wohnbereichs im Erdgeschoß nicht bejahen. Die Diele am Hauseingang kann nicht allein dem Wohnbereich des Erdgeschosses zugerechnet werden; sie eröffnet nach ihrer baulichen Funktion den ungehinderten Zugang sowohl zu den einzelnen Räumen dieses Geschosses als auch zu denen des Obergeschosses. Eine bauliche Abgeschlossenheit des Wohnbereichs im Erdgeschoß ließe sich nur annehmen, wenn die Räume dieses Wohnbereichs ihrerseits gegenüber der Diele baulich abgeschlossen wären. Dies ist jedoch nicht der Fall. Von der Diele aus können, wegen der offenen Bauweise, sowohl das Eßzimmer als auch das Wohnzimmer ungehindert betreten werden. Bei einer solchen inneren baulichen Gestaltung kann jedenfalls im Erdgeschoß von einem dauerhaft geschützten Wohnbereich nicht ausgegangen werden.
II.
Auch nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes kann die Revision keinen Erfolg haben.
1. Die Kläger haben nichts dazu vorgetragen, daß das FA im Rahmen des konkreten Falles durch Willensäußerungen oder durch sonstiges Verhalten die Gestaltung des Wohngrundstücks beeinflußt habe und sich nun zu diesem Verhalten in Widerspruch setze.
2. Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg auf abweichende Verwaltungsvorschriften und auf die seitherige Rechtsprechung des BFH berufen. Danach konnte nur in Fällen eindeutiger baulicher Gestaltung auf eine eingerichtete und benutzbare Küche verzichtet werden (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 1980 III R 46/78, BFHE 132, 99, BStBl II 1981, 152 ; Abschn. 24 Abs. 2 der Grundsteuer-Richtlinien 1974 und Abschn. 15 Abs. 3 der Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens; gleichlautender Erlaß der obersten Finanzbehörden der Länder vom 5. Oktober 1979, Steuererlasse in Karteiform, Bewertungsgesetz 1965, § 75 Nr. 11). Diese Voraussetzungen erfüllt das streitbefangene Grundstück nicht. Zwar waren in dem als Küche bezeichneten Raum des Obergeschosses die Anschlüsse vorhanden. Es fehlten jedoch die notwendigen Einrichtungen und Ausstattungen.
3. Wie zu entscheiden wäre, wenn - anders als im Streitfall - ein Steuerpflichtiger unter Beachtung der Verwaltungsvorschriften und der seitherigen Rechtsprechung sein Wohngrundstück als Zweifamilienhaus gestaltet hätte, kann der Senat im vorliegenden Fall offenlassen. Er ist jedoch der Auffassung, daß die Finanzverwaltung gehalten sein könnte, die in einem solchen Falle auftretenden Härten durch eine Anpassungsregelung zu mildern.
Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da das Grundstück als Einfamilienhaus zu bewerten ist, war die Klage als unbegründet abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Fundstellen
BStBl II 1985, 151 |
BFHE 1985, 505 |
NJW 1985, 1184 |