Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung Dienstreise - Incentivereise mit ausscheidbaren Kosten
Leitsatz (NV)
Ergibt die -- grundsätzlich einheitlich zu treffende -- Wertung, daß die Kosten einer auf einem Kreuzfahrtschiff mit leitenden Angestellten durchgeführte Konferenzreise als Arbeitslohn anzusehen sind, können im Einzelfall abgrenzbare Kostenteile mit ausschließlich betriebsfunktionaler Zielsetzung davon ausgenommen werden.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) beschäftigte im Streitjahr 1991 40 Arbeitnehmer, davon waren 13 Arbeitnehmer in leitender Funktion tätig. Für diese leitenden Mitarbeiter veranstaltete die Klägerin vom 3. bis 6. Oktober 1991 im Rahmen einer Reise nach Helsinki und Stockholm eine sog. Führungskonferenz. In dem Einladungsschreiben des Geschäftsführers an die leitenden Mitarbeiter heißt es u. a.:
"Da wir ja übereingekommen waren ... , den neuen Tag der Deutschen Einheit (3. 10. 1991) miteinzubringen, wollte ich als Kompensation für die aufgebrachte Freizeit einmal etwas Attraktives bieten, welches auch den persönlichen Geschmack anspricht. So habe ich mich entschlossen, Ihnen eine kombinierte Luft-/ Schiffsreise nach Helsinki und Stockholm anzubieten ... . Ich plane, insbesondere die Produktpolitik in den Vordergrund unserer zweiten diesjährigen Führungskonferenz zu stellen ... . Ich begreife also unsere Reise nicht nur als ein vergnügliches gemeinsames Erlebnis, sondern auch insbesondere als ein dienstliches Ereignis, zu dem ich ausnahmslos Ihre Teilnahme erwarte und als notwendig für unsere Seminarziele voraussetze."
Die Reise, an der sämtliche leitenden Angestellten ohne Freizeitausgleich oder Bezahlung für die drei dienstfreien Tage teilnahmen, hatte folgenden Verlauf:
Am Donnerstag, dem 3. Oktober 1991, flog die Gruppe nach Helsinki. Nach der Ankunft begann um 12.30 Uhr eine Stadtrundfahrt; um 16.00 Uhr erfolgte die Einschiffung auf einem Kreuzfahrtschiff, das durch entsprechende Räumlichkeiten und technische Einrichtungen die Möglichkeit für Konferenzen an Bord bot. Die Konferenz wurde an diesem Tag in der Zeit von 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr durchgeführt.
Am 4. Oktober 1991 wurde die Tagung auf See nach dem Frühstück von 9.00 Uhr bis in den Nachmittag, unterbrochen von einer einstündigen Mittagspause, fortgesetzt. Am Nachmittag erreichte das Schiff Stockholm, wo man ein Hotel bezog und anschließend die Konferenz bis 18.30 Uhr fortsetzte.
Am Samstag, dem 5. Oktober 1991, wurde vormittags planmäßig eine Stadtrundfahrt durch Stockholm durchgeführt. Nach dem Mittagessen begann um 13.00 Uhr eine weitere Konferenz im Hotel, die am Nachmittag für die erneute Einquartierung auf dem Kreuzfahrtschiff unterbrochen wurde. Nach der Einquartierung gegen 16.00 Uhr wurde die Konferenz bis 18.00 Uhr fortgesetzt.
Am Sonntag, dem 6. Oktober 1991, fand wiederum nach dem Frühstück in der Zeit von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr eine Tagung an Bord statt. Das Mittagessen wurde in Helsinki eingenommen; um 17.00 Uhr trat man den Rückflug an.
Im Anschluß an eine Lohnsteuer-Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) davon aus, daß die für die Reise aufgewendeten Kosten wegen des touristischen Charakters der Reise als Lohnzuwendungen an die leitenden Mitarbeiter zu qualifizieren seien. Mit Haftungsbescheid nahm das FA die Klägerin auf Zahlung einer nach den persönlichen Merkmalen der leitenden Mitarbeiter errechneten Lohnsteuer, evangelischen und katholischen Kirchensteuer sowie des Solidaritätszuschlags als Haftungsschuldnerin in Anspruch.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 273 veröffentlichten Gründen statt.
Mit der Revision begehrt das FA die Aufhebung der Vorentscheidung und die Abweisung der Klage. Dazu trägt es im wesentlichen vor: Entgegen der Auffassung des FG habe für die Arbeitnehmer keine Pflicht zur Teilnahme an der Konferenzreise bestanden. Zwar sei die Teilnahme der Arbeitnehmer von der Geschäftsleitung gewünscht worden, hieraus lasse sich eine arbeitsvertragliche Verpflichtung aber nicht ableiten. Soweit der Geschäftsführer der Klägerin vor dem FG vorgetragen habe, bei einer Nichtteilnahme hätte der entsprechende Arbeitnehmer mit einer Rückstufung rechnen müssen, handele es sich um eine pauschale Behauptung, die von ihm -- dem FA -- bestritten worden sei. Gegen die Annahme einer Teilnahmeverpflichtung spreche auch, daß zur Teilnahme an der Reise nur solche Arbeitnehmer ausgewählt worden seien, die aufgrund ihrer Position in der Firma und des Bestrebens weiterzukommen, ohnehin freiwillig an der Reise teilgenommen hätten. Das FG habe ferner zu Unrecht ein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse der Klägerin an der Durchführung der Reise bejaht. Zum einen gehe aus der Einladung der Reiseteilnehmer hervor, daß ihnen als Ausgleich für die aufgebrachte Freizeit etwas außerordentlich Attraktives habe geboten werden sollen. Die touristischen Elemente der Reise mit Stadtrundfahrten durch Helsinki und Stockholm und mit dem Aufenthalt auf einem mit Freizeiteinrichtungen ausgestattetem Kreuzfahrtschiff sprächen eindeutig gegen ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Klägerin.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Aus den Reisebedingungen gehe hervor, daß auf dem Kreuzfahrtschiff Konferenzräume angemietet worden und reserviert gewesen seien. Das Schiff sei als Konferenzschiff konzipiert und entsprechend eingerichtet. Für Freizeitattraktionen habe den Teilnehmern in nur sehr geringem Umfang Zeit zur Verfügung gestanden. Entgegen der Auffassung des FA hätten gegenüber unentschuldigt ferngebliebenen Arbeitnehmern arbeitsrechtliche Konsequenzen wie die Abmahnung ergriffen werden können. Ferner hätte sie, die Klägerin, die Möglichkeit gehabt, fehlende Arbeitnehmer innerhalb des Betriebes umzusetzen, was zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen der weiteren Karriere dieser Mitarbeiter geführt hätte. Dieser Sachvortrag sei im übrigen vom FA im finanzgerichtlichen Verfahren nicht bestritten worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sind die Aufwendungen der Klägerin für die Schiffs reise dem Grunde nach als Arbeitslohn zu beurteilen.
1. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats erfüllt eine geldwerte Zuwendung des Arbeitgebers an seinen Arbeit nehmer den Lohnbegriff des § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG), wenn sie Entlohnungscharakter für das zur Ver fügungstellen der Arbeitskraft hat. Kein Arbeitslohn liegt hingegen vor, wenn sich der zugewendete geldwerte Vorteil bei objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweist. Steht der mit der Zuwendung verfolgte betriebliche Zweck derart im Vordergrund, daß bei wertender Beurteilung ein damit einhergehendes Interesse des Arbeitnehmers an der Erlangung des betreffenden Vorteils vernachlässigt werden kann, so ist der Vorteil im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gewährt und keine Gegenleistung "für" Dienste des Arbeitnehmers. Das Ergebnis der Gesamtwürdigung ist regelmäßig in dem Sinne einheitlich, daß die Zuwendung entweder Arbeitslohn darstellt oder im betrieblichen Eigeninteresse erfolgt. Bei der Würdigung einer vom Arbeitgeber bezahlten Reise, die den Lohncharakter erfüllt, kommt eine Aufteilung der Kosten auf Arbeitslohn und auf Zuwendungen im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Kosten rein betriebsfunktionaler Elemente sich leicht und eindeutig von sonstigen Zuwendungen mit Entlohnungscharakter abgrenzen lassen (zuletzt Senatsurteil vom 9. August 1996 VI R 88/93, BFHE 181, 76, BStBl II 1997, 97).
2. Der Senat folgt dem FG nicht darin, die Reiseaufwendungen seien insgesamt als im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin getätigt zu bewerten und erfüllten daher nicht den Lohnbegriff. Im Streitfall sind trotz des betrieblich veranlaßten Erfahrungsaustausches und der damit verbundenen Festlegung der weiteren Geschäftsstrategie keine betriebsfunktionalen Gründe dafür ersichtlich, daß die dienstlichen Besprechungen auf einer Kreuzfahrt stattfinden mußten. Die Kreuzfahrt war, wie sich auch aus dem Einladungsschreiben der Klägerin entnehmen läßt, auch dadurch veranlaßt, den teilnehmenden Mitarbeitern ein besonderes Erlebnis zu verschaffen. Abgesehen davon, daß einer Schiffsreise der vorliegenden Art schon ein Erlebniswert für sich innewohnt (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 14. Juli 1988 IV R 57/87, BFHE 154, 312, BStBl II 1989, 19), wird die Reise durch die Besichtigungen der Städte Helsinki und Stockholm verstärkt einer privaten Urlaubsreise vergleichbar. Diesen Umständen kommt ein derartiges Eigengewicht zu, daß die daraus den Arbeitnehmern erwachsenen Vorteile gegenüber dem eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin an der Durchführung der Konferenzreise nicht derart in den Hintergrund treten, daß die Vorteilsgewährung als im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin liegend gewertet werden könnte. An diesem Ergebnis vermag auch eine bestehende Teilnahmepflicht der Arbeitnehmer nichts zu ändern.
3. Da die Vorentscheidung von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif und geht daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Die Klägerin hatte für ihre Arbeitnehmer eine Konferenzreise gebucht. Damit ist nicht auszuschließen, daß in den auf die einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Kostenanteilen auch abgrenzbare Positionen, wie z. B. Miete für zu beruflichen Zwecken genutzte Konferenzräume, enthalten sind (vgl. Urteil in BFHE 181, 76, BStBl II 1997, 97). Da das FG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung keine Veranlassung hatte, entsprechende Feststellungen zu treffen, wird es diese im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 422092 |
BFH/NV 1997, 401 |