Entscheidungsstichwort (Thema)
(Kein ermäßigter Steuersatz für den Betreiber einer Sportanlage und Freizeitanlage, der seine Einrichtungen und Leistungen Clubmitgliedern gegen monatliches Pauschalentgelt zur Verfügung stellt - einheitliche oder aufteilbare Leistung)
Leitsatz (amtlich)
Der Betreiber eines Sport- und Freizeitzentrums, der seine Einrichtungen und Leistungen sog. Clubmitgliedern gegen ein monatliches Pauschalentgelt --unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme-- zur Verfügung stellt, verabreicht keine Heilbäder und erbringt keine unmittelbar mit dem Betrieb eines Schwimmbads verbundenen Umsätze, wenn zu der Anlage außer einem Schwimmbad und einer Sauna noch weitere nicht von § 12 Abs.2 Nr.9 UStG 1980 erfaßte Einrichtungen gehören. Diese eigenständige Leistung fällt unter keine Begünstigungsvorschrift.
Orientierungssatz
Umsatzsteuerrechtlich ist eine einheitliche Leistung anzunehmen, wenn deren einzelne Faktoren so ineinandergreifen, daß sie bei natürlicher Betrachtung hinter dem ganzen zurücktreten. Hingegen läßt sich ein auf einem Gesamtvertrag beruhendes Leistungsverhältnis umsatzsteuerrechtlich aufteilen, wenn hierin mehrere ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach selbständige und voneinander unabhängige Einzelleistungen zusammengefaßt sind. Eine einheitliche, nicht aufteilbare Leistung kann nicht schon aufgrund der Erwägung bejaht werden, daß sie auf einem einheitlichen Vertrag beruht und gegen ein einheitliches Entgelt erfolgt. Entscheidend ist vielmehr der wirtschaftliche Gehalt der erbrachten Leistungen (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 9
Verfahrensgang
FG Hamburg (Entscheidung vom 28.04.1992; Aktenzeichen II 94/90) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH. Sie betreibt eine Sport- und Freizeitanlage in Form eines Clubs. Sie bietet den Clubmitgliedern gegen Entrichtung einer Aufnahmegebühr sowie eines nach Vertragsdauer gestaffelten monatlichen Beitrages eine Vielzahl von Leistungen an zur "physischen und psychischen Harmonisierung des Benutzers". Diesem Zweck dienen eine Gymnastikhalle, ein Gymnastikstudio, ein Kraftraum mit den dort angebotenen Kursen und Betreuungsleistungen, ein Schwimmbad und Whirlpool, verschiedene Sauna- und Dampfbäder sowie Ruhe- und Kommunikationszonen. Daneben gibt es Einrichtungen und Leistungen, für die von den jeweiligen Nutzern ein zusätzliches Entgelt zu entrichten ist, nämlich Bräunungsliegen, Massagen, Maniküren, Kosmetik, Pediküren, einen Friseur sowie eine Clubbar, in der Speisen und Getränke erhältlich sind.
Die Klägerin untergliedert ihren Betrieb in einen sog. Naßbereich und einen Trockenbereich.
Zum Naßbereich rechnet sie das Schwimmbad mit dem Whirlpool, die Sauna- und Dampfbäder, das Tauchbecken mit den dazugehörigen Duschen, WCs, Umkleideräumen und Nebenräumen sowie die im Naßbereich von ihr angebotenen Dienstleistungen (z.B. Aquarobic). Sie vertritt die Auffassung, der Naßbereich diene Umsätzen, die unmittelbar mit dem Betrieb des Schwimmbads verbunden seien, sowie der Verabreichung von Heilbädern; für diese Umsätze ermäßige sich die Steuer gemäß § 12 Abs.2 Nr.9 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 auf 7 v.H. Die Parteien haben sich darauf verständigt, daß im Streitjahr (1989) von den Umsätzen der Klägerin aus den Bruttomitgliedsbeiträgen 55 v.H. dem Naßbereich und 45 v.H. dem übrigen Bereich zuzurechnen sind.
Gemäß einer bis zum Jahre 1988 von der Finanzverwaltung geduldeten Übung ordnete die Klägerin ihre aus "Mitgliedsbeiträgen" erzielten Umsätze zu 75 v.H. dem Naßbereich zu und versteuerte dementsprechend 75 v.H. dieser Umsätze mit dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs.2 Nr.9 Satz 1 UStG 1980 und die restlichen 25 v.H. mit dem Regelsteuersatz.
Im Streitjahr (1989) folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) nicht mehr den Umsatzsteuer-Voranmeldungen der Klägerin, sondern unterwarf die gesamten angemeldeten Umsätze der Umsatzsteuer mit dem vollen Steuersatz.
Hiergegen legte die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage ein. Während des Klageverfahrens erging der Umsatzsteuer-Jahresbescheid, den die Klägerin gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens machte. Gleichzeitig schränkte sie ihren Klageantrag dahingehend ein, daß sie nur noch für 55 v.H. der Mitgliedsbeiträge den ermäßigten Steuersatz begehrte. Das FA beantragte, die auf 116 881 DM festgesetzte Umsatzsteuer auf 100 828 DM herabzusetzen.
Die Klage hatte in vollem Umfang Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 1993, 112 veröffentlicht ist, vertrat die Auffassung, daß die Klägerin ihren "Mitgliedern" gegenüber keine einheitliche Leistung erbracht habe, sondern eine Vielzahl von Leistungen, die in dem von der Klägerin angegebenen Umfang unmittelbar mit dem Betrieb ihres Schwimmbads verbunden gewesen seien oder der Verabreichung von Heilbädern gedient hätten. Als Heilbäder seien in Übereinstimmung mit Abschn.171 Abs.3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 1992 u.a. "Saunabäder, Dampf- und Heißluftraumbäder" anzusehen, ohne daß im Einzelfall ein bestimmter Heilzweck nachzuweisen sei oder eine ärztliche Verordnung vorliegen müsse.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es bleibt bei seiner Auffassung, daß die Klägerin ihren Mitgliedern --soweit streitig-- einheitliche Leistungen erbracht habe, die nicht in Leistungen aufgeteilt werden könnten, die zum Teil den Tatbestand des § 12 Abs.2 Nr.9 Satz 1 UStG 1980 erfüllten und zum Teil nicht. Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit die Klägerin die Herabsetzung der Umsatzsteuer auf einen niedrigeren Betrag als 100 828 DM begehrt.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage im Rahmen des Revisionsantrags.
1. Die Klägerin hat an die "Clubmitglieder" Leistungen gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs.1 Nr.1 UStG 1980 erbracht. Dabei ist nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt davon auszugehen, daß es sich bei dem "Mitgliedsbeitrag" bereits zivilrechtlich um ein echtes Benutzungsentgelt aufgrund eines gegenseitigen Vertrages zwischen der Klägerin und dem einzelnen "Mitglied" handelt und nicht um Gesellschafterbeiträge. Im übrigen steht auch ein Gesellschaftsverhältnis einem Leistungsaustausch i.S. des § 1 Abs.1 Nr.1 UStG 1980 nicht entgegen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Juli 1985 V R 107/76, BFHE 145, 244, BStBl II 1986, 153).
2. Die Steuer für die Umsätze beträgt nach § 12 Abs.1 UStG 1980 14 v.H. der Bemessungsgrundlage.
Entgegen der Auffassung des FG kann der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs.2 Nr.9 Satz 1 UStG 1980 keine Anwendung finden, weil die Klägerin keine unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze und keine Umsätze durch die Verabreichung von Heilbädern ausgeführt hat. Unternehmensgegenstand der Klägerin ist kein Leistungsbündel aus begünstigten und nicht begünstigten Leistungen, sondern nur eine Leistung besonderer Art, die nicht unter die vorbezeichnete Begünstigungsvorschrift fällt.
a) Umsatzsteuerrechtlich ist eine einheitliche, nicht aufteilbare Leistung anzunehmen, wenn deren einzelne Faktoren so ineinandergreifen, daß sie bei natürlicher Betrachtung hinter dem Ganzen zurücktreten. Hingegen läßt sich ein auf einem Gesamtvertrag beruhendes Leistungsverhältnis umsatzsteuerrechtlich aufteilen, wenn hierin mehrere ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach selbständige und voneinander unabhängige Einzelleistungen zusammengefaßt sind. Eine einheitliche, nicht aufteilbare Leistung kann nicht schon aufgrund der Erwägung bejaht werden, daß sie auf einem einheitlichen Vertrag beruht und gegen ein einheitliches Entgelt erfolgt. Entscheidend ist vielmehr der wirtschaftliche Gehalt der erbrachten Leistungen (vgl. BFH-Urteile vom 1. Oktober 1981 V R 34/76, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1982, 32, und vom 26. März 1992 V R 16/88, BFHE 168, 458, BStBl II 1992, 929).
b) Der wirtschaftliche Gehalt der Leistungen der Klägerin an ihre "Mitglieder" bestand in der Bereitstellung ihrer Einrichtungen und Leistungen zur Nutzung während der Öffnungszeiten des "Clubs". Wie sich aus den tatsächlichen Feststellungen des FG ergibt, verlangte die Klägerin die "Mitgliedsbeiträge" als Entgelt für die Eröffnung der Möglichkeit, ihre gesamten Einrichtungen und Leistungen in Anspruch zu nehmen, soweit kein zusätzliches Nutzungsentgelt zu zahlen war. Die Eröffnung der Nutzungsmöglichkeit sollte dem physischen und psychischen Wohl des einzelnen Leistungsempfängers dienen. Sie umfaßte Einrichtungen und Leistungen im Trocken- und im Naßbereich. Das "Mitglied" erwarb mit der Entrichtung des "Mitgliedsbeitrags" das Recht, dieses Angebot in seiner Gesamtheit in Anspruch zu nehmen. In der Bereitstellung ihrer Einrichtungen und Leistungen bestand der Umsatz der Klägerin.
Unerheblich ist, ob und in welchem Umfang das "Mitglied" die ihm zur Verfügung gestellten Einrichtungen und Leistungen auch tatsächlich in Anspruch nahm. Dies lag in seinem Belieben und entzog sich weitgehend der Kontrolle der Klägerin. So erbrachte sie z.B. an das "Mitglied", das von der Möglichkeit, das Schwimmbad zu benutzen, keinen Gebrauch machte, bei natürlicher Betrachtung keinen unmittelbar mit dem Betrieb des Schwimmbades verbundenen Umsatz. Umgekehrt erschöpfte sich ihre Leistung auch dem Mitglied gegenüber, das nur das Schwimmbad benutzte und von den anderen ihm offenstehenden Möglichkeiten keinen Gebrauch machte, nicht in der Erbringung von unmittelbar mit dem Betrieb des Schwimmbads verbundenen Umsätzen. Vielmehr liegt eine einheitliche Leistung vor, die durch die Möglichkeit, alle Einrichtungen zu nutzen, geprägt wird.
c) Nach denselben Grundsätzen hat der BFH bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die ihren Kurgästen gegen Entrichtung der Kurtaxe eine Vielzahl von Kureinrichtungen und Veranstaltungen anbot, die Orchesterdarbietungen nicht nach § 4 Nr.20 Buchst.a UStG 1967 als steuerfrei angesehen (BFH in UR 1982, 32). Mit der Bereitstellung der Kureinrichtungen erbrachte sie jedem Kurgast gegenüber eine einheitliche Leistung, gleichgültig ob er die einzelne Kureinrichtung oder Veranstaltung in Anspruch nahm oder nicht. Demnach führte sie auch gegenüber den Besuchern der Kurkonzerte keine gesonderte steuerfreie Leistung aus.
Ähnlich ist es, wie das FA zu Recht geltend macht, im Streitfall. Anders kann die Rechtslage hingegen in den Fällen sein, in denen der Leistungsempfänger vom Leistenden ein Leistungspaket bezieht. Ein solcher Fall liegt z.B. vor, wenn ein Motorsportunternehmen einem Rennfahrer einen kompletten Rennservice zur Verfügung stellt. In derartigen Fällen ist unter Gesamtwürdigung aller Umstände zu prüfen, ob die einzelnen Leistungsbestandteile so hinter dem Ganzen zurücktreten, daß eine einheitliche Leistung vorliegt (vgl. BFH in BFHE 168, 458, BStBl II 1992, 929). Im Streitfall ist eine eigenständige Leistung bereits deshalb gegeben, weil die steuerbare Leistung wesentlich durch die Zurverfügungstellung der Einrichtungen und Leistungen unabhängig von ihrer tatsächlichen Inanspruchnahme geprägt wird.
Die Gegenmeinung, die bei vergleichbaren Sachverhalten eine Aufteilung der Leistungen für möglich hält (vgl. z.B. Oberfinanzdirektion Saarbrücken, Verfügung vom 13. März 1991 S 7243-1-St 24 1, UR 1991, 360), berücksichtigt nicht ausreichend, daß bei Aufteilbarkeit der Leistung auch eine entsprechende Aufteilung des Gesamtentgelts möglich sein müßte. Diese kann nicht im Belieben des leistenden Unternehmers liegen. Das Entgelt für den einzelnen Umsatz bestimmt sich vielmehr danach, was der Leistungsempfänger für den einzelnen Umsatz aufwendet (§ 10 Abs.1 Satz 2 UStG 1980). Dieser hat im vorliegenden Fall seinen Mitgliedsbeitrag für die Gesamtheit der ihm hierdurch eröffneten Nutzungsmöglichkeiten erbracht, ohne daß eine Aufteilung auf die einzelnen Nutzungen objektiv und konkret möglich ist. Hieran kann auch eine "tatsächliche Verständigung" zwischen den Prozeßparteien nichts ändern.
Fundstellen
BFH/NV 1995, 4 |
BStBl II 1994, 959 |
BFHE 175, 471 |
BFHE 1995, 471 |
BB 1994, 2411 |
BB 1995, 552 |
BB 1995, 552-553 (LT) |
DB 1995, 558 (LT) |
DStR 1994, 1848 (KT) |
HFR 1995, 96 (LT) |
StRK, R.2 (LT) |
UVR 1995, 21 (L) |
BuW 1994, 859 (K) |
UStR 1995, 137-138 (KT) |