Leitsatz (amtlich)
Besuchen Angestellte einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse auf Aufforderung der Sparkassenleitung in ihrer Freizeit Gaststätten, deren Inhaber Kunden der Sparkasse sind, zur Kirchweihzeit, so ist der Ersatz von Verzehraufwendungen durch die Sparkasse kein lohnsteuerfreier Auslagenersatz.
Normenkette
EStG § 12 Nr. 1; LStDV § 4 Nr. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine öffentliche Sparkasse, ließ ihre an den Schaltern tätigen Angestellten und die Angehörigen ihrer Geschäftsleitung in den Streitjahren 1964 bis 1968 während der Kirchweihzeit zur dienstfreien Zeit die Gaststätten besuchen, mit denen sie geschäftlich in Verbindung stand. Die Gaststätten am Ort der Hauptstelle wurden von Angestellten der Hauptstelle, die Gaststätten am Ort der Zweigstellen und in deren Einzugsbereich von Bediensteten der Zweigstellen besucht. Familienangehörige durften mitgenommen werden. Die Verzehrkosten wurden nur bis zu einem bestimmten Satz ersetzt. Er betrug im Jahr 1964 für den einzelnen Bediensteten je Gaststättenbesuch 10 DM und ab dem Jahre 1965 unabhängig davon, wieviel Bedienstete sich an dem Besuch der Gaststätte beteiligt hatten, je Gaststätte 15 DM. Die Sparkassenleitung legte die von der Hauptstelle zu besuchenden Gaststätten in einer Übersicht fest und teilte den Bediensteten jeweils zwei Gaststätten zu, die sie - nach ihrem Ermessen einzeln oder zusammen mit Kollegen oder mit Angehörigen - zu einer ihnen genehmen Zeit besuchen sollten. Sie ließen sich dort Kassenzettel über die Verzehrkosten ausstellen, die sie der Klägerin vorlegten. Über die obigen Pauschsätze hinausgehende Beträge wurden nicht ersetzt. Bei den Zweigstellen ging man vielfach in kleineren Gruppen von zwei oder drei Personen in die Gasthäuser des Einzugsgebiets der Zweigstellen. Die Beträge von bis zu 15 DM je besuchter Gaststätte wurden vom Zweigstellenleiter auf Grund vorgelegter Belege bei der Hauptstelle eingezogen.
Das FA sah die den Belegschaftsmitgliedern ersetzten Aufwendungen für die Zeit von 1964 bis 1968 als steuerpflichtigen Arbeitslohn an und forderte von der Klägerin durch Haftungsbescheid die Lohnsteuern und Lohnkirchensteuern nach. In der Einspruchsentscheidung vom 15. September 1970 schied es lediglich die irrtümlich zuviel erfaßten Beträge aus.
Die Klage hatte nur teilweise Erfolg. Das FG führte aus, soweit die Bediensteten der Klägerin bei den Gaststättenbesuchen zur Kirchweihzeit den im Lokal anwesenden sonstigen Sparkassenkunden Biere, Schnäpse oder ähnliches spendiert hätten, sei der Ersatz solcher Aufwendungen nicht lohnsteuerpflichtig, da die Bediensteten hierdurch nicht bereichert worden seien. Auf diesen Auslagenersatz entfielen schätzungsweise 20 v. H. der von der Klägerin getragenen Aufwendungen. Im übrigen sei die Lohnsteuerpflicht der Aufwendungen zu bejahen. Es sei in kleinstädtischen und dörflichen Gemeinden allgemeiner Brauch, daß die Einwohner zur Kirchweihzeit Gastwirtschaften aufsuchten, um dort gesellig beisammen zu sein. Es entspreche daher der Lebenserfahrung, daß zumindest ein erheblicher Teil der Bediensteten der Klägerin ohnehin zu den örtlichen Kirchweihzeiten Gaststätten besucht hätten. Bei einem wesentlichen Teil der Bediensteten hätten die Kosten für den Verzehr über den von der Klägerin gewährten Pauschsätzen gelegen. Sie hätten mithin wegen der zumindest teilweisen Übernahme der Aufwendungen Ausgaben erspart, die sie sonst wahrscheinlich aus eigenen Mitteln gemacht hätten. Ob sie sich im Einzelfall mit größerer oder geringerer Freude an den Gastwirtschaftsbesuchen beteiligt hätten, sei insgesamt gesehen ohne Bedeutung. Diese Besuche seien nicht als Dienstgeschäfte oder Dienstgänge anzusehen; denn sie gehörten nicht zu den Dienstobliegenheiten von Bankangestellten, zumal sie außerhalb der Dienstzeit stattgefunden hätten. Die Bediensteten hätten hierzu auch nicht gezwungen werden können. Daß ihnen bestimmte Gaststätten "zugeteilt" gewesen seien, sei ohne Bedeutung, weil hierbei Beziehungen der Belegschaftsmitglieder zu den Inhabern der Gaststätten berücksichtigt worden seien. Die Leiter oder stellvertretenden Leiter der Sparkasse und ihrer Zweigstellen hätten vielleicht häufiger Gaststätten zur Kirchweihzeit besuchen müssen und dies nicht immer als angenehme Pflicht betrachtet. Da auch bei ihnen die Kosten der einzelnen Besuche gering gewesen und durch die Einnahme von Mahlzeiten in den Gaststätten eigene Aufwendungen erspart worden seien, könnten für diesen Personenkreis keine andere Grundsätze als für die übrigen Bediensteten der Klägerin gelten. Der Gaststättenbesuch diene zwar aus der Sicht der Klägerin Werbezwecken. Er sei andererseits für die Belegschaftsmitglieder vorteilhaft gewesen.
Die Klägerin rügt mit der Revision unrichtige Anwendung des § 4 Nr. 4 LStDV. Sie bringt vor, sie habe bestimmte Bedienstete beauftragt, vorgeschriebene Gaststätten zur Kirchweihzeit aufzusuchen, um dort für sie werbend in Erscheinung zu treten. Als ländliche Sparkasse sei die Kontaktpflege zu Kunden intensiver und andersartiger als bei Sparkassen in Großstädten. Die Bediensteten hätten gegenüber dem Gastwirt stets bekanntgeben müssen, daß sie im Auftrag der Sparkasse kämen, und sie hätten den Auftrag gehabt, im Lokal anwesende Kunden mit zu bewirten. Ob und in welche Gaststätten sie während der Kirchweihzeit evtl. sonst hingegangen wären, sei nicht aufklärbar. Daß die Rechnungen der Gaststätten oftmals einen höheren Betrag als 15 DM ausgewiesen hätten, sei kein Indiz dafür, daß ihre Bediensteten die Besuche aus Privatinteresse gemacht hätten. Denn es sei unüblich und unzweckmäßig, einem Gastwirt zu sagen, man dürfe nur eine Zeche bis zu 15 DM für die Sparkasse machen. Teilweise habe die Zeche weniger als 15 DM betragen. Dann wäre den Bediensteten nur der geringere Betrag vergütet worden. Ob sie durch dieses Dienstgeschäft bereichert worden seien, sei zweifelhaft. Kürze man den Erstattungsbetrag von 15 DM für zwei Personen entsprechend dem Urteil des FG um einen Abschlag von 20 v. H., dann verblieben nur 12 DM für den Besuch einer Gaststätte. Da sie, die Klägerin, ein eigenes Interesse daran gehabt habe, daß ihre Bediensteten die Besuche durchführten, lägen Dienstgänge vor. Jeder Bedienstete müsse, wenn er auch dienstrechtlich nicht dazu gezwungen werden könne, daran teilnehmen, wenn er Interesse an seinem beruflichen Fortkommen habe. Durch die tatsächliche Übernahme dieser Dienstaufgabe sei sie zu einer Dienstobliegenheit geworden. Werbemaßnahmen der Sparkasse seien ausschließlich betrieblich veranlaßt. Die Art der Werbemittel bzw. Werbemaßnahmen müsse ihr überlassen bleiben. Sie habe auf Grund langjähriger Erfahrung die Überzeugung gewonnen, daß die von ihr durchgeführten Aktionen der Gaststättenbesuche einen erheblichen Geschäftserfolg erbracht hätten. Dieser Vorgang könne teilweise mit dem sogenannten Kundschaftstrinken i. S. des Urteils des BFH vom 11. Dezember 1963 VI 340/62 U (BFHE 78, 246, BStBl III 1964, 98) verglichen werden.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den streitigen Auslagenersatz steuerfrei zu lassen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Nach § 4 Nr. 4 LStDV gehören nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn die Beträge, durch die Auslagen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber ersetzt werden (Auslagenersatz). Es muß sich um Ausgaben eines Arbeitnehmers handeln, die dieser im Namen und für Rechnung des Arbeitgebers oder im eigenen Namen, aber für Rechnung des Arbeitgebers gemacht hat. Es darf kein eigenes Interesse des Arbeitnehmers an den Ausgaben bestanden haben. Sie müssen vielmehr ausschließlich oder doch bei weitem überwiegend durch die Belange des Arbeitgebers bedingt, von diesem veranlaßt oder gebilligt sein (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 27. Februar 1959 VI 271/57 U, BFHE 68, 601, BStBl III 1959, 230; vom 10. Juni 1966 VI 261/64, BFHE 86, 642, BStBl III 1966, 607, und Entscheidung des Großen Senats des BFH zu § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17).
Ein Auslagenersatz kann trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen aber nach den Grundsätzen des § 12 Nr. 1 EStG lohnsteuerpflichtig sein, wenn in ihm Beträge enthalten sind, mit denen Kosten der Lebenshaltung des Arbeitnehmers ersetzt werden, z. B. bei Ersatzleistungen für Mahlzeiten (vgl. Oeftering-Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, § 4 LStDV Bl. 15, 3). Kann der Arbeitnehmer bei seinen Einkünften Ausgaben nicht als Werbungskosten abziehen, weil es sich um Aufwendungen für die Lebensführung nach § 12 Nr. 1 EStG handelt, die seine wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung seines Berufs oder seiner Tätigkeit erfolgen, so kann ein Ersatz solcher Auslagen nicht nach § 4 Nr. 4 LStDV als lohnsteuerfrei behandelt werden. Auf die enge Verbindung zwischen dem Werbungskostenbegriff und dem Auslagenersatz hat der Senat in anderem Zusammenhang insbesondere im Urteil vom 5. November 1971 VI R 207/68 (BFHE 103, 472, BStBl II 1972, 137) hingewiesen.
Von diesen Grundsätzen ist auch im Streitfall auszugehen. Das FG hat festgestellt, daß ein erheblicher Teil der Bediensteten der Klägerin ohnehin zu den jeweiligen örtlichen Kirchweihzeiten Gaststätten aufzusuchen pflegen. Der Senat ist an diese der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechende Feststellung gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO), da die Klägerin hiergegen keine begründeten Revisionsgründe vorgebracht hat. Die Bediensteten der Klägerin haben mithin durch die teilweise Übernahme der Aufwendungen durch die Klägerin Ausgaben der allgemeinen Lebensführung erspart, die sie sonst mit hinreichender Wahrscheinlichkeit aus eigenen Mitteln gemacht hätten. Das gilt nach den zutreffenden Ausführungen des FG auch für die Leiter oder stellvertretenden Leiter der Sparkasse oder Zweigstellenleiter, die häufiger Gaststätten zur Kirchweihzeit besuchen mußten als andere Bedienstete der Klägerin, so daß sie solche Besuche nicht immer als angenehme Pflicht betrachtet haben mögen. Sind die Ausgaben für Gaststättenbesuche zur Kirchweihzeit mithin beim Arbeitnehmer Kosten der allgemeinen Lebensführung i. S. von § 12 Nr. 1 EStG und daher keine Werbungskosten, so ist der Ersatz dieser Kosten durch die Klägerin als Arbeitgeberin auch kein steuerfreier Auslagenersatz. Dem steht nicht entgegen, daß die Bediensteten auf Aufforderung der Klägerin gehandelt haben. Wäre die Klägerin nämlich keine öffentliche Sparkasse, sondern eine Einzelunternehmerin, so könnten eigene Aufwendungen dieser Art zur Kirchweihzeit ebensowenig als Betriebsausgaben anerkannt werden.
Die Klägerin beruft sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf das BFH-Urteil VI 340/62 U. Der erkennende Senat hat dort ausgeführt, daß Aufwendungen für das sogenannte "Kundschaftstrinken" in einer Gaststätte nur dann Betriebsausgaben sind, wenn der für die Lebensführung übliche Aufwand überschritten und ein ausschließlicher Zusammenhang mit dem Betrieb einwandfrei dargelegt wird. Er hat in dieser Entscheidung darauf hingewiesen, es könne durch die Art des Betriebes bedingt sein, daß ein Gewerbebetreibender seine Kunden in deren Betrieben aufsuche und dort als Kunde auftrete, um bestehende Beziehungen zu pflegen oder neue zu knüpfen. Die betriebliche Veranlassung müsse objektiv feststellbar und nachprüfbar sein. Ein objektiver Zusammenhang könne durch die Branchenüblichkeit dargetan werden; das Verhältnis der Aufwendungen zu den erzielten oder erzielbaren Einnahmen könne ebenfalls eine Rolle spielen. So sei es allgemein bekannt, daß z. B. Brauereivertreter in den von ihnen "betreuten" Gastwirtschaften oft größere Zechen machten, als sie aus persönlichen Gründen machen würden. In Fällen dieser Art könne man darum in bestimmten Grenzen den Abzug solcher Ausgaben als Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht versagen. Andererseits seien Kosten des Besuchs einer guten Gaststätte anläßlich eines Faschingsfestes oder einer ähnlichen Veranstaltung auch für Gewerbetreibende in der Regel zur Lebensführung zu rechnen, selbst wenn sie zu den Gaststättenbesitzern, Veranstaltern usw. in geschäftlichen Beziehungen ständen.
Im Streitfall kann das Verhältnis der Aufwendungen zu den erzielten oder erzielbaren Einnahmen der Klägerin keine Lohnsteuerfreiheit des Auslagenersatzes rechtfertigen. Ausgaben für einen Verzehr von 15 DM jährlich je Gaststätte durch Bedienstete der Klägerin dürften nach allgemeiner Lebenserfahrung keinerlei Einfluß auf den Entschluß der Gaststätteninhaber haben, weiterhin Kunden der Klägerin zu bleiben. Im übrigen kann auch der Ersatz von Beträgen durch öffentliche Sparkassen für Gaststättenbesuche ihrer Bediensteten bei Volksfesten, zu denen die Kirchweih zählt, in der Bundesrepublik Deutschland nicht als branchenüblich angesehen werden. Eine solche Verwendung der den öffentlichen Sparkassen von breiten Bevölkerungsschichten anvertrauten Spargelder würde auch den gemeinnützigen, nicht auf Erzielung von Gewinn gerichteten Aufgaben der Sparkassen widersprechen (vgl. § 2 der Bayerischen Sparkassenordnung vom 6. Dezember 1956, Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1956 S. 321). Es mag sein, daß privatrechtliche Banken, die im Tätigkeitsbereich der Klägerin Zweigniederlassungen unterhalten, ihre Bediensteten zur Kirchweihzeit ebenfalls zu Gaststättenbesuchen ihrer Kunden anhalten. Sie haben jedoch, soweit dem Senat bekannt ist, mit der Finanzverwaltung eine Vereinbarung über die pauschale Lohnversteuerung des Ersatzes dieser Aufwendungen getroffen.
Fundstellen
Haufe-Index 71760 |
BStBl II 1976, 231 |
BFHE 1976, 470 |