Leitsatz (amtlich)
Betreibt ein Steuerpflichtiger - durch Anregung, Aufstellung von Entwürfen und aktive Verfolgung der inhaltlich von ihm bestimmten Pläne (als Entwürfe) - die Aufstellung eines Bebauungsplanes durch die Gemeinde, so liegt in der dem Bebauungsplan entsprechenden Parzellierung einer zum Verkauf vorgesehenen Grundstücksfläche und in der anschließenden Veräußerung von Grundstücken nach Maßgabe dieses Planes die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit durch den Steuerpflichtigen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 14, 15 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1 Abs. 1
Tatbestand
Der verstorbene Ehemann der Revisionsklägerin (Steuerpflichtiger) betrieb auf einem seit dem Jahre 1881 im Familienbesitz befindlichen Anwesen die Landwirtschaft. Nach den Feststellungen im Steuerfahndungsbericht vom 30. Januar 1964 begann er im Jahre 1950 mit dem Verkauf von Bauland. Er ließ in den Jahren 1955 und 1959 durch einen Architekten zwei Pläne (als "Bebauungspläne" bezeichnet) aufstellen, die nach Darstellung im Steuerfahndungsbericht von der Gemeinde mit geringfügigen Änderungen genehmigt wurden; dabei fielen insgesamt 31 Parzellen an. Bis zum Jahre 1962 einschließlich führte der Steuerpflichtige 41 Grundstücksverkäufe über rund 4,65 ha durch (einschließlich der Überlassung von rund 0,1 ha an die Gemeinde und von rund 0,2 ha an seine Tochter), davon in den noch streitigen Jahren 1958: 10 Verkäufe, 1959: 2 Verkäufe, 1961: 4 Verkäufe, 1962: 1 Verkauf.
In Auswertung des Steuerfahndungsberichts sah der Revisionsbeklagte (das FA) die vorgenannten Grundstücksverkäufe als gewerbliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen an. Er berichtigte dementsprechend die Veranlagung des Steuerpflichtigen für die Jahre 1958, 1959, 1961 und führte die Erstveranlagung für das Jahr 1962 dementsprechend durch (Bescheide vom 23. März 1964).
Einspruch und Klage des Steuerpflichtigen blieben ohne Erfolg. Das FG führte aus:
Gemäß § 2 Abs. 1 GewStG und § 1 Abs. 1 GewStDV sei gewerblich tätig, wer sich selbständig, nachhaltig und mit Gewinnerzielungsabsicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteilige, wenn die Betätigung u. a. nicht als Ausübung der Landwirtschaft anzusehen sei. Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall vor.
Daß der Steuerpflichtige selbständig, nachhaltig und mit Gewinnerzielungsabsicht tätig geworden sei, sei unbestritten und entspreche der Sach- und Rechtslage, wie sie sich aus dem Verkauf einer Vielzahl von Grundstücken ergebe. Er habe aber auch in einer Weise, die nicht mehr als Ausübung der Landwirtschaft angesehen werden könne, am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen. Richtig sei zwar, daß die Parzellierung allein nicht ausreichen würde, den Grundstücksgeschäften gewerblichen Charakter zu verleihen. Denn im Rahmen sowohl eines landwirtschaftlichen Betriebes als auch zur Vermögensanlage und -verwaltung seien Grundstücksgeschäfte durchaus üblich, denen gegebenenfalls Parzellierungen vorangehen müßten. Die Tätigkeit des Steuerpflichtigen sei jedoch über den Verkauf vorher parzellierter Flächen hinausgegangen. Er habe diese Flächen nicht als landwirtschaftliche Nutzflächen, sondern als Bauland nach Maßgabe zweier in den Jahren 1955 und 1959 erstellter Bebauungspläne veräußert. Daß der Steuerpflichtige diese Bebauungspläne - wie sich aus der schriftlichen Auskunft der Gemeinde vom 18. Februar 1964 ergebe - auf deren Veranlassung von einem Architekten habe erstellen lassen, spreche nicht gegen die gewerbliche Betätigung. Denn entscheidend seien nicht die Ursachen oder Motive für die Aufstellung der Bebauungspläne, sondern die in diesem Zusammenhang durchgeführten Verkäufe von Parzellen, die zur Bebauung geeignet und bestimmt gewesen seien. Damit habe sich der Steuerpflichtige nach Auffassung des Gerichts gewerblich betätigt. Ob er, wie das FA behaupte, bei der Erschließung auch noch durch die Anlage behelfsmäßiger Wege, durch Anfahren von Kies und durch unentgeltliche Grundstücksabtretungen für öffentliche Zwecke mitgewirkt habe, könne daher dahingestellt bleiben. Die von den Beteiligten hierfür angebotenen Beweise hätten unter diesen Umständen nicht erhoben zu werden brauchen. Dasselbe gelte auch für die vom Steuerpflichtigen bestrittene Behauptung des FA, daß bei den Grundstücksgeschäften teilweise und zumindest vorübergehend ein Grundstücksmakler eingeschaltet gewesen sei.
Gegen diese Entscheidung wandte sich der Steuerpflichtige und wendet sich nunmehr die Revisionsklägerin mit der Revision, zu deren Begründung vorgetragen wird:
Gewinne aus dem Verkauf landwirtschaftlich genutzten Grund und Bodens blieben nach § 4 Abs. 1, § 5 und § 14 EStG bei der Gewinnermittlung außer Betracht. Ein Landwirt, der Teile seines Grundbesitzes veräußere, werde nach der Verkehrsauffassung auch dann nicht zum gewerbsmäßigen Grundstückshändler, wenn es sich um zahlreiche Einzelverkäufe handele und durch die Verkäufe nicht unbeträchtliche Gewinne erzielt würden (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 21 zu § 15 EStG, Stichwort: Parzellierung). Etwas anderes gelte erst dann, wenn der Landwirt seinen Grundbesitz durch Baureifmachung - insbesondere durch die Aufstellung eines Bebauungsplanes, den Bau von Wegen, die Anlage einer Kanalisation oder durch sonstige Erschließungsmaßnahmen - in Baugelände umzugestalten beginne und zu diesem Zweck das Gelände in einzelne Parzellen aufteile und diese an Interessenten veräußere. Davon könne jedoch im Streitfall keine Rede sein.
Abgesehen davon, daß in der Parzellierung für sich allein noch keine Baureifmachung liege, sei die "Baureifmachung" im Streitfall nicht durch den Steuerpflichtigen erfolgt, sondern eine Folge der städtebaulichen Entwicklung. Die Stadt R. sei sozusagen um das landwirtschaftliche Anwesen des Steuerpflichtigen herumgewachsen. Dadurch sei sein Grundbesitz in den Zusammenhang mit dem bebauten Ortsteil geraten und somit gemäß § 34 des Bundesbaugesetzes (BBauG) vom 23. Juni 1960 (BStBl I 1960, 446) kraft Gesetzes Bauland geworden. Es sei unverständlich, wie man unter diesen Umständen behaupten könne, die Baureifmachung sei durch den Steuerpflichtigen erfolgt. Dieser habe lediglich sein Vermögen umgeschichtet, da er älter geworden sei und sich durch Krankheit gehindert gesehen habe, seinen Betrieb in dem bisherigen Umfang weiterzuführen.
Es treffe auch nicht zu, daß der Steuerpflichtige aus eigenem Antrieb zum Zwecke der Parzellierung Bebauungspläne habe erstellen lassen. Diese Pläne habe er erst anfertigen lassen, als die Gemeinde ihm eine entsprechende Auflage gemacht habe, um die Bebauung in diesem Gebiet überblicken zu können. Es habe sich dabei nicht um einen Bebauungsplan im technischen Sinne gehandelt, sondern lediglich um eine Zeichnung, in der die einzelnen Grundstücke und die zwischen ihnen hindurchführenden Wege eingezeichnet gewesen seien, d. h. um eine Skizze vermessungstechnischer Natur, die mit einer Baureifmachung nicht das mindeste zu tun gehabt habe. Bereits vor der Erstellung dieser Skizze sei der Grundbesitz des Steuerpflichtigen vollwertiges Bauland gewesen, für das ohne weiteres eine Baugenehmigung zu bekommen gewesen sei.
Schließlich habe dem Steuerpflichtigen auch der Wille gefehlt, ein Gewerbe zu betreiben und mit diesem nach außen hin für Dritte erkennbar in Erscheinung zu treten. Der Steuerpflichtige sei Landwirt geblieben, habe keine werbende Tätigkeit ausgeübt und lediglich Land abgegeben, wenn Interessenten bei ihm vorgesprochen hätten.
Die Revisionsklägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen. Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Die Frage, unter welchen Umständen die Veräußerung von bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen durch einen Landwirt als Bauland die vom FG zutreffend wiedergegebenen Voraussetzungen für die Annahme eines Gewerbebetriebs erfüllt, hat die Rechtsprechung bereits wiederholt beschäftigt, zuletzt in den Urteilen des BFH IV R 164/68 vom 5. Dezember 1968 (BFH 94, 457, BStBl II 1969, 236, und IV R 132/68 vom 13. März 1969, BFH 95, 488, BStBl II 1969, 483). Danach liegt ein Gewerbebetrieb solange nicht vor, als die in Verfolg der Grundstücksverkäufe entfaltete Tätigkeit auf diejenigen Maßnahmen beschränkt bleibt, die für den reinen Verkauf der Grundstücke erforderlich sind und zu denen auch die technisch bedingte Parzellierung der zum Verkauf bereitgestellten Grundstücksfläche rechnet. Der Rahmen der danach steuerunschädlichen Maßnahmen wird jedoch überschritten, wenn der Landwirt - oder jeder andere private Eigentümer - auf eigene Kosten Entwürfe für einen Bebauungsplan aufstellen läßt oder die Aufstellung und Feststellung eines Bebauungsplanes für das seine Grundstücksfläche einschließende Gebiet durch die zuständige Behörde betreibt; mit dieser Maßnahme beginnt die Baureifmachung des zum Verkauf bereitgestellten Geländes (BFH-Urteile IV 5/59 U vom 28. September 1961, BFH 74, 80, BStBl III 1962, 32; I 417/61 vom 15. Juni 1965, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gewerbesteuergesetz § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 238).
Dagegen vermag - entgegen der Ansicht des FA - die Zahl der Verkäufe für sich allein die Annahme eines Gewerbebetriebes nicht zu rechtfertigen, auch nicht unter dem Gesichtspunkt, daß der Verkäufer der Grundstücke - wie das FA meint - durch die große Zahl der Verkäufe in Wettbewerb mit anderen gerät.
2. Wenn sich die Revisionsklägerin auf die Vorschriften des BBauG beruft, so will sie damit offenbar gleichwohl nicht zum Ausdruck bringen, daß der Steuerpflichtige mit seinen Maßnahmen - sei es im Rahmen, sei es trotz Fehlens eines gemeindlichen Bebauungsplanes - ein bestimmtes Vorhaben verfolgte, das die Errichtung baulicher Anlagen zum Gegenstand hatte und einer bauaufsichtlichen Genehmigung oder Zustimmung bedurfte (§§ 29 ff. BBauG), zumal das BBauG für die Aufstellung der Pläne von 1955 und 1959 noch nicht bestimmend war. Soweit die Aufstellung dieser Pläne - als Bebauungspläne verstanden - indes auf eine Auflage der Gemeinde zurückzuführen sein soll, eine Einlassung, die durch die Ausführungen der Gemeinde in ihrer Bescheinigung vom 18. Februar 1964 offenbar bestätigt wird, spricht sie gegen die Darstellung des Steuerpflichtigen und der Revisionsklägerin, daß diese Pläne keine Bebauungspläne, sondern nur Skizzen vermessungstechnischer Natur gewesen seien.
Die Aufstellung von Bebauungsplänen ist grundsätzlich Sache der zuständigen Gemeinde, nicht eines einzelnen Bürgers. Wenn deshalb der Steuerpflichtige tatsächlich der Gemeinde Entwürfe für Bebauungspläne und nicht nur vermessungstechnische Skizzen vorgelegt hat, so wird es entscheidend darauf ankommen, ob die Aufstellung der Pläne - als Entwürfe - und ihre spätere Feststellung durch die Gemeinde vom Steuerpflichtigen oder von der Gemeinde betrieben worden ist. Dabei ist als "Betreiben" seitens des Steuerpflichtigen sowohl die Anregung als auch (zusätzlich) die Verfolgung des von ihm inhaltlich bestimmten Planes mit Rücksicht auf seine eigenen wirtschaftlichen Interessen zu verstehen. Soweit der Steuerpflichtige die Aufstellung des Bebauungsplanes in diesem Sinne selbst betrieben hat, ist in der Aufstellung der Pläne durch die Gemeinde, in der ihnen entsprechenden Parzellierung der zum Verkauf vorgesehenen Grundstücksfläche und in der anschließend erfolgten Veräußerung von Grundstücken nach Maßgabe dieser Pläne die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit durch den Steuerpflichtigen zu sehen.
Das FG hat über den Charakter der vom Steuerpflichtigen in Auftrag gegebenen Pläne keine klaren Feststellungen getroffen. Sollten sie Entwürfe für Bebauungspläne gewesen sein, die der Gemeinde zur Feststellung vorgelegt wurden, wird zu prüfen sein, inwieweit ihre Feststellung auf einem "Betreiben" des Steuerpflichtigen beruht. Da nach den vorliegenden Akten insoweit eine zweifelsfreie Entscheidung nicht möglich ist, war die Sache zur weiteren Aufklärung und erneuten Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Sollte sich bei der erneuten Verhandlung vor dem FG herausstellen, daß der Steuerpflichtige die Aufstellung des Bebauungsplanes nicht "betrieben" hat, wird das FG den Behauptungen des FA nachgehen müssen, der Steuerpflichtige habe bei der Erschließung durch die Anlage behelfsmäßiger Wege und durch unentgeltliche Grundstücksabtretungen mitgewirkt und vorübergehend auch einen Grundstücksmakler eingeschaltet. Zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Erschließung des Baulandes durch den Verkäufer ein Merkmal für dessen gewerbliche Tätigkeit sein kann, wird auf das BFH-Urteil IV R 132/68, a. a. O., Bezug genommen.
3. Die Hinweise der Revisionsklägerin auf die Vorschriften des EStG (insbesondere § 4 Abs. 1, § 5, § 14) über den Ansatz des Wertes von Grund und Boden in der Bilanz gehen fehl, da der Steuerpflichtige für seinen landwirtschaftlichen Betrieb ausweislich der Akten keine Bücher geführt hat, vielmehr nichtbuchführender Landwirt war.
Was die Rechtsausführungen der Revisionsklägerin zur Teilnahme des Steuerpflichtigen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr betrifft, so setzt diese nicht voraus, daß der Steuerpflichtige den Willen hatte, gewerblich tätig zu werden.
Fundstellen
Haufe-Index 68830 |
BStBl II 1970, 61 |
BFHE 1970, 120 |