Leitsatz (amtlich)
1. Eine doppelte Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG ist nicht mehr gegeben, wenn zwar die Ehefrau und gemeinsame Kinder in der Wohnung am bisherigen Wohnort verbleiben, der Steuerpflichtige aber am Beschäftigungsort auf Dauer mit einer anderen Frau und einem gemeinsamen Kind in einem eigenen Hausstand lebt.
2. Das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige den Familienhausstand am bisherigen Wohnort weiterführt, der Hausstand mit den vorgenannten Personen am Beschäftigungsort aber den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen bildet.
Orientierungssatz
Ein Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG ist bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Partner mit mindestens einem gemeinsamen Kind auf Dauer in einer Wohnung zusammenleben, falls in der Wohnung hauswirtschaftliches Leben i.S. des BFH-Urteils vom 9.11.1971 VI R 285/70 herrscht, an dem sich der Steuerpflichtige maßgeblich persönlich und wirtschaftlich beteiligt (Literatur).
Normenkette
EStG 1981 § 9 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 1 S. 3 Nr. 5
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist türkischer Staatsangehöriger und in Berlin (West) tätig. Seine Ehefrau lebt mit drei gemeinsamen Kindern in der Türkei.
Der Kläger machte in seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1981 Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ die Aufwendungen nicht zum Abzug zu. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Während des Klageverfahrens wurde bekannt, daß der Kläger an seinem Beschäftigungsort Berlin (West) mit einer Frau ständig zusammenlebt und aus dieser Verbindung ein am 7.Januar 1976 geborenes Kind stammt. Der Kläger trägt hierzu vor, die eheliche Lebensgemeinschaft bestehe trotzdem weiter. Seine Ehefrau habe seine Beziehung zur Lebensgefährtin gebilligt. Er besuche jedes Jahr seine Familie in der Türkei und beteilige sich persönlich wie wirtschaftlich am dortigen Haushalt. Im Jahr 1978 sei ein weiteres eheliches Kind geboren worden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus, eine doppelte Haushaltsführung sei zu verneinen, wenn der Steuerpflichtige am Beschäftigungsort einen eigenen Hausstand unterhalte (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21.Januar 1972 VI R 95/71, BFHE 104, 193, BStBl II 1972, 262, und vom 29.November 1974 VI R 77/73, BFHE 115, 23, BStBl II 1975, 459). Dementsprechend sei im Streitfall eine doppelte Haushaltsführung nicht gegeben. Der Kläger habe am Beschäftigungsort einen eigenen Hausstand. Er lebe dort in nichtehelicher Gemeinschaft mit einer Frau und einem gemeinsamen Kind mindestens seit dessen Geburt am 7.Januar 1976 in einer gemeinsamen Wohnung, deren Einrichtung ihm, dem Kläger, gehöre und die den Lebensbedürfnissen der genannten Personen entspreche. In der Wohnung herrsche hauswirtschaftliches Leben, an dem der Kläger sich persönlich und wirtschaftlich maßgebend beteilige. Es könne dahingestellt bleiben, ob zwischen ihm und seiner Ehefrau noch eine eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft bestehe und ob die Unterhaltszahlungen an sie und sein Besuch bei ihr einer maßgeblichen persönlichen und wirtschaftlichen Beteiligung am gemeinsamen Familienhaushalt gedient habe.
Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Revision ein. Er rügt die unzutreffende Anwendung des § 9 Abs.1 Nr.5 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Er habe einen Haushalt am Beschäftigungsort in Berlin (West) aus beruflichem Anlaß gegründet. Er unterhalte in der Türkei ebenfalls einen eigenen Haushalt mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern; an dem Haushalt beteilige er sich auch maßgeblich finanziell wie persönlich. Ob er allein oder zusammen mit einem Partner oder eine Partnerin in einer Wohnung am Beschäftigungsort lebe, ändere nichts an der Tatsache, daß ihm durch das Führen von zwei Haushalten beruflich veranlaßte Mehraufwendungen entständen. Die vom FG erwähnten Urteile des BFH seien auf den Streitfall nicht anwendbar, da sie andere Sachverhalte beträfen.
Der Kläger beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Denn das FG hat zu Recht das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung verneint.
Nach § 9 Abs.1 Nr.5 EStG gehören zu den bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbaren Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Nach Satz 2 dieser Vorschrift liegt eine doppelte Haushaltsführung vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Orts, in dem er einen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und am Beschäftigungsort wohnt. Es muß mithin aus beruflichem Anlaß zu einer Aufsplitterung einer bisher einheitlichen Haushaltsführung auf zwei getrennte Haushalte kommen, nämlich auf einen Haushalt in der bisherigen Wohnung und einen in der Wohnung bzw. Unterkunft am Beschäftigungsort (vgl. z.B. Urteile des BFH vom 2.Februar 1979 VI R 108/75, BFHE 127, 37, BStBl II 1979, 338, und vom 13.August 1987 IV R 130/85, BFHE 151, 30, BStBl II 1988, 53).
Hat ein Steuerpflichtiger einen eigenen Hausstand am Beschäftigungsort gegründet, so ist nach der Rechtsprechung des Senats trotz Beibehaltung der Familienwohnung am früheren Beschäftigungsort eine doppelte Haushaltsführung nicht mehr gegeben, wenn der Arbeitnehmer den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in den Hausstand am Beschäftigungsort verlegt hat. Das FG hat sich insoweit zu Recht auf die Urteile des Senats in BFHE 104, 193, BStBl II 1972, 262 und in BFHE 115, 23, BStBl II 1975, 459 bezogen. Die Urteile betreffen allerdings nicht den gleichen Sachverhalt, wie er hier vorliegt. Die erstgenannte Entscheidung erging zu einem Fall, in dem ein verheirateter Steuerpflichtiger an seinem Beschäftigungsort in einer dafür geeigneten eigenen Wohnung mit seinen Familienangehörigen einen eigenen Hausstand unterhielt, er aber die Wohnung am früheren Beschäftigungsort beibehielt, in dem seine Ehefrau sich zeitweise aufhielt. Bei der anderen Entscheidung unterhielten die Eheleute am Beschäftigungsort in einer familiengerechten Wohnung ebenfalls einen Haushalt; in der beibehaltenen Wohnung lebte jedoch eine von den Eheleuten unterstützte Angehörige, die die minderjährige Tochter der Eheleute versorgte und erzog. In beiden Fällen hat der Senat darauf abgestellt, daß der Hausstand am Beschäftigungsort der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen geworden war, weil er dort ständig mit seiner Ehefrau zusammenlebte und seiner Arbeit nachging.
Diese Grundsätze, an denen der Senat festhält, sind auf den Streitfall entsprechend anzuwenden.
Beim Kläger war ursprünglich aus beruflichem Anlaß eine doppelte Haushaltsführung dadurch entstanden, daß er in Berlin (West) eine Beschäftigung als Arbeitnehmer aufnahm und seine Familie, bestehend aus Ehefrau und den gemeinsamen Kindern, in seinem Hausstand in der Türkei zurückließ. Dadurch, daß der Kläger am Beschäftigungsort Berlin (West) wohnte, erfolgte eine Aufsplitterung der bisher einheitlichen Haushaltsführung der Eheleute.
Diese doppelte Haushaltsführung fand nach der Vorentscheidung dadurch ihr Ende, daß der Kläger nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG spätestens seit Januar 1976 am Beschäftigungsort Berlin (West) mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind einen neuen Hausstand gründete. Dieser rechtlichen Würdigung des FG tritt der Senat mit der Maßgabe bei, daß ein Hausstand i.S. des § 9 Abs.1 Nr.5 Satz 2 EStG bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn die Partner mit mindestens einem gemeinsamen Kind auf Dauer in einer Wohnung zusammenleben, falls in der Wohnung hauswirtschaftliches Leben im Sinne des BFH-Urteils vom 9.November 1971 VI R 285/70 (BFHE 103, 498, BStBl II 1972, 148) herrscht, an dem der Kläger sich maßgeblich persönlich und wirtschaftlich beteiligt (so auch Hartz/Meeßen/Wolff, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort doppelte Haushaltsführung, Abschn.A IV 2).
Das FG hat die Frage dahingestellt sein lassen, ob entsprechend dem Vorbringen des Klägers im Streitjahr 1981 noch eine eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft mit der in der Türkei lebenden Ehefrau fortbestand und die Unterhaltszahlungen an sie und der Besuch bei ihr der maßgeblichen persönlichen und wirtschaftlichen Beteiligung am gemeinschaftlichen Familienhaushalt diente, oder ob der Kläger seine Familie gleichsam als Getrenntlebender besucht und unterhalten hat. Der Senat kann diese Frage ebenfalls offenlassen. Sollte nämlich insoweit von dem Sachvortrag des Klägers auszugehen und deshalb entsprechend den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung (vgl. z.B. Urteil vom 2.September 1977 VI R 114/76, BFHE 123, 444, BStBl II 1978, 26) eine Weiterführung des Familienhausstandes am bisherigen Wohnort in der Türkei zu bejahen sein, so würde dies am Ergebnis der Entscheidung nichts ändern. Der Kläger hätte dann im Streitjahr 1981 zwei Hausstände unterhalten. Ebenso wie bei Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte im Rahmen des § 9 Abs.1 Nr.4 EStG (vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 13.Dezember 1985 VI R 7/83, BFHE 145, 386, BStBl II 1986, 221) ist auch im Rahmen des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG entsprechend den vorstehend genannten Grundsätzen des Senats in den Urteilen in BFHE 104, 193, BStBl II 1972, 262 und in BFHE 115, 23, BStBl II 1975, 459 beim Führen von zwei Hausständen darauf abzustellen, welcher als Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers anzusehen ist (a.A. Entscheidung des FG Münster vom 22.Juni 1977 V-VIII 2374/74 L, Entscheidungen der Finanzgerichte 1978, 18; v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr.G 212). Nach der Lebenserfahrung ist im Streitfall der Hausstand des Klägers in Berlin (West) in 1981 als der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen anzusehen, da er sich mindestens seit Januar 1976 dort zusammen mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind fast ausschließlich aufhält und von dort täglich seiner Arbeit in Berlin (West) nachgeht, während er seine Ehefrau in der Türkei hingegen im Streitjahr nur einmal besuchte.
Fundstellen
BStBl II 1988, 582 |
BFHE 152, 533 |
BFHE 1988, 533 |
DB 1988, 1526-1526 (ST) |
DStZ 1989, 49 (KT) |
HFR 1988, 442 (LT1-2) |
WPg 1988, 481-481 |
StRK, R. 26 (LT1-2) |
FR 1988, 362 (ST1-2) |
Information StW 1988, 330 (T) |
NJW 1988, 2262 |
NJW 1988, 2262-2263 (LT) |
DStZ/E 1988, 206 (S1-2) |
FamRZ 1988, 836-836 (S) |