Leitsatz (amtlich)
Ein Bescheid über die einheitliche Feststellung des Gewinns bzw. der Einkünfte einer Gesellschaft, die möglicherweise eine GdbR ist, ist auch dann richtig adressiert, wenn er im Anschriftenfeld in Übereinstimmung mit der Handhabung der Gesellschafter die Gesellschaft als OHG bezeichnet und sich alle Gesellschafter eindeutig als Adressaten aus dem für die Verteilung des Gewinns bzw. der Einkünfte vorgesehenen Teil des Bescheids ergeben.
Normenkette
AO § 91 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die S X-OHG (OHG) - Klägerin und Revisionsbeklagte - entstand zum 1. Januar 1949 durch Eintritt des V X in das seit 1945 von seinem Sohn S X betriebene Einzelunternehmen. Am Gewinn und Verlust waren S X mit 60 v. H. und V X mit 40 v. H. beteiligt. Die OHG übertrug mit Vertrag vom 14. September 1953 zum 1. Januar 1953 das Handelsunternehmen mit Ausnahme des Betriebsgrundstücks auf ihren Gesellschafter S X, der es seither als Einzelunternehmen unter der Firma "....haus X, Inh. S X" fortführt. Die OHG beschränkte sich auf die Vermietung des ihr verbliebenen Grundstücks an die Einzelfirma. Durch Vertrag vom 4. Januar 1960 vereinbarten die Gesellschafter mit der Ehefrau des Gesellschafters S X, Frau F X, daß diese ab 1. Januar 1960 als weitere persönlich haftende Gesellschafterin in die OHG eintrete. Ihre mit 20 v. H. festgesetzte Beteiligung am Gewinn und Verlust wurde von der bisherigen Beteiligung des Gesellschafters V X abgespalten. Die nicht in der OHG mitarbeitende Gesellschafterin erbrachte erst im September 1962 eine Kapitaleinlage, als mit Wirkung vom 1. Januar 1962 von den Kapitalkonten der beiden Gesellschafter Beträge auf ihr Kapitalkonto übertragen wurden.
Die OHG gab in der Erklärung zur einheitlichen Feststellung der Einkünfte für 1960 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 28 447 DM an, die nach ihrer Ansicht entsprechend dem Vertrag vom 4. Januar 1960 auf die drei Gesellschafter zu verteilen waren. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) erkannte die Beteiligung von Frau F X wegen Fehlens einer Einlage nicht an und rechnete in dem an die "Firma S X OHG" gerichteten Feststellungsbescheid 1960 ihren Anteil dem Gesellschafter V X hinzu. Auch im Einspruchsverfahren lehnte das FA die Anerkennung einer Beteiligung von Frau F X an der OHG ab.
Auf die Klage hob das FG den Gewinnfeststellungsbescheid vom 7. August 1962 sowie die Einspruchsentscheidung vom 10. November 1965 auf und führte aus, der an die S X OHG gerichtete Feststellungsbescheid sei bereits deshalb unrichtig adressiert gewesen, weil die Gesellschaft auch handelsrechtlich keine OHG, sondern eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) gewesen sei. Nur die Gesellschafter, nicht aber die GdbR als solche hätten in dem Bescheid, der in seiner Anschrift die Namen aller Gesellschafter zu enthalten habe, angegeben sein müssen. Die Angabe der Namen der Gesellschafter bei der Feststellung über die Gewinnverteilung reiche zur Kennzeichnung der Adressaten nicht aus. Eine Heilung des Mangels in der Anschrift (§ 9 VwZG) sowie eine entsprechende Umdeutung der Anschrift komme nicht in Betracht. Selbst wenn die Gesellschaft als OHG anzusehen wäre, bliebe zweifelhaft, ob der angefochtene Bescheid richtig adressiert gewesen sei.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 91 AO und trägt vor, das FG habe unterlassen, durch Auslegung zu ermitteln, an wen der Feststellungsbescheid 1960 seinem Inhalt nach gerichtet gewesen sei. Durch die Verwendung einer Sammelbezeichnung im Anschriftenfeld in Zusammenhang mit der Angabe der einzelnen Gesellschafter auf der Innenseite des Bescheids sei den Anforderungen des § 91 AO Genüge getan. Es könne nicht darauf ankommen, ob die von den Gesellschaftern gewählte und vom FA - soweit dies rechtlich möglich sei - zu übernehmende Sammelbezeichnung bürgerlich-rechtlich zutreffend sei. Der angefochtene Bescheid sei auch materiell-rechtlich richtig, denn die OHG führe einen ruhenden Gewerbebetrieb, dessen Aufgabe von den Gesellschaftern bisher noch nicht erklärt worden sei. Das FG habe wegen seiner abweichenden Auffassung die vorliegenden Tatsachen nicht gewürdigt und sich lediglich auf die Auslegung des Vertrags vom 14. September 1953 gestützt.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage gegen den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid abzuweisen, soweit die Anerkennung der Frau F X als Gesellschafterin der OHG begehrt wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung durch das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG ist unzutreffend davon ausgegangen, der angefochtene Feststellungsbescheid könne mangels richtiger Adressierung keine Rechtswirkung für die Gesellschafter der GdbR, für die der Bescheid bestimmt gewesen sei, entfalten.
Verfügungen das FA für einzelne Personen werden dadurch wirksam, daß sie demjenigen zugehen, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind (§ 91 Abs. 1 Satz 1 AO).
Ein Bescheid, der nicht erkennen läßt, an wen er sich richtet, ist unwirksam.
Die Rechtsprechung hat sich schon mehrfach mit der Frage befaßt, wann ein Bescheid den richtigen Adressaten nennt. Der II. Senat des BFH hat in dem Urteil vom 17. März 1970 II 65/63 (BFHE 99, 96, BStBl II 1970, 598) entschieden, daß ein Bescheid unwirksam sei, der an eine von einem Einzelkaufmann betriebene Firma adressiert war, während das Unternehmen, aus dessen Tätigkeit sich der Steueranspruch herleiten sollte, von zwei Personen geführt wurde. In dem weiteren Urteil vom 29. November 1972 II R 42/67 (BFHE 108, 257, BStBl II 1973, 372) hat der II. Senat den Grundsatz aufgestellt, daß es bei einer Erbengemeinschaft, die als solche keinen Namen hat, zu ihrer zweifelsfreien Identifizierung grundsätzlich des Namens des Erblassers und aller Miterben bedürfe. Andererseits hat der BFH mehrfach ausgesprochen, daß der Adressat eines Bescheids nicht aus dem Anschriftenfeld hervorzugehen braucht, sondern daß es genügt, wenn er sich aus dem Bescheid insgesamt mit Sicherheit entnehmen läßt (vgl. die Urteile vom 28. März 1973 I R 100/71, BFHE 109, 123, BStBl II 1973, 544, und vom 17. Mai 1974 VI R 197/71, BFHE 112, 452). Einen dem vorliegenden Falle ähnlichen Fall hat der I. Senat in dem nicht veröffentlichten Urteil vom 6. März 1974 I R 120/71 entschieden. Dort waren dieselben Personen an einer Erbengemeinschaft und an einer GdbR beteiligt. Beide Gesellschaften besaßen Grundstücke, die sie verpachtet hatten. Zwischen den beiden Gesellschaften wurde weder von den an ihnen beteiligten Personen noch vom FA streng unterschieden. Der I. Senat entschied, daß alle Bescheide wirksam seien, weil sich klar aus ihnen ergebe, wer als Steuerschuldner gemeint sei. Der II. Senat habe, so heißt es in dem Urteil, mitgeteilt, daß er die Entscheidung des I. Senats nicht als Abweichung von dem Urteil II 65/63 ansehe. Der II. Senat hat inzwischen das weitere Urteil vom 26. Juni 1974 II R 199/72 (BFHE 113, 90, BStBl II 1974, 724) gefällt. Er hat darin einen an eine OHG gerichteten Bescheid für richtig adressiert gehalten, obschon die OHG inzwischen zu einer KG geworden war, und ausgeführt, hier sei die richtige Person falsch bezeichnet worden, während in dem Verfahren II 65/63 die falsche Person (allerdings) richtig bezeichnet worden sei.
Im vorliegenden Fall, in dem fraglich sein mag, ob eine OHG oder eine GdbR vorliegt, ist unter den Beteiligten nie streitig gewesen und auch in der Revisionsinstanz nicht streitig, daß der Bescheid gegen die richtigen Adressaten erlassen wurde. Adressiert wurde er an die OHG, die auch in der Erklärung zur einheitlichen Feststellung der Einkünfte als Erklärende angegeben war. In dem Bescheid sind ferner alle Gesellschafter dadurch eindeutig als Adressaten des Steuerbescheids (und insbesondere als Schuldner entsprechender Einkommensteuerbeträge) bezeichnet, daß sie in dem für die Verteilung des Gewinns vorgesehenen Teil einzeln als Gesellschafter aufgeführt sind, wobei auch die angebliche Gesellschafterin F X - wenn auch mit einem Gewinnbetrag von 0 DM - genannt ist.
Da sich somit aus dem Bescheid eindeutig ergibt, daß es sich um die Einkommensteuer der an der Gesellschaft beteiligten (oder angeblich beteiligten) Gesellschafter handelt, kann es für die Frage der Wirksamkeit des Bescheids auch keine Rolle spielen, ob es sich bei der von ihnen gebildeten Gesellschaft, die sie selbst als OHG bezeichnet haben, wirklich um eine OHG oder eine GdbR handelt. In beiden Fällen stellt die Sammelbezeichnung nur die Kurzfassung für die hinter der Gesellschaft stehenden Gesellschafter dar. Läge eine OHG vor, so würde die Angabe der Firmenbezeichnung der OHG genügen. Läge eine GdbR vor, so wäre jedenfalls die Beifügung der Kurzbezeichnung nicht schädlich, da die Gesellschafter einzeln als Adressaten aufgeführt sind, falls man nicht überhaupt annehmen könnte, daß im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung einer solchen Gesellschaft ein gewisses Eigenleben zukäme, das auch eine Sammelbezeichnung rechtfertigen könnte.
Da der Bescheid richtig adressiert ist, durfte sich die Vorentscheidung nicht darauf beschränken, den angefochtenen Feststellungsbescheid ersatzlos aufzuheben. Sie mußte vielmehr zu der Frage Stellung nehmen, ob der Bescheid rechtswidrig ist. Da das FG insoweit noch keine Feststellungen getroffen hat, bedurfte es der Aufhebung seines Urteils und der Zurückverweisung an die Vorinstanz, der auch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen wird (§ 143 Abs. 2 FGO).
Fundstellen
BStBl II 1975, 311 |
BFHE 1975, 156 |