Leitsatz (amtlich)
1. Die AfA nach § 7 Abs. 5 EStG können nur für Neubauten in Anspruch genommen werden. Kein Neubau, sondern ein Umbau liegt vor, wenn ein vorhandenes Gebäude unter Verwendung der vorhandenen baulichen Substanz umgestaltet wird.
2. Ein Rechtsfehler liegt auch dann vor, wenn bei der Würdigung von Tatsachen allgemeine Begriffsbestimmungen nicht zutreffend verwendet werden.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 5; FGO § 118 Abs. 2
Tatbestand
Es ist streitig, ob die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) für ihr Mietwohnhaus die degressive AfA nach § 7 Abs. 5 EStG in Anspruch nehmen können.
Die Kläger erwarben im April und Mai 1966 zwei nebeneinander gelegene Zweifamilienhäuser, die im Jahre 1909 erbaut worden waren. Die Anschaffungskosten betrugen zusammen 139 868,05 DM. Im August 1966 beantragten die Kläger bei der Baubehörde die Genehmigung zum Umbau der beiden Häuser. Nach Erteilung der Baugenehmigung für die inzwischen zusammengelegten Grundstücke und nach Auszug des letzten Mieters begannen im Mai 1967 die Bauarbeiten, durch die die Gebäude zu einem sieben Wohnungen umfassenden Mehrfamilienhaus umgebaut wurden.
Durch den Umbau entstand eine um 60,14 qm erweiterte Wohnfläche. Die Kläger sind der Meinung, daß es sich wirtschaftlich gesehen um einen Neubau handele und begehren die degressive AfA gemäß § 7 Abs. 5 EStG für die bis Ende 1968 entstandenen Umbaukosten und für die Anschaffungskosten des Gebäudes unter Abzug der für 1966 und 1967 angesetzten AfA nach § 7 Abs. 4 EStG.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) ist der Ansicht, daß nur die Herstellungskosten eines neu erstellten Gebäudes nach § 7 Abs. 5 EStG abgeschrieben werden könnten, nicht aber Aufwendungen für den Umbau, Ausbau oder die Erweiterung eines bestehenden Gebäudes. Auf Abschn. 42 a Abs. 1 vorletzter Satz EStR könnten die Kläger sich nicht berufen.
Das FG gab der Klage statt. Es ist der Ansicht, nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 5 EStG stehe das Recht zur Inanspruchnahme der degressiven AfA nur dem Bauherrn eines nach dem 31. Dezember 1964 fertiggestellten Gebäudes zu. Der Erwerber eines bereits bestehenden Gebäudes sei nach dieser Vorschrift von der Vergünstigung ausgenommen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gelte aber dann, wenn der Erwerber eines bereits bestehenden Gebäudes dieses umbaue und der Umbau wirtschaftlich betrachtet einem Neubau gleichkomme. Denn in diesem Fall habe die Substanz des ursprünglichen Gebäudes gewissermaßen nur noch die Funktion eines Bausteins für die Errichtung eines neuen Gebäudes gehabt. Von diesen Besonderheiten sei im vorliegenden Falle auszugehen. Die Kläger hätten durch umfassende Baumaßnahmen, die weit in die Substanz der beiden Althäuser eingegriffen haben, wirtschaftlich gesehen ein neues Gebäude geschaffen, das mit jenen wenig mehr als das Fundament und die tragenden Teile des Mauerwerks gemein gehabt hätte. Auch die bestehengebliebenen und beim Umbau verwendeten Altbauteile hätten teilweise aus statischen Gründen (Aufstockung eines zweiten Obergeschosses) zusätzlich verstärkt werden müssen. Die Wohnungen seien nach neuzeitlichen Gesichtspunkten gestaltet worden und entsprächen in ihrer Ausstattung durchaus dem Niveau von Neubauwohnungen vergleichbaren Zuschnitts. Daß es sich bei dem hier durchgeführten Umbau nicht nur um eine punktuelle Modernisierung von Altbauten, sondern um eine grundlegende Umgestaltung und Erneuerung gehandelt habe, zeigten schließlich auch die im Verhältnis zu den Anschaffungskosten außerordentlich hohen Herstellungskosten. Bei der Abgrenzung, ob es sich um einen Neubau oder um einen Umbau gehandelt habe, könne im Gegensatz zum FA nicht darauf abgestellt werden, ob die Außenmauern zum überwiegenden Teil verwendet worden seien oder nicht. Werde ein Gebäude bis auf die Fundamente abgerissen und anschließend neu aufgebaut, so könne von einem Neubau durch Umbau kaum mehr die Rede sein. Das FA könne sich auch nicht für seine enge Auslegung des Begriffes Errichtung (Herstellung) auf das Urteil des BFH vom 13. Januar 1972 IV R 180/67 (BFHE 104, 489, BStBl II 1972, 331) berufen. Denn der § 16 des BerlinFG i. d. F. vom 26. Juli 1962 (BGBl I 1962, 493, BStBl I 1962, 998) habe eine ganz andere Ziel- und Zweckrichtung als der § 7 Abs. 5 EStG.
Zu der Höhe der der AfA zugrunde liegenden Herstellungskosten führte das FG dann weiter aus, daß zu den Herstellungskosten des Gebäudes auch die Gebäudeanschaffungskosten abzüglich der in den Jahren 1966 und 1967 vorgenommenen linearen AfA gerechnet werden müßten. Denn diese Kosten seien von den Klägern erkennbar in der Absicht und mit dem Ziel aufgewandt worden, die erworbenen Altbauten unverzüglich durch umfangreiche Baumaßnahmen zu einem modernen Mehrfamilienmietwohngebäude umzubauen. Der Kaufpreis für die Altbauten sei damit als Teil des Gesamtherstellungsaufwands für das neue Gebäude anzusehen und einheitlich abzuschreiben.
Mit seiner Revision greift das FA die vom FG vertretene Meinung an, daß die Kläger wirtschaftlich gesehen ein neues Gebäude geschaffen hätten. Die bestehengebliebenen Altbauteile seien so erheblich, daß der Um- und Erweiterungsbau bei wirtschaftlicher Betrachtung einem Neubau nicht gleiche und deshalb Abschn. 42 a Abs. 1 EStR hier nicht angewendet werden könne.
Das FA beantragt unter Aufhebung des Urteils des FG die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie stützen sich im wesentlichen auf die Gründe des FG-Urteils, die sie für zutreffend halten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Die Vorinstanz hat den § 7 Abs. 5 EStG nach seinem möglichen Wortsinn und seinem Sinn und Zweck zutreffend ausgelegt; sie hat jedoch rechtsirrtümlich angenommen, daß dessen Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben sind.
Der durch das Gesetz zur Neuregelung der Absetzung für Abnutzung bei Gebäuden vom 16. Juni 1964 (BGBl I 1964, 353, BStBl I 1964, 384) neu in das EStG eingefügte Absatz 5 des § 7 gestattete dem Bauherrn bei nach dem 31. Dezember 1964 fertiggestellten Gebäuden die Vornahme der AfA in Staffelsätzen von den Herstellungskosten. Nach dem mit dieser Regelung verfolgten Zweck sollte diese Art der degressiven AfA nur bei Neubauten angewendet werden (vgl. die Wiedergabe der Gesetzesmotive bei Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 7 EStG, Anm. 28 f.). Die Verwendung der Begriffe "fertiggestelltes Gebäude, Bauherrn und Herstellungskosten" im Rahmen des Gesetzeszusammenhangs bestätigen diese Auslegung des Gesetzes. Die Literatur geht einhellig von dieser Meinung aus (vgl. Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 7 Anm. 5; Hartmann-Böttcher-Grass, Großkommentar zu Einkommensteuer, § 7 Anm. 3 f.; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., § 7, Rdnr. 88 und Herrmann-Heuer, a. a. O., und die Literaturhinweise zu Anm. 24 a). In seinem Urteil vom 20. Februar 1975 IV R 241/69 (BFHE 115, 133, BStBl II 1975, 412) hat der BFH - wenn auch bei Prüfung einer anderen Rechtsfrage - diese Auslegung gebilligt.
Folgt man diesen Rechtsgrundsätzen, so können die Kläger die degressive AfA nur dann in Anspruch nehmen, wenn sich ihre bauliche Betätigung wirtschaftlich betrachtet als die Errichtung eines Neubaus erweist und nicht als Umbau eines bereits vorhandenen Gebäudes. Denn mangels einer gesetzlichen Regelung sind anders als bei § 7 b Abs. 2 EStG Ausbauten und Erweiterungen nicht begünstigt.
Die Beantwortung der Frage, ob es sich bei einer Baumaßnahme lediglich um den Umbau eines alten oder aber um die Herstellung eines neuen Gebäudes handelt, liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet (vgl. BFH-Urteil IV R 180/67). Der BFH als Revisionsgericht ist an die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Er kann jedoch prüfen, ob bei der Würdigung der festgestellten Tatsachen allgemeine Erfahrungssätze beachtet worden sind und ob das FG aufgrund der gezogenen Schlüsse zu dem Ergebnis kommen konnte. Ein in der Revisionsinstanz zu beachtender Verstoß hiergegen liegt auch dann vor, wenn bei Würdigung der festgestellten Tatsachen allgemeine Begriffsbestimmungen nicht zutreffend verwendet werden. Denn die Nichtbeachtung von Begriffsbestimmungen des allgemeinen Sprachgebrauchs steht mit den allgemeinen Erfahrungssätzen in der Regel nicht im Einklang und beeinflußt insofern das Ergebnis der Tatsachenwürdigung.
Geht man hiervon aus, so hat das FG bei Würdigung der von ihm festgestellten Tatsachen unzutreffend das Vorliegen der Voraussetzungen eines Neubaus angenommen. Nach Grimm's Wörterbuch ist unter Neubau das Bauen eines neuen Gebäudes und unter Umbau die bauliche Veränderung eines bestehenden Gebäudes zu verstehen. Folgt man dieser Begriffsbestimmung, so muß man grundsätzlich jede bauliche Umgestaltung eines vorhandenen Gebäudes als Umbau werten, solange es in seiner wesentlichen Substanz nicht beeinträchtigt wird. Das wird in der Regel bei jeder baulichen Umgestaltung eines Bauwerkes zutreffen, so daß Fälle der in Abschn. 42 a Abs. 1 vorletzter Satz EStR angesprochenen Art kaum denkbar sind, sie also Ausnahmefälle sind, bei denen im Rahmen von Baumaßnahmen das vorhandene Gebäude keine Bedeutung mehr hat. Nur wenn das zutrifft, kann nach der oben gegebenen Begriffsbestimmung von dem Bauen eines neuen Gebäudes gesprochen werden.
Das FG hat in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, daß die Fundamente und die tragenden Teile des Gebäudes erhaltengeblieben sind und daß die Wohnungen nach neuzeitlichen Gesichtspunkten gestaltet wurden und in ihrer Ausstattung dem Niveau von Neubauwohnungen entsprechen. Aufgrund dieser tatsächlichen Feststellungen war der Schluß des FG, daß es sich um einen Neubau gehandelt habe, nicht möglich. Das FG hätte nur zu dem Ergebnis kommen können, daß es sich im vorliegenden Fall um einen Umbau gehandelt habe. Entgegen der Meinung des FG kommt es für die Beantwortung der Frage, ob ein Umbau oder Neubau vorliegt, nach der obigen Begriffsbestimmung dann auf die Höhe des finanziellen Engagements nicht an.
Die rechtsfehlerhafte Vorentscheidung war hiernach aufzuheben. Da den Klägern die degressive AfA nach § 7 Abs. 5 EStG nicht zugebilligt werden kann, bleibt es bei der vom FA zutreffend angesetzten AfA nach § 7 Abs. 4 Nr. 2 EStG. Damit erübrigt sich auch ein Eingehen auf die Rechtsansicht des FG, wonach die Anschaffungskosten des Gebäudes den Herstellungskosten zuzurechnen seien.
Fundstellen
BStBl II 1977, 725 |
BFHE 1978, 512 |