Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Rechtsnatur des Lotsvertrages – Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte
Leitsatz (amtlich)
a) Wird ein Rheinlotse für einzelne Lotsungen angenommen, so leistet er im Rahmen dieses Dienstverhältnisses keine abhängige Arbeit im Betrieb des Schiffseigners und ist daher nicht Arbeitnehmer. Er ist auch nicht arbeitnehmerähnliche Person.
b) Für Streitigkeiten über Ansprüche des Schiffseigners gegen einen solchen Lotsen wegen Ausgleichs von Schäden aus einem Schiffszusammenstoß während der Lotsung sind die Rheinschiffahrtsgerichte zuständig.
Normenkette
BGB § 611; ArbGG §§ 2, 5; BinnSchVerfG § 14; RheinSchA Art. 26 Fassung: 1868-10-17, Art. 34 Fassung: 1868-10-17
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsobergerichts Köln vom 13. November 1970 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Am 3. August 1965 fuhr das der Klägerin gehörende MS „R. 135” mit dem Bagger „W.” im Anhang auf dem Rhein zu Berg. Ab St. G. war der Beklagte auf MS „R. 135” als Lotse tätig. Zwischen dem Kammereck und dem Betteck stieß der Bagger mit dem Anhangkahn eines Talschleppzuges zusammen und beschädigte ihn. Der Kahneigner nahm darauf die Parteien und den Schiffsführer des MS „R. 135” im Prozeßweg auf Schadensersatz in Anspruch. Nachdem das Rheinschiffahrtsgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hatte, ersetzte die Klägerin dem Kahneigner seinen Unfallschaden. Nunmehr fordert sie von dem Beklagten die Hälfte der Beträge, die sie an den Kahneigner gezahlt hat. Nach ihrer Ansicht hat der Beklagte – neben ihrem Schiffsführer – die Kollision zumindest hälftig mitverschuldet. Mit der vor dem Rheinschiffahrtsgericht erhobenen Klage hat sie beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 11.000 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Er hat in erster Linie die Einrede der sachlichen Unzuständig keit des angerufenen Gerichts erhoben. Er meint, vorliegend bestehe die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte, weil er als Lotse zu der Klägerin in einem Arbeitsverhältnis gestanden habe.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat – nach abgesonderter Verhandlung – die Einrede des Beklagten verworfen. Das Rheinschiffahrtsobergericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der – vom Berufungsgericht zugelassenen – Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Klagabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht meint, zur Entscheidung über den streitigen Anspruch seien nach Art. 34 Nr. II c der Revidierten Rheinschiffahrtsakte vom 17. Oktober 1868 – Mannheimer Akte – die Rheinschiffahrtsgerichte berufen. Dem stehe auch nicht entgegen, daß die §§ 2 und 3 ArbGG bestimmte bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern der ausschließlichen Zuständigkeit der Arbeitsgerichte unterstellten. Denn der Beklagte sei während seiner Tätigkeit als Lotse auf MS „R. 135” weder Arbeitnehmer der Klägerin gewesen noch habe er in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis zu ihr gestanden.
Die Revision wendet sich gegen diese Ausführungen ohne Erfolg.
1. Nach Art. 34 Nr. II c der Mannheimer Akte sind die Rheinschiffahrtsgerichte „kompetent” für zivilrechtliche Klagen „wegen Beschädigungen, welche Schiffer … während ihrer Fahrt oder beim Anlanden anderen verursacht haben”. Über den Wortlaut dieser Bestimmung hinaus gehören zur Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte auch Klagen wegen Schäden, welche Besatzungsmitglieder oder Lotsen bei ihrer nautischen Tätigkeit anderen zugefügt haben (BGH LM Nr. 4 zu § 14 BinnSchVerfG; Wassermeyer, Der Kollisionsprozeß in der Binnenschiffahrt 4. Aufl. S. 10; von Traut, Die Zentral-Kommission für die Rheinschiffahrt und ihre Rechtsprechung von 1832 – 1911 S. 85). Das zieht auch die Revision nicht in Zweifel. Sie meint jedoch, vorliegend gehe es nicht um Schäden, welche der Beklagte bei seiner Tätigkeit als Lotse auf MS „R. 135” anderen verursacht habe; vielmehr sei Gegenstand des Rechtsstreits ein Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB; ein solcher Anspruch entstehe aber allein durch die Begründung eines Gesamtschuldverhältnisses und stelle eine selbständige Verpflichtung des Mitschuldners dar. Dabei übersieht die Revision, daß die Klägerin auf Seite 3 der Klageschrift ausdrücklich erklärt hat, sie stütze den Klageanspruch auf § 840 in Verbindung mit § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB. Sie macht demnach keinen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB geltend, sondern verfolgt mit der Klage den Teil der Schadensersatzforderung des Kahneigners, der auf sie auf Grund ihrer Schadensersatzleistungen an diesen kraft Gesetzes übergegangen ist. Für den Streit über die dem Geschädigten gegen den Schädiger erwachsene Forderung sind aber, wie bereits erwähnt, die Rheinschiffahrtsgerichte zuständig.
Im übrigen würde sich hier an der Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte nichts ändern, wenn die Klägerin den Klageanspruch zusätzlich oder ausschließlich auf § 426 Abs. 1 BGB stützen würde. Denn Ausgleichsansprüche, die nach einem Schiffsunfall zwischen mehreren dafür verantwortlichen Personen oder den für das Verhalten dieser Personen nach §§ 3 und 4 BinnSchG haftenden Schiffseignern geltend gemacht werden, wurzeln – ebenso wie der Schadensersatzanspruch des Geschädigten – in diesem Unfall und gehören schon deshalb, aber auch mit Rücksicht auf die von Art. 34 Nr. II c der Mannheimer Akte gewollte einheitliche Beurteilung eines Schiffsunfalls zur Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte (BGH VersR 1956, 430; BGH LM Nr. 4 zu § 14 BinnSchG).
2. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG sind, soweit die Bestimmung hier interessiert, die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig für bürgerliche Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis sowie für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhange stehen. Als Arbeitnehmer gelten auch Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind (§ 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG). Ob diese Vorschriften gegenüber der auf einem internationalen Übereinkommen beruhenden Zuständigkeitsregelung in Art. 34 Nr. II c der Mannheimer Akte vorrangig sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn sie kommen im Verhältnis der Parteien schon deshalb nicht zum Zuge, weil der Beklagte, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, bei der Ausübung seiner Tätigkeit als Lotse auf MS „R. 135” weder Arbeitnehmer der Klägerin gewesen ist noch sich zu ihr in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis befunden hat.
a) Vorweg ist zu bemerken, daß die Beziehungen der Parteien nicht über den üblichen – regelmäßig stillschweigend geschlossenen – Lotsvertrag hinausgegangen sind. Zwar kann das Verhältnis zwischen einem Lotsen und einem Schiffahrtsunternehmen auch abweichend von dem üblichen Lotsvertrag gestaltet werden, etwa in der Weise, daß der Lotse während einer bestimmten Zeitdauer verpflichtet ist, allein oder vorzugsweise für dieses Unternehmen tätig zu sein, wobei das Unternehmen den Zeitpunkt und die Art seines Einsatzes nach seinem Ermessen bestimmt. In dieser Richtung haben die Parteien aber nichts vorgetragen. Davon muß auch die Revision ausgehen. Sie gründet deshalb ihre Ansicht, zwischen den Parteien hätten besondere, auf Dauer angelegte Vertragsbeziehungen bestanden, im wesentlichen auf den Umstand, daß der Beklagte regelmäßig auch Fahrzeuge der Klägerin gelotst hat. Daraus allein kann aber nicht schon geschlossen werden, daß den einzelnen Lotsungen, die der Beklagte für die Klägerin ausgeführt hat, nicht, wie üblich, jeweils eine besondere Vereinbarung, sondern ein einheitliches, nach Ansicht der Revision als Dauerarbeitsverhältnis zu qualifizierendes Vertrags Verhältnis zugrunde gelegen hat. Da der Lotse, wie in § 14 Nr. 2 der Lotsenordnung für den Rhein zwischen Basel und Mannheim/Ludwigshafen – BGBl. 1956 II 705 – für den Oberrheinlotsen ausdrücklich hervorgehoben wird, über die Fahreigenschaften des von ihm gelotsten Fahrzeuges unterrichtet sein muß, um seine Tätigkeit ordnungsgemäß ausüben zu können, ist es nur natürlich, wenn er bestimmte Fahrzeuge vorzugsweise bedient; ein solches Verhalten besagt daher nichts darüber, in welchem Verhältnis er zu dem jeweiligen Schiffseigner steht.
Für das Bestehen besonderer, von dem üblichen Lotsvertrag abweichender Vertragsbeziehungen der Parteien spricht entgegen dem Vorbringen der Revision auch nicht, daß die Klägerin dem Beklagten nach dem Schiffsunfall vom 3. August 1965 mitgeteilt hat, er dürfe in Zukunft nicht mehr für sie tätig sein. Die Mitteilung besagte lediglich, daß die Klägerin den Beklagten fortan nicht mehr als Lotsen für ihre – übrigens in nicht geringer Zahl auf dem Rhein verkehrenden – Fahrzeuge annehmen werde und dies bei dessen Einteilung durch die Lotsenstation beachtet werden sollte.
b) Der Lotsvertrag, der üblicherweise die Beratung der Schiffsführung durch den Lotsen gegen Entgelt zum Gegenstand hat, ist in seinen wesentlichen Zügen Dienstvertrag (BGHZ 27, 79, 81) oder beinhaltet zum mindesten ein dienstvertragsähnliches Verhältnis (BGHZ 50, 250, 255). Ob er auch ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Lotsen und dem Schiffseigner begründet, hängt davon ab, ob der Lotse mit dem Abschluß des Lotsvertrages seine persönliche Selbständigkeit verliert, in den Betrieb des Schiffseigners eingegliedert wird und bei der Ausübung der Lotstätigkeit dessen Weisungen unterliegt (vgl. BGH LM Nr. 21 zu § 611 BGB; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts 7. Aufl. S. 41 ff). Das ist zu verneinen.
Die Stellung, die der Rheinlotse im Rahmen des üblichen Lotsvertrages gegenüber dem Schiffseigner einnimmt, ist von den Vorschriften geprägt, die auf Grund des Vorbehalts in Art. 26 der Mannheimer Akte über den Dienst der Lotsen und die von denselben zu erhebenden Gebühren für das inländische Stromgebiet ergangen sind. Von Bedeutung ist hier in erster Linie das – in einzelnen Punkten auch derzeit noch in Kraft befindliche – Preußische Gesetz vom 17. März 1870 betr. die Ausführung der Revidierten Rheinschiffahrtsakte vom 17. Oktober 1868 (PrGS S. 187) in Verbindung mit dem Preußischen Regulativ vom 23. März 1870 (abgedruckt in den von der Zentral-Kommission für die Rheinschiffahrt herausgegebenen Rheinurkunden Zweiter Teil Nr. 369). Darin heißt es, daß der Lotse einen selbständigen konzessionspflichtigen Gewerbebetrieb ausübt und für seine Tätigkeit amtlich festgesetzte Gebühren erhält; ferner wird hierin bestimmt, daß er dem Verlangen eines Schiffsführers nach einem Lotsen zu folgen hat und – auf weiteres Verlangen – den Befehl über die Mannschaft und das Steuerruder übernehmen muß. Entsprechende Regelungen finden sich für die ehemals hessischen, badischen und bayrischen Rheinstrecken (vgl. Regulativ betr. das Steuermannswesen auf der Großherzoglich-Hessischen Rheinstrecke vom 5. August 1882 – RegBl. S. 133; Badische Ministerialverordnung betr. die Steuermannsordnung für den Rhein innerhalb des Großherzoglich-Badischen Gebietes vom 19. Dezember 1885 – GVBl. S. 401; Bayrische Allerhöchste Verordnung betr. die Steuermannsordnung für den Rhein innerhalb des Bayrischen Gebietes vom 30. Dezember 1885 – GVBl. 1886 S. 1). Demgemäß wurde der Rheinlotse über viele Jahrzehnte hinweg als selbständiger Gewerbetreibender und nicht als Arbeitnehmer des Eigners des jeweils von ihm gelotsten Schiffes angesehen (Dunkelberg, Rheinschiffahrtslexikon 2. Aufl. Stichwort: Steuermann; vgl. auch Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung 11. Aufl. Anm. 11 zu § 34; vgl. weiter § 10 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiete der Binnenschiffahrt vom 15. Februar 1956 – BGBl. II 317 sowie die Begründung zu dieser Bestimmung in dem Entwurf dieses Gesetzes – Bundestagsdrucksache II/1553).
Diese Betrachtung hat allerdings in neuerer Zeit einen Wandel dahin erfahren, daß in dem Rheinlotsen nicht mehr ein Gewerbetreibender sondern ein freiberuflich Tätiger erblickt wird, dessen Entgelt weiterhin amtlich festgesetzt werden kann (§ 3 a Abs. 1 des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiete der Binnenschifffahrt vom 15. Februar 1956 in der Fassung des Gesetzes vom 21. Juni 1965 – BGBl. II 873) und für die Mittelrheinlotsen seit 1965 auch festgesetzt wird (zuletzt durch die Verordnung der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Mainz über die Entgelte für die Leistungen der Binnenlotsen auf dem Rhein zwischen Bingen und St. Goar vom 26. Mai 1972 – veröffentlicht im BAnz. Nr. 104 vom 8. Juni 1972). Grund für diesen Wandel war in erster Linie die Neufassung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EinkStG durch das Steueränderungsgesetz 1960 vom 30. Juli 1960 (BGBl. I 616), worin festgelegt worden ist, daß die Lotsen eine freiberufliche Tätigkeit ausüben (für die Seelotsen vgl. außerdem § 25 Abs. 1 des Gesetzes über das Seelotswesen vom 13. Oktober 1954 – BGBl. II 1035). Damit ist zwar ihre Gewerbesteuerpflicht entfallen (Blümich/Boyens/Steinbring/Klein, Gewerbesteuergesetz 7. Aufl. Anm. 54 zu § 2). Hingegen unterliegen ihre Entgelte weiterhin der Umsatzsteuerpflicht (Knauerhahn, Umsatzsteuer in „Der Wirtschafts-Kommentator” 1967 Anm. 5 zu § 2 UmsStG). Das deutet bereits darauf hin, daß sich durch den erwähnten Meinungswandel an der Beurteilung der Stellung eines Rheinlotsen als der eines selbständig Tätigen nichts geändert hat.
Das zeigt außerdem deutlich der Inhalt der bereits erwähnten Lotsenordnung für den Rhein zwischen Basel und Mannheim/Ludwigshafen. Danach ist der Lotse Berater des Schiffsführers, hat diesen bei der Führung des Fahrzeuges zu unterstützen, ihn ferner auf alle Besonderheiten der zu durchfahrenden Strecke aufmerksam zu machen und ihm weiter die etwa zu treffenden Maßnahmen zu empfehlen; wenn er außerdem – wie schon früher – auf ausdrückliches Verlangen des Schiffsführers den Befehl über die Mannschaft und das Steuerruder übernehmen muß, so wird er dadurch nicht Mitglied der – unbestritten in einem Arbeitsverhältnis stehenden – Schiffsmannschaft. Auch wird er in diese nicht, wie die Revision meint, dadurch eingegliedert, daß er selbst das Steuer führt. Das ist jedenfalls bei den Mittelrheinlotsen häufig der Fall und liegt mit Rücksicht auf die vielfach schwierig zu befahrende und oftmals rasche Steuermanöver erfordernde Gebirgsstrecke noch im Rahmen ihrer Lotstätigkeit. Wenn daher der Beklagte zum Unfallzeitpunkt selbst am Steuer des MS „R. 135” gestanden hat, so reihte ihn das nicht als Arbeitnehmer in den Schiffsbetrieb der Klägerin ein (vgl. auch Vortisch/Zschucke, Binnenschiffahrts- und Flößereirecht 3. Aufl. Anm. 1 zu § 21 BinnSchG).
Entgegen den Darlegungen der Revision kann man den Lotsen, der das Steuer des von ihm gelotsten Fahrzeuges übernimmt, auch nicht etwa deshalb als Arbeitnehmer des Schiffseigners ansehen, weil der Schiffsführer ihm jederzeit die Führung des Steuers entziehen kann. Da es auf dem Rhein keine Zwangslotsen gibt (Art. 26 Abs. 2 der Mannheimer Akte), steht es jedem Schiffsführer frei, ob und wie lange er sich von einem Lotsen beraten und ihm hierbei das Steuer seines Fahrzeuges überlassen will. Entzieht er ihm das Steuer, so macht er von dieser Freiheit und nicht von den Weisungsbefugnissen eines Arbeitgebers gegenüber einem Arbeitnehmer Gebrauch. Gerade der Umstand, daß der Schiffer zwar die Beratung durch einen Lotsen jederzeit annehmen oder ablehnen, diesem jedoch für die Ausübung der Lotstätigkeit selbst keine Weisungen erteilen kann, zeigt, daß der Lotse kein Arbeitnehmer des Schiffseigners ist.
Das läßt sich auch nicht, wie die Revision noch ausgeführt hat, aus § 3 BinnSchG herleiten. Wenn diese Bestimmung bis zu ihrer Neufassung (durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. März 1960 zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen sowie zur Änderung des Binnenschiffahrtsgesetzes und des Flößereigesetzes vom 30. August 1972 – BGBl. II 1005) den Lotsen der Schiffsbesatzung zurechnete, so handelte es sich insoweit lediglich um eine Fiktion, mit der die Haftung des Schiffseigners für bestimmte schadensverursachende Handlungen der Besatzung auf die Tätigkeit des Lotsen ausgedehnt wurde. Hingegen sollte damit nicht zum Ausdruck gebracht werden, daß der Lotse auch tatsächlich zur Schiffsbesatzung gehört. Das ergibt bereits die Entstehungsgeschichte des Binnenschiffahrtsgesetzes mit aller Deutlichkeit. Das folgt außerdem aus der erwähnten Neufassung des § 3 BinnSchG. Darin wird – entsprechend der für den Seelotsen geltenden Vorschrift des § 485 Satz 1 HGB in der Fassung des § 59 Abs. 2 Nr. 1 des Seelotswesengesetzes nunmehr klar zum Ausdruck gebracht, daß der (Binnen-)lotse nicht zur Schiffsbesatzung gehört, der Schiffseigner aber für ihn in der gleichen Weise wie für eine Person der Schiffsbesatzung haftet (vgl. auch Bundestagsdrucksache VI/2432 S. 4 und VI/3510 S. 2).
c) Mit Recht hat das Berufungsgericht schließlich angenommen, daß der Rheinlotse, der mit einem Schiffseigner den üblichen Lotsvertrag abschließt, auch nicht als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 ArbGG anzusehen ist. Der Lotse leistet nicht, wie der Begriff der arbeitnehmerähnlichen Person voraussetzt, für andere in wirtschaftlich abhängiger Stellung Arbeit (vgl. Hueck/Nipperdey aaO S. 59). Er ist in der Regel zwar Wirtschaftlich schwächer als die Eigner der von ihm gelotsten Fahrzeuge, jedoch schon mit Rücksicht auf die Vielzahl seiner Auftraggeber wirtschaftlich nicht unselbständig. Das gilt im allgemeinen auch dort, wo er die Fahrzeuge eines bestimmten Schiffseigners regelmäßig belotst. Der Fall kann allerdings anders liegen, wenn die Lotstätigkeit auf den Fahrzeugen eines bestimmten Schiffseigners für den Lotsen tatsächlich so umfangreich und wirtschaftlich so bedeutungsvoll ist, daß er dadurch in wirtschaftliche Abhängigkeit von diesem Eigner gerät. Dafür, daß es im Streitfall so lag, ist aber nichts dargetan.
Nach alledem war die Revision zurückzuweisen.
Unterschriften
Fleck, Liesecke, Dr. Schulze, Dr. Bauer, Dr. Tidow
Fundstellen
Haufe-Index 662680 |
BGHZ |
BGHZ, 242 |
NJW 1973, 101 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1973, 118 |