Leitsatz (amtlich)
a) Auch dann, wenn der Verwender die von ihm ausgearbeitete Klausel nur aus dem Gedächtnis in den jeweiligen Vertragstext übernimmt, ist die Voraussetzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG gegeben.
b) Zur Frage, ob der Verwender einer unangemessenen Klausel geltend machen kann, der Kunde habe diese nach langer Erläuterung akzeptiert, so daß dessen Berufung auf die Unangemessenheit gegen Treu und Glauben verstoße.
Normenkette
AGBG §§ 1, 9; BGB §§ 242, 652
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 28.11.1985) |
LG Bonn (Urteil vom 13.03.1985) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 28. November 1985 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 13. März 1985 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Maklerprovision.
Die Beklagte wollte im Frühjahr 1984 ihren Grundbesitz veräußern. Ihr für sie tätiger Sohn verhandelte deshalb mehrfach mit einem Mitarbeiter der Klägerin über die Erteilung eines Verkaufsauftrages. Mit einem der Beklagten übersandten Schreiben vom 10. April 1984 „bestätigte” die Klägerin den ihr „erteilten… auf 4 Monate befristeten Alleinverkaufsauftrag”; sie wies darauf hin, daß sie im Erfolgsfalle, „d. h. wird das Objekt an einen durch uns benannten oder nachgewiesenen Käufer veräußert”, Verkäuferprovision von 3,42 % inklusive Mehrwertsteuer verlange. Weiter heißt es:
„Sollten Sie das Objekt ohne unsere Mitwirkung an einen Käufer veräußern, der an Sie unmittelbar herantritt, oder den Sie selbst ausfindig gemacht haben, so werden wir Sie von der Zahlung der Verkäuferprovision freistellen, sofern Sie zuvor den Käufer verpflichtet haben, an uns die Käuferprovision zu bezahlen.”
Die Beklagte unterschrieb das Anschreiben nach mehrwöchigem Zögern, nachdem eigene Verkaufsbemühungen zunächst erfolglos verlaufen waren. Ihr Sohn reichte es anläßlich eines erneuten Gesprächstermins dem Mitarbeiter der Klägerin zurück.
Die Beklagte veräußerte mehrere Wochen später ihr Haus an einen von ihr selbst gefundenen Käufer für 250.000 DM. Unter Hinweis auf den ihr erteilten „Alleinverkaufsauftrag” und die oben zitierte Klausel im Schreiben vom 10. April 1984 verlangt die Klägerin 3,42 % Provision, insgesamt 8.550 DM nebst Zinsen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
I.
Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, das Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) finde auf die im Schreiben vom 10. April 1984 fixierte Provisionsabsprache der Parteien Anwendung. Das ist im Ergebnis richtig.
1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts legt die Klägerin die fragliche, von ihr ausgearbeitete Provisionsregelung für Eigenverkäufe ihren Maklerverträgen mit den verschiedenen Kunden üblicherweise zugrunde. Allein deshalb handelt es sich hierbei um „für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen” im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG. Das gilt auch, wenn der Abschlußgehilfe der Klägerin – wie sie behauptet – die Klausel nur aus dem Gedächtnis in den Vertragstext vom 10. April 1984 aufgenommen hat. Ein Teil der Lehre hält zwar für nicht ausreichend, wenn die Vertragsbedingung zum Zwecke künftiger wiederholter Verwendung vor Einbeziehung in den Vertrag lediglich „im Kopf” des AGB-Verwenders oder seines Abschlußgehilfen „gespeichert” ist (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 46. Aufl. AGBG § 1 Anm. 2 b; Staudinger/Schlosser, BGB 12. Aufl. AGBG § 1 Rdn. 16, 17; Erman/Hefermehl, BGB 7. Aufl. AGBG § 1 Rdn. 7, 8). Diese Auffassung stützt sich zu Unrecht darauf, daß in § 1 Abs. 1 Satz 2 AGBG unter anderem die Schrift„art” für unerheblich erklärt ist. Ein Umkehrschluß auf die Erforderlichkeit schriftlicher Form läßt sich daraus nicht herleiten (Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 5. Aufl. § 1 Rdn. 36 m.w.N.). Dieser Meinung steht zudem der Schutzzweck des AGBG entgegen. Das gilt unabhängig davon, ob man diesen Zweck grundsätzlich und vor allem im Schutz des Verbrauchers (so Palandt/Heinrichs aaO Einl. 3; vgl. ferner die Nachw. zu Fußnote 32 bei Ulmer, aaO Einl. 23) oder darin sieht, den mit der Verwendung von AGB typischerweise und unabhängig von der Stärke der Marktpartner verbundenen Gefahren für den Kunden zu begegnen (so Ulmer, aaO Einl. 23; MünchKomm/Kötz, BGB 2. Aufl. AGBG § 1 Rdn. 1, 2; Erman/Hefermehl, aaO Rdn. 7 vor § 1). Im Hinblick auf beide Zwecke macht es nämlich keinen Unterschied, ob der Verwender die Vertragsbedingungen in schriftlicher Form vorbereitet und für die Einbeziehung in abzuschließende Verträge bereitstellt oder ob er seine Vertreter eine bestimmte Formulierung auswendig lernen läßt und sie dazu anhält, diese Formulierung bei allen künftigen Vertragsschlüssen in den schriftlichen Vertragstext aufnehmen oder sie von den Kunden mündlich akzeptieren zu lassen (so im Ergebnis auch Ulmer, aaO § 1 Rdn. 36; MünchKomm/Kötz, aaO § 1 Rdn. 5; Wolf, AGBG § 1 Rdn. 19; Willemsen, NJW 1982, 1121, 1122).
2. Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht an, daß die in Rede stehende Klausel nicht individuell ausgehandelt im Sinne von § 1 Abs. 2 AGBG ist. Die Klägerin trägt selbst vor, daß sie ausschließlich zu ihren Bedingungen zu einem Vertragsschluß bereit war.
„Aushandeln” bedeutet nach feststehender höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteile vom 9.10.1986 und 9.4.1987 – VII ZR 245/85 und III ZR 84/86 – LM AGBG § 1 Nr. 7 = WM 1987, 42 und ZIP 1987, 886 zu I 2 a sowie zu I 1 b, jeweils m.w.N.) mehr als verhandeln. Auch genügt hierfür nicht, daß das Formular dem Vertragspartner bekannt ist und nicht auf Bedenken stößt, daß der Inhalt lediglich erläutert oder erörtert wird und den Vorstellungen des Partners entspricht. Vielmehr kann von „Aushandeln” nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen AGB enthaltenen „gesetzesfremden” Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen (Senatsurteil vom 3.7.1985 – IVa ZR 246/83 – WM 1985, 1208, 1209 = LM AGBG § 1 Nr. 4). Er muß sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären.
In aller Regel schlägt sich eine solche Bereitschaft auch in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes nieder. Unter besonderen Umständen kann ein Vertrag allerdings auch dann als Ergebnis eines „Aushandelns” gewertet werden, wenn es schließlich nach gründlicher Erörterung bei dem gewünschten Entwurf verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 9.10.1986 – VII ZR 245/85 – LM AGBG § 1 Nr. 7 = WM 1987, 42; OLG Düsseldorf, BauR 1985, 341, 344). Auch in diesen Fällen muß der Verwender aber seine Klausel grundsätzlich zur Disposition stellen; ihre Beibehaltung muß dann erfolgen, weil er den Kunden von ihrer sachlichen Notwendigkeit überzeugt (zu weitgehend demgegenüber Palandt/Heinrichs, aaO § 1 Anm. 4 c a.E., fälschlich unter Berufung auf OLG Düsseldorf, BauR 1985, 341, 344). Es reicht mithin nicht, wenn er ihn – sei es auch wie hier in ausführlichen und wiederholten Gesprächen – ausschließlich vor die Wahl stellt, entweder die gestellten Bedingungen unverändert anzunehmen oder ganz von dem Vertrag Abstand zu nehmen. Auch in einem Falle, in welchem es den Vertragschließenden lediglich um eine einzige vorformulierte Klausel geht, kann nichts anderes gelten. Wenn der Verwender grundsätzlich auf dieser Klausel besteht, kann er dennoch in einem Teilpunkt, beispielsweise in der Entgeltvereinbarung, dem Kunden entgegenkommen, was für das Aushandeln genügen würde. Der Gegenschluß aus der Verwendung der Worte „im einzelnen” in § 1 Abs. 2 AGBG ist nicht gerechtfertigt.
II.
1. Das Berufungsgericht versteht mit Recht den der Klägerin im Schreiben vom 10. April 1984 erteilten „Alleinverkaufsauftrag” und die zusätzliche Absprache für Eigengeschäfte als Provisionszusage ohne kausale Maklerleistung. Mit der Regelung wird der Zweck verfolgt, dem Makler stets in den Fällen eine Provision zu sichern, in denen der Kunde auch ohne die Hilfe des Maklers den von ihm erstrebten Erfolg erzielt oder erzielt hätte. Das Berufungsgericht fährt fort, dem Auftraggeber könne aber durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ein Abschluß ohne Beteiligung des Maklers nicht wirksam untersagt werden. Das entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGHZ 88, 368; 99, 374).
2. Sodann führt das Berufungsgericht aus:
Auf die Unwirksamkeit der Provisionsregelung nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG könne sich die Beklagte ausnahmsweise nicht berufen; sie selbst verhalte sich nämlich treuwidrig. Ihr Sohn – dessen Verhalten sie sich zurechnen lassen müsse – habe sich von dem Mitarbeiter der Klägerin die Provisionsklausel mehrfach erläutern lassen; er habe deshalb zunächst von einer Auftragserteilung abgesehen. Nach wiederholter eingehender Darlegung habe er das Auftragsschreiben mit der Unterschrift der Beklagten ausgehändigt, nach insgesamt dreistündigen Besprechungen über die Provisionsbedingung die Forderung der Klägerin akzeptiert. Damit habe er bei der Klägerin einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Sie habe mit der Zahlungsbereitschaft der Gegenseite rechnen dürfen. Im Vertrauen hierauf habe sie kostenträchtige Verkaufsinserate aufgegeben.
3. Diese Ansicht teilt der Senat nicht.
Allerdings wird von Teilen der Rechtslehre (vgl. Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, § 9 Rdn. 37; Wolf, aaO § 9 Rdn. 28) die Ansicht vertreten, in Sonderfällen könne die Berufung des Kunden auf die Unwirksamkeit einer ihn unangemessen benachteiligenden Klausel rechtsmißbräuchlich sein. Ob dem zu folgen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls dürfen im Interesse der Rechtssicherheit gesetzliche Vorschriften, die zur Unwirksamkeit einer Absprache führen, nicht schon aus Billigkeitserwägungen der vom Berufungsgericht genannten Art außer Kraft gesetzt werden.
Nach den tatrichterlichen Feststellungen war die Beklagte erst nach mehrwöchigem Sträuben zur Unterschrift unter das Schreiben vom 10. April 1984 bereit; Grund für dieses Sträuben war gerade die fragliche Klausel. Daß im Zeitpunkt der dann doch vollzogenen Unterschrift die längeren Verkaufsbemühungen der Beklagten zunächst fehlgeschlagen waren, wußte die Klägerin. Ihre Klausel, die mit dem gesetzlichen Leitbild des Maklers unvereinbar ist, so daß die Beklagte und ihr Sohn sie eigentlich nicht akzeptieren mochten, konnte die Klägerin erst jetzt durchsetzen.
Grundsätzlich kann und darf der Makler nicht darauf vertrauen, daß er gerade diejenigen allgemeinen Geschäftsbedingungen, welche wegen Unangemessenheit, also wegen einer Treu und Glauben widersprechenden Hintansetzung der Interessen seines Vertragspartners, nach dem Gesetz unwirksam sind, dennoch mit dem Hinweis in Geltung zu setzen vermag, er seinerseits berufe sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben, weil der Kunde die Bedingung doch akzeptiert und er als Makler sich darauf verlassen habe. Eine vom Kunden ohne vorherige Erörterung und Verhandlung hingenommene unangemessene Maklerklausel unterfällt ohne weiteres dem Verdikt des § 9 AGBG. Der Kunde kann sich auf deren Unwirksamkeit berufen, auch wenn er sich vorher keine Gedanken über einen angemessenen Interessenausgleich gemacht hat. Umso weniger kann ihm dieser Einwand versagt werden, wenn er bei Erörterung der Klausel von Anfang an deutlich gemacht hat, daß er die Klausel für unangemessen hält. Anderenfalls könnte jeder Verwender – ohne sich der Mühe des in § 1 Abs. 2 AGBG genannten Aushandelns unterziehen zu müssen – seinen unangemessenen Klauseln über den Umweg des § 242 BGB Wirksamkeit verschaffen, wenn er nur hartnäckig genug bei allen Gesprächen bis zum Vertragsabschluß auf diesen Klauseln beharrt.
Falls die Klägerin Kosten für Verkaufsinserate nur aufgewendet hat, weil sie sich nach der Unterschrift auf den Bestand ihrer Klausel verlassen hat, kann sie schließlich auch hieraus kein Vertrauen auf den Erhalt der Provision herleiten. Ihr hätte es nämlich freigestanden, die Erstattung ihrer tatsächlichen Auslagen durch die Vereinbarung eines Aufwendungsersatzanspruches in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen sicherzustellen (BGHZ 99, 378).
Unterschriften
Dr. Hoegen, Dehner, Dr. Schmidt-Kessel, Dr. Zopfs, Dr. Ritter
Fundstellen
Haufe-Index 947890 |
NJW 1988, 410 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1987, 1576 |
DNotZ 1988, 305 |