Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Behinderter. Einrichtung der Behindertenhilfe. Kost und Logis als Leistung der Eingliederungshilfe. kein Anspruch auf häusliche Krankenpflege. Begriff des Haushalts. Verbindlichkeit der Richtlinien. Leistungsausschluss nicht verfassungswidrig
Leitsatz (amtlich)
Behinderte, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe wohnen und dort Kost und Logis als Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten, haben keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegen ihre Krankenkasse, weil sie dort keinen eigenen Haushalt führen.
Orientierungssatz
1. Die Vorschriften zur Gewährung von häuslicher Krankenpflege gehen - damals wie heute - davon aus, dass Behandlungspflege nur im eigenen Haushalt oder in der Familie zu erbringen ist, wo die hauswirtschaftliche Grundversorgung (insbesondere Kochen, Waschen, Raumpflege usw) sichergestellt ist.
2. Haushalt ist die häusliche wohnungsmäßige familienhafte Wirtschaftsführung (vgl BSG vom 23.3.1983 - 3 RK 66/81 = SozR 2200 § 199 Nr 3 S 4); dieser wird zum "eigenen Haushalt", wenn der Betreffende die Kosten der Lebens- und Wirtschaftsführung im Wesentlichen selbst trägt (BSG aaO). Diesem Punkt kommt in Wohnheimen, Wohnstiften und Altenheimen besondere Bedeutung zu, weil davon die Abgrenzung zur stationären Unterbringung in diesen Einrichtungen abhängt.
3. Die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege können nur im Rahmen des Gesetzes verbindliche Regelungen über die zu erbringenden Leistungen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege enthalten (vgl BSG vom 17.3.2005 - B 3 KR 35/04 R ).
4. Die Frage, ob in Einrichtungen der Behindertenhilfe lebende Personen einen Anspruch gegen ihre Krankenkasse auf häusliche Krankenpflege haben, hängt nicht davon ab, ob sie Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen.
5. Der Ausschluss eines Versicherten als Behindertenhilfe von der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs 2 S 1 SGB 5 ist nicht verfassungswidrig.
Normenkette
SGB V § 37 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1990-06-26, S. 2 Fassung: 2003-11-14, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6, Abs. 7; SGB XI § 43 Abs. 2; RVO § 185 Abs. 1 S. 2; GG Art. 3 Abs. 1, 3 S. 2; BSHG §§ 39ff, 39; SGB XII §§ 53, 53ff
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. November 2003 geändert und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 22. Februar 2001 zurückgewiesen.
Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um Leistungen der häuslichen Krankenpflege für den in einem Wohnheim für psychisch Kranke untergebrachten und bei der Beklagten krankenversicherten Kläger.
Der 1955 geborene Kläger leidet ua an insulinpflichtigem Diabetes und Schizophrenie. Er wohnt seit Januar 1996 in einem Wohnheim für psychisch Kranke, welches von der beigeladenen Arbeiterwohlfahrt (AWO) betrieben und weitgehend von dem ebenfalls beigeladenen örtlichen Träger der Sozialhilfe finanziert wird. Seit August 1996 erhielt der Kläger auf Kosten der Beklagten laufend Leistungen der häuslichen Krankenpflege (medizinische Behandlungspflege) in Form von zwei Hausbesuchen täglich mit Blutzuckermessungen und Insulininjektionen, die von einem Kranken- und Altenpflegedienst erbracht wurden und jeweils auf vierteljährlichen Verordnungen des behandelnden Hausarztes basierten. Nach Eingang einer weiteren ärztlichen Verordnung für das 3. Quartal 1999 (1. Juli bis 30. September 1999) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die Kosten der verordneten Behandlungspflege nur noch bis zum 31. August 1999 übernehme, weil er in einem Wohnheim für psychisch Kranke lebe, das als Einrichtung der Behindertenhilfe anerkannt sei und für das sie als zuständige Pflegekasse zur Abgeltung der pflegebedingten Aufwendungen sowie der Aufwendungen für die soziale Betreuung und die medizinische Behandlungspflege monatlich pauschal 10 % des Heimentgelts, höchstens 500 DM (heute: 256 €), aufwenden müsse. Die Kosten für die medizinische Behandlungspflege seien im Pflegesatz enthalten und könnten folglich nicht mehr zusätzlich übernommen werden (Bescheid vom 26. August 1999, Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 1999). Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben.
Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ist die Beklagte verpflichtet worden, bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens weiterhin ärztlich verordnete Maßnahmen der Behandlungspflege vorläufig zu erbringen (Beschlüsse des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 20. September 1999 und 20. März 2000 – S 6 KR 168/99 ER und 34/00 ER –). In einem späteren Erörterungstermin hat das SG den letzteren Beschluss im Einvernehmen mit den Beteiligten dahingehend geändert, dass die Beklagte die streitige Behandlungspflege nur bis zum 22. Juli 2000 zu erbringen habe. Für die Zeit danach hat sich der beigeladene Sozialhilfeträger zur Finanzierung der notwendigen Behandlungspflege bereit erklärt – vorbehaltlich eines späteren Erstattungsanspruchs gegen die beklagte Krankenkasse.
Das SG hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger sei in einer vollstationären Einrichtung iS von §§ 43a, 71 Abs 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) – Soziale Pflegeversicherung – untergebracht und könne keine Leistungen der häuslichen Krankenpflege erhalten, weil er weder einen eigenen Haushalt führe noch sich im Haushalt seiner Familie befinde, was nach § 37 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) – Gesetzliche Krankenversicherung – Leistungsvoraussetzung sei (Urteil vom 22. Februar 2001). Das Landessozialgericht (LSG) hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die bis zum 22. Juli 2000 übernommenen Kosten für die Behandlungspflege des Klägers endgültig zu tragen und die vertragsärztlich verordnete Behandlungspflege für die anschließende Zeit zu gewähren (Urteil vom 27. November 2003). Der Kläger habe Anspruch auf häusliche Krankenpflege, weil er in einem eigenen Haushalt wohne. Dies ergebe sich aus seinen tatsächlichen Lebensverhältnissen, denn er führe seinen Haushalt selbstständig und eigenverantwortlich in Wohngemeinschaft mit seinen Mitbewohnern. Zudem sei nach dem Heimvertrag die Gewährung von medizinischer Behandlungspflege durch den Heimträger nicht vorgesehen. Die Tatsache, dass der Kläger in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe gemäß § 43a SGB XI lebe, stehe dem nicht entgegen; zwar habe er früher Leistungen der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I bezogen, doch seien diese mit Wirkung zum 1. Dezember 1999 wegen Wegfalls der medizinischen Voraussetzungen entfallen.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 37 Abs 2 SGB V sowie des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Zu Unrecht sei das LSG von einem weiten Haushaltsbegriff ausgegangen und habe einen eigenen Haushalt des Klägers angenommen, weil die therapeutische Ausrichtung des Wohnheims ein familienhaftes Zusammenleben der Bewohner unter Aufsicht des Betreuungspersonals ermögliche. Bei der Umschreibung des Aufenthaltsorts des Versicherten in § 37 SGB V gehe es um die Abgrenzung zur Leistungserbringung im stationären Bereich. Der Begriff der stationären Versorgung werde sowohl in §§ 39 und 39a SGB V als auch in § 43a SGB XI verwendet und dürfe nicht unterschiedlich interpretiert werden, denn auch das Wohnheim der Beigeladenen zu 2) erbringe umfassende Betreuungsleistungen, die zusätzliche Leistungen der häuslichen Krankenpflege ausschlössen. Zudem verletze die Entscheidung des LSG den allgemeinen Gleichheitssatz, weil es auf die Frage der Pflegebedürftigkeit eines Bewohners abgestellt habe. Dies sei sachwidrig, denn der Betreuungsbedarf werde in allen Fällen und unabhängig von der Pflegebedürftigkeit der Heimbewohner in identischem Umfang durch die Versorgung in der Einrichtung sichergestellt. Da pflegebedürftige Bewohner einer vollstationären Einrichtung wegen der Regelungen im SGB XI von Leistungen der medizinischen Behandlungspflege ausgenommen seien, müsse dies auch für Personen wie den Kläger gelten, selbst wenn dieser keine Leistungen der Pflegeversicherung mehr beziehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 27. November 2003 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Bayreuth vom 22. Februar 2001 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er sei psychisch krank, aber nicht pflegebedürftig; deshalb komme es auf die im Mittelpunkt der Revisionsrügen stehende Abgrenzungsproblematik und die mögliche Anwendbarkeit von Vorschriften des SGB XI nicht an. Entscheidungserheblich sei allein die Ausfüllung des Begriffs “Haushalt” in § 37 SGB V; insoweit habe das LSG rechtsfehlerfrei festgestellt, dass er seine Haushaltsführung selbstständig und eigenverantwortlich gestalte und deshalb einen eigenen Haushalt führe.
Die beigeladene AWO hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert. Der beigeladene Sozialhilfeträger schließt sich den Entscheidungsgründen des LSG an und beantragt ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG der Berufung des Klägers stattgegeben und das erstinstanzliche Urteil geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 26. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 1999 ist nicht zu beanstanden, denn der Kläger verfügt im Wohnheim der beigeladenen AWO nicht über einen eigenen Haushalt iS des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V .
1. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben und zulässig ( § 54 Abs 4 SGG ). Der Anspruch des Klägers auf Gewährung häuslicher Krankenpflege dürfte allerdings, zumindest teilweise, bereits erfüllt sein - für die Zeit bis zum 22. Juli 2000 durch die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verurteilte Beklagte und für die Zeit danach durch den Beigeladenen zu 1) auf der Grundlage seiner Verpflichtung im SG-Termin vom 21. Juli 2000. Die Klage ist jedoch als sog Fortsetzungsfeststellungsklage weiterhin zulässig, wenn der ursprüngliche Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat ( § 131 Abs 1 Satz 3 SGG ). Hierzu hat das LSG keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Insbesondere hat es nicht festgestellt, für welche Zeiträume tatsächlich schon häusliche Krankenpflege erbracht worden ist, ob weitere ärztliche Verordnungen für die Zeit ab Oktober 1999 vorliegen und ob die Gewährung häuslicher Krankenpflege während des gesamten streitigen Zeitraums zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich gewesen ist. Gleichwohl bedurfte es keiner Zurückverweisung des Rechtsstreits zur weiteren Sachaufklärung an das LSG ( § 170 Abs 2 Satz 2 SGG ), weil der Anspruch des Klägers auf Gewährung häuslicher Krankenpflege gegen die Beklagte grundsätzlich nicht besteht, solange er im Wege der Eingliederungshilfe gemäß § 53 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) - Sozialhilfe - (früher: § 39 Bundessozialhilfegesetz ≪BSHG≫) auf Kosten des Beigeladenen zu 1) im Wohnheim der Beigeladenen zu 2) untergebracht ist.
2.a) Gemäß § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V in der seit Jahresbeginn 1990 (BGBl I 1211) gültigen Fassung erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder in ihrer Familie als häusliche Krankenpflege (medizinische) Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 21. November 2002 ( BSGE 90, 143, 148 f = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 S 33 f) klargestellt, was unter dem Tatbestandsmerkmal "in seinem/ihrem Haushalt" zu verstehen ist. Danach ging es dem Gesetzgeber bei der Umschreibung des Aufenthaltsortes des Versicherten im Rahmen der Behandlungspflege vor allem um die Abgrenzung zur Leistungserbringung im stationären Bereich. Dieser Begriff wurde nämlich schon in der Ursprungsfassung des § 185 Reichsversicherungsordnung (RVO) aus dem Jahr 1911 als bloße Unterscheidung von der Krankenhausversorgung (vgl Poske, Hauspflege, 1990, S 70 ff, 112 ff) verwendet: "Die Kasse kann mit Zustimmung des Versicherten Hilfe und Wartung durch Krankenpfleger, Krankenschwestern oder andere Pfleger namentlich auch dann gewähren, wenn die Aufnahme des Kranken in ein Krankenhaus geboten, aber nicht ausführbar ist, oder ein wichtiger Grund vorliegt, den Kranken in seinem Haushalt oder in seiner Familie zu belassen." Diese Formulierung wurde dann als Voraussetzung für den Anspruch auf Behandlungssicherungspflege übernommen, die mit dem Gesetz zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung - Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG) vom 27. Juni 1977 (BGBl I S 1069) als § 185 Abs 1 Satz 2 RVO zunächst als Satzungsleistung eingeführt (vgl zum Gesetzgebungsverfahren Zipperer, DOK 1978, 11, 20 ) und später durch das Gesetz über die 19. Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften (KOV-AnpG 1990) vom 26. Juni 1990 (BGBl I S 1211) in § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V zur Regelleistung bestimmt wurde. Die Vorschrift geht - damals wie heute - davon aus, dass Behandlungspflege nur im eigenen Haushalt oder in der Familie zu erbringen ist, wo die hauswirtschaftliche Grundversorgung (insbesondere Kochen, Waschen, Raumpflege usw) sichergestellt ist (Wenig, KrV 1978, 116, 117 ).
In der Diskussion um die Erweiterung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege durch das KVKG stand schon bald die Notwendigkeit einer Abgrenzung zum stationären Bereich der Heimpflege im Vordergrund. Aus dem Erfordernis eines eigenen Haushalts wurde der Schluss gezogen, dass bei einem Daueraufenthalt in Einrichtungen der Alten- oder Behindertenhilfe ein Leistungsanspruch nur dann bestehe, wenn die Versorgung des Versicherten nicht (vertraglich) umfassend von der Einrichtung geschuldet werde (vgl Hanau/Rolfs, VSSR 1993, 237, 252 ; Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: 1. August 1999, § 37 RdNr 15; Höfler in: Kasseler Komm, Band 1, Stand: Dezember 2004, § 37 SGB V RdNr 14). Das Bundessozialgericht (BSG) hat den Anspruch eines an einer chronischen Psychose leidenden Versicherten, der in einer sozialtherapeutischen Wohngruppe lebte, auf Erstattung der Kosten ( § 13 Abs 1 SGB V ) für häusliche Krankenpflege gegen seine Krankenkasse abgelehnt, weil der Träger dieser Einrichtung bereits nach dem Betreuungsvertrag verpflichtet war, die streitige medizinische Behandlungsmaßnahme zu erbringen (BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 2), dem damaligen Kläger also keine Kosten infolge der Weigerung der Krankenkasse entstanden waren. Im vorliegenden Fall hat das LSG mit Revisionsrügen nicht angegriffen und deshalb für den Senat bindend ( § 163 SGG ) festgestellt, dass in dem von der Beigeladenen zu 2) geführten Wohnheim ausweislich des mit dem Kläger abgeschlossenen Heimvertrages keine Behandlungspflege vorgesehen ist. Nach § 1 des Heimvertrages wird die Möglichkeit des Wohnens auf Zeit oder auf Dauer geboten; zusätzlich werden Hilfen zur sinnvollen Strukturierung des Tages- und Wochenablaufs sowie Hilfen zur Eingliederung in die Wohngruppe und zur persönlichen Entfaltung zur Verfügung gestellt. In der Einzelspezifizierung der Heimleistungen (§ 2 Heimvertrag) werden sodann verschiedene Leistungen aufgelistet, die im Zusammenhang mit der Überlassung von möblierten Wohnungen stehen oder einen sozial-pädagogischen Inhalt haben; Angebote zur Grundpflege oder zur medizinischen Betreuung finden sich bis auf die Hilfe bei der Vermittlung eines ggf erforderlichen Arztes nicht. Damit steht dem Kläger gegen den Heimträger kein Anspruch auf medizinische Betreuung in der Form der Krankenpflege zu. Daraus folgt aber nicht, dass deshalb die Beklagte dazu verpflichtet wäre.
b) Die Versagung eines Anspruchs aus § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V ergibt sich allerdings nicht bereits aus den "Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V " (im Folgenden: HKP-Richtlinien) vom 16. Februar 2000 (BAnz 91 vom 13. Mai 2000, S 8878), die unter Ziffer I Nr 5 pauschal bestimmen, dass häusliche Krankenpflege für die Zeit des voll- oder teilstationären Aufenthalts in Pflege- oder Behindertenheimen nicht verordnet werden kann. Zum einen sind diese Richtlinien erst am 14. Mai 2000 in Kraft getreten und können Wirksamkeit folglich nicht vor diesem Zeitpunkt entfalten. Zum anderen hat der Senat bereits darauf hingewiesen, dass die HKP-Richtlinien nur im Rahmen des Gesetzes verbindliche Regelungen über die zu erbringenden Leistungen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege enthalten können (Urteil vom 17. März 2005 - B 3 KR 35/04 R , zum Abdruck in BSGE und SozR vorgesehen).
c) Die Frage, ob in Einrichtungen der Behindertenhilfe lebende Personen einen Anspruch gegen ihre Krankenkasse auf häusliche Krankenpflege haben, hängt auch nicht davon ab, ob sie Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen. Deshalb ist nicht von Bedeutung, dass der Kläger zunächst noch Leistungen nach der Pflegestufe I bezogen hat, diese aber mit Wirkung zum 1. Dezember 1999 wegen Wegfalls der medizinischen Voraussetzungen eingestellt worden sind. Der Gesetzgeber sieht die Pflege in Einrichtungen der Behindertenhilfe als integralen Bestandteil der Eingliederungshilfe an, die früher in den Vorschriften des BSHG und heute in den §§ 53 ff SGB XII geregelt ist. Die in § 43 Abs 2 SGB XI normierte - vorläufige - Übernahme von Leistungen der medizinischen Behandlungspflege durch die Pflegekasse gilt für die Einrichtungen der Behindertenhilfe ( § 71 Abs 4 SGB XI ) nicht; deshalb sind Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, soweit deren Voraussetzungen im Einzelnen gegeben sind, grundsätzlich auch beim Aufenthalt in einer Einrichtung nach §§ 71 Abs 4, 43a SGB XI zu gewähren (Leitherer aaO § 43a SGB XI RdNr 3a; Schumacher, RdLH 1999, 123, 124 ; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 36 S 203 zur Hilfsmittelversorgung; ferner Bundesregierung BT-Drucks 14/6680 S 3). Die pauschale Abgeltung der Pflegeleistungen nach § 43a SGB XI steht dem Anspruch eines krankenversicherten Pflegebedürftigen auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V ebenfalls nicht entgegen (so auch Pöld-Krämer aaO § 43a RdNr 15a; Höfler aaO § 37 SGB V RdNr 14; Schumacher aaO S 124; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 2 RdNr 10), soweit die sonstigen Voraussetzungen dieser Norm erfüllt sind. Entscheidend ist somit allein, ob ein eigener Haushalt in der Behinderteneinrichtung zur Verfügung steht. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.
d) Das LSG hat unter Berücksichtigung der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme unangegriffen und deshalb für den Senat bindend ( § 163 SGG ) festgestellt, dass der Kläger für seine abgeschlossene Wohnung mit Flur, Küche und Bad einen eigenen Wohnungsschlüssel besitzt und sich mit den übrigen Mitgliedern seiner Gruppe überwiegend selbst versorgt. Die Wäscheversorgung erfolgt ebenfalls selbstständig und eigenverantwortlich, wenn auch unter therapeutischer Anleitung; entsprechendes gilt für die Wohnungs- und Zimmerreinigung. Sämtliche dem häuslichen Bereich zuzuordnenden Verrichtungen sind in der Wohnung des Klägers möglich. Gleichwohl kann aus diesen Feststellungen allein nicht geschlossen werden, dass der Kläger im Wohnheim der Beigeladenen zu 2) einen eigenen Haushalt führt - und zwar auch nicht in Wohngemeinschaft mit anderen Mitbewohnern.
Wie das BSG schon früh zum Kindergeldrecht ausgeführt hat, kommt es für die Feststellung eines eigenen Haushalts nicht nur auf die Eigentums- und Besitzverhältnisse an Wohnung und Hausrat an, sondern auch darauf, wer die Kosten der Haushaltsführung trägt ( BSGE 30, 28, 30 = SozR Nr 4 zu § 2 BKGG; vgl auch SozR 5870 § 3 Nr 6 S 15 ff). Haushalt ist die häusliche wohnungsmäßige familienhafte Wirtschaftsführung (BSG SozR 2200 § 199 Nr 3 S 4); dieser wird zum "eigenen Haushalt", wenn der Betreffende die Kosten der Lebens- und Wirtschaftsführung im Wesentlichen selbst trägt (BSG aaO; vgl auch Höfler aaO § 37 SGB V RdNr 12a; Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Band 1, Stand: Januar 2005, § 37 RdNr 3). Diesem Punkt kommt in Wohnheimen, Wohnstiften und Altenheimen besondere Bedeutung zu, weil davon die Abgrenzung zur stationären Unterbringung (vgl oben unter 2a) in diesen Einrichtungen abhängt. Entscheidend kommt es hier darauf an, ob dem Betroffenen noch eine eigenverantwortliche Wirtschaftsführung möglich ist (Wenig aaO S 117), er sich also wirtschaftlich selbst versorgen kann (Höfler aaO § 37 SGB V RdNr 14 mwN). Töns ( BKK 1986, 273, 275 f) definiert unter Bezugnahme auf die finanzgerichtliche Rechtsprechung den eigenen Haushalt als "häusliche Wirtschaft, die auf die Umsetzung von Geldmitteln und Produkten in die für die existentiellen Bedürfnisse benötigten Güter und Dienstleistungen gerichtet" ist, wobei diese Umsetzung selbstständig zu bewirken ist. Eine solch eigenständige und eigenverantwortliche Wirtschaftsführung ist dem Kläger im Wohnheim der Beigeladenen zu 2) nicht möglich.
Der Aufenthalt des Klägers im Wohnheim der Beigeladenen zu 2) ist nicht auf Grund eines frei ausgehandelten und vom ihm selbst finanziell getragenen Mietvertrages zu Stande gekommen, sondern auf der Grundlage eines Heimvertrages. Derartige Verträge beruhen heute auf den Vorschriften des Heimgesetzes (HeimG) idF der Bekanntmachung vom 5. November 2001 (BGBl I 2970). Nach § 1 Abs 1 Satz 2 HeimG sind Heime im Sinne dieses Gesetzes Einrichtungen, die dem Zweck dienen, ältere Menschen oder pflegebedürftige oder behinderte Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden (eine inhaltlich ähnliche Definition enthielt auch schon § 1 Abs 1 HeimG idF des Gesetzes vom 23. April 1990 - BGBl I 758). Dementsprechend hat sich die beigeladene AWO in § 1 des Heimvertrages verpflichtet, nicht nur Wohnraum entgeltlich zur Verfügung zu stellen, sondern auch die Verköstigung im Rahmen der Gemeinschaftsverpflegung und die Reinigung der Wäsche sowie Arbeitstherapie, pädagogische Begleitung in der persönlichen Lebensführung bzw im sozialen Verhalten und sonstige therapeutische Angebote. Der Kläger hat sich im Gegenzug bereit erklärt, regelmäßig, pünktlich und aktiv an den angebotenen Betreuungs- und Fördermaßnahmen teilzunehmen und die gemeinschaftlichen Dienste wahrzunehmen (§ 2 Abs 1 und 2 Heimvertrag). Es wird keine monatlich berechnete Miete geschuldet, sondern ein Tagespflegesatz (gemäß § 2 Abs 3 Heimvertrag: 120,70 DM im August 1996, später 124,95 DM), der nicht mit dem Kläger ausgehandelt wurde, sondern sich nach einer Pflegesatzvereinbarung mit dem überörtlichen Sozialhilfeträger richtet. Es handelt sich damit nicht um ein reguläres Mietverhältnis, sondern um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff SGB XII (früher: §§ 39 ff BSHG ) iVm § 55 Abs 2 Nr 6 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen -, die der Kläger nur deshalb erhält, weil seine Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt ist. Der Aufenthalt in der betreuten Wohngemeinschaft der AWO soll dazu beitragen, seine Defizite aufzuarbeiten und ihm das Leben in der Gemeinschaft wieder zu ermöglichen oder zu sichern ( § 55 Abs 1 SGB IX ). Dies geschieht durch eine wohnheimmäßige Unterbringung, in der ua auch die Fähigkeit zum zukünftigen Leben in einem eigenen - unabhängigen - Haushalt trainiert wird.
Ausgangspunkt für die Wahl eines Anknüpfungspunktes im häuslichen Umfeld war - wie gezeigt - die Abgrenzung zur stationären Krankenhausbehandlung. Dieses Kriterium ist in gleicher Weise geeignet, sonstige stationäre Einrichtungen von den Leistungen der häuslichen Krankenpflege auszunehmen. Auch die jüngste Änderung des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB V durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vom 14. November 2003 (BGBl I 2190) zeigt, dass der Gesetzgeber keinen Handlungsbedarf gesehen hat, häusliche Krankenpflege für Menschen in Einrichtungen der Behindertenhilfe ohne eigenen Haushalt zu ermöglichen. Mit dieser Regelung wurde nur eine Rechtsgrundlage dafür geschaffen, dass allein stehende Wohnungslose medizinische Behandlungspflege erhalten können, um kostentreibende Krankenhauseinweisungen zu verhindern (vgl BT-Drucks 15/1525 S 5, 90). Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs 2 und 4 SGB XI aufgenommen sind, erhalten nunmehr Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen nur zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Hierbei handelt es sich um eine Ausnahme von dem Erfordernis eines Haushalts, denn es "wird klargestellt, dass bei Daueraufenthalt ohne eigenen Haushalt, zB in Heimen, weiterhin kein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege besteht" (so die Gesetzesbegründung, BT-Drucks aaO zu Buchst a).
e) Der Ausschluss des Klägers als Bewohner einer Einrichtung der Behindertenhilfe von der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V ist nicht verfassungswidrig; entgegen der Ansicht des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge ( NDV 2001, 233, 234 ) liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ( Art 3 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫) oder gegen das Benachteiligungsverbot des Art 3 Abs 3 Satz 2 GG vor. Der Gesetzgeber verfügt über einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Entscheidung der Frage, welche Lebensrisiken er mit bestimmten sozialen Leistungen absichert. Der Gleichheitssatz des Art 3 GG ist nicht schon dann verletzt, wenn der Gesetzgeber nicht die gerechteste, allen denkbaren Fallgestaltungen lückenlos Rechnung tragende Lösung gefunden hat (vgl BSG SozR 4-3300 § 14 Nr 3). Der Kläger - er kann die erforderlichen Kosten der medizinischen Behandlungspflege nicht selbst aufbringen - wird dadurch nicht in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Zwar erhält er nicht ohne weiteres die erforderliche Pflege durch die Beigeladene zu 2). Einrichtungen der Behindertenhilfe müssen im Gegensatz zu den Pflegeheimen keine medizinisch vorgebildeten Pflegefachkräfte iS des § 71 Abs 1 - 3 SGB XI beschäftigen. Sie sind daher oft nicht in der Lage, qualifizierte medizinische Behandlungspflege für die Heimbewohner zur Verfügung zu stellen (Schumacher RdLH 1999, 123 ff und 2000, 79, 80). Gleichwohl entsteht kein "Leistungsvakuum" zu Lasten der Versicherten: Die Sozialhilfeträger sind nämlich verpflichtet, die mit der medizinischen Behandlungspflege verbundenen Kosten eines ambulanten Pflegedienstes zu übernehmen, und zwar entweder im Rahmen der Hilfe bei Krankheit ( § 48 SGB XII ) oder nach §§ 53 Abs 1, 55 Satz 1 SGB XII als Eingliederungshilfe. Zudem könnten die Heimträger - bei entsprechendem Umfang ihrer Betreuungstätigkeit - auch selbst geeignetes Pflegepersonal einstellen oder die notwendigen Leistungen der häuslichen Krankenpflege durch Beauftragung externer Pflegedienste beschaffen, wobei sie die Kosten im Rahmen der nach §§ 75 Abs 3, 76 SGB XII erforderlichen Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen mit dem Sozialhilfeträger geltend machen könnten (so auch Schumacher aaO). Die damit verbundene Verlagerung der Kostenlast auf die Sozialhilfeträger wäre kein verfassungswidriger Nachteil für den Kläger, da er die ihm zustehenden Leistungen ohne Einschränkungen erhalten würde.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG .
Fundstellen