Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung von Säumniszuschlägen im Sozialversicherungsrecht. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Bei der Berechnung von Säumniszuschlägen sind alle Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige bis zum Ablauf des Fälligkeitstages nicht gezahlt hat, zu addieren, bevor der sich daraus ergebende rückständige Gesamtbetrag auf 50 Euro nach unten abgerundet wird.
Orientierungssatz
Die Erhebung von Säumniszuschlägen unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Normenkette
SGB IV § 24 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2, § 69 Abs. 2, § 76 Abs. 1; AO § 240 Abs. 1 S. 1; AO 1977 § 240 Abs. 1 S. 1; GG
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. November 2018 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 41 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erhebung von Säumniszuschlägen.
Der Kläger betreibt eine Praxis für Psychiatrie und Psychotherapie. Aufgrund einer Betriebsprüfung stellte die Beklagte Beitragsnachforderungen für die Zeit vom 1.1. bis zum 31.12.2014 in Höhe von monatlich 14,94 Euro und für Dezember 2015 in Höhe von 32,15 Euro fest. Sie addierte die Beitragsnachforderungen und erhob mit Überschreiten der 50-Euro-Grenze im April 2014 für jeden Monat Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 41 Euro (Bescheid vom 7.9.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28.11.2016).
Die allein gegen die Erhebung der Säumniszuschläge gerichtete Klage und die vom LSG zugelassene Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG München vom 24.10.2017, Urteil des Bayerischen LSG vom 15.11.2018). Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Berechnungsmethode der Beklagten sei in einer Gemeinsamen Verlautbarung der Spitzenverbände der Sozialversicherung zur Erhebung von Säumniszuschlägen festgelegt und in dieser Form auch von der Rechtsprechung immer wieder bestätigt worden. Der Gesetzgeber habe mit der Neufassung des § 24 SGB IV zum 1.1.1995 zwar eine Angleichung an das Steuerrecht verfolgt, aber keine identischen Regelungen beabsichtigt. Die zwingend festzusetzenden Säumniszuschläge bezweckten einerseits - aufgrund ihrer Druckfunktion - die Erfüllung der Zahlungspflichten zum Fälligkeitstermin sowie andererseits einen standardisierten Mindestschadensausgleich für den Träger der Sozialversicherung bei gleichzeitiger Verhinderung eines Zinsvorteils des säumigen Beitragsschuldners. Diesen Zwecken werde die Berechnungsmethode der Beklagten gerecht. Um auftretende Härten zu vermeiden, sehe das Gesetz ausreichende Möglichkeiten vor. Die vom Gesetzgeber außerdem beabsichtigte Verwaltungsvereinfachung erlaube nicht die Wahl einer anderen Berechnungsmethode.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 24 Abs 1 SGB IV. Weil die einzelnen nachgeforderten Monatsbeiträge jeweils unter 50 Euro blieben, seien keine Säumniszuschläge zu erheben. Regelungszweck und Wortlaut von § 24 Abs 1 SGB IV sowie § 240 Abgabenordnung (AO) seien identisch. Die Abrundungsvorschrift sei daher ohne vorhergehende Addition auf jeden einzelnen rückständigen Beitrag anzuwenden. Diese Auslegung entspreche der Intention des Gesetzgebers. Für eine der Einheit der Rechtsordnung widersprechende unterschiedliche Berechnung der Säumniszuschläge im Steuer- und Sozialversicherungsrecht sei kein sachlicher Grund ersichtlich. Die Gemeinsame Verlautbarung der Spitzenverbände der Sozialversicherung enthalte keine verbindlichen Regelungen. Fiskalische Gründe seien unerheblich.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. November 2018 sowie des Sozialgerichts München vom 24. Oktober 2017 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 7. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2016 insoweit aufzuheben, als Säumniszuschläge in Höhe von 41 Euro festgesetzt worden sind.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 7.9.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.11.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, soweit Säumniszuschläge in Höhe von 41 Euro festgesetzt worden sind.
Nach § 24 Abs 1 Satz 1 SGB IV idF der Bekanntmachung vom 12.11.2009 (BGBl I 3710) ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 vH des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind hier erfüllt. Die vom Kläger aufgrund des insoweit nicht angefochtenen und damit bestandskräftigen Bescheids der Beklagten vom 7.9.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28.11.2016 geschuldeten Beiträge hat er nicht rechtzeitig gezahlt. Wegen der zu zahlenden Beiträge in Höhe von monatlich 14,94 Euro für die Zeit vom 1.1. bis zum 31.12.2014 sowie für Dezember 2015 in Höhe von 32,15 Euro war der Kläger seit April 2014 mit Beiträgen in Höhe von mehr als 50 Euro (4 × 14,94 Euro = 59,76 Euro) im Rückstand.
Rückständige Beiträge sind nach § 24 Abs 1 Satz 1 SGB IV vor der Abrundung zu addieren, und zwar auch dann, wenn sie in einzelnen Monaten weniger als 50 Euro betragen. Diese Auslegung ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift (hierzu 1.) und wird durch ihren Zweck (hierzu 2.), die Gesetzeshistorie (hierzu 3.) sowie die allgemeinen Grundsätze des Beitragsrechts (hierzu 4.) bestätigt. Dem Sozialversicherungsträger steht es nicht frei, rückständige Beiträge unterschiedlicher Fälligkeit ohne vorherige Addition jeweils gesondert abzurunden (hierzu 5). Das Steuerrecht steht dem nicht entgegen (hierzu 6.). Die Erhebung eines Säumniszuschlags war auch nicht nach § 24 Abs 1 Satz 2 oder Abs 2 SGB IV ausgeschlossen (hierzu 7.) und unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (hierzu 8.).
1. Nach dem Wortlaut des § 24 Abs 1 Satz 1 SGB IV ist der Säumniszuschlag nicht für "einen Beitrag" oder für "einen auf 50 Euro nach unten abgerundeten rückständigen Beitrag" zu erheben. Vielmehr wird an unbestimmt viele "Beiträge" und "Beitragsvorschüsse" angeknüpft. Aus diesen ergibt sich dann - gegebenenfalls durch Addition - ein rückständiger, auf 50 Euro nach unten abgerundeter "Betrag". Während sich der Gesetzgeber also bei den Beiträgen und Beitragsvorschüssen des Plurals bedient, ist die Abrundung nur auf einen im Singular formulierten "Betrag" bezogen. Schon nach dem Gesetzeswortlaut ist damit nur einmal abzurunden. Bei einem (Gesamt-)Betrag, der unter 50 Euro bleibt, sind daher keine Säumniszuschläge zu erheben; liegt der sich durch die Addition aller rückständigen Beiträge und Beitragsvorschüsse ergebende Betrag allerdings bei 50 Euro oder darüber, sind für diesen auf 50 Euro abgerundeten Beitragsrückstand für jeden angefangenen Monat der Säumnis Säumniszuschläge zu erheben.
2. Diese Wortlautinterpretation wird durch den Zweck der Säumniszuschläge bestätigt. Sie sollen die verspätete Beitragszahlung des Arbeitgebers sanktionieren. Sie dienen zugleich der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit und finanziellen Stabilität der Sozialversicherung, indem sie den Schuldner einerseits unter Druck setzen, seiner Zahlungspflicht zum Fälligkeitszeitpunkt nachzukommen, andererseits aber auch einen standardisierten Mindestschadensausgleich für den eingetretenen Zinsverlust und Verwaltungsaufwand der Sozialversicherungsträger unter gleichzeitiger Vermeidung von Zinsvorteilen der säumigen Beitragsschuldner bewirken. Es soll sichergestellt werden, dass die Sozialversicherungsträger über die fälligen Beiträge verfügen, um ihren Leistungspflichten nachkommen zu können (BSG Urteil vom 12.12.2018 - B 12 R 15/18 R - BSGE 127, 125 = SozR 4-2400 § 24 Nr 8, RdNr 17; BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 3/11 R - BSGE 111, 268 = SozR 4-2400 § 24 Nr 7, RdNr 25). Dieser doppelten Zwecksetzung (Druckmittel und Schadensausgleich) wäre nicht Rechnung getragen, wenn Schuldner von kleineren, aber regelmäßig anfallenden Beiträgen keine Sanktion für eine Säumnis zu erwarten hätten, obwohl gerade bei längeren Zeiträumen der Säumnis erhebliche Beitragsschulden entstehen können. Eine sanktionsfreie Beitragsschuld ist weder im Hinblick auf die gebotene finanzielle Stabilität und Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung insgesamt noch gegenüber den nicht säumigen Beitragsschuldnern zu rechtfertigen.
3. Auch aus der Historie des § 24 Abs 1 SGB IV wird deutlich, dass Säumniszuschläge - abgesehen von Härtefällen - zwingend zu erheben sind, sobald sie die Portokosten übersteigen. Nach der bis zur Neufassung des § 24 Abs 1 Satz 1 SGB IV (durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Sozialgesetzbuchs über den Schutz der Sozialdaten sowie zur Änderung anderer Vorschriften - Zweites Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs ≪2. SGBÄndG≫ vom 13.6.1994, BGBl I 1229) geltenden Regelung stand die Erhebung eines einmaligen Säumniszuschlags bis zur Höhe von 2 vH der rückständigen Beträge im Ermessen der Einzugsstelle, wenn der Zahlungspflichtige die Beiträge oder Beitragsvorschüsse eine Woche nach Fälligkeit noch nicht entrichtet hatte. Nachdem der Bundesrechnungshof unter Bezugnahme auf Untersuchungen der Rentenversicherungsträger in den Jahren 1985 bis 1989 darauf hingewiesen hatte, dass ein großer Teil der Beiträge von den Arbeitgebern verspätet gezahlt werde, wurde eine Verschärfung der Vorschrift für dringend erforderlich gehalten. Daraufhin *wurde die Schonfrist von einer Woche gestrichen und anstelle des Ermessens der Behörde die zwingende Erhebung der Säumniszuschläge angeordnet; gleichzeitig wurde für Härtefälle in § 76 Abs 2 Nr 3 SGB IV die Möglichkeit eines Erlasses vorgesehen (vgl BT-Drucks 12/5187 S 1, 27 f II.; BT-Drucks 12/6306 S 2, 10; BT-Drucks 12/6334 S 2). Nach der Gesetzesbegründung entfalle die Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 Abs 1 Satz 2 SGB IV ausschließlich aus verwaltungsökonomischen Gründen und nur dann, wenn der Säumniszuschlag die Portokosten nicht übersteige. Deshalb sei der Säumniszuschlag auch bei einem Rückstand unter 200 DM zu erheben, wenn keine gesonderten Portokosten anfielen (BT-Drucks 12/5187 S 30 zu Nr 8 ≪§ 24≫).
4. Diese Auslegung entspricht allgemeinen Grundsätzen des Beitragsrechts. Nach § 76 Abs 1 SGB IV sind Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben. Zu diesen Einnahmen gehören auch Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV. Der Begriff der Einnahmen ist umfassender als der Begriff der Beiträge und bezieht sich grundsätzlich auf alle gesetzlichen Forderungen und Ansprüche der Sozialversicherungsträger. § 76 SGB IV ist außerdem nicht dem Zweiten Abschnitt über Leistungen und Beiträge zugeordnet, sondern dem Dritten Titel des Vierten Abschnitts über das Haushalts- und Rechnungswesen der Sozialversicherungsträger. Der Grundsatz der rechtzeitigen und vollständigen Einnahmeerhebung, der sich auch im öffentlichen Haushaltsrecht des Bundes und der Länder findet (vgl § 19 Abs 1, § 31 Abs 2 Haushaltsgrundsätzegesetz, § 34 Abs 1, § 59 Abs 1 Satz 1 Bundeshaushaltsordnung), konkretisiert zudem den in § 69 Abs 2 SGB IV normierten weiteren Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Daraus wird insgesamt das Ziel einer am Gedanken der Wirtschaftlichkeit ausgerichteten effektiven Anspruchsverwirklichung deutlich, von deren Durchsetzung nur abgesehen werden kann, wenn sie unverhältnismäßig wäre (vgl von Boetticher in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, Stand: 1.3.2016, § 76 RdNr 13, 14). Systematisch zielt § 24 Abs 1 Satz 1 SGB IV auf die vollständige Festsetzung der Säumniszuschläge, während § 76 Abs 1 SGB IV die Durchsetzung fälliger Ansprüche in voller Höhe (nebst Zinsen und Nebenforderungen) auf eine möglichst zweckmäßige und sparsame Art und Weise gebietet. Ausnahmen hiervon bestehen nur, soweit sie ausdrücklich gesetzlich geregelt sind (zB § 24 Abs 1 Satz 2 SGB IV oder § 76 Abs 2 SGB IV).
5. Vor diesem Hintergrund steht - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - den Sozialversicherungsträgern die Anwendung der Abrundungsvorschrift ohne Addition der rückständigen Beitrage auch nicht frei (aA Segebrecht in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, Stand: 10.1.2019, § 24 RdNr 38). Bei einer solchen Berechnung würden Säumniszuschläge entgegen der zwingenden Rechtslage nur unvollkommen erhoben. Der Gemeinsamen Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen, des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger und der Bundesanstalt für Arbeit zur Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV im Rahmen des Gesamtsozialversicherungsbeitrags ab 1.1.1995 vom 9.11.1994 kommt ohnehin weder für die Versicherten noch für die Sozialgerichte eine Bindungswirkung zu. Soweit danach lediglich "keine Bedenken" bestehen, "Beitragsschulden aus mehreren Monaten für die Berechnung der Säumniszuschläge zusammenzurechnen und anschließend die Rundung vorzunehmen", ist dies - auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten - als zwingende Berechnungsmethode zu verstehen.
6. Der Abrundung nach Addition rückständiger Beiträge steht nicht § 240 Abs 1 Satz 1 AO entgegen. Nach dieser Vorschrift idF des Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007) vom 13.12.2006 (BGBl I 2878) ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von einem Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, wenn eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags entrichtet wird; dabei ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abzurunden. Schon die unterschiedliche Gesetzesformulierung legt eine differenzierte steuer- und sozialversicherungsrechtliche Betrachtung nahe (aA Zieglmeier in Kasseler Kommentar, SGB IV, Stand: März 2019, § 24 RdNr 25 sowie Bigge, jurisPR-SozR 1/2019 Anm 2 zur vorliegenden Berufungsentscheidung). Der Säumniszuschlag knüpft steuerrechtlich - im Singular ausgedrückt - an "eine Steuer", sozialversicherungsrechtlich hingegen - im Plural ausgedrückt - an "Beiträge" und "Beitragsvorschüsse" an, ohne nach der Beitragsart oder verschiedenen Fälligkeitszeitpunkten zu differenzieren. Dass zwischen dem jeweiligen Regelungsgehalt des § 24 Abs 1 Satz 1 SGB IV und der - im Übrigen auch nicht durch Verweisung in Bezug genommenen - Vorschrift des § 240 Abs 1 AO kein Gleichklang besteht, entspricht der Regelungsabsicht des Gesetzgebers. Mit der Neufassung des § 24 Abs 1 SGB IV war keine Identität mit dem Steuerrecht beabsichtigt. Vielmehr sollte mit dem Wegfall der Schonfrist zur Verschärfung der Säumnisregelung der wesentliche Inhalt des § 240 AO übernommen und dadurch lediglich eine Anpassung an das Steuerrecht herbeigeführt werden (vgl BT-Drucks 12/5187 S 1, 27 f II. und S 30 zu Nr 8 ≪§ 24≫).
Die unterschiedlichen Regelungen tragen zudem den jeweiligen Besonderheiten des Steuerrechts einerseits und des Beitragsrechts andererseits Rechnung. Auf die mangelnde Vergleichbarkeit zwischen säumigen Steuerschuldnern und säumigen Beitragsschuldnern wegen unterschiedlicher rechtlicher Ordnungsbereiche und systematischer sowie sozialgeschichtlicher Zusammenhänge hat der Senat bereits in früheren Entscheidungen hingewiesen (Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 3/11 R - BSGE 111, 268 = SozR 4-2400 § 24 Nr 7, RdNr 22; zu weiteren Unterschieden vgl auch Urteil vom 17.5.2001 - B 12 KR 32/00 R - BSGE 88, 146, 153 = SozR 3-2400 § 24 Nr 4 S 16). Sie zeigt sich im vorliegenden Zusammenhang vor allem daran, dass nach § 240 Abs 1 Satz 3 AO idF der Bekanntmachung vom 1.10.2002 (BGBl I 3866) die Säumnis nicht eintritt, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist, während nach § 24 Abs 1 Satz 1 SGB IV (abgesehen von den in § 24 Abs 2 und 3 SGB IV geregelten Ausnahmefällen) grundsätzlich der Ablauf des Fälligkeitstages genügt. Außerdem hat nach § 240 Abs 1 Satz 4 AO (idF vom 1.10.2002 aaO) eine nachträgliche Änderung der Steuerfestsetzung, der Steuervergütung oder des Haftungsbescheids grundsätzlich auf den einmal verwirkten Säumniszuschlag keinen Einfluss mehr. Im Unterschied zum Beitragsrecht in der Sozialversicherung sieht das Steuerrecht auch weitreichende Vorauszahlungspflichten und abschließende Berechnungen im Jahressteuerbescheid vor. Wird eine sich daraus ergebende Steuerforderung nicht rechtzeitig beglichen, fallen Säumniszuschläge auf den Betrag an, der sich regelmäßig aus einer Saldierung bereits beglichener und noch offener Steuerforderungen ergibt (vgl zB Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: April 2020, § 240 AO RdNr 46; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand: April 2020, § 240 AO RdNr 77). Die vor diesem Hintergrund "aus kassentechnischen Gründen" (vgl Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, aaO, § 240 AO RdNr 46) steuerrechtlich getrennte Betrachtung und Abrundung jedes einzelnen Steuerbetrags - wobei die Meinungen dazu auseinandergehen, ob dies nur für unterschiedliche Steuerarten gilt (vgl zB Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, aaO, § 240 AO RdNr 77; Koenig in Koenig, AO, 3. Aufl 2014, § 240 RdNr 38 f; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, aaO, § 240 AO RdNr 46) - lässt mangels hinreichender Parallelen keine Rückschlüsse auf das Sozialversicherungsrecht zu.
7. Von der Erhebung eines Säumniszuschlags war nicht nach § 24 Abs 1 Satz 2 SGB IV (idF der Bekanntmachung vom 12.11.2009, BGBl I 3710) abzusehen, weil bei einem rückständigen Betrag von unter 100 Euro der Säumniszuschlag gesondert schriftlich anzufordern wäre. Die Säumniszuschläge wurden in dem hier angefochtenen Verwaltungsakt zusammen mit der Beitragsnachforderung über 211,41 Euro festgesetzt. Nach § 24 Abs 2 SGB IV (idF vom 12.11.2009 aaO) ist ein Säumniszuschlag auch dann nicht zu erheben, wenn die zugrundeliegende Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird und der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Anhaltspunkte für eine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht sind nicht vorgetragen und vor dem Hintergrund der Anpassung der Beiträge und Umlagen an das tatsächliche Arbeitsentgelt einer Mitarbeiterin des Klägers auch nicht ersichtlich.
8. Die Erhebung der Säumniszuschläge unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie verstoßen weder gegen das Übermaßverbot noch stehen sie in einem unangemessenen Verhältnis zu dem teilweise seit mehr als zwei Jahren rückständigen Betrag in Höhe von 211,41 Euro. Der Senat hat bereits in einer Entscheidung vom 29.8.2012 (B 12 KR 3/11 R - BSGE 111, 268 = SozR 4-2400 § 24 Nr 7, RdNr 25 unter Hinweis auf BVerfG Urteil vom 10.6.2009 - 1 BvR 706/08 ua - BVerfGE 123, 186, 264 f = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 233 mwN) darauf hingewiesen, dass es sich bei der oben dargestellten "Doppelfunktion" der Säumniszuschläge zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und finanziellen Stabilität der Sozialversicherung um einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang und ein legitimes gesetzgeberisches Ziel handelt. Auch unter Berücksichtigung der vom BFH geäußerten schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Zweifel an der Höhe von Nachzahlungszinsen (Beschluss vom 25.4.2018 - IX B 21/18 - BFHE 260, 431 = BStBl II 2018, 415; vgl hierzu bereits Senatsurteil vom 12.12.2018 - B 12 R 15/18 R - BSGE 127, 125 = SozR 4-2400 § 24 Nr 8, RdNr 17) hat der Senat keinen Anlass, die Verfassungsmäßigkeit des § 24 SGB IV in Frage zu stellen. Die Entscheidung des BFH betraf nicht die Höhe von Säumniszuschlägen nach § 240 AO, sondern die Höhe der Nachzahlungszinsen im Sinne von § 233a iVm § 238 AO. Nach Zweck und Funktion der Säumniszuschläge im Sozialversicherungsrecht stehen jedenfalls die am Markt zu erzielenden Zinsen nicht im Vordergrund. Zudem sieht das Gesetz mit der Kleinstbetragsregelung nach § 24 Abs 1 Satz 2 SGB IV, der Berücksichtigung unverschuldeter Unkenntnis von der Zahlungspflicht nach § 24 Abs 2 SGB IV sowie mit den Regelungen zur Stundung, Niederschlagung und zum Erlass nach § 76 Abs 2 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB IV umfassende Regelungen zur Vermeidung einer möglichen Härte oder Unverhältnismäßigkeit im Einzelfall vor.
9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
10. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 Satz 1 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG.
Fundstellen