Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. gesetzlich Versicherter. Erkrankung im Ausland. Behandlung zulasten einer privaten Krankenversicherung. kein Zahlungsanspruch der privaten gegen die gesetzliche Krankenkasse
Leitsatz (amtlich)
Lassen sich Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung bei einer Erkrankung im Ausland zulasten einer privaten Krankenversicherung behandeln, hat diese keinen Zahlungsanspruch gegen die Krankenkasse.
Normenkette
SGB V § 2 Abs. 2 S. 3 Fassung: 2003-12-27, § 13 Abs. 4 Fassung: 2011-06-22, Abs. 5 Fassung: 2011-06-22, §§ 27, 63-64, 69 Abs. 1 Fassung: 2008-12-15, § 75 Abs. 1 Sätze 1-2, § 76 Abs. 1 Sätze 1-2, § 194 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 1a Sätze 1-2, § 197b Sätze 1-2; BGB §§ 421, 426 Abs. 1, § 812; VVG § 78 Abs. 1; VVG 2008 § 78 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 1332 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Aufwendungen für eine Krankenbehandlung in Ungarn.
Die bei der Klägerin, einer privaten Reiseversicherung, und bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte K. (im Folgenden: Versicherte) brach sich in Ungarn die Speiche. Die Klägerin erstattete der Versicherten aufgrund ihrer privaten Auslandskrankenversicherung die Kosten der Krankenbehandlung in Ungarn (25.6. bis 29.7.2013; 415 000 Forint, ca 1332 Euro). Der für die Krankenbehandlung seitens der Klägerin zuständige Versicherer trat sämtliche Regress- und Erstattungsansprüche aus dem Versicherungsfall an die Klägerin ab. Die Beklagte lehnte es gegenüber der Klägerin ab, sich an den Kosten zu beteiligen. Das SG hat die von der Klägerin erhobene Stufenklage auf Auskunft, in welcher Höhe die Beklagte der Versicherten die Behandlungskosten in Ungarn zu erstatten hätte, sowie (in einer zweiten Stufe) auf Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 4.7.2017). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen: Es fehle an einem Rechtsgrund für eine Erstattung. Damit scheide auch ein Auskunftsanspruch aus. Weder bestehe ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, noch sei ein gesetzlicher Forderungsübergang erfolgt. Die Klägerin habe auf eine eigene Schuld geleistet. Klägerin und Beklagte seien auch nicht Gesamtschuldner. Insbesondere scheide eine unmittelbare oder analoge Anwendung der Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) zur Mehrfachversicherung aus (Urteil vom 5.12.2017).
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung der Grundsätze des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs (§ 812 BGB analog). Durch die Geltendmachung der Forderung gegenüber der Beklagen habe sie eine nachträgliche Tilgungsbestimmung getroffen und die Beklagte von ihrer Schuld gegenüber der gemeinsamen Versicherungsnehmerin befreit.
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Die Klägerin beantragt, |
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das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. Dezember 2017 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 4. Juli 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, |
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1. 2. |
ihr Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Höhe die Beklagte der Versicherungsnehmerin K. (geb. am ) die Kosten der ärztlichen Behandlung vom Juni/Juli 2013 in Ungarn nach ihren Statuten zu erstatten hätte, und ihr den sich aus der Auskunftserteilung ergebenden Betrag nebst gesetzlichen Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen. |
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen. Die in einer ersten Stufe auf Auskunft über die Höhe der Kosten, die die Beklagte der Versicherten bei entsprechender Antragstellung aufgrund der Krankenhausbehandlung in Ungarn erstattet hätte, und in einer zweiten Stufe auf Zahlung des sich aus der Auskunft ergebenden Betrages nebst Zinsen gerichtete Klage ist zulässig (dazu 1.), aber unbegründet. Die Klägerin hat weder eigene Ansprüche aufgrund Abtretung des Versicherers (dazu 2.) noch von der Versicherten auf sie übergegangene Ansprüche gegen die Beklagte (dazu 3.) auf Zahlung und dementsprechend keinen Anspruch auf Auskunft (dazu 4.).
1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin macht ihren Auskunfts- und Erstattungsanspruch betreffend die Kosten des Krankenhausaufenthalts der Versicherten in Ungarn mit der statthaften (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG gegen die Beklagte geltend. Nur ergänzend weist der erkennende Senat darauf hin, dass das SG zutreffend den Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit bejaht hat (vgl § 51 SGG und Coseriu in Zeihe, SGG, Stand April 2018, § 51 Anm 3i ee, 17b dd und 17b ii).
Die Klägerin verfolgt das Begehren auf Auskunft sowie Zahlung zulässig im Wege der auch im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 202 S 1 SGG iVm § 254 ZPO statthaften Stufenklage als einer Sonderform der objektiven Klagehäufung (vgl BSGE 116, 130 = SozR 4-2500 § 276 Nr 6, RdNr 9; BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 11 f mwN; BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 276 Nr 2 RdNr 11; vgl auch BGH Urteil vom 26.5.1994 - IX ZR 39/93 - NJW 1994, 3102, 3103 = Juris RdNr 12, mwN). Erst die Erfüllung des Auskunftsbegehrens soll es ermöglichen, den Erstattungsanspruch zu beziffern (BSGE 116, 130 = SozR 4-2500 § 276 Nr 6, RdNr 9; BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 11 mwN). Die Klägerin macht den streitgegenständlichen Auskunfts- und Zahlungsanspruch als eigenes Recht aufgrund Abtretung durch den Versicherer (§ 398 BGB) und Forderungsübergang von der Versicherten geltend.
2. Die Klägerin hat aufgrund des Abtretungsvertrags mit dem Versicherer keinen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte. Ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte konnte nicht entstehen, denn die Regelungen über die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) sind abschließend (dazu a). Erstattungsforderungen zulasten von KKn kommen nur dann in Betracht, wenn das Gesetz sie vorsieht oder zulässt (dazu b). Daran fehlt es (dazu c).
a) Die unmittelbare oder auch nur entsprechende Anwendung des Bereicherungsrechts, der Geschäftsführung ohne Auftrag oder des Schadensersatzrechts scheidet aus, wenn Vorschriften des öffentlichen Rechts eine erschöpfende Regelung enthalten, die einen Rückgriff auf solche Ansprüche nicht erlaubt (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 6 RdNr 24; BSGE 85, 110, 114 f = SozR 3-2500 § 60 Nr 4 S 24 f; BSG Urteil vom 26.1.2000 - B 6 KA 59/98 R - Juris RdNr 25; BGHZ 140, 102, 109 = NJW 1999, 858, 860; BGHZ 30, 162, 169 ff). So liegt der Fall hier. Das SGB V regelt unter Einbeziehung der weiteren Normen des SGB die leistungsrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen KKn, Versicherten und Leistungserbringern abschließend. Nur soweit das Gesetz Öffnungen vorsieht, sind Dritte einbeziehbar.
Bereits beim Grundfall des Leistungsrechts, der Naturalleistung, wird der abschließende Charakter der Regelungen der GKV beispielhaft deutlich: Der Versicherte hat im Rahmen der Krankenbehandlung Anspruch auf Behandlung grundsätzlich nur bei zugelassenen Leistungserbringern nach Maßgabe eines abgeschlossenen Leistungskatalogs. Grundsätzlich erbringt die KK den Versicherten zB vertragsärztliche Leistungen, indem sie - in der Regel vermittelt durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (§ 73 Abs 2, § 75 Abs 1 S 1 und 2 SGB V) - ihnen eine Vielzahl von zugelassenen Leistungserbringern verfügbar hält, unter denen sich die Versicherten den gewünschten Therapeuten frei auswählen und sich dann von ihm behandeln lassen (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9 RdNr 29; zur Inanspruchnahme von Krankenhäusern vgl grundlegend BSG Urteil vom 19.6.2018 - B 1 KR 26/17 R - Juris RdNr 25, für BSGE und SozR 4 vorgesehen). Der Versicherte erhält die von ihm zu beanspruchenden Leistungen in der Regel dementsprechend nicht unmittelbar von der KK in Natur, sondern von Leistungserbringern. Die KKn bedienen sich regelmäßig der zugelassenen Leistungserbringer, um die Naturalleistungsansprüche der Versicherten zu erfüllen. Deshalb schließen sie über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (vgl § 2 Abs 2 S 3 SGB V idF durch Art 4 Nr 1 Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27.12.2003, BGBl I 3022; zuvor § 2 Abs 2 S 2 SGB V). Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung Zugelassenen (Ärzte etc) frei wählen. Andere Ärzte dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden (§ 76 Abs 1 S 1 und 2 SGB V, hier anzuwenden idF durch Art 6 Nr 17 Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung vom 28.5.2008, BGBl I 874 mWv 1.7.2008).
Dem Wahlrecht der Versicherten entsprechen die ihnen erwachsenden Obliegenheiten, um Naturalleistungen zu erhalten. Sie haben regelmäßig einen der zugelassenen Vertragsärzte etc auszuwählen und zur Behandlung unter Vorlage der elektronischen Gesundheitskarte aufzusuchen. Bei weiteren Leistungserbringern genügt die Vorlage eines Berechtigungsscheins (vgl § 15 Abs 2 und 3 SGB V). Dabei ist den Versicherten geläufig, dass sie die Leistungen abgesehen von gesetzlichen Zuzahlungen kostenfrei erhalten. Wenn sie dagegen eine Leistung außerhalb des Naturalleistungssystems in Anspruch nehmen wollen, etwa weil die Versorgung mit zugelassenen Leistungserbringern vermeintlich nicht sichergestellt ist, müssen sie vorher die KK aufsuchen, um ihr zu ermöglichen, die angebliche Versorgungslücke zu überprüfen. Die Prüfung der KK ist auf das Vorhandensein einer Versorgungslücke beschränkt, die aus dem konkreten vertragsärztlich festgestellten Bedarf erwächst, und erstreckt sich lediglich auf die Möglichkeiten, sie zu schließen (vgl zum Ganzen BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 32 ff mwN).
Welche Leistungen die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben, bemisst sich grundsätzlich nach dem Zusammenspiel von Leistungs- und Leistungserbringungsrecht. Versicherte haben aus § 27 SGB V nicht lediglich ein bloßes subjektiv-öffentlich-rechtliches Rahmenrecht oder einen bloßen Anspruch dem Grunde nach (so noch BSGE 73, 271, 279 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 4 S 18 f), sondern einen konkreten Individualanspruch, dessen Reichweite und Gestalt sich aus dem Zusammenspiel mit weiteren gesetzlichen und untergesetzlichen Rechtsnormen ergibt (vgl zum Ganzen BSGE 117, 1 = SozR 4-2500 § 28 Nr 8, RdNr 14; zum Individualanspruch Versicherter vgl BSG Beschluss vom 7.11.2006 - B 1 KR 32/04 R - RdNr 54, GesR 2007, 276; BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29, RdNr 11; BSG Urteil vom 24.4.2018 - B 1 KR 10/17 R - SozR 4-2500 § 137c Nr 10 RdNr 12 mwN, auch für BSGE vorgesehen; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, 19. Aufl, Stand 1.4.2018, § 13 SGB V RdNr 53 f).
Es entspricht dem dargelegten Ineinandergreifen von Leistungs- und Leistungserbringungsrecht, dass das SGB V in seinem Vierten Kapitel sowie den §§ 63 und 64 abschließend die Rechtsbeziehungen der KKn und ihrer Verbände zu den Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94 SGB V regelt, und zwar auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind (vgl § 69 Abs 1 SGB V, hier anzuwenden idF durch Art 1 Nr 1e Buchst a Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 15.12.2008, BGBl I 2426 mWv 18.12.2008).
Der abschließende Charakter der Regelung der Leistungen der GKV schließt es nach der Rspr des erkennenden Senats aus, unter der Geltung des SGB V an der zum früheren Recht der RVO entwickelten Rspr zur sog Stellvertreterleistung festzuhalten (vgl BSG SozR 3-2500 § 38 Nr 4 S 27 f mwN; BSG Urteil vom 21.2.2006 - B 1 KR 29/04 R - Juris RdNr 21 = USK 2006-13). Danach hatte die KK eine ggf im Gesetz nicht vorgesehene Leistung zu erbringen, wenn diese an die Stelle einer anderen, dem Versicherten zustehenden Leistung trat und die Stellvertreterleistung geeigneter oder billiger als die originär geschuldete Leistung war (BSGE 31, 279, 282 = SozR Nr 30 zu § 184 RVO S Aa 23 RS - Kinderheim statt Krankenhaus; BSGE 37, 130, 133 f = SozR 2200 § 184 Nr 1 S 3 f - Ultraschallvernebler als Heimgerät; BSGE 53, 273, 276 = SozR 2200 § 182 Nr 82 S 163 f - Begleitperson zur ambulanten Therapie anstelle von stationärer Behandlung).
Es ist außerhalb der gesetzlichen Ausnahmen dementsprechend ausgeschlossen, dass sich Versicherte außerhalb des GKV-Systems bei einem Heilkundigen das aus ihrer Sicht für die Behandlung einer Krankheit Erforderliche auf eigene Kosten selbst verschaffen und anschließend Anspruch auf Kostenerstattung gegen ihre KK haben. Besteht zwischen Versicherten und ihrer KK Streit über den Umfang der Leistungspflicht, können Versicherte diesen Teil des Sozialrechtsverhältnisses nur unmittelbar mit ihrer KK - ggf im Rechtswege - klären. Es steht ihnen nicht frei, stattdessen den Streit durch Dritte für sich führen zu lassen, etwa nach Forderungsabtretung. Abtretbar sind lediglich von der KK oder dem Gericht bereits festgestellte Kostenerstattungsansprüche der Versicherten.
Der Abtretungsempfänger (Zessionar) eines Kostenerstattungsanspruchs eines GKV-Versicherten erhält durch die Abtretung nämlich nur das begrenzte, ihm übertragene Recht aus dem Gesamtkomplex der Rechtsbeziehungen, ohne dass sich der Inhalt des Rechts verändert (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 14; vgl entsprechend zum Recht auf Beitragserstattung aus der gesetzlichen Rentenversicherung: BSGE 68, 144, 147 = SozR 3-1200 § 53 Nr 1 S 4; BSG SozR 3-1300 § 50 Nr 25 S 87; zur Abtretung des Rentenanspruchs BSGE 70, 37, 39 = SozR 3-1200 § 53 Nr 2 S 10 und zur Pfändung BSG SozR 3-1300 § 50 Nr 24 S 80, jeweils mwN). Würde mit der Abtretung dagegen zugleich die Befugnis übertragen, die Feststellung des Kostenerstattungsanspruchs im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu betreiben, bestünde die Gefahr, dass sich damit - etwa unter dem Gesichtspunkt der Erfüllung von Mitwirkungspflichten - eine Inhaltsänderung des sozialrechtlichen Anspruchs ergäbe (vgl umfassend E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, 19. Aufl, Stand 1.4.2018, § 13 SGB V RdNr 76 ff).
Mit der Beschränkung einer Abtretung auf festgestellte Kostenerstattungsansprüche trägt das Sozialrecht dem besonderen Schutzbedürfnis der Sozialleistungsberechtigten sowie ihrer Einbindung in spezifische Mitwirkungslasten (vgl §§ 60 ff SGB I) Rechnung (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 14; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 17 RdNr 29 f). Es sichert mit den Erleichterungen des Gerichtsverfahrens nach dem SGG den Schutz der Versicherten, zugleich mit der Leistungsbegrenzung auf einen abgeschlossenen Leistungskatalog und der grundsätzlichen Bindung an zugelassene Leistungserbringer sowie mit den dadurch eröffneten Kontrollmöglichkeiten die Wirtschaftlichkeit und damit die finanzielle Stabilität der GKV. Die gleichen Gründe schließen an Stelle einer Abtretung einen gesetzlichen Forderungsübergang von anderen als bereits festgestellten Erstattungsansprüchen aus, soweit nicht etwas Abweichendes gesetzlich geregelt ist.
Die erschöpfende Regelung des Leistungs- und Leistungserbringungsrechts der GKV bezieht sich auch auf den Regelungsbereich gewillkürter Kostenerstattung (vgl § 13 Abs 2 SGB V, hier anzuwenden idF durch Art 1 Nr 3a Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2010, BGBl I 2309 mWv 2.1.2011). Auch in diesen Fällen trägt der Versicherte aus den dargelegten Gründen die Abwicklungslast. Er kann lediglich bereits festgestellte Erstattungsansprüche auf andere übertragen. Gleiches gilt für den gesetzlichen Forderungsübergang, soweit sich nicht etwas anderes aus dem Gesetz ergibt. Obwohl der Versicherte in den Fällen der sachleistungsersetzenden Kostenerstattung (vgl insbesondere § 13 Abs 3 SGB V) keine Naturalleistung aus dem System erhält, verbleibt es dennoch auch hier bei seiner Abwicklungslast gegenüber der KK (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 14). Gleiches gilt - vom Regelungssystem zwingend vorgegeben - für die Fälle der Inanspruchnahme von Leistungen im EU-Ausland (vgl § 13 Abs 4 und Abs 5 SGB V idF durch Art 4 Nr 3 Buchst a und b Gesetz zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze vom 22.6.2011, BGBl I 1202 mWv 29.6.2011).
b) Öffnungen der Regelung des Leistungs- und Leistungserbringungsrechts der GKV für Dritte bestehen nur in begrenztem, abschließend geregeltem Umfang. So regeln beispielhaft die §§ 102 ff SGB X abschließend die Leistungsansprüche zwischen Leistungsträgern in einem aus dem Leistungsberechtigten, dem (vor-)leistenden und dem zuständigen Leistungsträger bestehenden Dreiecksverhältnis. Sie sehen in spezifisch geregeltem Umfang die Erfüllungsfiktion von Sozialleistungsansprüchen vor (vgl § 107 SGB X). Eine unmittelbare oder auch nur entsprechende Anwendung des Bereicherungsrechts, des Rechts der Geschäftsführung ohne Auftrag oder des Schadensersatzrechts zwischen den öffentlich-rechtlichen Leistungsträgern scheidet dagegen aus (vgl BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 6 RdNr 24 mwN). Zahlt ein Leistungsträger einem Leistungserbringer ohne Rechtsgrund eine Vergütung, die ein anderer Leistungsträger schuldet, gilt dessen Schuld dagegen nicht nach den Grundsätzen für Sozialleistungsberechtigte bei Erstattungsansprüchen zwischen Leistungsträgern als erfüllt (vgl BSGE 123, 10 = SozR 4-1300 § 107 Nr 7, RdNr 16 ff und hierzu Anm Burkiczak, SGb 2018, 426, 428).
In gesetzlich geregeltem Umfang können ggf auch Sonderrechtsnachfolger (§§ 56 und 57 SGB I) und Erben der Versicherten (§ 58 S 1 SGB I) in die Leistungsrechtsbeziehungen der Versicherten zu KKn eintreten (vgl zB BSGE 121, 32 = SozR 4-3250 § 17 Nr 4, RdNr 11 ff). Haben KKn rechtswidrig eine Leistung aus dem System abgelehnt, können Dritte die Funktion des Kreditgebers bei der Selbstbeschaffung der Versicherten übernehmen. Sie können sich jedoch - wie dargelegt - zur Absicherung lediglich nach Maßgabe des SGB I die von der KK oder dem Gericht bereits festgestellten Ansprüche der Versicherten auf Kostenerstattung übertragen lassen (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 14; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 17 RdNr 29 f; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, 19. Aufl, Stand 1.4.2018, § 13 SGB V RdNr 76 ff mwN).
c) Die erschöpfende gesetzliche Regelung der GKV sieht dagegen grundsätzlich keine Rechtsbeziehung im Leistungsrecht der Versicherten zwischen KKn und privaten Krankenversicherern vor. Das Gesetz regelt lediglich enge Ausnahmen. So lässt das SGB V zu, dass die Satzung einer KK eine Bestimmung enthalten kann, nach der die KK den Abschluss privater Zusatzversicherungsverträge zwischen ihren Versicherten und privaten Krankenversicherern vermitteln kann (vgl § 194 Abs 1a S 1 SGB V). Gegenstand dieser Verträge können alle Leistungen sein, die den gesetzlichen Krankenversicherungsschutz ergänzen, insbesondere Ergänzungstarife zur Kostenerstattung, Wahlarztbehandlung im Krankenhaus, Ein- oder Zweibettzuschlag im Krankenhaus sowie eine Auslandskrankenversicherung (§ 194 Abs 1a S 2 SGB V). Die Regelung soll den KKn die Möglichkeit einräumen, mit privaten Krankenversicherungsunternehmen zu kooperieren (vgl BT-Drucks 15/1525 S 138). Vertragspartner der Versicherten werden infolge der Vermittlung nicht die KKn, sondern die privaten Versicherungsunternehmen (vgl zum Ganzen BSGE 121, 179 = SozR 4-2500 § 194 Nr 1, RdNr 12).
Zudem können KKn kraft Satzung (vgl § 194 Abs 1 Nr 3 SGB V) die ihnen obliegenden Aufgaben durch Arbeitsgemeinschaften oder durch Dritte mit deren Zustimmung wahrnehmen lassen, wenn die Aufgabenwahrnehmung durch die Arbeitsgemeinschaften oder den Dritten wirtschaftlicher ist, es im wohlverstandenen Interesse der Betroffenen liegt und Rechte der Versicherten nicht beeinträchtigt werden (vgl § 197b S 1 SGB V). Wesentliche Aufgaben zur Versorgung der Versicherten dürfen nicht in Auftrag gegeben werden (§ 197b S 2 SGB V). Eine Regelung, die solche Aufgaben auf private Krankenversicherungsunternehmen überträgt, wäre ihrer Art nach nicht genehmigungsfähig. Sie beträfe nämlich die Leistungsgewährung an Versicherte, eine Kernaufgabe der KKn und der GKV. Die KKn dürfen wesentliche Aufgaben - wie dargelegt - nicht auf Dritte übertragen. Hierzu zählen gerade ihre Kernaufgaben (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung, BT-Drucks 16/3100 S 159; zum Ganzen BSGE 121, 179 = SozR 4-2500 § 194 Nr 1, RdNr 15).
Es ist dementsprechend umfassend ausgeschlossen, außerhalb der aufgezeigten gesetzlichen Möglichkeiten im Wege der Analogie Ausgleichsansprüche privater Unternehmen der Krankenversicherung gegen KKn zu begründen. Eine Analogie setzt das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke voraus (vgl zB BSG SozR 4-7610 § 204 Nr 2 RdNr 22 mwN; BSGE 123, 10 = SozR 4-1300 § 107 Nr 7, RdNr 18; zustimmend Burkiczak, SGb 2018, 426, 428). Daran fehlt es wegen der erschöpfenden Regelung des Leistungsrechts der GKV.
Es bedarf keiner Vertiefung, inwieweit die Rspr des 2. Senats des BSG hiervon Abweichendes für die gesetzliche Unfallversicherung annimmt oder ob es sich bei dessen Rspr um Konstellationen gehandelt hat, bei denen Dritte die Funktion des Kreditgebers bei der Selbstbeschaffung rechtswidrig vom Träger abgelehnter Leistungen für den Versicherten übernehmen (vgl BSGE 115, 247 = SozR 4-7610 § 812 Nr 7, RdNr 23 ff unter Bezugnahme auf BGHZ 162, 157, 160). Eine Übertragung abweichender Grundsätze auf die GKV ist jedenfalls aus den dargelegten Gründen ausgeschlossen.
3. Die Klägerin kann auch aus von der Versicherten auf sie übergegangenem Recht keinen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte ableiten. Das gilt sowohl hinsichtlich eines vertraglichen (dazu a) wie auch eines gesetzlichen Forderungsübergangs (dazu b).
a) Es bedarf keiner Vertiefung, inwieweit eine Abtretung - etwa nach den Versicherungsbedingungen der Klägerin - wirksam erfolgte (vgl zu den Anforderungen der Abtretung als öffentlich-rechtlicher Vertrag BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 12). Wie oben dargelegt, kommt überhaupt nur ein Forderungsübergang hinsichtlich eines festgestellten Erstattungsanspruchs nach § 13 Abs 4 und 5 SGB V in Betracht. An einem festgestellten Anspruch fehlt es.
b) Das Gesetz sieht einen Übergang eines Anspruchs der Versicherten auf Kostenerstattung gegen die Beklagte nicht vor. Es ordnet einen solchen Übergang weder isoliert noch im Rahmen einer gesamtschuldnerischen Haftung für den Fall einer sowohl privatrechtlichen als auch gesetzlichen Absicherung des Krankheitsrisikos im Ausland an.
Die in § 78 Abs 1 VVG (hier idF von Art 1 Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23.11.2007, BGBl I 2631, mWv 1.1.2008) geregelte Gesamtschuldnerschaft bei Mehrfachversicherung erfasst nur den Ausgleich zwischen privaten Schadensversicherungen. Regelungsgegenstand des VVG sind nur durch Versicherungsvertrag geschlossene private Versicherungen. Die - wie oben dargelegt - abschließende Regelung der GKV im SGB schließt eine analoge Anwendung der §§ 78, 194 VVG auf das Zusammentreffen einer privaten Schadensversicherung mit einer Sozialversicherung aus. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke (vgl zum Erfordernis oben, II 2. c).
Die bewusst abschließende Regelung der GKV im SGB schließt es auch aus, aus dem Rechtsgedanken des § 421 BGB ein Gesamtschuldverhältnis zwischen KK und privatem Versicherer für Krankenbehandlung im Ausland abzuleiten, soweit vergleichbare Leistungsbereiche betroffen sind (zum grds Ansatz vgl zB BGH Urteil vom 28.11.2006 - VI ZR 136/05 - NJW 2007, 1208, 1209 f = Juris RdNr 17; BGHZ 192, 182, 186 f; Böttcher in Erman, BGB, 15. Aufl 2017, § 421 RdNr 15; Grüneberg in Palandt, BGB, 77. Aufl 2018, § 421 RdNr 2, 6 ff; Looschelders in Staudinger, BGB, 2017, Vorbem zu §§ 420 - 432 RdNr 70, § 421 RdNr 8, 20 ff; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, § 5 II, S 40 ff jeweils mwN). Auch ein Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs 1 BGB kommt dementsprechend nicht in Betracht. Der KK ist es verwehrt, andere als Systemleistungen zu erbringen. Einem privaten Versicherer ist die Erbringung von Systemleistungen der GKV nicht möglich. Der private Versicherer erfüllt mit seiner Leistung nicht die Schuld der KK, diese nicht mit ihrer Leistung die Schuld des privaten Versicherers. Hat aber der Versicherte seinen Behandlungsbedarf mit der Leistung eines seiner Schuldner gedeckt, erlischt auch die hieran anknüpfende Schuld des anderen: Der tatsächliche Bedarf besteht nicht mehr.
In diesem Sinne sieht es das SGB V nach der Rspr des erkennenden Senats nicht als Ausschlussgrund an, dass Versicherte ergänzend zum Anspruch nach dem SGB V einen entsprechenden zusätzlichen Anspruch gegen einen privaten Krankenversicherer auf Krankenbehandlung haben. Eine KK kann dementsprechend den bei ihr Versicherten nicht entgegenhalten, die Leistung könne von der privaten Versicherung beschafft werden (vgl zu Ansprüchen aus § 27a SGB V BSG Beschluss vom 22.3.2005 - B 1 KR 32/03 R; BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 1 RdNr 12; BSGE 88, 51, 57 = SozR 3-2500 § 27a Nr 2 S 16; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 17 RdNr 25). Entsprechend hat der BGH entschieden, der Privatversicherer könne dem Anspruch seines Versicherungsnehmers nicht entgegenhalten, dass ein entsprechender Anspruch gegen die KK bestehe (vgl ebenfalls zu § 27a SGB V BGHZ 158, 166 = NJW 2004, 1658).
Bestehen sich in medizinischer Hinsicht überschneidende Leistungsansprüche eines Versicherten gegen seine KK einerseits und seinen privaten Krankenversicherer andererseits, so steht dem Versicherten die Wahl offen, auf welchem Wege er Krankenbehandlung in Anspruch nehmen will. Hat einer der Schuldner den Leistungsanspruch erfüllt, so erlischt - soweit sich die Ansprüche gegen beide Schuldner in der Sache überschnitten haben - ggf auch insoweit die Schuld des anderen Schuldners. Der erkennende Senat hat bereits erwähnt, dass Ausgleichsansprüche zwischen der KK und dem privaten Versicherer ohne - hier nicht ersichtliche - gesetzliche oder vertragliche Grundlage nicht in Betracht kommen (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 17 RdNr 30). Daran hält er fest. Soweit die KK ihre Leistung aus dem System nicht verweigert, aber der Versicherte die privat versicherte Leistung als eine der ihm möglichen Leistungen wählt, entfällt sein Anspruch aus dem GKV-System. In gleicher Weise entfällt sein Anspruch gegen den privaten Versicherer, wenn der Versicherte seinen Anspruch aus dem GKV-System befriedigt. Ein Ausgleich findet nicht statt.
4. Ein Auskunftsanspruch zur Konkretisierung der Höhe des geltend gemachten Zahlungsanspruchs kommt danach nicht in Betracht. Es steht nämlich - wie dargelegt - fest, dass der vom Auskunftsbegehrenden zugrunde gelegte Leistungsanspruch nicht besteht (vgl entsprechend zB BGH Urteil vom 19.3.2013 - XI ZR 46/11 - NJW 2013, 2015, 2017 f = Juris RdNr 35; vgl auch BGHZ 97, 188, 193 = Juris RdNr 16; BGHZ 126, 109, 113 = Juris RdNr 25).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3 sowie §§ 44, 47 Abs 1 GKG. Bei Stufenklagen der vorliegenden Art ist nach § 44 GKG für die Wertberechnung nur einer der verbundenen Ansprüche maßgebend, und zwar der höhere. Dies ist bei einer Stufenklage regelmäßig der Leistungsanspruch (vgl zB BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 47; BGH Beschluss vom 13.7.2017 - I ZB 94/16 - Juris RdNr 18). Wird eine Stufenklage wegen Fehlens einer materiell-rechtlichen Grundlage für die mit ihr verfolgten Leistungsansprüche insgesamt abgewiesen, ist nicht der Wert der Auskunft, sondern der Wert des Leistungsanspruchs selbst maßgeblich (stRspr, vgl zB BGH Beschluss vom 4.2.2015 - III ZR 62/14 - Juris RdNr 2). Die Höhe des Streitwerts bestimmt sich in solchen Fällen nach dem vom Kläger zum Ausdruck gebrachten Leistungsinteresse. Dieses belief sich auf höchstens 1332 Euro.
Fundstellen
Haufe-Index 12151544 |
BSGE 2019, 277 |