Beteiligte
AOK – Die Gesundheitskasse in Rheinland-Pfalz |
1. Bundesanstalt für Arbeit |
Minister der Justiz, Ernst-Ludwig-Straße 3, 55116 Mainz |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Februar 2001 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um die Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit (BA).
Die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) stellte mit Bescheid vom 19. November 1991 gegenüber der Notarkammer Koblenz (Klägerin) fest, die Notarassessoren der Notarkammer Koblenz unterlägen seit 1. Januar 1989 der Beitragspflicht zur BA, denn diese hätten keinen Anspruch auf Beihilfe oder Heilfürsorge nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen. Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin hiergegen blieben ohne Erfolg. Auf die Revision der Klägerin hob das Bundessozialgericht (BSG) die Urteile des Landessozialgerichts (LSG) und des Sozialgerichts (SG) sowie den angefochtenen Bescheid, der keine personenbezogenen Feststellungen enthielt, mangels inhaltlicher Bestimmtheit auf (Urteil des erkennenden Senats vom 23. Mai 1995 – 12 RK 63/93 – BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 3 S 5).
Die beklagte AOK forderte die Klägerin unter dem 27. Juli 1995 auf mitzuteilen, wer Dienstherr der Notarassessoren sei. Dieser Aufforderung kam die Klägerin erst nach mehrmaliger Erinnerung mit Schreiben vom 28. November 1995 nach und teilte die Namen und Anschriften der seit September 1985 bei ihr beschäftigten Notarassessoren sowie deren Assessorenzeiten mit. Die Beklagte hörte die Notarassessoren an und stellte mit Bescheiden vom 28. Dezember 1995 gegenüber der Notarkammer Koblenz fest, während ihrer Beschäftigung als Notarassessoren seien die jetzigen Notare Dr. L. vom 1. Mai bis 30. November 1995, S. vom 1. Januar 1989 bis 31. Dezember 1993 und B. ebenfalls vom 1. Januar 1989 bis 31. Dezember 1993 beitragspflichtig zur BA gewesen; zugleich setzte sie die Höhe der von der Klägerin nachzuzahlenden Beiträge zeit- und personenbezogen fest (Dr. L. 3.549 DM, S. 22.233,50 DM und B. 21.925 DM). Die Klägerin erhob die Einrede der Verjährung, erfüllte die Beitragsforderungen unter Vorbehalt, erhob Widerspruch gegen diese Bescheide und vereinbarte mit der Beklagten, stellvertretend für alle Notarassessoren drei Musterverfahren durchzuführen. Die Beklagte wies die Widersprüche der Klägerin mit Widerspruchsbescheiden vom 25. November 1997 zurück.
Die Klägerin hat hiergegen Klage erhoben. Das SG hat die BA (Beigeladene zu 1), das Land Rheinland-Pfalz (Beigeladener zu 2) sowie die Notare Dr. L., S. und B. (Beigeladene zu 3 bis 5) beigeladen und die Klage mit Urteil vom 5. Januar 2000 abgewiesen. Das LSG hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 8. Februar 2001 zurückgewiesen. Notarassessoren der Klägerin unterlägen der Beitragspflicht zur BA. Die Beitragsforderung sei nicht verjährt.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 169 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) iVm § 6 Abs 1 Nr 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) sowie des § 52 Abs 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren mit Sozialdatenschutz (SGB X) iVm §§ 212, 203 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Sie trägt im wesentlichen vor, die Notarassessoren in ihrem Bezirk erhielten im Krankheitsfall Leistungen, die die Voraussetzungen des § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V erfüllten. Das Risiko der Notarassessoren arbeitslos zu werden, sei äußerst gering. Es sei genauso gering wie bei Richtern oder Beamten. Es bestehe kein Grund, Notarassessoren anders als Beamte oder Richter der Beitragspflicht zur BA zu unterwerfen. Jedenfalls sei die Beitragsforderung verjährt. Die Beklagte sei nicht durch höhere Gewalt gehindert gewesen, den Beitragsbescheid innerhalb von sechs Monaten nach Verkündung des Urteils vom 23. Mai 1995 zu erlassen. Die Anfrage der Beklagten vom Juli 1995, wer Dienstherr der Notarassessoren sei und deren Beantwortung habe mit einer Verletzung von Meldepflichten durch den Arbeitgeber nichts zu tun.
Die Klägerin beantragt,
- das Urteil des LSG vom 8. Februar 2001, das Urteil des SG vom 5. Januar 2000 sowie die Bescheide der Beklagten vom 28. Dezember 1995 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. November 1997 aufzuheben,
- die Beklagte zu verurteilen, Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung des Beigeladenen zu 3) für die Zeit vom 1. Mai 1995 bis 30. November 1995, des Beigeladenen zu 4) für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis 13. Dezember 1993 und des Beigeladenen zu 5) für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis 3. Dezember 1993 festzustellen und
- die gezahlten Beiträge zu erstatten.
Die Beklagte und die beigeladene BA beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil des LSG für zutreffend.
Die beigeladenen Notare sind vor dem BSG nicht vertreten. Sie haben sich zur Sache nicht geäußert. Das beigeladene Land hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache ebenfalls nicht geäußert.
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig. Die beigeladenen Notarassessoren waren bei der Klägerin beitragspflichtig beschäftigt.
1. In Deutschland bestehen drei Notariatsformen: Das hauptberufliche Notariat (§ 3 Abs 1 der Bundesnotarordnung ≪BNotO≫), das Anwaltsnotariat (§ 3 Abs 2 BNotO) und in Baden-Württemberg das staatliche Notariat; für letzteres gelten die Besonderheiten des § 114 BNotO. Notare sind unabhängige Träger eines öffentlichen Amtes. Sie werden in den Ländern für die Beurkundung von Rechtsvorgängen und andere Aufgaben auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege bestellt (vgl § 1 BNotO). Zur hauptberuflichen Amtsausübung als Notar (§ 3 Abs 1 BNotO) soll in der Regel nur bestellt werden, wer einen dreijährigen Anwärterdienst als Notarassessor geleistet hat und sich im Anwärterdienst des Landes befindet, in dem er sich um die Bestellung bewirbt (§ 7 Abs 1 BNotO). Der Notarassessor wird nach Abschluß eines Auswahlverfahrens (dazu § 7 Abs 2 BNotO) nach Anhörung der Notarkammer von der Landesjustizverwaltung ernannt und einem Notar „überwiesen” (§ 7 Abs 3 Satz 1 und 2 BNotO). Während des Anwärterdienstes steht der Notarassessor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Staat (§ 7 Abs 4 Satz 1 BNotO). Notarassessoren sind – abgesehen von in Baden-Württemberg geltenden Ausnahmen (vgl §§ 114, 115 BNotO) – keine Beamten iS der Beamtengesetze (vgl Schippel in Seybold/Hornig/Schippel, BNotO, 7. Aufl 2000, § 7 RdNr 47).
Die den Notaren zur Ausbildung zugewiesenen Notarassessoren, um deren Beiträge es hier geht, waren iS des § 7 Abs 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) abhängig beschäftigt. Die Arbeitgeberfunktionen wurden von der Klägerin wahrgenommen. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Sie erhielten für ihre Beschäftigung ein Arbeitsentgelt und waren somit in der Arbeitslosenversicherung nach § 168 Abs 1 Satz 1 AFG beitragspflichtig (seit 1. Januar 1998: § 25 Abs 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung ≪SGB III≫; zur Versicherungspflicht von Notarassessoren im Ergebnis ebenso Lerch in: Arndt/Lerch/Sandkühler, Bundesnotarordnung, 4. Aufl 2000, § 7 RdNr 37; Seybold/Hornig/Schippel, Bundesnotarordnung, 7. Aufl 2000, § 7 RdNr 76, 79; Baumann in: Eylmann/Vaasen, Bundesnotarordnung, Beurkundungsgesetz, 2000, § 7 RdNr 24). Die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung des Dienstverhältnisses von Notarassessoren steht der Begründung eines versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen. Dies ergibt sich bereits daraus, daß das Gesetz die Versicherungsfreiheit nicht generell für alle öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse vorsieht, sondern hierfür jeweils besondere Voraussetzungen vorliegen müssen.
2. Tatbestände der Beitragsfreiheit lagen seit dem 1. Januar 1989 nicht mehr vor. Nach § 169 Nr 1 AFG in seiner bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung waren nach dem Recht der Arbeitsförderung Arbeitnehmer in der Beschäftigung beitragsfrei, in der sie die ua in § 169 iVm § 174 der Reichsversicherungsordnung (RVO) genannten Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung erfüllten. Dies war gemäß § 169 Abs 1 Satz 1 RVO bis zum 31. Dezember 1988 ua bei den im Dienst eines Landes tätigen Beamten oder sonstigen Beschäftigten dann der Fall, wenn ihnen Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung gewährleistet war. Den im Bezirk der klagenden Notarkammer beschäftigten Notarassessoren war nach der Bekanntmachung des rheinland-pfälzischen Ministeriums der Justiz vom 26. November 1985 (JBl S 262) Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung und Hinterbliebenenversorgung gewährleistet. Sie wurden daher bis Ende 1988 auch nicht als beitragspflichtig zur BA behandelt.
Durch das Gesundheits-Reformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) wurde die Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung für Beamte und ihnen Gleichgestellte mit Wirkung vom 1. Januar 1989 in § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V neu geregelt. Seither sind in der Krankenversicherung neben Beamten, Richtern, Soldaten auf Zeit sowie Berufssoldaten sonstige Beschäftigte des Bundes oder eines Landes versicherungsfrei, „wenn sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe oder Heilfürsorge haben”. § 169 AFG in seiner ab 1. Januar 1989 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des AFG und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2343) nahm nunmehr auf § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V Bezug und knüpfte damit die Beitragsfreiheit zur BA weiterhin an die – nunmehr anders als früher bestimmte – Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung an. Das SGB III hat diese Regelung mit Wirkung vom 1. Januar 1998 inhaltlich übernommen. Auch danach sind gemäß § 27 Abs 1 Nr 1 SGB III Personen in einer Beschäftigung als Beamter, Richter, Soldat auf Zeit sowie Berufssoldat der Bundeswehr und als sonstig Beschäftigter des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde, einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, Anstalt, Stiftung oder eines Verbandes öffentlich-rechtlicher Körperschaften oder deren Spitzenverbänden versicherungsfrei, wenn sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe oder Heilfürsorge haben.
Bei den beigeladenen Notaren sind während ihrer Beschäftigung als Notarassessoren die Voraussetzungen des § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V für die Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung und damit für die Beitragsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung nicht erfüllt gewesen. Entgegen der Ansicht der Revision erhalten die bei der klagenden Notarkammer beschäftigten Notarassessoren keine Leistungen, die die Voraussetzungen des § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V erfüllen. Notarassessoren erhalten ab dem Zeitpunkt der Zuweisung für die Dauer des Anwärterdienstes von der Notarkammer Bezüge, die denen eines Richters auf Probe anzugleichen sind (§ 7 Abs 4 Satz 3 BNotO). Regelungen zur sozialen Sicherung der rheinland-pfälzischen Notarassessoren sind nur vereinzelt in einer aufgrund § 7 Abs 5 Satz 2 BNotO erlassenen Rechtsverordnung und den aufgrund § 7 Abs 4 Satz 4 BNotO erlassenen Richtlinien der Notarkammer vorgesehen: § 7 der Ausbildungsordnung für Notarassessoren des Landes Rheinland-Pfalz vom 5. März 1963 (GVBl S 101), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. März 1999 (GVBl S 98), bestimmt, daß der Notarassessor Erholungsurlaub wie ein Richter auf Probe hat und für Notarassessorinnen die Mutterschutzverordnung entsprechend gilt. In den Richtlinien für die Besoldung und den Urlaub der Notarassessoren vom 7. April 1976 hat die Notarkammer Koblenz ua bestimmt, daß für die Besoldung eines Notarassessors, soweit sich aus den Richtlinien nichts anderes ergibt, die zwingenden gesetzlichen Vorschriften für Angestellte und die besoldungsrechtlichen Vorschriften für Richter der Besoldungsgruppe R 1 in ihrer jeweils geltenden Fassung maßgebend sind. Dem Notarassessor werden während einer durch Krankheit oder Unfall verursachten Dienstunfähigkeit die Bezüge bis zu sechs Wochen weitergezahlt (§ 4 Abs 1 der Richtlinien). Zur Sicherung seines Lebensunterhalts nach Ablauf der sechswöchigen Gehaltsfortzahlung soll der Notarassessor eine seinen Bezügen entsprechende Krankentagegeldversicherung abschließen (§ 4 Abs 2 aaO). Nach Ablauf der sechswöchigen Gehaltsfortzahlung können dem Notarassessor die Bezüge im Wege der Gewährung eines unverzinslichen Darlehens weitergezahlt werden.
Die Aufforderung zum Abschluß einer privaten Krankentagegeldversicherung ist der in § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V vorausgesetzten sozialen Absicherung auch dann nicht gleichwertig, wenn die Notarassessoren einen Prämienzuschuß ihres Arbeitgebers erhalten sollten. Weder die BNotO noch die hierzu in erlassenen landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen für Notarassessoren noch die Richtlinien der Klägerin sehen bei Krankheit einen Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe oder Heilfürsorge nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen vor. Die Voraussetzungen des § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V sind nicht erfüllt und damit die beigeladenen Notarassessoren weder in der Krankenversicherung versicherungsfrei noch beitragsfrei zur BA.
3. Die seit 1. Januar 1989 geltende Regelung der Beitragsfreiheit in § 169 AFG verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere werden die Notarassessoren der Klägerin gegenüber anderen Personengruppen wie etwa Richtern nicht unter Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ungleich behandelt. Es bestand und besteht allerdings kein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang zwischen den Ansprüchen, die Voraussetzung für die Beitragsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung waren und sind und denjenigen Leistungen, die im Falle von Arbeitslosigkeit nach dem Recht der Arbeitsförderung vorgesehen sind: Das Schutzbedürfnis für den Fall der Arbeitslosigkeit entfällt nicht oder wird nicht bereits dadurch befriedigt, daß dem Arbeitnehmer eine Anwartschaft auf Versorgung gewährleistet ist oder daß der Arbeitnehmer bei Krankheit Anspruch auf Gehaltsfortzahlung und Beihilfe oder Heilfürsorge nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen hat. Das Bestehen dieser Ansprüche für sich betrachtet ist daher nicht der eigentliche sachliche Grund für die Anordnung von Beitragsfreiheit im Recht der Arbeitsförderung; diese Ansprüche gehen im Falle von Arbeitslosigkeit ins Leere und decken den bei Arbeitslosigkeit entstehenden spezifischen Bedarf des Arbeitslosen nicht ab. Dies lag bereits bei Einführung der Arbeitslosenversicherung durch das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 16. Juli 1927 (RGBl I 187) auf der Hand (vgl RT-Drucks, III. Wahlperiode 1924/27 Nr 3622 S 229). Anregungen, Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung nur dann Platz greifen zu lassen, wenn durch anderweitige Systeme Ersatzleistungen gerade auch für den Fall der Arbeitslosigkeit vorgesehen sind, wurden nicht aufgegriffen (vgl Reichsversicherungsamt ≪RVA≫, Entscheidung vom 22. Juni 1928, AN 1928 S 269, 270 Nr 3220).
Dennoch ist die Anknüpfung der Beitrags-(jetzt: Versicherungs-)freiheit der Arbeitslosenversicherung an diejenige der Krankenversicherung sachlich gerechtfertigt. In § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V wird mit den Personen, die Ansprüche auf Gehaltsfortzahlung oder Beihilfe nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen haben, ein bestimmter Personenkreis beschrieben, der nach der typisierenden Betrachtung des Gesetzgebers weder des Schutzes der gesetzlichen Krankenversicherung noch des Schutzes der Arbeitslosenversicherung bedarf. Es handelt sich dabei um Beamte, Richter, Soldaten auf Zeit oder Berufssoldaten und solche Beschäftigen im öffentlichen Dienst, deren soziale Sicherung im Falle der Krankheit typischerweise durch Sondersysteme gedeckt ist oder bei denen ein bestimmtes Sicherungsbedürfnis wie das der Arbeitslosigkeit aufgrund ihrer gesamten dienstrechtlichen Stellung typischerweise nicht auftritt. Bestehen Ansprüche auf Gehaltsfortzahlung und Beihilfe nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen, läßt dies auf eine rechtliche Gesamtsituation schließen, die ein Sicherungsbedürfnis gegen die Folgen von Arbeitslosigkeit entfallen läßt.
Rechtlich nicht zu beanstanden ist, daß der Gesetzgeber auch nach Einführung des SGB V die Beitragsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung weiterhin der Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung folgen läßt und damit das Bestehen einer Versorgungsanwartschaft für die Beitragsfreiheit nicht mehr rechtserheblich ist. Beamte, Richter und Soldaten haben in der Regel sowohl eine Versorgungsanwartschaft als auch Ansprüche auf Gehaltsfortzahlung und Beihilfe oder Heilfürsorge. Diese Ansprüche als Voraussetzung für die Versicherungsfreiheit in der Renten- und Krankenversicherung haben typischerweise nur für die sonstigen Beschäftigten im öffentlichen Dienst Bedeutung (vgl die jetzige Regelung für die Rentenversicherung in § 5 Abs 1 Nr 1 und 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung). Für die Beitragsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung konnte der Gesetzgeber typisierend allein auf einen dieser Ansprüche abstellen und dabei an den für die Krankenversicherungsfreiheit maßgebenden anknüpfen.
Dem von § 169 AFG iVm § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V erfaßten Personenkreis können die Notarassessoren der Klägerin nicht zugerechnet werden. Das für sie geltende Recht läßt es nicht zu, sie demjenigen Personenkreis zuzurechnen, den das Gesetz bei typisierender Betrachtung als in der Kranken- und Arbeitslosenversicherung nicht schutzbedürftig angesehen und für den es deshalb Versicherungsfreiheit angeordnet hat (oben 2). Insoweit ist es unerheblich, daß auch die Notarassessoren der Klägerin in aller Regel nicht arbeitslos werden, denn der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, bei seiner typisierenden Regelung der Beitragspflicht Beschäftigter für diese relativ kleine Personengruppe der Notarassessoren Ausnahmen von der Beitragspflicht vorzunehmen. Die Zahl der Anwaltsnotare und Notare in Deutschland lag im Jahr 1995 insgesamt unter 11.000 (vgl Statistisches Jahrbuch 2000, S 345 Nr 15.3), so daß sich die Zahl der Notarassessoren im Bereich von allenfalls wenigen Hundert bewegte. Bei der Klägerin waren von September 1985 bis Mai 1995 weniger als 40 Notarassessoren beschäftigt. Zudem haben es die Länder in der Hand, den Notarassessoren ihrer Notarkammern Beihilfeansprüche einzuräumen und damit Beitragsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung herbeizuführen, wodurch sich die Zahl der beitragspflichtigen Notarassessoren weiter verringern würde. Dies ist in Rheinland-Pfalz für die Notarassessoren der Klägerin anders als etwa bei der Notarkammer Pfalz allerdings nicht geschehen. In seinen auf Massenverwaltung zugeschnittenen Regelungen der Beitragspflicht und Beitragsfreiheit kann und muß der Gesetzgeber nicht für jede noch so kleine Personengruppe landesrechtlichen Besonderheiten durch Ausnahmevorschriften Rechnung tragen.
Nach allem unterliegen Notarassessoren seit 1. Januar 1989 der Beitragspflicht zur BA bzw seit 1. Januar 1998 der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung. Hiervon dürfte im übrigen – anders als in ihrem Revisionsvorbringen – in ihren Richtlinien für die Besoldung der Notarassessoren auch die Klägerin ausgehen. Nach § 1 Abs 1 Satz 2 dieser Richtlinien idF vom 24. April 1993 erhält der Notarassessor zum Ausgleich der sozialversicherungsrechtlichen Abzüge eine prozentuale monatliche Bruttozulage. Diese Abzüge können sich angesichts der Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung und des Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung nur auf die Beiträge zur BA beziehen.
4. Soweit die Klägerin sich auf die Verjährung beruft, läßt der Senat offen, ob Verjährung überhaupt eintreten konnte, obwohl die Klägerin die Beiträge laufend entrichtet hat, wenn auch unter Vorbehalt. Die Beitragsforderung, gegen deren Höhe die Klägerin keine Revisionsrügen erhoben hat, ist selbst dann nicht verjährt, wenn unterstellt wird, die Beiträge seien bis zum Erlaß des Bescheides vom 28. Dezember 1995 nicht entrichtet worden. Soweit es um die Beiträge für den Beigeladenen zu 3) für die Zeit vom 1. Mai bis 30. November 1995 geht, begann die vierjährige Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 1995, in dem die Beiträge fällig geworden sind (§ 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Sie waren somit bei Erlaß des angefochtenen Beitragsbescheides vom 28. Dezember 1995 nicht verjährt. Gleiches gilt für die Beiträge der Beigeladenen zu 4) und 5) ab Dezember 1990, die im Januar 1991 fällig geworden sind (vgl § 23 Abs 1 SGB IV); bei ihnen lief die Verjährungsfrist frühestens mit dem 31. Dezember 1995 ab.
Im übrigen geht es um Beiträge für die Beigeladenen zu 4) und 5) für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis November 1990. Die Verjährung dieser Beitragsansprüche wurde durch den Bescheid der Beklagten vom 19. November 1991 unterbrochen, denn dieser erging zur Durchsetzung eines (Beitrags)Anspruchs iS von § 52 Abs 1 Satz 1 SGB X. Zwar gilt die Unterbrechung der Verjährung gemäß § 52 Abs 1 Satz 3 SGB X iVm § 212 Abs 1 BGB als nicht erfolgt, wenn der Verwaltungsakt aufgehoben wird (vgl Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 4. Aufl 2001, § 52 RdNr 12; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl 2000, § 53 RdNr 33); eine Aufhebung des die Verjährung unterbrechenden Verwaltungsaktes vom 19. November 1991 erfolgte hier durch Urteil des Senats vom 23. Mai 1995 aus formalen Gründen.
Wird jedoch innerhalb von sechs Monaten die Verjährung des Anspruchs durch einen Verwaltungsakt erneut unterbrochen, gilt die Verjährung als durch den ersten, aufgehobenen Verwaltungsakt unterbrochen (§ 52 Abs 1 Satz 3 SGG X, § 212 Abs 2 Satz 1 BGB; Kopp/Ramsauer, aaO, RdNr 35). Hiervon ist vorliegend auszugehen. Zwar hat die Beklagte diese Sechs-Monats-Frist zwischen Aufhebung ihres Bescheids vom 19. November 1991 durch Urteil vom 23. Mai 1995 und Wirksamwerden ihrer erneuten Beitragsbescheide vom 28. Dezember 1995 am 29. Dezember 1995 nicht eingehalten. Hierauf kann sich die Klägerin jedoch nicht berufen. Ihr Verhalten verstößt insoweit gegen Treu und Glauben. Die Beklagte war zwar nicht durch höhere Gewalt am Erlaß eines erneuten Verwaltungsaktes iS von § 203 BGB gehindert, zum Erlaß eines rechtmäßigen, hinreichend bestimmten Bescheides aber auf die Angaben der Klägerin angewiesen. Dies war der Klägerin aufgrund des Urteils des erkennenden Senats vom 23. Mai 1995 auch hinreichend bekannt. Dennoch kam sie der Aufforderung der Beklagten, den Arbeitgeber der Notarassessoren zu benennen, um die weiteren Ermittlungen vornehmen und den Beitragseinzug fortsetzen zu können, trotz mehrfacher Erinnerung erst mit dem Schreiben vom 28. November 1995 nach. Zu diesem Zeitpunkt war die Sechs-Monats-Frist bereits abgelaufen. Hätte die Klägerin – wie es einer öffentlich-rechtlichen Notarkammer ansteht – auf die Aufforderung der Beklagten vom 27. Juli 1995 in angemessener Zeit und Weise reagiert, wäre es der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen, die Sechs-Monats-Frist einzuhalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen
NJW 2002, 919 |
NWB 2002, 460 |
FA 2002, 95 |
ZAP 2002, 260 |