Nachgehend
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 30. August 1995 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 12. Dezember 1994 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt Kostenerstattung für eine vertragsärztlich nicht zugelassene Behandlung.
Der im Juli 1987 geborene Kläger war über seinen Vater bei der beklagten Ersatzkasse versichert. Er leidet an einer „Duchenne'schen Muskeldystrophie” (DMD), die erfahrungsgemäß zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr erste Symptome zeigt, zwischen dem achten und zwölften Lebensjahr zur Gehunfähigkeit und meist vor dem zwanzigsten Lebensjahr zum Tode führt. Die genauen Ursachen dieses Krankheitsverlaufs sind unbekannt, so daß in ihn nicht gezielt (kausal) eingegriffen werden kann. Üblicherweise wird eine symptomorientierte Behandlung mit Krankengymnastik, Cortisonpräparaten und Operationen durchgeführt.
Seit September 1992 wird der Kläger beim Arzt für Allgemeinmedizin Dr. B. behandelt, der keine Kassenzulassung besitzt. Neben Thymuspeptiden, Zytoplasma und homöopathischen Mitteln werden hochfrequente Schwingungen („Bioresonanztherapie”) angewandt. Bis Ende 1994 hat der Kläger hierfür einen Betrag von etwa 10.000 DM aufgewandt. Die Ärzte der Orthopädischen Klinik der Technischen Hochschule Aachen halten den bisherigen Krankheitsverlauf für günstig.
Den am 8. März 1993 gestellten Antrag auf Übernahme der Behandlungskosten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. April 1993 und Widerspruchsbescheid vom 11. April 1994 gegenüber dem Vater des Klägers ab und berief sich auf Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes, in denen die Wirksamkeit der durchgeführten Behandlung bestritten wurde. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 12. Dezember 1994 abgewiesen, weil die Behandlung nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche.
Mit Urteil vom 30. August 1995 hat das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil und die Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger die nach dem 8. März 1993 entstandenen Kosten für die (näher umschriebenen) Behandlungsmaßnahmen bei Dr. B. zu erstatten. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe die Gewährung der immunbiologischen Therapie durch Dr. B. zu Unrecht abgelehnt, so daß dem Kläger ein Kostenerstattungsanspruch zustehe. Der Anspruch auf Krankenbehandlung umfasse auch die besonderen Therapierichtungen, denn weder § 27 Abs. 1 noch § 15 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) begrenze ihn auf die Schulmedizin. Art 14 Grundgesetz (GG) und das Benachteiligungsverbot gegenüber Nichtversicherungspflichtigen gewährleisteten dem Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung alle ärztlichen Behandlungsmethoden, wenn sie den Leistungsanforderungen im übrigen entsprächen. Wegen der Unklarheiten im Gesetzeswortlaut müßten alle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden außerhalb der Schulmedizin den „besonderen Therapierichtungen” zugeordnet werden. Deren Qualität könne wegen der Zielsetzung des § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V nur „therapie-immanent”, d.h. nach ihrem eigenen Denkansatz auf Plausibilität überprüft werden. Da zahlreiche nicht-schulmedizinische Methoden auf ganzheitlichen Gestaltungsprinzipien beruhten, könne entgegen der Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 5. Juli 1995 (BSGE 76, 194 = SozR 3-2500 § 27 Nr. 5) ein statistischer Wirksamkeitsnachweis nicht gefordert werden. Neben der Plausibilität seien die von der früheren Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen nicht mehr zu fordern. Weder die Beschränkung auf Krankheiten unbekannter Genese noch die vorherige Ausschöpfung der Schulmedizin noch die Anknüpfung an den Erfolg im Einzelfall fänden im Gesetz eine Stütze. Die Vergütung allgemein anerkannter Leistungen werde auch nicht am Erfolg im Einzelfall überprüft. Die angewandte immunbiologische Methode zur Behandlung der Duchenne'schen Muskelerkrankung sei plausibel. Diese sei durch einen degenerativen Zerfall der roten und weißen Muskelfasern gekennzeichnet. Thymuspeptiden würden bei mangelnder Immunität der Zellen eingesetzt; dabei seien Veränderungen an Zellvorstufen von Muskelzellen beobachtet worden, so daß eine regenerative Wirkung auf den Muskelabbau vermutet werden könne. Nach der Stellungnahme des Dr. B. sei ein Mangel an Dystrophin für das Fortschreiten des Muskelabbaus verantwortlich; dieser Mangel könne durch Injektionen von Zytoplasma vermindert werden. Die homöopathische Behandlung bedürfe keiner generellen Plausibilitätserklärung, weil sie in § 34 Abs. 2 Satz 3 SGB V genannt sei. Beim Bioresonanzverfahren würden die energetischen Abläufe in der Zelle positiv beeinflußt, indem die Erkenntnis berücksichtigt werde, daß der Organismus benötigte Frequenzen innerhalb von Sekundenbruchteilen aufnehmen und unerwünschte Frequenzen eine gewisse Zeit abblocken könne.
Dem aus der Plausibilität der Methode sich ergebenden Anspruch stehe die Inanspruchnahme eines nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arztes nicht entgegen. Gelinge es den dazu nach § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB V berufenen Ärzten und Krankenkassen nicht, die Leistungsansprüche des Versicherten im Wege der Sachleistung zu erfüllen, sei die Inanspruchnahme von Nichtvertragsärzten gerechtfertigt, wenn der Versicherte zuvor den Behandlungsanspruch bei der Krankenkasse geltend gemacht habe. Nach der unwidersprochenen Bekundung des Dr. B. stehe in Norddeutschland für die von ihm durchgeführte Behandlung kein zugelassener Arzt zur Verfügung. Von den angewandten Behandlungsmaßnahmen sei zwar die Bioresonanztherapie vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen ausdrücklich abgelehnt worden; die von diesem Ausschuß erlassenen Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-RL) hätten jedoch nur Bedeutung im Verhältnis des Vertragsarztes zur Kassenärztlichen Vereinigung und schränkten den Anspruch des Versicherten nicht ein. Im übrigen sei die Ablehnung schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil die dafür gegebene Begründung keine ernst zu nehmende wissenschaftliche Auseinandersetzung erkennen lasse. Die anderen Maßnahmen seien weder anerkannt noch abgelehnt; deshalb könnten Rückschlüsse auf den Anspruch des Versicherten nicht gezogen werden.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von Vorschriften des SGB V, insbesondere des § 2 Abs. 1, § 13 Abs. 3 und § 135 Abs. 1, sowie eine Abweichung vom Urteil des Senats vom 5. Juli 1995 (BSGE 76, 194 = SozR 3-2500 § 27 Nr. 5). Eine Kostenerstattung scheitere bereits daran, daß die Behandlung von einem Arzt durchgeführt worden sei, der nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen war. Die hierzu von der Rechtsprechung für freiwillig Versicherte entwickelten Grundsätze gälten für versicherungspflichtige Mitglieder erst recht. Selbst bei Annahme einer Versorgungslücke sei die Inanspruchnahme von Nichtvertragsärzten nicht gerechtfertigt. Die angewandte Behandlungsmethode gehöre unabhängig von ihrer Einordnung als besondere Therapierichtung nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach dem SGB V hinge die Leistungspflicht nicht mehr vom Erfolg im Einzelfall ab, sondern von der statistisch relevanten Wirksamkeit in einer größeren Zahl von Fällen. Diesem Grundsatz widerspreche die vom LSG durchgeführte therapie-immanente Plausibilitätskontrolle. Eine Kostenerstattung für die Bioresonanztherapie sei schon durch die NUB-RL ausgeschlossen; diese seien maßgeblich, weil ein Verstoß gegen höherrangiges Recht oder ein sachlich unvertretbarer Inhalt nicht ersichtlich sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 30. August 1995 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 12. Dezember 1994 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision hinsichtlich der bis zum 31. Dezember 1994 durchgeführten Behandlung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die bisherigen Entscheidungen zur Arztwahl beträfen § 13 Abs. 2 und nicht wie in seinem Fall § 13 Abs. 3 SGB V, so daß sie der Kostenerstattung nicht entgegenstünden. Soweit Vertragsärzte den Sachleistungsanspruch nicht erfüllen könnten, dürfe auch ein nicht zugelassener Arzt in Anspruch genommen werden. Die Wirksamkeit einer besonderen Therapierichtung könne nicht anhand schulmedizinischer Methoden – etwa des statistischen Nachweises – sondern nur therapie-immanent überprüft werden. Die NUB-RL beträfen ausschließlich das Leistungserbringungsrecht und nur eine der angewandten Behandlungsmethoden; zu den übrigen habe sich der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen nicht geäußert.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Der dem Kläger vom LSG zuerkannte Anspruch besteht nicht.
Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist ein Kostenerstattungsanspruch für die in der Zeit vom 8. März 1993 bis zum 31. Dezember 1994 von Dr. B. durchgeführte Behandlung des Klägers. Die Beschränkung ergibt sich aus der Rücknahme der Berufung für die vorherige Zeit und aus dem eingeschränkten Revisionsantrag des Klägers, der seit 1. Januar 1995 nicht mehr bei der Beklagten versichert ist.
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, daß Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren gegenüber dem Vater des Klägers durchgeführt worden sind (BSG SozR 3-2500 § 30 Nr. 8).
Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V auf Erstattung der Kosten für die bei Dr. B. selbstbeschaffte Behandlung; andere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.
Nach § 13 Abs. 3 SGB V sind dem Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, daß die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann (Voraussetzung 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Voraussetzung 2) und sich der Versicherte deshalb die Leistung selbst beschafft. Wie sich aus § 13 Abs. 1 SGB V ergibt, tritt der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- oder Dienstleistung; er besteht deshalb nur, soweit die selbstbeschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen sind. Mit der Durchbrechung des Sachleistungsgrundsatzes (§ 2 Abs. 2 SGB V) trägt § 13 Abs. 3 SGB V dem Umstand Rechnung, daß die gesetzlichen Krankenkassen eine umfassende medizinische Versorgung ihrer Mitglieder sicherstellen müssen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 27 Abs. 1 Satz 1, § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und infolgedessen für ein Versagen des Beschaffungssystems – sei es im medizinischen Notfall (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V) oder infolge eines anderen unvorhergesehenen Mangels – einzustehen haben. Wortlaut und Zweck der Vorschrift lassen die Abweichung vom Sachleistungsprinzip nur in dem Umfang zu, in dem sie durch das Systemversagen verursacht ist (Senatsurteil vom 24. September 1996 – BSGE 79, 125, 126f. = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11 S. 51f.).
Bei der Überprüfung ist grundsätzlich vom therapeutischen Gesamtkonzept des behandelnden Arztes und nicht von der einzelnen medizinischen Maßnahme (Injektion, Massage, Medikament usw) auszugehen. Zwar spricht § 13 Abs. 3 SGB V nur von einer „Leistung” und nicht von einer „Behandlung”. Wenn jedoch der Versicherte durch eine Versorgungslücke veranlaßt wird, sich außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung behandeln zu lassen, dann kann sein Kostenerstattungsanspruch nicht mit der Erwägung gemindert werden, er hätte sich einzelne Leistungen systemkonform beschaffen können. Der in § 13 Abs. 3 SGB V vorausgesetzte Kausalzusammenhang muß sich dann auf die Behandlung als Ganzes beziehen.
Der vom LSG festgestellte Sachverhalt bietet keine Anhaltspunkte dafür, daß für den Kostenerstattungsanspruch des Klägers ausnahmsweise die einzelnen Behandlungsschritte oder -komponenten zu unterscheiden wären. Die getrennte Plausibilitätsprüfung durch das LSG ist nicht als Hinweis in diesem Sinne zu werten, denn es hat gleichzeitig mitgeteilt, daß Dr. B. nur dem gemeinsamen Einsatz der verschiedenen Maßnahmen eine Erfolgsaussicht zuschreibt, was auch in der zusammenfassenden Bezeichnung als „immunbiologische Therapie” zum Ausdruck kommt; das LSG hat vor allem nicht festgestellt, daß bestimmte Behandlungskomponenten nur unwesentliches Beiwerk dieser Therapie seien. Auch die Beklagte hat diesen Standpunkt eingenommen, denn sie hat die gesamte Behandlung durch Dr. B. abgelehnt, ohne Möglichkeiten der regulären Beschaffung von Einzelleistungen aufzuzeigen. Wegen der dargestellten Einheit ist von einer unteilbaren Leistung i.S. des § 13 Abs. 3 SGB V auszugehen und eine getrennte Beurteilung der Kostenerstattung hinsichtlich einzelner Maßnahmen unzulässig; auch der Einwand der außervertragsärztlichen Beschaffung scheidet insgesamt aus. Den sich daraus ergebenden Bedenken gegen eine Kostenerstattung, weil die Krankenkasse erst nach Beginn der unteilbaren Leistung eingeschaltet wurde, braucht der Senat nicht nachzugehen, weil er den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Voraussetzung 2 SGB V unabhängig davon verneint. Eine unaufschiebbare Leistung i.S. der Voraussetzung 1 liegt nicht vor, denn darin werden nur Leistungen erfaßt, bei denen eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse – insbesondere aus Zeitgründen – nicht verlangt werden kann. Zur näheren Prüfung in dieser Richtung gibt der Sachverhalt keinen Anlaß.
Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V sind nicht erfüllt, weil die Beklagte die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt hat. Die immunbiologische Therapie gehört nicht zu den von den gesetzlichen Krankenkassen geschuldeten Leistungen. Das ergibt sich aus § 135 SGB V i.V.m. den NUB-RL. § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I 2477) schreibt vor, daß neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur abgerechnet werden dürfen, wenn der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat.
Die immunbiologische Therapie ist eine neue Behandlungsmethode i.S. von § 135 SGB V. Allerdings erläutert das Gesetz nicht näher, wann eine Behandlungsmethode als „neu” anzusehen ist. Nach dem Normzweck muß danach unterschieden werden, ob eine Methode schon bisher zur vertragsärztlichen Versorgung gehört hat. Der Bundesausschuß soll darüber wachen, daß die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht auf unwirksame oder unwirtschaftliche Untersuchungs- und Behandlungsverfahren ausgedehnt wird. Von daher kann es nicht darauf ankommen, wann das betreffende Verfahren entwickelt und erstmals eingesetzt wurde – sonst könnte der Umfang der vertragsärztlichen Versorgung ohne Qualitätsprüfung allein durch Zeitablauf erweitert werden. Vielmehr ist, wovon auch der Bundesausschuß in Ziff 4 der NUB-RL i.d.F. vom 4. Dezember 1990 ausgeht, die Beschränkung auf „neue” Methoden als Abgrenzung zu denjenigen medizinischen Maßnahmen zu verstehen, deren Qualität aufgrund der tatsächlichen Anwendung in der vertragsärztlichen Versorgung bereits feststeht oder unterstellt wird. Diese Auslegung wird durch die neuere Rechtsentwicklung bestätigt. Durch das Zweite Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-NOG) vom 23. Juni 1997 (BGBl. I 1520) ist den Bundesausschüssen der Ärzte und Krankenkassen aufgegeben worden, (auch) die von Vertragsärzten bereits bisher abrechenbaren Leistungen auf ihren diagnostischen oder therapeutischen Nutzen sowie ihre medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen. Ergibt sich dabei, daß eine Leistung den genannten Anforderungen nicht genügt, so ist sie von der weiteren Anwendung in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung ausgeschlossen (§ 135 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V). Mit der Unterscheidung zwischen neuen und bereits eingeführten Leistungen macht das Gesetz deutlich, daß die Abgrenzung danach erfolgen soll, ob eine Methode schon bisher Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung war oder nicht.
Als noch nicht zur vertragsärztlichen Versorgung gehörig und damit „neu” i.S. des § 135 Abs. 1 SGB V sieht der Bundesausschuß gemäß Ziff 5 der NUB-RL solche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden an, die noch nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) enthalten oder die dort zwar aufgeführt sind, deren Indikationen aber eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren haben (zu letzterem vgl. Urteil des 6. Senats des BSG vom 20. März 1996 – BSG SozR 3-5533 Nr. 3512 Nr. 1 S. 2 ff; zum Verhältnis von NUB-RL und EBM-Ä ferner BSGE 79, 239 = SozR 3-2500 § 87 Nr. 14). Ob allein durch die Prüfung anhand des EBM-Ä alle noch nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zählenden neuen Methoden verläßlich erfaßt werden können oder ob es, etwa im Streit um die Anerkennung einer neuartigen Arzneimitteltherapie, weiterer Kriterien bedarf, braucht aus Anlaß des vorliegenden Rechtsstreits nicht entschieden zu werden. Jedenfalls ist die immunbiologische Therapie bisher nicht Bestandteil des vertragsärztlichen Leistungsspektrums. Das LSG hat festgestellt, daß sie von Vertragsärzten nicht angewandt wird. Es handelt es sich auch nicht um eine Methode, deren Bewährung in der vertragsärztlichen Versorgung – beispielsweise wegen der Verwandtschaft zu anerkannten Methoden – so außer Zweifel stünde, daß sie vom Sinn und Zweck des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht erfaßt würde.
Zur medizinischen Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der immunbiologischen Therapie hat sich der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen bisher nicht geäußert. Allerdings ist in der Anlage 2 der NUB-RL unter Nr. 17 eine Komponente der streitigen Methode, die Bioresonanztherapie, unter den Verfahren aufgeführt, deren therapeutischer Nutzen verneint wurde und die deshalb in der vertragsärztlichen Versorgung nicht angewendet werden dürfen. Ob die immunbiologische Therapie aus diesem Grunde oder im Hinblick auf andere Richtlinien – teilweise oder insgesamt – wie eine ausdrücklich ausgeschlossene Behandlungsmethode zu behandeln ist, kann ohne weitere Feststellungen nicht entschieden werden. Das LSG hat weder festgestellt, ob die verwendeten Thymuspeptiden und das Zytoplasma zu den Zellulartherapeutika oder Organhydrolysaten i.S. von Ziff 17.1m der Arzneimittel-RL gehören, noch hat es die Bedeutung der einzelnen Behandlungskomponenten gegeneinander abgewogen. Ohne diese Feststellungen bleibt unklar, ob eine der genannten Ausschlußbestimmungen den medizinischen Kern der strittigen Methode trifft und daher den Ausschluß der ganzen Methode nach sich zieht oder ob den ausgeschlossenen Bestandteilen keine zentrale medizinische Bedeutung zukommt. Letztlich kommt es darauf jedoch nicht an, weil das Gesetz den Einsatz neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden von einer vorherigen Anerkennung durch den Bundesausschuß abhängig macht, die bezüglich der immunbiologischen Therapie nicht vorliegt. § 135 Abs. 1 SGB V bezweckt die Sicherung der Qualität der Leistungserbringung in der gesetzlichen Krankenversicherung; es soll gewährleistet werden, daß neue medizinische Verfahren nicht ohne Prüfung ihres diagnostischen bzw. therapeutischen Nutzens und etwaiger gesundheitlicher Risiken in der vertragsärztlichen Versorgung angewandt werden. Das ist zum Schutz der Versichertengemeinschaft vor unwirtschaftlicher Behandlung gleichermaßen wichtig wie zum Schutz des Versicherten vor unerprobten Methoden, deren Nebenwirkungen von ihren Befürwortern nicht immer richtig eingeschätzt werden. Die Regelung ist deshalb in der Art eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt gefaßt: Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sind solange von der Abrechnung zu Lasten der Krankenkassen ausgeschlossen, bis der Bundesausschuß sie als zweckmäßig anerkannt hat.
Allerdings befaßt sich § 135 SGB V vordergründig nicht mit den Leistungsansprüchen der Versicherten. Als Teil des Vierten Kapitels des SGB V über die „Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern” legt die Vorschrift vielmehr in erster Linie für die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Zahnärzte fest, unter welchen Voraussetzungen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht und abgerechnet werden dürfen. Trotzdem wird durch § 135 SGB V ebenso wie durch andere kassenarztrechtliche Vorschriften, die bestimmte Arten von Behandlungen aus der vertragsärztlichen Versorgung ausschließen oder ihre Anwendung an besondere Bedingungen knüpfen, zugleich der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten Leistungen festgelegt: Darf der Arzt eine Behandlungsmethode nicht als Kassenleistung abrechnen, weil sie nach den NUB-RL ausgeschlossen oder nicht empfohlen ist, gehört sie auch nicht zur „Behandlung” i.S. des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V, die der Versicherte als Sachleistung oder im Wege der Kostenerstattung beanspruchen kann.
Im Kern ist diese Frage in § 2 Abs. 2 SGB V entschieden. Satz 1 der Vorschrift beschränkt den Anspruch des Versicherten grundsätzlich auf Sach- und Dienstleistungen, über die nach Satz 2 mit den Leistungserbringern entsprechend den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge abzuschließen sind. Nach der darin zum Ausdruck kommenden Konzeption soll durch das Leistungserbringungsrecht im Vierten Kapitel des SGB V gewährleistet werden, daß den Versicherten die gesamte Krankenpflege als Sachleistung zur Verfügung gestellt wird. Dementsprechend haben die zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern zu schließenden Verträge und die als Bestandteil dieser Verträge von den Bundesausschüssen der Ärzte und Krankenkassen zu beschließenden Richtlinien die für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung notwendigen ärztlichen und nichtärztlichen Leistungen vollständig und abschließend zu erfassen. Wenn die Vertragspartner oder die Bundesausschüsse in diesem Zusammenhang zum Erlaß leistungskonkretisierender oder leistungsbeschränkender Vorschriften ermächtigt werden, kann das nur bedeuten, daß durch diese Vorschriften die im Dritten Kapitel des SGB V nur in Umrissen beschriebene Leistungsverpflichtung der Krankenkasse präzisiert und eingegrenzt werden soll.
Das zeigt sich auch daran, daß das Gesetz für beide Bereiche dieselben inhaltlichen Kriterien vorgibt. § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V verlangen übereinstimmend einen Versorgungsstandard nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Die Merkmale in § 12 Abs. 1 Satz 1 und § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V sind ebenfalls gleich: Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Geringfügige Unterschiede im Wortlaut einzelner Vorschriften beruhen auf der besonderen Betonung bestimmter Merkmale im jeweiligen Zusammenhang und bedeuten keine inhaltliche Abweichung. Der Verwirklichung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten dienen gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V auch die in § 135 Abs. 1 SGB V angesprochenen Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Als Vorschriften zur Qualitätssicherung haben die NUB-RL vor allem den Zweck, den im Gesetz nicht näher umschriebenen allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) näher zu bestimmen. Gerade der in § 2 Abs. 1 Satz 3, § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V geforderte Qualitätsstandard kann im Verhältnis zwischen Krankenkasse und Versichertem nicht anders definiert werden als zwischen Vertragsarzt und Krankenkasse bzw. Kassenärztlicher Vereinigung.
Die systematischen Zusammenhänge zwischen dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB V bestätigen dieses Ergebnis und widerlegen zugleich die vom LSG vertretene und auch im Schrifttum (Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 1, § 106 RdNr 105; Estelmann/Eicher, SGb 1991, 247, 256) anzutreffende These von einem Vorrang des Leistungsrechts vor dem Leistungserbringungsrecht. Der Versicherte darf seinen Leistungsanspruch nur innerhalb der Vorgaben des Leistungserbringungsrechts verwirklichen, denn er ist im Regelfall durch § 15 Abs. 1, § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V darauf beschränkt, sich die benötigte ärztliche und zahnärztliche Versorgung bei den zugelassenen Ärzten oder Zahnärzten zu beschaffen, die ihrerseits an die Vorgaben des Vierten Kapitels und speziell der gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB V über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen abzuschließenden Verträge gebunden sind (§ 95 Abs. 3 Satz 2 SGB V). In der Person des Leistungserbringers sind beide Bereiche miteinander verzahnt; mit der Abgabe der Leistung an den Versicherten erfüllt der Arzt sowohl die Leistungsverpflichtung der Krankenkasse als auch seine eigene, aus der Kassenzulassung folgende Verpflichtung, sozialversicherte Patienten nach Maßgabe der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Vorschriften zu behandeln. Bei einem derartigen Ineinandergreifen verschiedener Rechtsbeziehungen würden unterschiedliche Leistungsstandards zu unüberbrückbaren Widersprüchen führen.
Die Auffassung, das Leistungserbringungsrecht sei dem Leistungsrecht untergeordnet, verkennt im übrigen die Bedeutung, die der Entscheidung des behandelnden Arztes für die Entstehung und den Umfang von Leistungsansprüchen im Krankenversicherungsrecht zukommt. Sie unterstellt, daß sich dem Dritten Kapitel des SGB V mittels Gesetzesauslegung durchsetzbare Ansprüche auf konkrete medizinische Maßnahmen entnehmen lassen, die mit den einschlägigen Ergebnissen des Leistungserbringungsrechts verglichen werden und diese im Falle der Unvereinbarkeit verdrängen können (so in der Tendenz auch Entscheidungen des 3. Senats des BSG zur Rechtslage vor dem 1. Januar 1989: vgl. BSGE 63, 102 = SozR 2200 § 368e Nr. 11; BSGE 64, 255 = SozR 2200 § 182 Nr. 114; BSGE 70, 24 = SozR 3-2500 § 12 Nr. 2). Diese Auffassung hat die neuere Rechtsprechung jedoch aufgegeben. Danach ergeben sich aus den Vorschriften des Dritten Kapitels nur ausnahmsweise konkrete Leistungsansprüche. In der Regel wird dem Versicherten dort lediglich ein ausfüllungsbedürftiges Rahmenrecht auf „Behandlung” durch einen Arzt oder Zahnarzt oder auf „Versorgung” mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln in Aussicht gestellt. Zwar sind die geschuldeten Leistungen insofern noch näher umschrieben, als sie nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V hinsichtlich Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, nach § 12 Abs. 1 SGB V ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich und notwendig sein und nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V bestimmten Zielen dienen müssen. Damit sind jedoch die Voraussetzungen der Leistungspflicht nur sehr vage bezeichnet; welche Behandlungsmaßnahmen sich daraus für den erkrankten Versicherten im einzelnen ergeben, bedarf der näheren Konkretisierung. In der Regel erlauben die genannten Merkmale lediglich die negative Ausgrenzung von Maßnahmen, die nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, weil sie bestimmten Mindestanforderungen nicht genügen (vgl. z.B. BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 6). Positiv verdichtet sich das gesetzliche Rahmenrecht erst dann zum durchsetzbaren Einzelanspruch, wenn der – an Stelle der Krankenkasse kraft gesetzlichen Auftrags handelnde – Leistungserbringer festgelegt hat, welche Sach- oder Dienstleistungen zur Wiederherstellung oder Besserung der Gesundheit notwendig sind (inzwischen ständige Rechtsprechung: vgl. BSGE 73, 271, 279ff. = SozR 3-2500 § 13 Nr. 4 S. 18 ff; BSGE 78, 154, 155 = SozR 3-2500 § 39 Nr. 3 S. 8 f; Senatsurteil vom 24. September 1996 – SozR 3-2500 § 30 Nr. 8 S. 32 f; siehe auch BSGE 77, 194, 200, 203 = SozR 3-2500 § 129 Nr. 1 S. 7, 10; BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 4 S. 19f.). Insofern erfüllt der behandelnde Arzt nicht nur die Leistungsverpflichtung der Krankenkasse; vielmehr begründet und konkretisiert er sie auch. Da er dabei an die Vorschriften des Kassenarztrechts einschließlich der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen gebunden ist, ergibt sich zwangsläufig, daß diese auch den für Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte gleichermaßen verbindlichen Umfang des Leistungsanspruchs bestimmen (vgl. § 2 Abs. 4 SGB V). Durch das Leistungserbringungsrecht wird der leistungsrechtliche Anspruchsrahmen in materieller und formeller Hinsicht abgesteckt; außerhalb dieses Rahmens hat der Versicherte grundsätzlich keine Leistungsansprüche (so auch Schlenker, SGb 1992, 530, 533f.).
Daß speziell die Regelung des § 135 Abs. 1 SGB V i.V.m. den NUB-RL unmittelbar das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung gestaltet, ist durch die zwischenzeitlich erfolgten Änderungen und Ergänzungen leistungsrechtlicher Bestimmungen im 2. GKV-NOG nochmals verdeutlicht worden. Der durch dieses Gesetz neu geschaffene § 56 SGB V eröffnet den Krankenkassen die Möglichkeit, ihr Leistungsangebot durch Satzungsregelung über den gesetzlichen Leistungsumfang hinaus zu erweitern und dabei, wie sich aus § 56 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 135 Abs. 1 Satz 4 SGB V i.d.F. des 2. GKV-NOG ergibt, auch solche Leistungen vorzusehen, die nach Einschätzung der Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen den Anforderungen für eine Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens nicht in vollem Umfang entsprechen. Ferner können die Kassen nach § 63 Abs. 2 SGB V i.d.F. des 2. GKV-NOG Modellversuche zu Leistungen durchführen, die bisher nicht Gegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung sind, wobei jedoch nach Abs. 4 a.a.O. solche Leistungen ausgenommen sind, über deren Eignung die Bundesausschüsse in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine ablehnende Entscheidung getroffen haben. Beide Regelungen setzen voraus, daß der Versicherte grundsätzlich auf die nach Maßgabe des § 135 Abs. 1 SGB V zulässigen neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden beschränkt ist. Mit der Ersetzung des Wortes „abrechnen” durch das Wort „erbringen” in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V hat der Gesetzgeber des 2. GKV-NOG auch terminologisch klargestellt, daß es sich nicht um eine bloße Abrechnungsvorschrift, sondern um eine den Leistungsumfang der Krankenversicherung konkretisierende Regelung handelt.
Ein Vorrang des Leistungsrechts in dem Sinne, daß der Versicherte sich eine nach den Vorschriften des Kassenarztrechts ausgeschlossene Behandlung unter Berufung auf deren Zweckmäßigkeit dennoch auf Kosten der Krankenkasse beschaffen könnte, läßt sich angesichts dieser rechtlichen Gegebenheiten auch nicht aus § 13 Abs. 3 SGB V herleiten. Die dortige Regelung schafft lediglich die rechtliche Grundlage dafür, daß der Versicherte ausnahmsweise eine privatärztliche Behandlung auf Kostenerstattungsbasis in Anspruch nehmen kann, wenn die Krankenkasse infolge eines Versagens des Beschaffungssystems nicht in der Lage ist, eine notwendige Behandlung als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Diese Möglichkeit ist nicht Ausdruck einer Verdrängung des „minderwertigen” Leistungserbringungsrechts durch das „höherrangige” Leistungsrecht, sondern dient dazu, unbeabsichtigte oder unvorhergesehene Versorgungslücken zu schließen. Zwar müssen dazu bestimmte Regeln des Sachleistungssystems durchbrochen werden, doch ändert das nichts daran, daß der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V in derselben Weise mit leistungserbringungsrechtlichen Vorschriften verzahnt ist wie andere Leistungsansprüche. Soweit der angesprochene Zweck die Abweichung nicht rechtfertigt, bleibt die Bindung an die im Vierten Kapitel des SGB V festgelegten Modalitäten und Grenzen der Krankenbehandlung auch in den Anwendungsfällen dieser Vorschrift erhalten. In Anbetracht der aus § 2 Abs. 2 SGB V ersichtlichen Zielvorstellung eines lückenlosen Sachleistungssystems wäre es nicht verständlich, wenn das Gesetz einerseits dazu ermächtigte, Leistungen generell als nicht notwendig, unzweckmäßig oder unwirtschaftlich von der vertragsärztlichen Versorgung auszuschließen, andererseits aber dem Versicherten die Möglichkeit beließe, sich dieselben Leistungen auf Kosten der Krankenkasse außerhalb des Sachleistungssystems zu verschaffen. Die mit § 135 SGB V bezweckte Aufstellung verbindlicher Qualitätsstandards für die vertragsärztliche und vertragszahnärztliche Versorgung hätte keinen Sinn, wenn diese Standards für selbstbeschaffte Leistungen nicht gelten würden.
Der Ausschluß nicht anerkannter Untersuchungs- und Behandlungsmethoden aus der vertragsärztlichen Versorgung nach Maßgabe des § 135 Abs. 1 SGB V und die damit einhergehende Beschränkung des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung verletzt kein Verfassungsrecht.
Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ist es nicht zu beanstanden, daß § 135 Abs. 1 SGB V die für die vertragsärztliche Behandlung freigegebenen neuen Methoden nicht selbst nennt, sondern insoweit auf die NUB-RL verweist. Die gesetzliche Ausschlußregelung knüpft damit in zulässiger Weise an untergesetzliche Rechtsvorschriften an, zu deren Erlaß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen ermächtigt. Verfassungsrechtlich bedenklich wäre die beschriebene Gesetzestechnik allerdings, wenn es sich bei den NUB-RL und anderen Richtlinien der Bundesausschüsse, wie früher von der Rechtsprechung angenommen, um rein verwaltungsinterne Durchführungsbestimmungen ohne Außenwirkung handelte (so noch BSGE 63, 102, 105 = SozR 2200 § 368e Nr. 11 S. 28 [Arzneimittelrichtlinien]; BSGE 63, 163, 165ff. = SozR 2200 § 368p Nr. 2 S. 7ff. [Arzneimittelrichtlinien]; ähnlich BSGE 73, 271, 287 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 4 S. 27 [Heil- und Hilfsmittelrichtlinien]). Da § 135 Abs. 1 SGB V in der Art einer dynamischen Verweisung auf die NUB-RL in ihrer jeweiligen Fassung Bezug nimmt, würde dann die Entscheidung, ob eine neue Behandlungsmethode zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden darf, im Ergebnis einer zu außenwirksamer Rechtsetzung nicht befugten Verwaltungsinstanz überlassen und damit der Gewaltenteilungsgrundsatz berührt. Ob eine Normsetzung durch Verweisung auf verwaltungsinterne Regelungen dennoch in bestimmten Grenzen zulässig sein kann, bedarf hier keiner Vertiefung, weil sich der Rechtscharakter der Richtlinien mit dem Inkrafttreten des SGB V am 1. Januar 1989 gewandelt hat. Nach den Vorschriften dieses Gesetzes sind die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen nicht mehr bloße dem Innenrechtsbereich des Leistungserbringungsrechts zuzuordnende Verwaltungsvorschriften, die nach Maßgabe der jeweiligen Satzung von den Krankenkassen und den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten beachtet werden sollen (so früher § 368p Abs. 3 RVO). Gemäß § 92 Abs. 7, § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB V sind sie nunmehr in die Bundesmantelverträge und die Gesamtverträge über die vertragsärztliche Versorgung eingegliedert und nehmen an deren normativer Wirkung teil. Für die vertragsunterworfenen Krankenkassen und Vertragsärzte setzen sie unmittelbar verbindliches, außenwirksames Recht (vgl. § 83 Abs. 1 Satz 1, § 95 Abs. 3 Satz 2 SGB V und dazu im einzelnen Urteil des 6. Senats des BSG vom 20. März 1996 – BSGE 78, 70, 75 = SozR 3-2500 § 92 Nr. 6 S. 30 m.w.N.).
Die im Schrifttum gegen die Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen erhobenen verfassungsrechtlichen Einwände (von Zezschwitz, Freundesgabe für Söllner, 1990, 645; Papier, VSSR 1990, 123, 130 ff; Wimmer, NJW 1995, 1577; ders, MedR 1996, 425; Ossenbühl, NZS 1997, 497) werden vom Senat nicht geteilt. Die Richtlinien der Bundesausschüsse sind Teil eines umfassenden Gefüges untergesetzlicher Normen, die von den zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung gebildeten Körperschaften der Krankenkassen und (Zahn) Ärzte aufgrund gesetzlicher Ermächtigung gemeinsam zu dem Zweck erlassen werden, eine den Vorgaben des Gesetzes entsprechende ambulante ärztliche Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die dabei praktizierte Form der Rechtsetzung durch Kollektivverträge (Normsetzungsverträge) zwischen Krankenkassenverbänden und Kassenärztlichen Vereinigungen sowie ergänzende Regelungen, die von gemeinsamen Gremien der (Zahn) Ärzte und Krankenkassen beschlossen werden, hat in der gesetzlichen Krankenversicherung eine lange, in die vorkonstitutionelle Zeit zurückreichende Tradition. Sie hat ihren Grund in zwei tragenden Prinzipien des deutschen Krankenversicherungsrechts, nämlich auf der einen Seite dem Sachleistungsgrundsatz und auf der anderen Seite dem Leitbild des freiberuflich tätigen Arztes als Träger der ambulanten medizinischen Versorgung. Ihrer Verpflichtung, den Versicherten die benötigten Leistungen als Naturalleistungen kostenfrei zu verschaffen und sich dazu der Mitwirkung niedergelassener Ärzte und anderer selbständiger Leistungserbringer zu bedienen, können die Krankenkassen nur durch Abschluß entsprechender Verträge mit den Leistungserbringern nachkommen. Das zur Erfüllung der Sachleistungsverpflichtung und zur Sicherung einer ausreichenden Versorgung bereits Anfang der dreißiger Jahre entwickelte und seither historisch gewachsene öffentlich-rechtliche System kollektivvertraglicher Beziehungen zwischen den Krankenkassen bzw. ihren Verbänden und den Körperschaften der Ärzte und Zahnärzte setzt die Zuweisung von Normsetzungsbefugnissen an die Vertragspartner voraus; denn es kann seinen Zweck nur erfüllen, wenn die in Gesamtverträgen und Mantelverträgen vereinbarten Regelungen nicht nur die vertragschließenden Körperschaften, sondern auch die durch sie repräsentierten Vertragsärzte und Versicherten binden. Zwar sieht das Grundgesetz die Schaffung materiellen Rechts durch Normenverträge nicht vor. Auch kann diese Art der Rechtserzeugung ungeachtet der Bezeichnung des Regelungskonzepts als „gemeinsame Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen” nicht dem Bereich der autonomen Rechtsetzung zugeordnet werden, der im wesentlichen mitgliedschaftlich strukturierten Körperschaften zur eigenverantwortlichen Regelung der sie selbst betreffenden Angelegenheiten vorbehalten ist. Indessen vermag der Senat dem Grundgesetz keinen numerus clausus zulässiger Rechtsetzungsformen in dem Sinne zu entnehmen, daß neben den ausdrücklich genannten Instrumenten des formellen Gesetzes und der Rechtsverordnung sowie den vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Regelungstypen der autonomen Satzung und der Tarifvertragsnormen weitere Formen der Rechtsetzung schlechthin ausgeschlossen wären. Er hält deshalb, wie er im Urteil vom 16. September 1997 (1 RK 32/95, zur Veröffentlichung bestimmt) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des 6. Senats des Bundessozialgerichts (BSGE 78, 70, 77ff. = SozR 3-2500 § 92 Nr. 6 S. 32ff.) näher ausgeführt hat, die gesetzliche Ermächtigung zu gemeinsamer Rechtsetzung durch die Körperschaften der Krankenkassen und Ärzte bzw. von diesen gebildete Ausschüsse im Ergebnis für verfassungsgemäß.
Handelt es sich nach alledem bei den NUB-RL um untergesetzliche Rechtsnormen, die in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V verbindlich festlegen, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Bestandteil des vertragsärztlichen Leistungsspektrums sind, so ist dem Versicherten, der sich eine vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen nicht empfohlene Behandlung auf eigene Rechnung beschafft, im Kostenerstattungsverfahren der Einwand abgeschnitten, die Methode sei gleichwohl zweckmäßig und in seinem konkreten Fall wirksam gewesen bzw. lasse einen Behandlungserfolg zumindest als möglich erscheinen. Von der anderslautenden Rechtsprechung zur Rechtslage vor Inkrafttreten des SGB V (BSGE 70, 24 = SozR 3-2500 § 12 Nr. 2; BSGE 64, 255 = SozR 2200 § 182 Nr. 114 jeweils mwN; für das Recht der privaten Krankenversicherung daran anknüpfend: BGHZ 133, 208, 215 = LM AVBf. Krankheitskosten- u Krankenhaustagegeldvers Nr. 26 Bl 3; zur Rechtslage im Beihilferecht vgl. BVerwG Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 15 S. 9 = NJW 1996, 801, 802; Buchholz 238.927 BVO NW Nr. 6 = NJW 1985, 1413) hat sich der Senat bereits im Urteil vom 5. Juli 1995 teilweise distanziert (BSGE 76, 194 = SozR 3-2500 § 27 Nr. 5). Soweit er dort allerdings den Einwand zugelassen hat, die neue Methode sei generell und nicht nur im konkreten Einzelfall zweckmäßig, hält er an seiner Rechtsauffassung nicht fest. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Bundesausschuß die in Rede stehende Methode bereits geprüft und abgelehnt hat oder ob – wie im Fall der immunbiologischen Therapie – über die Anerkennung bisher nicht entschieden wurde, weil es an einem entsprechenden Antrag fehlt oder die erforderliche Begutachtung noch nicht abgeschlossen ist. Das Gesetz schließt eine Abrechnung zu Lasten der Krankenkasse nicht nur bei ablehnenden Entscheidungen des Bundesausschusses, sondern ausdrücklich auch für den Fall des Fehlens einer solchen Entscheidung aus, denn es soll sichergestellt werden, daß neue Behandlungsweisen erst nach ausreichender Prüfung in dem dafür vorgesehenen Verfahren in der gesetzlichen Krankenversicherung eingesetzt werden.
Ein Kostenerstattungsanspruch kann allerdings ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn die fehlende Anerkennung der neuen Methode auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruht. Ein solcher Systemmangel kann (auch) darin bestehen, daß das Anerkennungsverfahren trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wird. Die Ermächtigung in § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V besagt nicht, daß es dem Bundesausschuß freigestellt ist, ob und wann er sich mit einem Antrag auf Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode befassen und hierzu eine Empfehlung abgeben will. Ebensowenig kann es im Belieben der antragsberechtigten Körperschaften und Verbände stehen, ob überhaupt ein Verfahren vor dem Bundesausschuß in Gang gesetzt wird. Das präventive Verbot in § 135 Abs. 1 SGB V dient allein dem Zweck der Qualitätssicherung; nur soweit es dieser Zweck erfordert, ist der Ausschluß ungeprüfter und nicht anerkannter Heilmethoden aus der vertragsärztlichen Versorgung gerechtfertigt. Grundsätzlich zählen aber, wie die ausdrückliche Erwähnung des medizinischen Fortschritts in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V belegt, auch neue medizinische Verfahren zum Leistungsumfang der Krankenversicherung. Soweit sie sich als zweckmäßig und wirtschaftlich erweisen, dürfen sie den Versicherten nicht vorenthalten werden. Dem muß das Verfahren vor dem Bundesausschuß gerecht werden. Es muß gewährleisten, daß bei Vorlage der für die Beurteilung der Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit benötigten Unterlagen in vertretbarer Zeit eine Entscheidung über die Anerkennung der neuen Methode erreicht werden kann. Wird die Einleitung oder die Durchführung des Verfahrens willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen blockiert oder verzögert und kann deshalb eine für die Behandlung benötigte neue Therapie nicht eingesetzt werden, widerspricht das dem Auftrag des Gesetzes. Eine sich daraus ergebende Versorgungslücke muß zugunsten des Versicherten mit Hilfe des § 13 Abs. 3 SGB V geschlossen werden.
Anhaltspunkte dafür, daß das Fehlen einer Aussage zur immunbiologischen Therapie in den NUB-RL Folge eines Systemmangels in dem beschriebenen Sinne sein könnte, sind nicht aufgezeigt oder ersichtlich. Freilich hatte der Kläger im anhängigen Verfahren noch keine Gelegenheit zu entsprechendem Vortrag, weil es nach der Rechtsauffassung des LSG wie auch nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats auf diesen Gesichtspunkt nicht ankam. Trotzdem braucht der Senat die Sache nicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, denn er muß die Klage unabhängig von etwaigen Versäumnissen des Bundesausschusses oder der nach § 135 Abs. 1 SGB V antragsberechtigten Stellen abweisen, weil nicht davon ausgegangen werden kann, daß die umstrittene Behandlungsmethode dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht.
Eine ausfüllungsbedürftige Lücke in den NUB-RL und ein daraus sich ergebender Anspruch auf Kostenerstattung ist vor allem dann denkbar, wenn – bei unterstellter Untätigkeit des Bundesausschusses – über eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode zu befinden ist, von deren Wirksamkeit das Gericht überzeugt werden kann. Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen für die Drogensubstitution mit dem Hustenmittel Remedacen hat der Senat in diesem Sinne davon abhängig gemacht, ob der Erfolg der Ersatzdroge in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken belegt werden kann (BSGE 76, 194, 199 = SozR 3-2500 § 27 Nr. 5 S. 12). An diesem Erfordernis ist grundsätzlich festzuhalten. Die dabei auftretenden praktischen Schwierigkeiten sind beachtlich, sie können in der Regel aber – nötigenfalls mit Hilfe von Sachverständigen – überwunden werden. Bei der Drogensubstitution zur Bekämpfung von Heroinsucht ist die „Therapie” auf die Veränderung des Verhaltens des Patienten gerichtet; dabei spielen medizinische Zusammenhänge (etwa mögliche Nebenwirkungen) eine Rolle, sie stehen aber nicht im Vordergrund. Bei einem Massenphänomen wie der Drogensucht ist der Rückgriff auf soziologische Datenerhebungen denkbar, die den Gerichten den hier erforderlichen Wirksamkeitsnachweis erleichtern können. Die Forderung nach einem derartigen Nachweis liegt vor allem auch dann nahe, wenn die streitige Methode mit anerkannten Methoden verglichen werden kann.
Wirksamkeitsnachweise für die immunbiologische Therapie liegen nicht vor, so daß mit dieser Begründung eine den Anspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V auslösende Lücke in der vertragsärztlichen Versorgung nicht zu rechtfertigen ist. Das LSG selbst ist nicht von der Wirksamkeit ausgegangen. Bei den im angefochtenen Urteil erwähnten Veröffentlichungen fehlen der Bezug zur Erkrankung des Klägers (vgl. Theurer in: Dokumentation der besonderen Therapierichtungen und natürlichen Heilweisen in Europa [DbT] Bd V 1. Halbband 1992, 331, 343; Pesic a.a.O., 415, 419f.) und die Bewertung der gegenseitigen Beeinflussung der einzelnen hier eingesetzten medizinischen Maßnahmen (vgl. Beckmann, EHK 1984, 680; Paffenholz/Theurer, Der Kassenarzt 1980, 1295). Auch das Urteil selbst enthält hierzu keine Feststellungen, denn darin wird lediglich zur Plausibilität der einzelnen Arznei- und Heilmittel Stellung genommen. Eine Behandlung ist in der gesetzlichen Krankenversicherung jedoch allenfalls dann geschuldet, wenn sie sich günstig auf den Gesamtgesundheitszustand des Versicherten auswirken kann und soll (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Besteht eine Behandlung aus mehreren Elementen, muß auch deren Zusammenwirken untersucht und bewertet werden.
Anders als bei der Drogensubstitution stößt ein Wirksamkeitsnachweis für eine Behandlung der Duchenne'schen Erkrankung auf erhebliche Schwierigkeiten. Letztlich kann der Verlauf der Krankheit weder erklärt noch gezielt beeinflußt werden; nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse kommt bestenfalls eine symptomatische Behandlung in Frage. Die Bewertung von möglichen Therapien wirft nahezu ausschließlich medizinische Fragen auf; dabei spielen genetische, biochemische und molekularbiologische Zusammenhänge eine Rolle, die erst vor einigen Jahren erforscht worden sind. Das verhältnismäßig seltene Auftreten der DMD würde langjährige Untersuchungen voraussetzen, um genügend Patienten erfassen zu können. Der etwaige Erfolg einer Therapie kann wegen gleichzeitiger Entwicklungsfortschritte der jugendlichen Patienten nur schwer erkennbar sein. Bei einer Erkrankung mit meist tödlichem Ausgang wirft die Forderung nach wissenschaftlichen Versuchen, bei denen zur Kontrolle nachweislich unwirksame Mittel (Placebo) eingesetzt werden müssen, besondere ethische Probleme auf. Das wird auch von Befürwortern derartiger Versuche eingeräumt (vgl. Noseworthy, Neurology 1988 [38 Suppl 2], 76 bei Fn 6).
Beschränken sich die Einwirkungsmöglichkeiten anerkannter Behandlungsmethoden aus den aufgezeigten Gründen auf eine mehr oder weniger vorübergehende und nur begrenzt objektivierbare Unterdrückung der Krankheitssymptome, genügt es nicht, sich zur Ablehnung der Kostenerstattung für noch nicht empfohlene Methoden auf den fehlenden oder mangelhaften Wirksamkeitsnachweis zu berufen. Denn das Gesetz verlangt lediglich einen Standard, der dem allgemein anerkannten „entspricht”. Umgekehrt kann die fehlende medizinische Erkenntnis nicht bedeuten, daß jede Behandlungsmethode von der Krankenkasse zu bezahlen ist. Die Grundsätze des § 12 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V verbieten es, die Erprobung neuer Methoden oder die medizinische Forschung zu den Versicherungsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu rechnen (vgl. Begründung zum Fraktionsentwurf des Gesundheits-Reformgesetzes BT-Drucks 11/2237 S. 157). Dem entspricht der Vergütungsabschlag für Forschung und Lehre bei ambulanten Krankenhausleistungen der Polikliniken nach § 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V. Im 10. Abschnitt des Dritten Kapitels SGB V sind zwar Erprobungsregelungen vorgesehen, die nach § 63 Satz 1 SGB V auch neue Leistungen beinhalten können; die am 1. Juli 1997 in Kraft getretene Neufassung schließt Leistungen ausdrücklich mit ein, zu denen der Bundesausschuß noch nicht ablehnend Stellung genommen hat (vgl. § 63 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Keinesfalls ist jedoch die Erprobung neuer Behandlungsmethoden bei einzelnen Versicherten gemeint, denn sie muß nach der ursprünglichen Fassung durch Satzung, nach der Neufassung durch Vereinbarungen mit den Leistungserbringern rechtlich abgesichert sein. Außerhalb dieses engen Rahmens dürfen die Finanzmittel der Solidargemeinschaft für die Erprobung schon deshalb nicht eingesetzt werden, weil unerprobte Methoden – wenn ihnen überhaupt eine Wirkung zukommt – auch unbekannte Nebenwirkungen haben können, für deren gesundheitliche Folgen wiederum die Krankenversicherung aufzukommen hat. Der Grundsatz, daß die gesetzlichen Krankenkassen für die Erprobung neuer Methoden nicht einzustehen haben, verdient gerade bei unerforschten Krankheiten besondere Beachtung; bei Erkrankungen, deren Verlauf erklärt und mit geeigneten Mitteln beeinflußt werden kann, besteht weit seltener Veranlassung, Versuche mit unerprobten Methoden anzustellen.
Um bei der Prüfung des Kostenerstattungsanspruchs für eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode einerseits dem Gebot gerecht zu werden, dem erkrankten Versicherten alle gleichermaßen geeigneten Mittel zugute kommen zu lassen, ohne andererseits gegen das Verbot zu verstoßen, die Krankenkasse für Erprobungen einstehen zu lassen, gibt es nur zwei mögliche Ansätze: Entweder die Gerichte setzen sich mit der medizinisch-wissenschaftlichen Qualität der in Rede stehenden Methoden inhaltlich auseinander, um eine bisher nicht zustande gekommene Entscheidung des Bundesausschusses vorwegzunehmen bzw. zu ersetzen, oder sie beschränken sich auf die Prüfung, ob der neuen Methode in der medizinischen Fachdiskussion bereits ein solches Gewicht zukommt, daß eine Überprüfung und Entscheidung durch den Bundesausschuß veranlaßt gewesen wäre. Das richtet sich nicht nach medizinischen Kriterien (Wirksamkeit, Plausibilität, Erfolg im Einzelfall usw), sondern nach der tatsächlichen Verbreitung in der Praxis und in der fachlichen Diskussion.
Diesem zweiten Ansatz folgt der Senat. Das Gesetz fragt nicht danach, welchen Qualitätsstandard der Richter aus eigener Anschauung oder aufgrund sachverständiger Beratung für anerkennungswürdig hält, sondern welcher Standard allgemein anerkannt ist und ob die zu beurteilende Methode diesem Standard entspricht. Damit bezieht es sich auf den Charakter der Medizin als Erfahrungswissenschaft. Erfolgreiche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden setzen sich über kurz oder lang in der medizinischen Ausbildung, bei den praktizierenden Ärzten, bei den Leistungsträgern und im Kreis der Patienten durch (in dieser Richtung auch – allerdings unter dem Gesichtspunkt der medizinischen Vertretbarkeit – Estelmann/Eicher, SGb 1991, 253). Ohne ein Mindestmaß an Anerkennung kann eine Methode das Stadium der medizinischen Erprobung bzw. Forschung noch nicht überwunden haben. Die dadurch den Gerichten auferlegte Zurückhaltung in der medizinisch-wissenschaftlichen Auseinandersetzung um die „richtige” Heilmethode hat in § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V ihre Entsprechung. Das Verbot des Ausschlusses von Methoden der besonderen Therapierichtungen ist Ausdruck der Neutralität des Staates gegenüber unterschiedlichen wissenschaftlichen Ansätzen, die in der Bevölkerung – auch aufgrund ihrer weltanschaulichen Prägung – breite Resonanz gefunden haben. Damit wird die Fragestellung von den auf dieser Ebene nicht mehr allgemeingültig zu beantwortenden wissenschaftlichen Grundsatzfragen auf den tatsächlichen Verbreitungsgrad verlagert. Nur auf diesem Wege ist es möglich, den sinnvollen Einsatz der von den Versicherten und ihren Arbeitgebern zur gesetzlichen Krankenversicherung aufgebrachten Gel DMittel nachvollziehbar zu überprüfen.
Eine eigene medizinische Beurteilung von Behandlungsmethoden durch die Gerichte ist demgegenüber fragwürdig. Abgesehen von dem Eingriff in Kompetenzen des Bundesausschusses können wissenschaftstheoretische Grundlagen im Streit sein oder es müssen neueste wissenschaftliche Forschungsergebnisse interpretiert und bewertet werden. Es kann aber – auch mit sachverständiger Unterstützung – nicht Sinn eines Gerichtsverfahrens sein, die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft voranzutreiben oder in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen Position zu beziehen.
Die Problematik wird gerade im Fall des Klägers deutlich. Dabei steht die schon erwähnte Schwierigkeit im Vordergrund, Wechselwirkungen zwischen den verabreichten Mitteln abzuschätzen und zu bewerten. Das LSG hält einen Erfolg der Behandlung mit Zytoplasma für plausibel, weil damit ein Anstieg des fehlenden Dystrophins erreicht werden könne, und beruft sich auf Veröffentlichungen aus den Jahren 1980 und 1992; auch eine Veröffentlichung aus dem Jahre 1984, die nach Darstellung des LSG die Plausibilität von Thymuspeptiden belegen soll, gehört eigentlich in diesen Zusammenhang, denn die dort mitgeteilten Beobachtungen beruhen in erster Linie auf Versuchen mit Zytoplasma und erst in der letzten Phase bei einem Bruchteil der insgesamt betreuten Patienten auf der Anwendung von Thymusextrakt (vgl. Beckmann, EHK 1984, 687, 688). Aussagen zum angeblichen Anstieg von Dystrophin sind darin nicht enthalten, sondern entweder Angaben zu einer erhöhten Enzymaktivität oder Vermutungen über eine Reihe von Wirkungsmechanismen, bei denen, wie schon angedeutet, jeder Bezug zur DMD oder zu anderen Formen der Muskeldystrophie fehlt (Paffenholz/Theurer, Der Kassenarzt 1980, 1295; Theurer, DbT V 1, 340, 342f.). Bei den Untersuchungen zur Enzymaktivität konnte auf das mit dem Fortschreiten der DMD vor allem in Zusammenhang gebrachte Dystrophin schon deshalb nicht eingegangen werden, weil es erst 1987 identifiziert wurde (Emery, Duchenne Muscular Dystrophy, Oxford 1993, 24 und 187; Nachweise in: Speer, Muskeldystrophie im Kindesalter, Berlin 1993, 26). Insofern hätte sich die Frage aufgedrängt, welche Bedeutung der Messung von Enzymaktivitäten nach dieser Entdeckung noch zukommt. Der im Verwaltungsverfahren von Dr. B. vorgelegte Hinweis auf einen Anstieg des Dystrophins beruht auf Versuchen mit Mäusen, bei denen ein anderer Verlauf der Erkrankung und andere immunologische Reaktionen auf fremdes Zellmaterial beobachtet wurden als beim Menschen (Emery a.a.O., 143 ff; Mortier in: Hopf ua, Neurologie in Praxis und Klinik, Stuttgart 1993, Bd 3, S. 3.43 ff; Partridge u.a. in: Kakulas ua, Duchenne Muscular Dystrophy, New York 1992, 95 ff; vgl. auch Fleischhack u.a. in: Speer a.a.O., 84). Selbst wenn diese Fragen i.S. einer Anwendung von Zytoplasma beantwortet werden könnten, bleibt das Problem des Zusammenwirkens mit Thymuspeptiden, denen nur im Zusammenwirken mit Wachstumshormonen eine Besserung der Gehfähigkeit von DMD-Patienten (Beckmann, EHK 1984, 688) und im übrigen eine Besserung der immunologischen Funktionen ohne Bezug auf die DMD (Pesic, DbT V 1, 415ff.) zugeschrieben wird. Ob und welche Gemeinsamkeiten zwischen der DMD und den mit Thymusextrakt angeblich behandelbaren Immundefiziten bestehen, bleibt infolgedessen offen. Da es in der neueren Forschung Hinweise darauf gibt, daß die durch das fehlende Dystrophin geschwächten Muskelzellen vom Immunsystem des Erkrankten angegriffen und das Fortschreiten der Krankheit dadurch beschleunigt werden könnte (Emery a.a.O., 206ff. und 290; Mortier a.a.O., 3.48; Fleischhack u.a. a.a.O., 86), ist nicht ohne weiteres nachzuvollziehen, daß die mit Zytoplasma und Bioresonanztherapie angestrebte Stabilisierung der Zellmembran durch die dem Thymusextrakt zugeschriebene Stärkung des Immunsystems wirklich unterstützt wird; die einzigen Mittel, bei denen bisher ein nachweisbarer Einfluß auf die DMD beobachtet wurde, haben nicht immunstimulierende, sondern immunsuppressive Wirkung (Dubowitz, Muscle Disorders in Childhood, 2. Aufl. London 1995, 59 m.w.N.). Vor einer medizinischen Bewertung der hier umstrittenen Therapie hätte diesem möglichen Widerspruch weiter nachgegangen werden müssen. Zu den Wirkungen der außerdem verabreichten homöopathischen Mittel und deren Einfluß auf die anderen Behandlungskomponenten fehlt jeder Hinweis. Werden durch eine Behandlungsmethode Fragen des geschilderten Schwierigkeitsgrades aufgeworfen, muß die eigenständige Beurteilung von Qualität und Wirksamkeit der streitigen Methode und der Vergleich mit einer anerkannten Methode die Gerichte medizinisch-wissenschaftlich überfordern.
Soweit die Qualität einer neuen Behandlungsmethode infolge eines Systemmangels ausnahmsweise vom Gericht beurteilt werden muß, weil der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen die ihm nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, § 135 Abs. 1 SGB V obliegende Aufgabe ohne sachlichen Grund nicht wahrgenommen hat, ist deshalb nicht auf medizinische Kriterien, sondern allein darauf abzustellen, ob sich die Methode in der medizinischen Praxis durchgesetzt hat. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn sie in der medizinischen Fachdiskussion eine breite Resonanz gefunden hat und von einer erheblichen Zahl von Ärzten angewandt wird. Zwar müssen die Gerichte dann über die Kostenerstattung für eine neue Therapie nach anderen Voraussetzungen entscheiden als der Bundesausschuß über deren Anerkennung; das ist jedoch als Folge des Systemmangels hinzunehmen.
Eine hinreichende Verbreitung in dem beschriebenen Sinne hat die immunbiologische Therapie bislang nicht gefunden. Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich i.V.m. der eigenen Aussage Dr. B., daß dieser als einziger Arzt in Norddeutschland die Methode anwendet. Die im angefochtenen Urteil zitierte Untersuchung der Universitätsklinik Freiburg kann eine weitergehende Verbreitung nicht belegen, weil die dort durchgeführte medikamentöse Behandlung anders zusammengesetzt war und ausdrücklich als Grundlage für weitere Forschungen und Therapieversuche bezeichnet wird (Beckmann, EHK 1984, 688 und Therapiewoche 1982, 6177). Obwohl die bereits aufgeführte neuere Spezialliteratur zahlreiche Behandlungsversuche nennt, wird sie oder eine ihr ähnliche Methode nicht erwähnt; in einer kritischen Übersicht der seit 1980 erschienenen Studien über den Einsatz bestimmter Medikamente bei DMD ist sie nicht enthalten (Heckmatt ua, British Medical Bulletin, 1989 [45], 793ff.). Bei einer derart geringen Verbreitung und Anerkennung kann es sich nur um eine Erprobung handeln, die nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört.
Ein anderes Ergebnis kann entgegen der Auffassung des LSG nicht damit begründet werden, daß nach § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V auch die Behandlungsmethoden sowie die Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen zum Leistungsumfang der Krankenversicherung gehören. Zum einen ist die immunbiologische Therapie keiner besonderen Therapierichtung zuzurechnen; zum anderen kommt ihr für sich genommen die Eigenschaft einer solchen nicht zu.
Die immunbiologische Therapie kann keiner der im Gesetz genannten besonderen Therapierichtungen zugeordnet werden. Daß sie auch eine homöopathische Komponente enthält, rechtfertigt es nicht, sie insgesamt als Teil eines homöopathischen Behandlungskonzepts zu begreifen. Anhaltspunkte für einen anderweitigen übergreifenden Therapieansatz sind nicht gegeben. Insbesondere gehört die beim Kläger angewandte Methode nicht zur Naturheilkunde, so daß offenbleiben kann, ob die Naturheilkunde ihrerseits, wie der frühere 14a-Senat des BSG gemeint hat, als besondere Therapierichtung im Sinne des Gesetzes anzusehen ist (BSGE 73, 66, 72 = SozR 3-2500 § 2 Nr. 2 S. 8). Im übrigen löst eine Behandlung auch im Rahmen einer besonderen Therapierichtung die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen nur dann aus, wenn die angewandte Methode innerhalb der Therapierichtung anerkannt ist (vgl. § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V i.d.F. des 2. GKV-NOG). Hat sich eine besondere Methode bei den Vertretern des entsprechenden Therapiekonzepts nicht durchgesetzt, ist eine Versorgungslücke auch insoweit ausgeschlossen. Mangels Verbreitung hat die Beklagte die immunbiologische Therapie auch unter diesem Gesichtspunkt zu Recht abgelehnt.
Als eigenständige Therapierichtung kommt die hier umstrittene Behandlungsmethode nicht in Betracht. Der Begriff der „besonderen Therapierichtung” ist zwar im Gesetz nicht definiert. Indessen zeigt schon die Unterscheidung zwischen Behandlungsmethode auf der einen und besonderer Therapierichtung auf der anderen Seite, daß es nicht zulässig ist, die beiden Begriffe gleichzusetzen. Mit der Erwähnung der besonderen Therapierichtungen in § 2 Abs. 1 Satz 2, § 34 Abs. 2 Satz 3 und § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB V wollte der Gesetzgeber vermeiden, daß bewährte Therapierichtungen, wie die Homöopathie, die antroposophische Medizin oder die Phytotherapie aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen werden (vgl. Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum Entwurf des GRG, BT-Drucks 11/3480 S. 30, 34, 49). Die genannten Beispiele belegen, daß unter einer Therapierichtung nicht eine einzelne alternative oder unkonventionelle Behandlungsmethode zu verstehen ist. Vielmehr ist damit das umfassende, zur Behandlung verschiedenster Erkrankungen bestimmte therapeutische Konzept gemeint, das auf der Grundlage eines von der naturwissenschaftlich geprägten „Schulmedizin” sich abgrenzenden, weltanschaulichen Denkansatzes größere Teile der Ärzteschaft und weite Bevölkerungskreise für sich eingenommen hat (so im Ansatz auch Senatsurteil vom 16. Juli 1996 – BSGE 79, 41, 47 = SozR 3-2500 § 34 Nr. 5 S. 33). Ohne das zuletzt genannte Erfordernis der Akzeptanz müßte im Streitfall die medizinisch-wissenschaftliche Tragfähigkeit des Denkansatzes einer Therapierichtung überprüft werden. Dazu kann das Gericht – insbesondere bei Erkrankungen, deren Behandlung über gesicherte medizinische Erkenntnisse hinausreicht – aus den bereits aufgezeigten Gründen nicht berufen sein. Insoweit ist es neben dem Merkmal der Verbreitung auf die Prüfung beschränkt, ob der besondere Denkansatz über nachprüfbare Kriterien verfügt, die es erlauben, eine „kunstgerechte” Anwendung von einem Behandlungsfehler zu unterscheiden. Nur auf diesem Wege wird ohne medizinisch-wissenschaftliche Überforderung des Gerichts vermieden, daß die Leistungen der besonderen Therapierichtungen jeglicher Qualitätskontrolle entzogen werden, obwohl ihre Qualität und Wirksamkeit nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V in gleicher Weise wie bei allen anderen Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen müssen. Abgesehen von der fehlenden Verbreitung erfüllt die immunbiologische Therapie die aufgezeigten Voraussetzungen schon deshalb nicht, weil ihr kein mit anderen Methoden gemeinsamer Denkansatz zugrunde liegt.
Das gefundene Ergebnis verletzt entgegen der Meinung des LSG keine Grundrechte des Klägers. Aus Art 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG folgt zwar eine objektiv-rechtliche Pflicht des Staates, das Leben und die körperliche Unversehrtheit zu schützen und im Rahmen des Selbstbestimmungsrechts zu gewährleisten, daß dem Erkrankten die Letztentscheidung über die in seinem Fall anzuwendende Therapie belassen wird. Daraus ergibt sich jedoch, wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zuletzt mit Beschlüssen vom 5. März 1997 (ua 1 BvR 1071/95 = NJW 1997, 3085 = Breith 1997, 764) erneut bekräftigt hat, kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung oder Finanzierung bestimmter Gesundheitsleistungen. Der Umfang des Krankenbehandlungsanspruchs ist vielmehr durch die Leistungsgesetze bestimmt und begrenzt. Liegt keine Behandlung mit einer erfahrungsgemäß wirksamen, sondern die Erprobung einer vorerst unsicheren Methode vor, kann der Grundrechtsschutz nicht tangiert sein. Ähnliches gilt unter dem Gesichtspunkt der Therapiefreiheit als Ausfluß des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, denn dieses kann sich nicht auf Erprobungen beziehen. Insoweit ist das Interesse der Beitragszahler am sinnvollen Einsatz der Mittel höher zu bewerten als das Interesse des Erkrankten an medizinischen Versuchen.
Da das LSG die Beklagte zu Unrecht zur Kostenerstattung verurteilt hat, ist seine Entscheidung aufzuheben und das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 610423 |
BSGE, 54 |
NJW 1999, 1805 |
MDR 1998, 727 |
MedR 1998, 513 |
NZS 1998, 331 |
SGb 1999, 30 |
AusR 1998, 20 |
SozSi 1998, 395 |