Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Schadenersatzansprüchen wegen entgangenen Wintergeldes bei der Berechnung des Konkursausfallgeldes. Schadensersatzanspruch für entgangenes Wintergeld
Leitsatz (amtlich)
Zu den "Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis" iS von AFG § 141b Abs 2 iVm KO § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a gehört auch ein gegenüber dem Arbeitgeber bestehender Schadensersatzanspruch, der sich darauf stützt, daß der Arbeitgeber versäumt hat, rechtzeitig den Antrag auf Wintergeld (AFG § 80) zu stellen.
Leitsatz (redaktionell)
Schadenersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber wegen entgangenen Wintergeldes sind bei der Berechnung des Konkursausfallgeldes insoweit zu berücksichtigen, als sich die Ansprüche auf entgangenes Wintergeld für die letzten dem Insolvenztag vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses beziehen; unerheblich ist, daß die Schadenersatzansprüche erst mit Ablauf der Antragsfrist für die Gewährung von Wintergeld (AFG § 81 Abs 3 S 2 iVm AFG § 75 Abs 2 Nr 1) endgültig entstehen und dieser Zeitpunkt möglicherweise nach dem Insolvenztag liegt.
Orientierungssatz
1. Ein erst nach Konkurseröffnung endgültig entstehender Schadensersatzanspruch - hier Schadensersatzanspruch für entgangenes Wintergeld - ist nicht den Masseschulden nach KO § 59 Abs 1 Nr 1 zuzurechnen (Anschluß an BAG 1978-12-13 GS 1/77 = AP Nr 6 zu § 112 BetrVG 1972).
2. Unter den Begriff "Geschäfte oder Handlungen" sind nur Handlungen zu rechnen, die im Rahmen der Aufgaben des Konkursverwalters anfallen, das Vermögen des Gemeinschuldners zu erfassen, zu verwalten und zu verwerten, nicht aber solche Handlungen, die sich nur als Ausübung von Rechten aus einem bereits bestehenden Dauerschuldverhältnis darstellen (Anschluß an BAG 1978-12-13 GS 1/77 = AP Nr 6 zu § 112 BetrVG 1972).
Normenkette
AFG § 80 Fassung: 1972-05-19, § 81 Abs. 1 Fassung: 1972-05-19, Abs. 3 Fassung: 1972-05-19, § 141b Abs. 1 Fassung: 1974-12-21, Abs. 2 Fassung: 1974-07-17; KO § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Fassung: 1974-07-17, Nr. 1 Fassung: 1898-05-20; AFG § 75 Abs. 2 Nr. 1, § 81 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 21.06.1978; Aktenzeichen L 12 Ar 234/77) |
SG Münster (Entscheidung vom 30.06.1977; Aktenzeichen S 3 Ar 132/75) |
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Konkursausfallgeld (Kaug) in Höhe des für die Monate Januar und Februar 1975 nicht gezahlten Wintergeldes verlangen kann.
Der Kläger beantragte am 9. Juni 1975 bei der Bundesanstalt für Arbeit (BA) die Gewährung von Kaug für rückständigen Arbeitsverdienst und Wintergeld aus den Monaten Februar und März 1975. Mit Bescheid vom 15. Juli 1975 bewilligte die Beklagte Kaug in Höhe von 1.433,01 DM für den rückständigen Arbeitsverdienst. Dabei ging sie, soweit ersichtlich, davon aus, daß am 23. Mai 1975 ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers des Klägers, Fugunternehmer L. R., Rheine, mangels Masse abgewiesen worden war und das Arbeitsverhältnis des Kläger mit dem 21. März 1975 geendet hatte. Den Antrag auf Zahlung von Kaug für entgangenes Wintergeld lehnte sie jedoch mit der Begründung ab, hierbei handele es sich um einen Anspruch, der nicht den Charakter von Arbeitsentgelt iS des § 141b Abs 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) iVm § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a der Konkursordnung (KO) habe; ein solcher Anspruch könne bei der Leistung von Kaug nicht berücksichtigt werden. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 1975).
Der hiergegen gerichteten Klage hat das Sozialgericht (SG) Münster mit Urteil vom 30. Juni 1977 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger noch weitere 382,- DM Kaug zu zahlen. Es hat die Auffassung vertreten, daß dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gegen seinen früheren Arbeitgeber zustehe, weil dieser keinen Antrag auf Wintergeld gestellt habe; dieser Schadensersatzanspruch sei einem Anspruch auf Arbeitsentgelt gleichzusetzen. Auf die - vom SG zugelassene - Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 21. Juni 1978). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt: Schadensersatzansprüche seien nur dann Ansprüchen auf Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis (§ 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a KO) gleichzusetzen, wenn sie als Ersatz für den Lohnanspruch anzusehen seien und im Austauschverhältnis zur Arbeitsleistung stünden. Darunter falle der Anspruch des Klägers nicht. Dieser wolle nicht Ersatz für ausstehenden Lohn oder für von ihm gemachte Aufwendungen von seinem Arbeitgeber, sondern Ersatz für eine von der Arbeitsverwaltung nicht gewährte soziale Leistung, nämlich für nicht gezahltes Wintergeld. Ebensowenig wie der Anspruch auf Zahlung von Wintergeld, sei der hierzu korrespondierende Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichtzahlung von Wintergeld ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Obwohl das Wintergeld aus einer Umlage der Arbeitgeber finanziert werde, verliere dieses dadurch nicht seinen Charakter als Sozialleistung. Das zeige etwa ein Blick in die gesetzliche Unfallversicherung, die auch allein von den Arbeitgebern finanziert werde. Für die Erstattung von Aufwendungen nach einem Unfall sei ebenso wie für die Erstattungen der Aufwendungen wegen zusätzlicher Kosten im Winter die sozialrechtliche Lösung gewählt worden, während etwa für die Erstattung von Kilometergeldern und Spesen die arbeitsrechtliche Lösung gelte. Allein diese unterschiedliche Ausgestaltung der Grundansprüche rechtfertige auch eine unterschiedliche Behandlung der korrespondierenden Schadensersatzansprüche.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 141b Abs 2 AFG iVm §§ 59, 61 KO. Die Rechtsansicht des LSG, der Kläger wolle von dem früheren Arbeitgeber Ersatz für das von der Arbeitsverwaltung nicht gezahlte Wintergeld, sei irrig. Der Kläger wolle lediglich, daß die Beklagte für die vom Arbeitgeber in den Lohnabrechnungen für die Monate Februar und März 1975 anerkannten Nettobeträge, die er ihm schulde, Kaug leiste. Er mache nicht einen öffentlich-rechtlichen Wintergeldanspruch, sondern eine privatrechtliche Forderung gegen den Arbeitgeber geltend, weil dieser die Zahlung eines Betrages von 382,- DM (Zulage für 191 Arbeitsstunden à 2,- DM) anerkannt habe. So habe der Kläger bereits in seinem Antrag vom 9. Juni 1975 und im Klageverfahren betont, daß es sich bei der Zulage von 2,- DM je Arbeitsstunde um einen von dem Arbeitgeber anerkannten Anspruch handele, für den die BA durch Zahlung von Kaug einzutreten habe. Für den gegen den Arbeitgeber bestehenden privatrechtlichen Anspruch könne nämlich nicht zweifelhaft sein, daß es sich um eine Forderung aus dem Arbeitsverhältnis und damit um Arbeitsentgelt iS des § 141b Abs 2 AFG handele. Im übrigen werde die Rechtsauffassung des LSG hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs nicht geteilt. Die Revision verweist insoweit auf das ihrer Ansicht nach zutreffende Urteil des Hessischen LSG vom 14. Dezember 1978 - L 1/Ar - 459/78 -. Sollte es nicht gelingen, im Wege der Rechtsauslegung den durch die Pflichtverletzung eines insolvent gewordenen Arbeitgebers geschädigten Arbeitern gleichwohl zu ihrem Anspruch auf Wintergeld zu verhelfen, und sei es nur mittelbar über das Kaug, so müsse davon ausgegangen werden, daß die Regelung des § 81 Abs 3 AFG, soweit sie den Berechtigten selbst von der Antragstellung ausschließe, verfassungswidrig sei. Hilfsweise beruft sich der Kläger noch auf einen öffentlich-rechtlichen Schadensersatzanspruch, weil ihm das Wintergeld durch die schuldhafte Verletzung einer der Beklagten obliegenden Beratungspflicht entgangen sei. Er habe das Kaug zu einem Zeitpunkt beantragt, an dem die Antragsfrist für das Wintergeld noch nicht abgelaufen gewesen sei. Die Beklagte hätte den Kläger unverzüglich darauf aufmerksam machen müssen, daß sie den Betrag des Wintergeldes in Höhe von 382,- DM nicht zum Arbeitsentgelt rechne, und daß Wintergeld nur auf Antrag des Arbeitgebers, der bisher nicht vorliege, bewilligt werden könne. Der Kläger hätte sodann den Arbeitgeber veranlassen können, einen entsprechenden Antrag fristgerecht zu stellen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Juni 1978 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Münster vom 30. Juni 1977 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Meinung, das LSG sei bei seiner Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, daß mit der Bezeichnung "Wintergeld" tatsächlich die Leistung iS von § 80 AFG gemeint gewesen sei und nicht etwa eine "freiwillige Zulage des Arbeitgebers". Die in der Leistungsakte befindlichen Unterlagen und die in den Tatsacheninstanzen gestellten Anträge sprächen gegen eine solche Zulage. Im übrigen scheide ein öffentlich-rechtlicher Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte schon deshalb aus, weil der Antrag auf Wintergeld gem § 81 Abs 3 AFG nicht von dem Kläger, sondern von dem Arbeitgeber zu stellen wäre. Dieser habe gewußt oder hätte wissen müssen, daß der Antrag auf Wintergeld bis spätestens zum 16. Juni 1975 zu stellen gewesen wäre.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG. Der Senat kann aufgrund der bisherigen Feststellungen keine abschließende Entscheidung treffen.
Entgegen der Auffassung des LSG ist auch ein Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber, der sich darauf stützt, daß der Arbeitgeber versäumt hat, den Antrag auf Wintergeld zu stellen, zu den Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis iS von §§ 141b Abs 2 AFG iVm 59 Abs 1 Nr 3 Buchstabe a KO zu rechnen. Auch für einen solchen Anspruch kommt deshalb Kaug in Betracht. In Schrifttum und Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, daß zu den Bezügen aus einem Arbeitsverhältnis nicht nur Lohnforderungen im engeren Sinne gehören, sondern alle Ansprüche, die dem Arbeitnehmer aus seinem Arbeitsverhältnis als Gegenwert für die geleistete Arbeit oder das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft erwachsen (s. Böhle/Stamschräder KO 12. Aufl § 59 Anm 5a; Mentzel/Kuhn KO 9. Aufl § 61 Anm 33 ff; BSG SozR 4100 § 141b Nr 5 S. 15). Dabei ist keine strenge wechselseitige Beziehung derart zu fordern, daß sich Arbeitsleistung und Entgelt wirtschaftlich gesehen unmittelbar gegenüberstehen und entsprechen müssen. Zu den Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis rechnen deshalb auch vertragliche Ansprüche auf Kilometergelder (LAG Frankfurt NJW 53, 1286), Auslagenersatz (BAG AP Nr 1 zu § 39 BetrVG) und ähnliche Leistungen (vgl Heilmann, Die Rechtslage des Arbeitnehmers bei Insolvenz seines Arbeitgebers, 1977, S 61 ff; Böhle/Stamschräder KO 12. Aufl § 59 Anm 5a; Mentzel/Kuhn KO 9. Aufl § 61 Anm 33).
Ebenso ist anerkannt, daß Schadensersatzansprüche, die an die Stelle ausgefallenen Arbeitsentgelts treten, zu den "Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis" zu rechnen sind. So wird zB ein Schadensersatzanspruch, den ein Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber hat, weil dieser durch vertragswidriges Verhalten Anlaß für eine fristlose Kündigung (durch den Arbeitnehmer) gegeben hat (§ 628 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - und § 70 Abs 2 Handelsgesetzbuch - HGB - aF) im Konkurs ebenso behandelt wie eine Lohnforderung (Soergel/Siebert/Wlotzke/Volze BGB 10. Aufl § 628 Anm 10; Jaeger/Lent KO 8. Aufl § 61 Anm 16a; Mentzel/Kuhn KO 9. Aufl § 61 Anm 41; Hornung, Der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 628 Abs 2 BGB im Konkurs des Arbeitgebers, in: Der Deutsche Rechtspfleger 1976, 386, 187 f, LAG Berlin BB 1965, 245; LAG Hamm DB 1969, 842). Diese Einordnung der Schadensersatzansprüche trägt dem Umstand Rechnung, daß Leistungen, die unmittelbar die Funktion des Arbeitsentgelts übernehmen, genauso vom Zweck der Privilegierung des Arbeitsentgelts in § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a KO erfaßt werden. Der Zweck des früheren § 61 Nr 1 KO sowie der heutigen §§ 59 Abs 1 Nr 3 und 61 Abs 1 Nr 1 KO besteht vornehmlich im Schutz der in abhängiger und damit besonders schutzbedürftigen Stellung befindlichen Personen in bezug auf solche Ansprüche, die sie durch ihre Berufstätigkeit erdient haben, und auf die sie regelmäßig zu ihrem Lebensunterhalt angewiesen sind. Mit diesem Schutz wird ferner berücksichtigt, daß die Arbeitnehmer im Gegensatz zu den Konkursgläubigern, deren Ansprüche auf anderer Rechtsgrundlage beruhen, regelmäßig nicht in der Lage sind, ihre Ansprüche auf andere Weise zu sichern (vgl RGZ 120, 300, 302; BGH LM Nr 6 zu § 61 KO Blatt 715 Rückseite f).
Der Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Wintergeldes unterscheidet sich allerdings von einem Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Arbeitsentgelts dadurch, daß er nicht unmittelbar an die Stelle von Arbeitsentgelt, sondern an die Stelle einer öffentlich-rechtlichen Leistung tritt. Gleichwohl ist im Gefüge der §§ 59/61 KO auch ein solcher Schadensersatzanspruch seiner Funktion nach den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt zuzurechnen. Die §§ 59 und 61 KO enthalten im Wortlaut keine erschöpfende Regelung, die alle Ansprüche im Zusammenhang mit der Leistung von Arbeit abschließend erfaßt. Ansprüche der Arbeitnehmer gegen ihren Arbeitgeber sind deshalb darauf zu untersuchen, wo sie nach dem mit den Regelungen der KO verfolgten Zweck einzuordnen sind. Diese Notwendigkeit ist auch in der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13. Dezember 1978 (GS 1/77 - AP Nr 6 zu § 112 BetrVG 1972) zur Einordnung von Ansprüchen aus nachkonkurslichen Sozialplänen hervorgehoben worden. Dementsprechend ist auch für die Einordnung der streitigen Schadensersatzansprüche zu untersuchen, in welche konkursrechtliche Kategorie sie einzuordnen sind.
Bei der Suche nach dem sachgerechten Ort für Schadensersatzforderungen wegen entgangenen Wintergeldes ist entscheidend, daß das Wintergeld eine Leistung ist, die die Funktion von Arbeitsentgelt hat. Sie tritt zwar - anders als das Kurzarbeitergeld (s. dazu Urteil des Senats vom 17. Juli 1979 - 12 RAr 4/79 -) - nicht an die Stelle ausgefallenen Arbeitslohns. Vielmehr dient es nach den Gesetzesmaterialien dazu, die Mehraufwendungen der Arbeitnehmer bei Arbeiten in der Winterzeit pauschal abzugelten (BT-Drucks VI/3261 S. 4 f zu § 80). Auch wird der Arbeitgeber hierdurch von der Notwendigkeit entlastet, einen entsprechenden Anreiz für den Arbeitnehmer zu erbringen, um diesen zu Arbeitsleistungen unter den erschwerten Bedingungen des Winters zu veranlassen. Eine solche dementsprechend in Arbeitsverhältnissen durchaus übliche Leistung gehört aber, wenn sie vom Arbeitgeber geschuldet wird, - wie oben schon dargelegt wurde - zu den Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis iS von § 59 Abs 1 Nr 3 Buchstabe a KO. Durch die Zahlung von Wintergeld wird also eine Leistung erbracht, die die Funktion einer Lohnergänzung hat. Die Leistungen, die der Arbeitnehmer für seine Arbeit erhält, setzen sich zusammen aus dem echten Arbeitsentgelt und dem Wintergeld. Der Arbeitgeber ist in dieses Leistungssystem in der Weise eingeschaltet, daß er einerseits die echten Lohnansprüche schuldet, andererseits die ergänzenden öffentlichen Leistungen zu beschaffen hat, dh die verfahrensrechtlichen Anforderungen erfüllen muß, die erforderlich sind, damit der Arbeitnehmer die Leistung erhält. Er hat sie auch auszuzahlen (§ 81 Abs 3 Satz 4 iVm § 72 Abs 3 Satz 2 1. Halbsatz AFG), was in der Praxis zur Folge hat, daß er sie regelmäßig vorlegt. Aus eben dieser Einbindung erwachsen die streitigen Schadensersatzansprüche. Dieses System der Sicherung angemessener Leistungen für die Arbeit im Winter macht deutlich, daß Schadensersatzansprüche wegen des Ausfalls der ergänzenden öffentlichen Leistung aufgrund eines Fehlverhaltens des Arbeitgebers genauso der Absicherung durch Privilegierung im Konkurs bedürfen, wie echtes Arbeitsentgelt oder Schadensersatzansprüche für entgangenes Arbeitsentgelt. Sie sind deshalb am sachgerechtesten in § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a AFG einzuordnen. Das hat zur Folge, daß sie auch iS von § 141b Abs 2 AFG wie Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis zu behandeln sind und einen Anspruch auf Kaug auszulösen vermögen.
Ob im vorliegenden Fall für den Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Wintergeldes Kaug zu gewähren ist, hängt allerdings noch von weiteren Voraussetzungen ab.
Zunächst ist erforderlich, daß die übrigen Voraussetzungen für die Zahlung von Wintergeld vorlagen und daß dieser Anspruch entfallen ist, weil der Arbeitgeber den Antrag nicht gestellt hat. Für die Klärung dieser Fragen - denen das LSG von seinem Rechtsstandpunkt aus nicht nachgehen mußte - fehlen noch die tatsächlichen Feststellungen. In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob Anlaß für die Beklagte bestand, den Arbeitgeber (oder - falls vorhanden - die Betriebsvertretung) an die Antragstellung zu erinnern. Hieraus könnte sich ergeben, daß die Beklagte gehindert ist, sich auf die Versäumung der Anschlußfrist für die Stellung des Antrags auf Wintergeld zu berufen. Bei der Beurteilung des Umfangs der Verpflichtungen, die die Beklagte treffen, ist wesentlich, daß der Arbeitnehmer vom Verfahren über seinen Anspruch auf Wintergeld ausgeschlossen ist, selbst also keinen Antrag stellen kann. Dies verpflichtet die BA, besonders darauf zu achten, daß ihm daraus kein Schaden erwächst. Dazu gehört es uU bei Auflösung eines Betriebes, an den Antrag zu erinnern, wenn die Antragsfrist abläuft, ein Antrag auf Wintergeld noch nicht gestellt worden ist und aus den Gesamtumständen die Befürchtung gerechtfertigt ist, daß dieser Antrag infolge der Betriebsauflösung versäumt wird.
Inwieweit statt eines Schadensersatzanspruches ein unmittelbarer vertraglicher Anspruch insofern gegeben ist, als der Arbeitgeber eine arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Zahlung von Zuschlägen in Höhe des Wintergeldes eingegangen ist (und dem Kläger statt dessen Kaug für diesen Anspruch zusteht), kann im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden, weil das angefochtene Urteil insoweit keine Feststellungen enthält und der Kläger auch keine wirksamen Verfahrensrügen vorgebracht hat (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Das LSG wird aber bei der erneuten Verhandlung auch diesem Vortrag nachgehen müssen.
Als weitere Vorfrage des geltend gemachten Kaug-Anspruchs ist zu klären, ob die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gegen den Arbeitgeber vorlagen. Der Schadensersatzanspruch ist damit begründet, daß der Arbeitgeber aus seiner arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht heraus dem Arbeitnehmer gegenüber verpflichtet ist, den Antrag rechtzeitig zu stellen und er deshalb bei schuldhafter Verletzung dieser Pflicht schadensersatzpflichtig wird (vgl BAG AP Nr 1 zu § 143e AVAVG). Der Schadensersatzanspruch setzt dementsprechend voraus, daß der Arbeitgeber oder seine Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) vorsätzlich oder fahrlässig (§ 276 BGB) die Stellung des Antrags versäumt haben. Dazu sind ebenfalls noch Feststellungen erforderlich.
Schließlich fehlen auch noch die erforderlichen Feststellungen für die Entscheidung, ob die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung von Kaug gegeben waren. Geht man von den aus den Akten ersichtlichen (bisher nicht festgestellten) Daten aus (Abweisung eines Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse am 23. Mai 1975; Ende des Arbeitsverhältnisses am 21. oder 22. März 1975), so handelt es sich bei dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch um einen Anspruch "für" die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor Konkurseröffnung. Das Wintergeld ist als Leistung für die Zeit anzusehen, in der die Arbeitsleistung erbracht wurde, an die es anknüpft, und in der deshalb auch die Aufwendungen entstanden sind, die es abgelten soll. Zwar ist die Frage, für welche Zeit Arbeitsentgelt geschuldet wird, nicht für alle Ansprüche einheitlich zu beantworten (BSG SozR 4100 § 141b Nr 5 S. 17 ff). Bei Leistungen, die an eine bestimmte Arbeitsleistung anknüpfen, ist es aber regelmäßig die Zeit, in der die betreffende Arbeitsleistung erbracht wurde. Besonderheiten, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten, liegen beim Wintergeld nicht vor. Dementsprechend ist auch der Schadensersatzanspruch der Zeit zuzuordnen, in der die Arbeitsstunden geleistet wurden, für die Wintergeld in Betracht gekommen wäre. Der hier geltend gemachte Schadensersatzanspruch bezieht sich auf Wintergeld für die Zeit vom 1.Februar bis 21. März 1975. Dieser Zeitraum läge also innerhalb der letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis.
Dem Anspruch auf Kaug steht auch nicht entgegen, daß der Schadensersatzanspruch für entgangenes Wintergeld erst mit Ablauf der Antragsfrist am 15. Juni (§ 81 Abs 3 Satz 2 iVm § 75 Abs 2 Nr 2 AFG) endgültig entsteht und damit für die hier geltend gemachten Ansprüche erst nach dem Insolvenzereignis endgültig entstanden ist. Prüft man die Einordnung dieses Schadensersatzanspruchs anhand der für den Konkursfall geltenden Regelungen, so spricht zunächst der Wortlaut des § 59 Abs 1 Nr 1 KO (Ansprüche, welche aus Geschäften oder Handlungen des Konkursverwalters entstehen) dafür, einen solchen erst nach Konkurseröffnung endgültig entstehenden Schadensersatzanspruch, für den dann auch ein Unterlassen des Konkursverwalters ursächlich wäre, den Masseschulden iS dieser Vorschrift zuzurechnen. Dies wäre jedoch, wie der Große Senat des BAG (AP Nr 6 zu § 112 BetrVG 1972 Bl 401 ff) ausführlich dargelegt hat, mit dem Zweck der Vorschrift nicht vereinbar. Unter den Begriff "Geschäfte oder Handlungen" seien nur Handlungen zu rechnen, die im Rahmen der Aufgaben des Konkursverwalters anfallen, das Vermögen des Gemeinschuldners zu erfassen, zu verwalten und zu verwerten, nicht aber solche Handlungen, die sich nur als Ausübung von Rechten aus einem bereits bestehenden Dauerschuldverhältnis darstellen. Das BAG sieht diese Auffassung bestätigt durch § 26 Satz 2 KO, durch den sogar Schadensersatzansprüche, die erst durch eine Kündigung nach Konkurseröffnung entstehen und für Zeiten nach Konkurseröffnung zu entrichten wären, als Konkursforderungen den Forderungen aus der Zeit vor Konkurseröffnung gleichgestellt werden. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Sie ist für den vorliegenden Fall besonders auch dadurch gerechtfertigt, daß der Grundtatbestand des Wintergeldanspruchs bereits in der Zeit vor Konkurseröffnung bestand, und auch die Verpflichtung des Arbeitgebers, die verfahrensmäßigen Voraussetzungen herbeizuführen, ebenfalls schon zu diesem Zeitpunkt begründet war. Damit ist mehr noch als unter Umständen bei Ansprüchen aus nachkonkurslichen Sozialplänen, über die das BAG zu entscheiden hatte, der Anspruch in der Zeit vor Konkurseröffnung verwurzelt. Der Zeitraum des Arbeitsverhältnisses, auf den sich die Leistung bezieht, und die in diesem Zeitraum zu erbringenden Leistungen des Arbeitnehmers liegen ebenfalls vor Konkurseröffnung und sind nicht der Masse, sondern dem Gemeinschuldner zugute gekommen. Wenn es in den Motiven zur KO (Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen Bd IV Konkursordnung S 108) heißt: "Da aber auch ... der Inhalt des obligatorischen Rechtsverhältnisses trotz des durch den Konkurs eintretenden Unterbleibens der weiteren Erfüllung bestehen bleibt und ... sich in einen Entschädigungsanspruch auflöst, so bildet ohne Unterschied der Fälle dieser Anspruch das Surrogat der kontraktlichen Rechte, wie sie zur Zeit der Konkurseröffnung bestanden"., so gilt dies auch für den Schadensersatzanspruch, der an die Stelle der Verpflichtung tritt, die Voraussetzungen für das Wintergeld herzustellen. Auch insoweit handelt es sich um ein Surrogat für bereits bei Konkurseröffnung bestehende "kontraktliche Rechte".
Diese für den Fall der Konkurseröffnung gefundenen Ergebnisse gelten entsprechend, wenn das Insolvenzereignis in der Abweisung eines Antrags auf Konkurseröffnung mangels Masse besteht.
Wegen der noch erforderlichen Feststellungen ist eine Zurückverweisung an das LSG geboten.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen