Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagter und Revisionsbeklagter |
Tatbestand
I
Die Klägerin gewährte dem als Berufssoldat tätigen Hauptfeldwebel B… (B.) wegen eines am 15. Juli 1969 erlittenen Unfalls als Heilfürsorge stationäre Heilbehandlung vom Unfalltage an bis zum 11. November 1969. Die ihr dadurch entstandenen Kosten von insgesamt 9.490,65 DM verlangte sie von dem Beklagten ersetzt, weil der Unfall ein von dem Beklagten zu entschädigender Arbeitsunfall gewesen sei. Nachdem der Beklagte nicht zahlte, hat die Klägerin am 10. Februar 1978 Klage erhoben und beantragt, den Beklagten zu verurteilen, 9.490,65 DM nebst 6% Zinsen seit Zustellung der Klageschrift zu zahlen. Während des Streitverfahrens hat der Beklagte die geltend gemachten Kosten in zwei Teilbeträgen bezahlt. Die Klägerin hat den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt und nur noch beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 147,59 DM Zinsen zu verurteilen. Das Sozialgericht (SG) Hannover hat die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 18. Dezember 1978). Es hat einen Anspruch der Klägerin auf Zinsen verneint.
Dagegen richtet sich die Sprungrevision der Klägerin. Sie trägt vor, daß zwar nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in der Sozialversicherung Zinsen nur dort zu zahlen seien, wo eine besondere gesetzliche Regelung bestehe. Dieser Auffassung sei seit dem Inkrafttreten des § 44 SGB I jedoch nicht mehr zu folgen, denn der Gesetzgeber habe durch diese Regelung zum Ausdruck gebracht, daß allgemein im Sozialrecht rückständige Geldleistungsansprüche nach Eintritt der Fälligkeit zu verzinsen seien. Diese Vorschrift gelte auch für die vor ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 1978 fällig gewordenen Geldleistungen. Darüber hinaus zeige auch § 27 Abs. 1 SGB IV, daß dem Sozialversicherungsrecht die Verzinsung von Erstattungsansprüchen nicht fremd sei. Unabhängig davon sei auch unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsauffassung des BSG von entscheidender Bedeutung, daß es sich um einen öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruch handele, dessen Anspruchsgrundlage positivrechtlich nicht normiert sei. Die dadurch entstandene Gesetzeslücke sei von der Rechtsprechung her, durch das Institut des öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruchs geschlossen worden. Danach könne ein nicht verpflichteter Leistungsträger, der an einen Dritten geleistet habe, diese Leistung von dem verpflichteten Leistungsträger zurückverlangen. Da der Gesetzgeber bereits den Hauptanspruch gesetzlich nicht geregelt habe, habe auch für die damit verbundenen Nebenansprüche, wie z.B. Verzugszinsen, keine positv-rechtliche Regelung erwartet werden können. Diese Regelungslücke müsse im Wege der Auslegung durch die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Verzugsschaden und Verzugszinsen - §§ 286 Abs. 1, 288 BGB - geschlossen werden. Der Beklagte sei trotz Mahnung zunächst säumig geblieben. Die Höhe des Zinsanspruchs von 6% ergebe sich daraus, daß sie Kredite zu diesem Zinssatz abzudecken habe. Hilfsweise werde der Zinsanspruch in Höhe von 4% auf die analoge Anwendung des § 27 SGB IV gestützt, wonach der Beitragserstattungsanspruch mit 4% zu verzinsen sei. In dieser Höhe werde der Zinsanspruch auch durch die analoge Anwendung des § 44 SGB I gestützt, weil sie einen durch Übergang gemäß § 30 Abs. 3 Soldatengesetz (SG) i.V.m. § 87 a Bundesbeamtengesetz (BBG) fälligen Anspruch auf Geldleistung gegen die Beklagte habe. Zumindest habe sie nach § 291 BGB Anspruch auf Prozeßzinsen in der geltend gemachten Höhe.
Die Klägerin beantragt,das Urteil des SG Hannover vom 18. Dezember 1978 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 147,59 DM zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Er trägt vor, daß die bisherige Rechtsprechung zur Verzinsung durch die jüngere Gesetzgebung zur Verzinsung von Ansprüchen im Sozialversicherungsrecht aufrechterhalten und sogar als gestärkt anzusehen sei. Auch weiterhin werde ein Anspruch auf Verzinsung nur ausnahmsweise und in abschließender Regelung zugebilligt. Eine Regelungslücke bestehe daher nicht. Durch § 44 SGB I werde die Verzinsung von Ansprüchen auf Geldleistungen an Versicherte geregelt. Ersatzansprüche zwischen Leistungsträgern seien nicht zu verzinsen. § 27 SGB IV betreffe die Verzinsung von zu erstattenden Beiträgen. Eine allgemeine Verpflichtung, daß öffentlich-rechtliche Ansprüche zu verzinsen seien, könne daraus nicht hergeleitet werden. So seien z.B. auch jetzt noch die Ersatzansprüche nach §§ 1504 und 1509 a Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht mit einer Verzinsung belastet worden. Verzugs- und Prozeßzinsen seien auch weiterhin nicht zu zahlen.
II
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Die Klägerin hat wegen der Kosten der stationären Heilbehandlung für den - Hauptfeldwebel B., die ihr der Beklagte erst während des Streitverfahrens ersetzt hat, keinen Anspruch auf Zinsen.
Im Verwaltungsrecht gibt es keinen allgemeinen Grundsatz, der zur Zahlung von Verzugszinsen verpflichtet. Vielmehr richtet sich die Verzinsung von Geldforderungen nach dem im Einzelfall einschlägigen Spezialrecht (BVerwGE 14, 1, 3; 15, 78, 81; 21, 44; 24, 186, 191; 37, 239, 242; BVerwG DÖV 1979, 761). Auch für das Recht der Sozialversicherung ist seit jeher der Anspruch auf Verzugszinsen, von besonderen gesetzlichen Regelungen (z.B. 397 a RVO i.d.F. des Arbeitsförderungsgesetzes -AFG-; §§ 751, 823 Abs. 2 RVO; § 1400 Abs. 1 RVO i.d.F. des AFG; § 1436 Abs. 2 RVO) abgesehen, verneint worden (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl. S. 742 b und die dort zitierte Rechtsprechung des BSG).
Daran hat sich im Grundsatz durch das Inkrafttreten des § 44 Abs. 1 SGB I nichts geändert. Nach dieser Vorschrift sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eintritt der Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom hundert zu verzinsen. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zum Ausdruck gebracht, daß nunmehr im Sozialrecht allgemein rückständige Geldleistungen zu verzinsen seien. Bereits im ersten von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Sozialgesetzbuches Allgemeiner Teil - ist in der Begründung zu dem damaligen § 43 u.a. ausgeführt worden, daß Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern - auch soweit sie auf der Überleitung von Ansprüchen des Berechtigten beruhen - keine "Sozialleistungen" seien und daher nicht der Verzinsung unterliegen (BR-Drucks. 305/72 S. 25 zu § 43). Bei der erneuten Vorlage des Gesetzesentwurfs in der folgenden Legislaturperiode hat die Bundesregierung an dieser Begründung festgehalten (BR-Drucks. 286/73 S. 30 zu § 44). Der in diesen Begründungen verwendete und in § 11 SGB I definierte Begriff "Sozialleistungen" umfaßt alle Vorteile, die nach den Vorschriften des SGB zur Verwirklichung der sozialen Rechte dem einzelnen zugute kommen sollen, nicht jedoch Leistungen, die zwischen verschiedenen Leistungsträgern erbracht werden. Geldleistungen sind Sozialleistungen, die in der Zahlung eines Geldbetrages bestehen (BR-Drucks. 305/72 S. 20 zu § 11; BR-Drucks. 286/73 S. 24 zu § 11). Im Gesetzgebungsverfahren hat niemals Zweifel daran bestanden, daß nur die Ansprüche auf Geldleistungen zu verzinsen sind, die dem einzelnen als Sozialleistungen zustehen.
Auch aus § 27 Abs. 1 SGB IV kann keine allgemeine Verpflichtung zur Verzinsung von Erstattungsansprüchen hergeleitet werden. Nach dieser Vorschrift ist der Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge (§ 26 SGB IV) nach Eingang des vollständigen Erstattungsantrags, beim Fehlen eines Antrags nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Erstattung bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Hierbei handelt es sich sonach um eine nur auf die Rückerstattung von Beiträgen beschränkte Verzinsungspflicht, die keine Rückschlüsse auf die Verzinsung auch aller sonstigen öffentlich-rechtlichen Ersatz- oder Erstattungsansprüche zuläßt.
Die Tatsache, daß der von der Klägerin ursprünglich verfolgte und von dem Beklagten im Laufe des Verfahrens befriedigte öffentlich-rechtliche Anspruch auf Ersatz der von ihr, für die Heilbehandlung des Hauptfeldwebels B. aufgewendeten Kosten durch den Beklagten gesetzlich nicht normiert ist, führt gleichfalls nicht zur Verzinsung. Dem Gesetzgeber war das Bestehen solcher Ansprüche bekannt. Einer der allgemeinen öffentlich-rechtlichen Ansprüche auf internen Leistungsausgleich ist in § 81 b Bundesversorgungsgesetz (BVG) normiert (vgl. BSGE 16, 151, 153). Auch in § 43 Abs. 3 SGB I setzt der Gesetzgeber das Bestehen solcher Ansprüche voraus (vgl. BSG SozR 3100 § 81 b Nr. 4). Dennoch hat er sie nicht für verzinslich erklärt. Unter diesen Umständen liegt auch hinsichtlich der Verzinslichkeit des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs keine Regelungslücke vor, die nach Meinung der Klägerin durch entsprechende Anwendung der Vorschriften über Verzugsschaden und Verzugszinsen (§§ 286 Abs. 1, 288 BGB) oder die Verzinsung von Ansprüchen auf Geldleistungen (§ 44 Abs. 1 SGB I) oder von Erstattungsansprüchen zu Unrecht entrichteter Beiträge (§ 27 SGB IV) geschlossen werden müßte. Daß es sich bei den eine Verzinsung regelnden Vorschriften auch nach der gegenwärtigen Rechtslage nur um eine bewußt auf einzelne Ansprüche beschränkte Regelung handelt, geht auch daraus hervor, daß der Gesetzgeber die frühere Verzinslichkeit von rückständigen Beiträgen nach den §§ 397a Abs. 2, 251 RVO beseitigt (Art II § 1 b SGB IV) und statt dessen einheitlich für alle Sozialversicherungsbeitragsrückstände Säumniszuschläge eingeführt hat (§ 24 SGB IV).
Zu Unrecht gründet die Klägerin ihren Zinsanspruch darauf, daß sie gemäß § 30 Abs. 3 SG i.V.m. § 87a BBG einen auf sie übergegangenen Anspruch des Geschädigten geltend gemacht habe, wobei sie mit "Geschädigten" wohl den Hauptfeldwebel B. meint. Nach § 30 Abs. 3 SG gilt § 87a BBG hinsichtlich der Ansprüche eines Berufssoldaten auf Heilfürsorge entsprechend. Wird ein Beamter körperlich verletzt, so geht nach § 87 a BBG ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch, der dem Beamten infolge der Körperverletzung gegen einen Dritten zusteht insoweit auf den Dienstherrn über, als dieser infolge der Körperverletzung zur Gewährung einer Leistung - hier Heilfürsorge - verpflichtet ist. Zweck dieser Vorschrift ist die Entlastung des Dienstherrn eines Beamten von Verpflichtungen, die von dem Schädiger zu vertreten sind. Sie setzt jedoch einen gesetzlichen Schadensersatzanspruch voraus (Plog/Wiedow/Beck, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, § 87a Anm. 6; BSG SozR 2200 § 539 Nr. 13). Da ein Dritter als Schädiger im vorliegenden Fall vom SG nicht festgestellt ist und die Klägerin auch nicht einmal behauptet, daß es einen solchen Schädiger gibt, ferner aber auch die vom Unfallversicherungsträger zu erbringende Leistung kein Schadensersatz ist (Plog/Wiedow/Beck a.a.O. § 151 Anm. 23), liegt ein Forderungsübergang nach § 87a BBG nicht vor. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob nicht auch in einem solchen Fall eine Verzinsung ausgeschlossen wäre.
Ein Anspruch auf Prozeßzinsen ist ebenfalls zu verneinen. Es kann dahinstehen, ob Prozeßzinsen (§ 291 BGB) wegen der engen Beziehungen zu dem auf Verzug des Schuldners bestehenden Anspruch auf Verzugszinsen nach der gegenwärtigen Rechtslage zumindest dort zu entrichten sind, wo der Hauptanspruch zu verzinsen ist (§ 44 SGB I; § 27 Abs. 1 SGB IV). Denn hier handelt es sich nicht um einen solchen Anspruch. Für die sonstigen Ansprüche hält der Senat an der ständigen Rechtsprechung fest, daß im Bereich der Sozialversicherung keine Prozeßzinsen zu entrichten sind (BSGE 22, 150; 24, 16 und 118; 28, 218; 29, 44; 35, 195, 203; Urteil vom 25. November 1977 - 2 RU 127/75).
Die Revision der Klägerin mußte daher zurückgewiesen werden.
Eine Kostenentscheidung entfällt gemäß § 193 Abs. 4 SGG.2 RU 3/79
Bundessozialgericht
Fundstellen
Haufe-Index 518645 |
BSGE, 227 |
Breith. 1980, 937 |