Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungspflicht. Rentenversicherung. Selbstständiger Lehrer. Selbstständiger Fahrlehrer. Befreiung von Rentenversicherungspflicht. Schutzbedürftigkeit. Ausdehnung des berechtigten Personenkreises. Erweiternde Auslegung. Beschäftigung Arbeitnehmer. Geringfügige Beschäftigung. Geringfügigkeitsgrenze. Arbeitsentgelt. Prinzip der formellen Publizität. Stichtagsregelung. Klageänderung im Revisionsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
- Dass der Kreis derjenigen, die nach dem Recht der Arbeitsförderung einerseits und der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits, versicherungspflichtig sind, nicht vollständig übereinstimmt, ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
- Die Befreiungsmöglichkeit des § 6 Abs. 1a SGB VI ist bereits ihrem Wortlaut nach auf nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI Rentenversicherungspflichtige beschränkt und somit auf nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtige selbstständige Lehrer nicht anwendbar.
Normenkette
SGB VI § 231 Abs. 6, 5, § 2 S. 1 Nrn. 1-3, 9, § 229a Abs. 1, § 6 Abs. 1a, § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; SGB IV § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; SGB III § 27 Abs. 5 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1; GG Art 74. Abs. 1 Nr. 12; SGG § 168 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
Die Feststellungsklage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen über den Anspruch des Klägers auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als selbstständiger Lehrer.
Der am 1. Januar 1946 geborene Kläger war seit 8. März 1999 selbstständig als begleitender Betreuer von Schülern und als Sprachtrainer tätig und dabei ausschließlich von dem Fremdspracheninstitut Dr. B… beauftragt. Dort arbeitete er in der Regel unter 15 Stunden wöchentlich.
Am 30. Juni 1999 beantragte der Kläger zunächst “vorsorglich die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gemäß § 231 Abs 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI)”. Im Laufe des weiteren Verfahrens beantragte der Kläger außerdem die Befreiung von der Versicherungspflicht als selbstständiger Lehrer (Anhang zum Fragebogen vom 8. April 2001 und Formblattantrag vom 8. Juni 2001). Die Beklagte nahm im Bescheid vom 29. August 2001 auf den “Antrag vom 30. Juni 1999” Bezug und lehnte eine “Befreiung nach § 231 Abs 6 SGB VI” ab, da der Kläger am 31. Dezember 1998 eine selbstständige Tätigkeit noch nicht ausgeübt habe. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 5. Dezember 2001, Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 25. September 2002, Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 15. Juni 2004). Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 19. November 2002 festgestellt, dass seit 25. Mai 2002 keine Versicherungspflicht bestehe, da vorübergehend keine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt werde. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass dieser Bescheid Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden ist, hat ihn im Tenor des Urteils allerdings nicht ausdrücklich erwähnt. Im Übrigen hat es seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger sei als Lehrer versicherungspflichtig. Sein Einkommen habe bis zur Beendigung seiner Tätigkeit am 25. Mai 2002 fortlaufend über der jeweils maßgeblichen Geringfügigkeitsgrenze gelegen. Eine Befreiung nach § 6 Abs 1a SGB VI scheide unabhängig davon, ob man § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI neben Nr 9 aaO zur Anwendung kommen lasse, § 6 Abs 1a SGB VI aber nur auf letztere beziehe, oder ob man die Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI als vorrangig einstufe, aus. Eine Befreiung nach § 231 Abs 5 SGB VI sei aus dem gleichen Grund nicht möglich. § 231 Abs 6 SGB VI scheide aus, weil der Kläger seine Tätigkeit erst nach dem 31. Dezember 1998 aufgenommen habe. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestünden jeweils nicht. Bei § 231 Abs 6 SGB VI handele es sich um eine vor dem Gleichheitssatz der Verfassung gerechtfertigte Stichtagsregelung, die sich daran orientiere, dass vielen Selbstständigen die bestehende Rentenversicherungspflicht erst anlässlich der Einführung der Sozialversicherungspflicht auch für sog arbeitnehmerähnliche Selbstständige zum 1. Januar 1999 bewusst geworden sei. Nur diesem Personenkreis habe ausgehend von der “Signalwirkung” dieses Termins eine zeitlich befristete Befreiungsmöglichkeit eröffnet werden sollen, dagegen ginge eine Erstreckung auf weitere Personengruppen über das Regelungsziel hinaus.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Das Berufungsgericht sei zu Unrecht nicht auf seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Bestehen von Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI eingegangen. Er habe seine Tätigkeit im Blick auf den Bezug von Arbeitslosenhilfe bis zum 3. Juli 1999 und die streitige Weitergewährung dieser Leistung über den genannten Zeitpunkt hinaus nur in einem Umfang von unter 15 Stunden ausgeübt. Gemäß § 27 Abs 5 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) bestehe damit keine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung. Die demgegenüber bei gleicher Sachlage in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehende Versicherungspflicht verstoße gegen die allgemeine Handlungsfreiheit und den Gleichheitssatz der Verfassung. Er sei jedenfalls nach § 231 Abs 6 SGB VI zu befreien. Es sei nicht erkennbar, warum vom Wortlaut der Vorschrift nur Personen erfasst würden, die gerade am 31. Dezember 1998 versicherungspflichtig gewesen seien. Stelle man dagegen auf die Entbehrlichkeit eines Schutzes durch die Pflichtversicherung auf Grund einer anderweitig bereits erfolgten Absicherung als entscheidendes Kriterium für die Befreiung ab, sei auch der Kläger auf dieser Grundlage zu befreien. Darüber hinaus komme auch eine Befreiung nach § 231 Abs 5 SGB VI in Betracht. Der Kläger sei zusätzlich versicherungspflichtig nach § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI. Auch bei § 231 Abs 5 SGB VI erscheine das Abstellen auf den Stichtag willkürlich und verfassungswidrig. Hilfsweise sei darauf hinzuweisen, dass entgegen der Auffassung des LSG die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1a Satz 1 Nr 1 SGB VI gegeben seien. Die Begrenzung des Anwendungsbereichs der Norm auf allein nach § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI Versicherungspflichtige führe zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung von nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI rentenversicherungspflichtigen Lehrern, wenn diese, die wie der Kläger, gleichzeitig die Voraussetzungen des § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI erfüllen. § 6 Abs 1a Satz 1 Nr 1 SGB VI sei verfassungskonform in der Weise auszulegen, dass sie die Angehörigen beider Gruppen von Versicherungspflichtigen erfasse (Hinweis auf Schmidt, NZS 2001, 401, 403). Schließlich könne bereits im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits, jedenfalls im Umfang des Hilfsantrages, die Versicherungspflicht des Klägers bei einer künftigen Wiederaufnahme der Berufstätigkeit als selbstständiger Lehrer geklärt werden.
Der Kläger stellt nunmehr folgende Revisionsanträge:
Die Urteile des Sozialgerichts Ulm vom 25. September 2002 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Juni 2004 werden wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 29. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2001 verurteilt, den Kläger in seiner Tätigkeit als selbstständiger Sprachtrainer von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
2. Es wird festgestellt, dass der Kläger auch nach einer etwaigen Wiederaufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit als Lehrer von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist.
Hilfsweise: Die vorerwähnte Feststellung ist jedenfalls für den Fall zutreffend, dass der Kläger diese Tätigkeit in einem zeitlichen Umfang von unter 15 Stunden wöchentlich ausübt.
4. Die Beklagte hat die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Kläger unterliege, ohne dass dem verfassungsrechtliche Bedenken entgegen stünden, der Versicherungspflicht als selbstständiger Lehrer. § 231 Abs 6 SGB VI könne auf ihn keine Anwendung finden, da er seine Tätigkeit erst nach dem 31. Dezember 1998 aufgenommen habe. Eine erweiternde Anwendung der Norm komme nicht in Betracht. Der Kläger habe zudem keine anderweitige Alters- bzw Invaliditätsvorsorge getroffen. Er unterfalle auch nicht dem Anwendungsbereich von § 231 Abs 5 SGB VI und habe schließlich auch kein Recht auf Befreiung nach § 6 Abs 1a SGB VI. Die Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI sei gegenüber derjenigen nach Nr 9 aaO vorrangig. Nur auf die letztgenannte Norm beziehe sich indes § 6 Abs 1a SGB VI.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist bereits unzulässig, soweit er im Verfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) erstmals die Feststellung begehrt, dass er auch nach einer etwaigen künftigen Wiederaufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit als Lehrer – jedenfalls bei einem zeitlichen Umfang von unter 15 Stunden wöchentlich – von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass im Revisionsverfahren Klageänderungen unzulässig sind (§ 168 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Im Übrigen ist die Revision unbegründet. Dem Kläger steht für den noch streitigen Zeitraum vom 8. März 1999 bis 24. Mai 2002 ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht zu.
Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte hinsichtlich aller in Betracht kommenden Befreiungsmöglichkeiten eine Entscheidung getroffen hat. Der Bescheid vom 29. August 2001, den das BSG als Revisionsgericht in eigener Zuständigkeit auslegen kann, bezieht sich zwar ausdrücklich auf die Ablehnung einer Befreiung nach § 231 Abs 6 SGB VI. Da hierzu indes auf den Antrag vom 30. Juni 1999 Bezug genommen wurde, durfte ein “objektiver” und mit der Sachlage vertrauter Empfänger in der Situation des Klägers von einer Verbescheidung aller in Frage stehenden Antragsbegehren ausgehen. Dies haben ebenso die Beteiligten und die Instanzgerichte angenommen.
Der Kläger war in der Zeit vom 8. März 1999 bis 24. Mai 2002 nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI versicherungspflichtig. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts beschäftigte er keinen Arbeitnehmer und erzielte durchgehend ein Einkommen oberhalb der jeweiligen Geringfügigkeitsgrenzen des § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI iVm § 8 Abs 1 Nr 1, Abs 3 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV). Da eine geringfügige selbstständige Tätigkeit iS von § 8 Abs 1 Nr 1, Abs 3 SGB IV im streitigen Zeitraum nur vorgelegen hätte, wenn jeweils gleichermaßen die Einkommens- (bis 31. Dezember 2001: 630 DM, ab 1. Januar 2002: 325 €) wie die Zeitgrenze (15 Stunden pro Woche) der Norm unterschritten worden wäre, ist insofern ohne Belang, dass der Kläger nur in einem zeitlichen Umfang von weniger als 15 Wochenstunden gearbeitet hat.
Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, bestehen gegen die Einbeziehung selbstständiger Lehrer als Pflichtversicherte in die gesetzliche Rentenversicherung keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl zuletzt Urteil vom 22. Juni 2005 – B 12 RA 6/04 R – SGb 2005, 446 = ZfS 2005, 224 = rv 2005, 155, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Hiervon abzuweichen gibt die Revision keinen Anlass. Dies gilt auch, soweit sie sich unter Hinweis auf § 27 Abs 5 Satz 1 SGB III auf eine fehlende Regelung der Versicherungsfreiheit beruft. Nach dieser mit Art 1 Nr 6 Buchst c des Ersten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Erstes SGB III-Änderungsgesetz vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 2970) mit Wirkung vom 1. Januar 1998 eingeführten Vorschrift sind in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei Personen, die während der Zeit, in der ein Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe besteht, eine mehr als geringfügige, aber weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung ausüben; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Inwiefern Personen, wie der Kläger, die schon vom Tatbestand des § 27 Abs 5 Satz 1 SGB III nicht erfasst werden, durch das Fehlen einer vergleichbaren Norm im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung gleichheitswidrig benachteiligt sein könnten, bleibt nach seinem Vortrag offen. Zur Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung führt – neben hier nicht in Betracht kommenden sonstigen Tatbeständen – allein eine abhängige Beschäftigung (§§ 24, 25 SGB III), nicht aber die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit. Nur die Ausgrenzung einer qualifizierten Teilmenge abhängiger Beschäftigungen – wie hier ausdrücklich in § 27 Abs 5 Satz 1 SGB III – kann damit ausnahmsweise dennoch zur Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung führen, während hierzu für selbstständig Tätige von vorneherein kein Anlass besteht. Ein Rechtsgrund, den Anwendungsbereich der Vorschrift dennoch zunächst über ihren Wortlaut hinaus sinnwidrig zu erweitern, um anschließend das so gewonnene Verständnis auch auf die gesetzliche Rentenversicherung zu erstrecken, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil würde hierdurch das seinerseits von Verfassungs wegen rechtsgebundene BSG die Grenzen der Rechtsauslegung überschreiten und sich selbst an die Stelle des Gesetzgebers setzen.
Die unter diesen Umständen allein feststellbare Inkongruenz des Kreises der Versicherungspflichtigen, die sich hier aus der Einbeziehung in der Arbeitslosenversicherung nicht erfasster selbstständig tätiger Lehrer in die gesetzliche Rentenversicherung ergibt, begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Sie ist lediglich ein spezieller einfachgesetzlicher Ausdruck der Regelungsmacht des Gesetzgebers, im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz aus Art 74 Abs 1 Nr 12 Grundgesetz (GG) die jeweilige Versichertengemeinschaft nach dem spezifischen Schutzbedürfnis der Betroffenen einerseits und dem Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit einer leistungsfähigen und finanziell stabilen Solidargemeinschaft andererseits zu bilden (vgl etwa zur gesetzlichen Krankenversicherung BVerfG Beschluss vom 9. Februar 1977, 1 BvL 11/74, BVerfGE 44, 70 = SozR 5420 § 94 Nr 2; Beschluss vom 16. September 1986, 2 BvR 357/85, SozR 5850 § 1 Nr 12; Beschluss vom 4. Februar 2004, 1 BvR 1103/03, SozR 4-2500 § 5 Nr 1; zur Arbeitslosenversicherung BVerfG Beschluss vom 27. Mai 1964, 1 BvL 4/59, BVerfGE 18, 38 = SozR Nr 54 zur Art 3 GG und Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 3. Juli 1989, 1 BvR 1487/88, SozR 4100 § 168 Nr 21). Der Kläger wird hierdurch in seinen Grundrechten aus Art 2 Abs 1 und 3 Abs 1 GG nicht verfassungswidrig beeinträchtigt.
Ebenso wenig wäre der Kläger schließlich in seiner Tätigkeit als selbstständiger Lehrer versicherungsfrei, wenn er gleichzeitig auch als Bezieher von Arbeitslosenhilfe rentenversicherungspflichtig wäre. Vielmehr gilt mangels einer speziellen gesetzlichen Regelung auch insofern, dass verschiedene Sachverhalte, auch wenn sie in einer Person zusammentreffen, getrennt und unabhängig von einander zu beurteilen sind (vgl bereits Urteil des Senats vom 13. September 1979, 12 RK 26/77, BSGE 49, 38, 39 = SozR 2200 § 1227 Nr 29).
Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er sei nach § 231 Abs 6 SGB VI von der Versicherungspflicht zu befreien. Diese Norm ist auf ihn schon deshalb nicht anwendbar, weil er nach den Feststellungen des Berufungsgerichts am 31. Dezember 1998 keine versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit ausgeübt hat. Eine darüber hinausgehende Erweiterung des betroffenen Personenkreises ist ohne Verfassungsverstoß ausgeschlossen. Der Senat verweist insofern auf seine Entscheidung vom heutigen Tage im Rechtsstreit B 12 RA 5/03 R (zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Insbesondere kann daher nicht etwa allgemein die Entbehrlichkeit des Schutzes durch die Pflichtversicherung auf Grund einer anderweitig bereits erfolgten Absicherung zur Grundlage der Befreiung gemacht werden. Keineswegs stellt das geltende Recht nämlich eine generelle Wahlmöglichkeit zwischen dem Schutz der gesetzlichen Pflichtversicherung und den Resultaten individueller Vorsorge zur individuellen Disposition der Betroffenen, sondern es verdrängt in seinem Anwendungsbereich gerade grundsätzlich und in aller Regel die individuelle Vorsorgefreiheit.
Der Kläger kann sich mangels Zugehörigkeit zum begünstigen Personenkreis auch nicht mit Erfolg auf § 231 Abs 5 SGB VI berufen, denn er war als Lehrer nur nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI versicherungspflichtig und nicht nach § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI, auch wenn er nur für einen Auftraggeber tätig gewesen ist. Der Senat verweist auch zum Verhältnis von § 2 Satz 1 Nr 1 und 9 SGB VI und zu Inhalt und Verfassungsmäßigkeit von § 231 Abs 5 SGB VI auf seine Entscheidung im Rechtsstreit B 12 RA 5/03 R.
Der Kläger kann sich schließlich auch nicht auf § 6 Abs 1a SGB VI berufen. Auch diese Vorschrift ist ausdrücklich den nach § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI Versicherungspflichtigen vorbehalten und findet damit auf den bereits nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI versicherungspflichtigen Kläger keine Anwendung (s bereits Urteil des Senats vom 12. Oktober 2000, B 12 RA 2/99 R, SozR 3-2600 § 2 Nr 5 S 36; näher zu Inhalt und Voraussetzungen von § 6 Abs 1a SGB VI Urteil des Senats vom 24. November 2005 im Rechtsstreit B 12 RA 9/03 R; zum Verhältnis von § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI zu weiteren Versicherungspflichttatbeständen im Übrigen Urteil des Senats vom heutigen Tage im Rechtsstreit B 12 RA 5/03 R). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen auch hiergegen nicht. Die Möglichkeit einer Befreiung sog arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger für eine Existenzgründungsphase von höchstens drei Jahren ist zeitgleich mit Wirkung vom Zeitpunkt der erstmaligen Einführung von Versicherungspflicht für diesen Personenkreis am 1. Januar 1999 eingeführt worden. Der Gesetzgeber ist durch Art 3 Abs 1 GG nicht verpflichtet, dieses neue Rechtsinstitut der Befreiung für die Zeit der Existenzgründungsphase ohne nähere Prüfung und Beobachtung gleichzeitig auch mit begrenzender Wirkung für – wie hier – bereits seit Jahrzehnten bestehende Versicherungspflichttatbestände einzuführen. Dies drängt sich gegenwärtig schon nicht im Blick auf eine gleichsam auf der Hand liegende vergleichbare Schutzbedürftigkeit von Personen auf, die einerseits auf Grund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe und die andererseits auf Grund typisierender Tätigkeitsmerkmale in die gesetzliche Rentenversicherung als Pflichtversicherte einbezogen sind. Ebenso wenig musste die Rechtsfolge des § 6 Abs 1a SGB VI deshalb unmittelbar auch auf weitere Versicherungspflichttatbestände erstreckt werden, weil sie offenkundig geeignet wären, den jeweils spezifischen Einschätzungen von Schutzbedürftigkeit, die dem Gesetz zugrunde liegen, trotz des unterschiedlichen Kontexts vergleichbar Rechnung zu tragen. Dem Gesetzgeber steht vielmehr gerade bei der Regelung neuer Sachverhalte eine Einschätzungs- und Gestaltungsfreiheit zu, die grundsätzlich nur zukunftsgerichtet durch seine Verpflichtung zur “Produktbeobachtung” und zur Anpassung an später gewonnene Erkenntnisse begrenzt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
NWB 2005, 4248 |
SGb 2006, 34 |