Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. stationäre Krankenhausbehandlung. Liposuktion bei Lipödem. Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative. Anspruch als Zusatzleistung im Rahmen von Erprobungsrichtlinien. Anspruch auf dem allgemeinen Gleichheitssatz genügende Teilhabe am Auswahlverfahren. verfassungskonforme Ermächtigung des Gemeinsamen Bundesausschusses zum Richtlinienerlass
Leitsatz (amtlich)
1. Versicherte haben gegen ihre Krankenkasse als Zusatzleistung im Rahmen von Erprobungsrichtlinien Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung mit Methoden, die lediglich das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten.
2. Versicherte haben Anspruch auf dem allgemeinen Gleichheitssatz genügende Teilhabe am Auswahlverfahren für Leistungen aufgrund von Erprobungsrichtlinien, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt.
3. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist verfassungskonform ermächtigt, Erprobungsrichtlinien zu erlassen.
Orientierungssatz
Zu Leitsatz 3 vgl ua BVerfG vom 10.11.2015 - 1 BvR 2056/12 = BVerfGE 140, 229 = SozR 4-2500 § 92 Nr 18.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; SGB 5 § 2 Abs. 1a, 1 S. 3, Abs. 2 S. 3 Fassung: 2003-12-27, § 12 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 5, § 39 Abs. 1 Sätze 1-3, § 70 Abs. 1 Sätze 1-2, § 91 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, Abs. 6, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5, §§ 94, 108, 109 Abs. 4 S. 2, § 137c Abs. 1 Sätze 1-3, Abs. 3 S. 1 Fassung: 2015-07-16, S. 2 Fassung: 2015-07-16, § 137e Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2 S. 3, Abs. 5 S. 1, Abs. 6; ErpRL-Liposuktion Fassung: 2018-01-18; KHMeRL Fassung: 2017-07-20; GBAVfO Kap 2 § 10 Abs. 2 Nr. 1, §§ 11, 13 Abs. 2, §§ 14, 22; GKV-VStG; GKV-VSG
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. Juli 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit einer stationären Liposuktion (Fettabsaugung) zur Behandlung eines Lipödems.
Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin beantragte befundgestützt die Versorgung mit einer Liposuktion (8.4.2011 und 22.6.2011). Die Beklagte lehnte dies nach Einholung von Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) mit der Begründung ab, die Liposuktion stelle keine vertragsärztliche, zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abrechenbare Leistung dar. Eine Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) fehle. Eine Indikation zur Liposuktion unter stationären Krankenhausbedingungen bestehe nicht. Der Nutzen einer Liposuktion beim Lip- oder Lymphödem sei nicht nachgewiesen (Bescheid vom 29.7.2011; Widerspruchsbescheid vom 4.2.2014). Das SG hat die auf eine stationäre Liposuktion gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 13.4.2015). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine stationäre Liposuktion. Nach dem auch für die stationäre Behandlung maßgeblichen Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) müssten Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems entspreche nicht diesem Maßstab. Es bedürfe weiterer randomisierter Studien (Urteil vom 23.7.2015).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 137c Abs 3 SGB V idF durch Art 1 Nr 64 Buchst b Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz ≪GKV-VSG≫ vom 16.7.2015, BGBl I 1211, 1230 mWv 23.7.2015). Die Regelung ersetze für den stationären Bereich die Anforderungen des Qualitätsgebots. Die Liposuktion zur Therapie eines Lipödems habe das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. Juli 2015 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 13. April 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2014 zu verurteilen, sie mit einer stationären Liposuktion zu versorgen,
hilfsweise,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. Juli 2015 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das angefochtene LSG-Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung materiellen Rechts beruht und sich nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Ob die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) zumindest teilweise begründet ist, kann der erkennende Senat nicht abschließend entscheiden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Regelversorgung mit einer stationären Liposuktion aus § 27 Abs 1 S 2 Nr 5 iVm § 39 Abs 1 S 1 SGB V (dazu 1.). Der Senat kann wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen indes nicht abschließend entscheiden, ob die Klägerin einen Anspruch auf Teilnahme am Erprobungsverfahren nach § 137e SGB V hat (dazu 2.).
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 27 Abs 1 S 2 Nr 5 iVm § 39 Abs 1 S 1 SGB V auf die Gewährung einer stationär durchgeführten Liposuktion des Lipödems als Regelversorgung, weil diese Behandlungsmethode nicht den Anforderungen des Qualitätsgebots entspricht. Ein entsprechender Anspruch aufgrund grundrechtsorientierter Leistungsauslegung (§ 2 Abs 1a SGB V) kommt nicht in Betracht. Das Lipödem ist weder eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche noch eine hiermit wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung.
a) Der Anspruch Versicherter auf stationäre Krankenhausbehandlung aus § 27 Abs 1 S 2 Nr 5, § 39 Abs 1 S 1 SGB V unterliegt nach Wortlaut, Regelungssystem und Regelungszweck den sich aus dem Qualitätsgebot ergebenden Einschränkungen. Eine Absenkung der Qualitätsanforderungen für die stationäre Versorgung auf Methoden mit dem bloßen Potential einer Behandlungsalternative ergibt sich nicht aus § 137c Abs 3 SGB V (idF durch Art 1 Nr 64 Buchst b GKV-VSG). Allein Hinweise in den Gesetzesmaterialien genügen nicht, um das Ergebnis aller anderen Auslegungsmethoden zu überspielen.
Dabei geht der erkennende Senat davon aus, dass der Leistungsanspruch der Versicherten auf Krankenhausbehandlung ein Individualanspruch und nicht lediglich ein bloßes subjektiv-öffentlich-rechtliches Rahmenrecht oder ein bloßer Anspruch dem Grunde nach ist. Seine Reichweite und Gestalt ergibt sich erst aus dem Zusammenspiel mit weiteren gesetzlichen und untergesetzlichen Rechtsnormen (stRspr, vgl zB BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29, RdNr 11 mwN; BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 8; BSGE 117, 236 = SozR 4-2500 § 11 Nr 2, RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 29 RdNr 11, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; vgl auch Hauck in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, Stand November 2017, § 13 SGB V RdNr 53 f). Hierzu gehören auch Regelungen des Leistungserbringungsrechts.
Funktionell dient das Leistungserbringungsrecht der Erfüllung der Naturalleistungsansprüche der Versicherten. Die KKn gewähren medizinische Sach- und Dienstleistungen, soweit sie nicht ausnahmsweise Eigeneinrichtungen betreiben (vgl zB § 132a Abs 4 S 13, § 140 SGB V), nicht unmittelbar in Natur, sondern bedienen sich regelmäßig der zugelassenen Leistungserbringer, um die Naturalleistungsansprüche der Versicherten zu erfüllen. Deshalb schließen sie über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (vgl § 2 Abs 2 S 3 SGB V idF durch Art 4 Nr 1 Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27.12.2003, BGBl I 3022; zuvor § 2 Abs 2 S 2 SGB V; vgl zum Ganzen BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 30 f; BSGE 117, 1 = SozR 4-2500 § 28 Nr 8, RdNr 12; BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 30/16 R - Juris RdNr 9, für BSGE und SozR 4-2500 § 27 Nr 29 vorgesehen).
aa) Schon nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 27 Abs 1 S 1 SGB V). Nach § 27 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V umfasst die Krankenbehandlung auch die Krankenhausbehandlung. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs 1 S 2 SGB V). Die Krankenhausbehandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind (§ 39 Abs 1 S 3 SGB V).
bb) Krankenhausbehandlung ist im Sinne von § 39 SGB V konform mit dem Regelungssystem grundsätzlich nur dann erforderlich, wenn die Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und notwendig ist (stRspr, vgl zB BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 14). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenhausbehandlung unterliegt nach dem Gesetzeswortlaut und dem Regelungssystem wie jeder Anspruch auf Krankenbehandlung grundsätzlich den sich aus dem Qualitäts- und dem Wirtschaftlichkeitsgebot ergebenden Einschränkungen (vgl § 2 Abs 1 S 3 SGB V und § 12 Abs 1 SGB V). Er umfasst in diesem Rahmen nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 11; BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29, RdNr 13 mwN; Hauck, NZS 2007, 461, 466 ff). Ausnahmen vom Qualitätsgebot bestehen im Rahmen grundrechtsorientierter Leistungsauslegung - sei es verfassungsunmittelbar oder nach § 2 Abs 1a SGB V - und bei Seltenheitsfällen (stRspr, vgl zB BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 27 mwN) mit Auswirkungen sowohl für den Leistungsanspruch der Versicherten als auch für die Rechte und Pflichten der Leistungserbringer als auch der KKn.
Das SGB V sichert auch im Recht der Leistungserbringung in seinem Vierten Kapitel "Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern" die Beachtung des Qualitätsgebots. So haben die KKn und die Leistungserbringer eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muss ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muss in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden (vgl § 70 Abs 1 S 1 und 2 SGB V). Die Pflicht des zugelassenen Krankenhauses im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) der Versicherten richtet sich hieran aus (vgl § 109 Abs 4 S 2 SGB V).
Gleiches gilt für die Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsverfahren im Krankenhaus: Der GBA überprüft auf Antrag des Spitzenverbandes Bund der KKn, der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen KKn im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der GBA eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der KKn erbracht werden darf. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der GBA eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e SGB V. Nach Abschluss der Erprobung erlässt der GBA eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der KKn erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach S 1 entspricht. Ist eine Richtlinie zur Erprobung nicht zustande gekommen, weil es an einer nach § 137e Abs 6 SGB V erforderlichen Vereinbarung fehlt, gilt S 4 entsprechend (vgl § 137c Abs 1 S 1 bis 5 SGB V). Die zugrunde liegende Änderung des § 137c SGB V und Einfügung der Regelung des § 137e SGB V durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (Art 1 Nr 54 und Nr 56 GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG - vom 22.12.2011, BGBl I 2011, 2983) hat insofern an der bisherigen Grundkonzeption nichts geändert. Sie hat lediglich Raum für den GBA geschaffen, Richtlinien zur Erprobung nach § 137e SGB V zu beschließen, wenn die Überprüfung im Rahmen des § 137c SGB V ergibt, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet. Abgesehen von der speziell geregelten Modifizierung durch die zeitlich begrenzte Erprobung (§ 137e Abs 1 S 2 SGB V) noch nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechender Methoden verbleibt es auch im stationären Sektor beim Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 S 3 SGB V (vgl BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 19; BSG Beschluss vom 15.7.2015 - B 1 KR 23/15 B - Juris RdNr 8). Eine weitere Ausnahme hat der Gesetzgeber mit dem Anspruch auf zulassungsüberschreitende Anwendung von Arzneimitteln im Rahmen klinischer Studien in § 35c SGB V geregelt (vgl BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R - für BSGE und SozR 4 vorgesehen, Juris RdNr 22).
Nach Wortlaut und Regelungssystem ändert auch die Norm des § 137c Abs 3 S 1 und 2 SGB V an den Anforderungen des Anspruchs Versicherter auf Krankenhausbehandlung nichts. Danach dürfen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der GBA bisher keine Entscheidung nach Abs 1 getroffen hat, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Abs 1 S 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Abs 1 noch nicht abgeschlossen ist (vgl § 137 Abs 3 S 1 und 2 SGB V). Die Regelung trifft bereits nach ihrem Wortlaut ("dürfen … angewendet werden") - anders als zB jene des § 2 Abs 1a SGB V (Versicherte "können … beanspruchen") - keine Aussage zu Leistungsansprüchen der Versicherten; sie setzt diese vielmehr voraus. Sie können sich etwa aus Ansprüchen Versicherter auf Krankenhausbehandlung bei grundrechtsorientierter Leistungsauslegung ergeben (vgl zB § 2 Abs 1a iVm § 27 Abs 1 S 1, § 27 Abs 1 S 2 Nr 5 und § 39 Abs 1 SGB V).
cc) Zweck der Ausrichtung der Leistungsansprüche der Versicherten am Qualitätsgebot ist es, im Interesse des Patientenschutzes und des effektiven Einsatzes der Mittel der Beitragszahler zu gewährleisten, dass eine nicht ausreichend erprobte Methode nicht zulasten der KKn abgerechnet werden darf (vgl BSG Urteil vom 27.3.2007 - B 1 KR 17/06 R - Juris RdNr 21 = USK 2007-25 - Polyglobin, zustimmend BVerfG Beschluss vom 30.6.2008 - 1 BvR 1665/07 - SozR 4-2500 § 31 Nr 17 RdNr 10 und Gesetzesbegründung im Entwurf der Bundesregierung eines GKV-VStG, BR-Drucks 456/11 S 74, zum Off-Label-Use von Arzneimitteln; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 21 zur Reichweite der grundrechtsorientierten Auslegung; BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 22; zum effizienten Einsatz der der GKV zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel, indem nur wirksame Leistungen auf Kosten der GKV erbracht werden sollen, vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen ≪Gesundheits-Reformgesetz - GRG≫, BT-Drucks 11/2237 S 157 zu Artikel 1 ≪§ 2 Abs 1≫). Eine Behandlungsmethode gehört dementsprechend grundsätzlich erst dann zum Leistungsumfang der GKV, wenn die Erprobung abgeschlossen ist und über Qualität und Wirkungsweise der neuen Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Das setzt einen Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen voraus. Dabei muss sich der Erfolg aus wissenschaftlich einwandfrei geführten Statistiken über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der neuen Methode ablesen lassen (stRspr, vgl BSGE 76, 194 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5 = Juris RdNr 22 ff; BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 21; BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R - für BSGE und SozR 4 vorgesehen, Juris RdNr 14). Diese Anforderung darf aber nicht als starrer Rahmen missverstanden werden, der unabhängig von den praktischen Möglichkeiten tatsächlich erzielbarer Evidenz gilt (vgl BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 21).
Das Gesetz garantiert zugleich mit der Sicherung des Qualitätsgebots die Gleichbehandlung der Versicherten, um den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) zu beachten. Der Gesetzgeber muss den Versicherten Rechtsanwendungsgleichheit im Leistungsrecht gewährleisten (vgl BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 7 RdNr 23 zur Auslandsbehandlung; BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 23; Hauck, Festschrift für Kohte, 2016, 577, 585, 587; vgl auch Udsching, VSSR 1996, 271, unter III.1). Es wäre vor dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht zu rechtfertigen, würde der Gesetzgeber natürliche Personen zwar in gleicher Weise dem Versicherungs- und Beitragszwang der GKV unterwerfen, ihnen aber trotz gleicher Erkrankung und gleichem Anspruch auf Krankenbehandlung rechtlich unterschiedliche Chancen eröffnen, ihren Anspruch zu verwirklichen. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber zwar nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (BVerfGE 117, 316, 325 = SozR 4-2500 § 27a Nr 3 RdNr 31; BSGE 99, 95 = SozR 4-2500 § 44 Nr 13, RdNr 26).
Um das Ziel der Rechtsanwendungsgleichheit im Leistungsrecht der GKV zu erreichen, regelt das Gesetz nicht nur gleiche Rechtsansprüche der Versicherten auf Krankenbehandlung. Es garantiert den Versicherten auch deren Realisierung, nach Wortlaut, Regelungssystem und Regelungszweck einheitlich und eindeutig ausgerichtet am Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V), erweitert um die Fälle grundrechtsorientierter Auslegung (vgl zB BSG Urteil vom 20.3.2018 - B 1 KR 4/17 R - Juris RdNr 20 f, für SozR vorgesehen): Kommt es entgegen der Gewährleistungspflicht der KKn für eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung (vgl § 70 Abs 1 S 1 SGB V) zu einer Lücke im Versorgungssystem, hat der betroffene Versicherte Anspruch auf Kostenerstattung wegen Systemversagens (vgl § 13 Abs 3 S 1 SGB V). Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die KK die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen (vgl § 13 Abs 4 S 6 SGB V). Besteht innerhalb der EU, des EWR und der Schweiz ein qualitatives oder quantitatives Versorgungsdefizit, sodass eine Krankenbehandlung nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse nur im Ausland möglich ist, hat der Versicherte hierauf Anspruch (vgl näher zB BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 7 RdNr 12 ff; Hauck, GesR 2017, 19, 22 sowie ders in Festschrift für Kohte, 2016, 577, 590 f, dort auch zur Garantie bei Leistungsmöglichkeit nur in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des EWR; lediglich andere Teilaspekte beleuchtend Stallberg, NZS 2017, 332). Das SGB V kennt nach Wortlaut, Regelungssystem und Regelungszweck keine gleichen Garantien für Krankenbehandlung Versicherter mit Methoden, die lediglich das Potential einer Behandlungsalternative haben. Die Gerichte sind bei dieser klaren Gesetzeslage an einer Rechtsfortbildung contra legem gehindert (vgl zu den Grenzen Hauck in Masuch/Spellbrink/Becker/Leibfried ≪Hrsg≫, Grundlagen und Herausforderungen des Sozialstaats - Denkschrift 60 Jahre Bundessozialgericht, Band 2: Bundessozialgericht und die Sozialstaatsforschung - Richterliche Wissensgewinnung und Wissenschaft, 2015, 299, 300 ff).
Wollte man entgegen Wortlaut, Regelungssystem und Regelungszweck auch Potentialleistungen nach § 137c Abs 3 SGB V in die Ansprüche Versicherter auf Regelversorgung einbeziehen, wäre eine sachwidrige Ungleichbehandlung Versicherter die Folge. Die Gruppe der Versicherten, die dem Qualitätsgebot entsprechende Leistungen benötigt, hätte durch die aufgezeigten einfachrechtlichen Garantien einen rechtlich gesicherten Zugang zu diesen Leistungen auch dann, wenn sie im Inland überhaupt nicht oder jedenfalls nicht innerhalb des Leistungserbringungssystems zur Verfügung stehen oder rechtswidrig verweigert werden. Die Gruppe der Versicherten, die Potentialleistungen als Regelversorgung begehrte, hätte hingegen keinen rechtlich gesicherten Anspruch auf die Potentialleistungen. Würde die Potentialleistung im Inland nicht durch nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser erbracht, könnte diese Gruppe sich die Leistung zulasten der GKV weder in Krankenhäusern außerhalb des Leistungserbringungssystems, sei es im Inland, sei es im Ausland, beschaffen, noch wäre eine Leistungsablehnung durch die KK rechtswidrig mit der Folge der Selbstbeschaffungsmöglichkeit (§ 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V). Denn Ansprüche auf Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs 1 S 1, S 2 Nr 5, § 39 SGB V) umfassen grundsätzlich nur Leistungen, die dem Qualitätsgebot entsprechen.
Das Gesetz sieht Abweichungen von den aufgezeigten Garantien der Krankenbehandlung Versicherter nach dem Qualitätsgebot nur außerhalb der Regelversorgung der GKV bei einer Zusatzversorgung aus besonderen sachlichen Gründen vor. So eröffnet die Regelung der Erprobungsrichtlinien (vgl § 137e SGB V) des GBA den Versicherten - bei überschießender Nachfrage im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens der KKn (vgl näher unten, unter II. 2) - die Möglichkeit, trotz zur Verfügung stehender qualitätsgerechter Leistungen an der Anwendung nicht dem allgemeinen Erkenntnisstand entsprechender Methoden zulasten der GKV teilzunehmen, um innovative Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Potential zeitlich begrenzt zwecks Erkenntnisgewinns zum Nutzen der Gesamtheit der Versicherten und Beitragszahler unter strukturierten Bedingungen zu erproben (vgl Gesetzentwurf der BReg eines GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906 S 87 Zu Nummer 56 ≪§ 137e≫; Hauck, GesR 2014, 257, 261). Die Gewährleistungspflicht und der dementsprechende Sicherstellungsauftrag der KKn und Leistungserbringer erstreckt sich nicht - von Fällen grundrechtsorientierter Leistungsauslegung und Seltenheitsfällen abgesehen - auf davon abweichende Erprobungssituationen. Die Folge ist, dass sich auf der Landkarte ein "Erprobungsflecken-Teppich" mit Regionen entwickelt, in denen Krankenhäuser an der Erprobung teilnehmen, und anderen Regionen, bei denen das nicht der Fall ist (vgl Hauck, GesR 2014, 257, 261). Die Ungleichbehandlung Versicherter, die sich aus der eingeschränkten Verfügbarkeit der Leistung ergeben kann, ist wegen des mit der Erprobung verknüpften wichtigen öffentlichen Zwecks und des nur vorübergehenden Ausnahmefalls aufgrund notwendiger Befristung der Erprobung verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
Auch die Regelung der Genehmigungsfiktion (vgl § 13 Abs 3a SGB V und hierzu BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 und 37; BSG Urteile vom 26.9.2017 - B 1 KR 6/17 R und B 1 KR 8/17 R - beide Juris; BSG Urteil vom 7.11.2017 - B 1 KR 24/17 R - für BSGE und SozR vorgesehen) kann als durch rechtmäßiges Verwaltungshandeln vermeidbare Sanktion in eng begrenzten Ausnahmefällen zu Abweichungen vom Qualitätsgebot führen. Eine Gewährleistungspflicht entsprechend jener für Leistungsansprüche Versicherter, die dem Qualitätsgebot genügen, ist hierfür ausgeschlossen: Der Gesetzgeber will durch die Androhung der Sanktion gerade verhindern, dass es zum Eintritt von Genehmigungsfiktionen kommt. Wiederum rechtfertigen der zugrunde liegende wichtige öffentliche Zweck und die Enge der hierzu erforderlichen, vermeidbaren Ausnahme die darin liegende Ungleichbehandlung Versicherter.
dd) Soweit die Gesetzesmaterialien zu einem von Vorstehendem abweichenden Ergebnis führen, vermag der erkennende Senat dem nicht zu folgen. Gesetzesmaterialien sind mit Vorsicht, nur unterstützend und insgesamt nur insofern heranzuziehen, als sie auf einen objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen und im Gesetzeswortlaut einen Niederschlag gefunden haben (stRspr, vgl zB BVerfGE 62, 1, 45 mwN). Daran fehlt es. Nach den Gesetzesmaterialien sollten "Methoden mit dem Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative" im Rahmen der Krankenhausbehandlung zulasten der KKn erbracht werden können, insbesondere damit sie zur Versorgung typischerweise schwerer erkrankter Versicherter mit besonderem Bedarf nach innovativen Behandlungsalternativen zur Verfügung stünden (vgl Entwurf der BReg eines GKV-VSG, BR-Drucks 641/14 S 147 f Zu Nr 64 ≪§ 137c SGB V≫ Buchst b). Dies gewährleiste die Teilhabe der Versicherten am medizinischen Fortschritt auch außerhalb von Studien (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit - 14. Ausschuss - zum Entwurf eines GKV-VSG, BT-Drucks 18/5123 S 135 Zu Nr 64 ≪§ 137c SGB V≫ Buchst b).
Besteht - wie hier - eine Diskrepanz, muss dem Gesetzeswortlaut, dem Regelungssystem und dem Regelungsziel der Vorrang zukommen (stRspr, vgl zB BVerfGE 62, 1, 45; BVerfGE 119, 96, 179; BSG SozR 4-2500 § 62 Nr 8 RdNr 20 f; Hauck/Wiegand, KrV 2016, 1, 4). Die Erweiterung der Regelversorgung der stationären Krankenhausbehandlung auf Methoden mit Potential ohne die im bisherigen System vorgesehenen Garantien, die ausdrücklich lediglich für Leistungen entsprechend dem Qualitätsgebot gelten, würden zudem den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG), das Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit für Versicherte verletzen (vgl dazu oben, unter II. 1. a. cc).
b) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat die Klägerin keinen Anspruch auf Versorgung mit unter stationären Bedingungen durchzuführenden Liposuktionen bei Lipödem als Regelleistung. Die begehrte Maßnahme entspricht nicht den Anforderungen des Qualitätsgebots. Die Anforderungen des Qualitätsgebots werden gewahrt, wenn die "große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)" die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dies setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode - die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist - zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (stRspr, vgl zB BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 29; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 10).
Die von der Klägerin beantragten stationären Liposuktionen erfüllen diese Voraussetzungen nach den den Senat bindenden (vgl § 163 SGG) Feststellungen des LSG nicht. Den LSG-Feststellungen aufgrund des Gutachtens "Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 des MDK vom 6.10.2011 nebst Gutachtensaktualisierung (15.1.2015; abrufbar unter www.mds-ev.de/richtlinien-publikationen/gutachten-nutzenbewertungen.html dort Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen) entspricht im Übrigen die Beurteilung des GBA in den "Tragenden Gründen zum Beschluss des GBA über eine Änderung der Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung: Liposuktion bei Lipödem vom 20.7.2017" (abrufbar unter www.g-ba.de/informationen/beschluesse/3013/; zur Möglichkeit, Erkenntnisse auf Beschlüsse des GBA zu stützen: BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 50). Es geht nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG auch nicht um Ausnahmen vom Qualitätsgebot im Sinne eines Seltenheitsfalls.
2. Ein Anspruch der Klägerin auf die begehrte stationäre Liposuktion kann sich jedoch ergeben aus einem Anspruch auf Teilnahme der Klägerin an dem Erprobungsverfahren nach der am 10.4.2018 in Kraft getretenen Erp-RL Liposuktion (Richtlinie des GBA zur Erprobung der Liposuktion zur Behandlung des Lipödems ≪Erprobungs-Richtlinie Liposuktion - Erp-RL Liposuktion≫ vom 18.1.2018, BAnz AT 9.4.2018 B1), ggf in Gestalt eines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Berücksichtigung beim Auswahlverfahren. Der erkennende Senat hat bei der Entscheidung über den zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgten Leistungsanspruch die durch Erlass der Erp-RL Liposuktion während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderung zu berücksichtigen (stRspr, vgl zB BSGE 43, 1, 5 = SozR 2200 § 690 Nr 4 S 17 f; BSGE 73, 25, 27 = SozR 3-2500 § 116 Nr 4 S 26; Hauck in Zeihe/Hauck, SGG, Stand August 2017, § 162 Anm 10b und § 163 Anm 4f mwN).
Ob die Klägerin Anspruch auf Teilnahme am Erprobungsverfahren hat, weil sie die Voraussetzungen der Erp-RL Liposuktion für die Teilnahme an der Erprobung erfüllt, kann der Senat nicht abschließend entscheiden (hierzu a). Die Erp-RL Liposuktion entspricht den gesetzlichen Anforderungen des § 137c Abs 1 S 3 und des § 137e SGB V (hierzu b). Die Erp-RL Liposuktion und ihre gesetzliche Grundlage sind verfassungsgemäß (hierzu c).
a) Die Erprobung einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode nach § 135 und/oder § 137c SGB V zur Gewinnung der notwendigen Erkenntnisse für die Bewertung des Nutzens der Methode vermittelt Versicherten der GKV einen gegen ihre KK gerichteten Anspruch auf Teilnahme an der Erprobung, soweit sie die in der Richtlinie nach § 137e Abs 1 S 1 SGB V geregelten Anforderungen erfüllen (vgl § 137e Abs 1 S 2 SGB V und hierzu Hauck, GesR 2014, 257, 263 mwN). Bei der Auswahl der Teilnehmer ist dem Grundsatz der Rechtsanwendungsgleichheit Rechnung zu tragen.
Der erkennende Senat kann nicht abschließend darüber entscheiden, ob die Klägerin zumindest Anspruch auf Teilhabe an einer Versorgung mit stationärer Liposuktion hat, weil sie die Anforderungen der Erp-RL Liposuktion für eine stationäre Behandlung erfüllt und einen Behandlungsplatz in einem Krankenhaus erhalten kann, das nach den Kriterien der Erprobung verfährt. Das LSG hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht - schon keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Klägerin, soweit ihr eine Liposuktion zu gewähren ist, hierfür stationärer Behandlung bedarf. Das LSG wird dies festzustellen haben. Zusätzlich wird es festzustellen haben, dass die Klägerin die Einschlusskriterien der Erp-RL Liposuktion erfüllt und die Ausschlusskriterien der Erp-RL Liposuktion nicht erfüllt sowie, falls diese Voraussetzungen erfüllt sind, inwieweit sie einen Behandlungsplatz in einem die institutionellen Anforderungen erfüllenden Krankenhaus erhalten kann. Die Anforderungen der Erp-RL Liposuktion bedürfen zudem teilweise noch der Operationalisierung durch die beauftragte unabhängige wissenschaftliche Institution.
Zielsetzung der Erp-RL Liposuktion ist es, den GBA in die Lage zu versetzen, eine abschließende Bewertung des Nutzens der Liposuktion zur Behandlung des Lipödems durchzuführen, indem im Wege der Erprobung die hierfür nach den §§ 135 Abs 1, 137c Abs 1 SGB V iVm den Vorgaben der Verfahrensordnung des GBA (VerfO) notwendigen Erkenntnisse für die Bewertung des Nutzens der Methode gewonnen werden (vgl § 1 S 1 Erp-RL Liposuktion). Die Erprobung soll der Beantwortung der Frage dienen, ob bei Patientinnen mit Lipödem die zusätzliche Liposuktion gegenüber einer alleinigen konservativen, symptomorientierten Behandlung insbesondere unter Einsatz der komplexen physikalischen Entstauungstherapie (KPE) zu einer Verbesserung patientenrelevanter Zielgrößen führt (vgl § 2 Erp-RL Liposuktion). Die Ein- und Ausschlusskriterien normiert § 3 Erp-RL Liposuktion. In die Erprobungsstudie sollen Patientinnen eingeschlossen werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, mit gesichertem Lipödem der Beine im Stadium I, II oder III, die auch unter konservativer Behandlung keine ausreichende Linderung ihrer Beschwerden angeben (§ 3 Abs 1 Erp-RL Liposuktion). Ausschlussgründe sind eine allgemeine Adipositas ohne Disproportion, wobei Grenzwerte oder andere Maße zur Operationalisierung durch die unabhängige wissenschaftliche Institution festzulegen sind, andere ödemverursachende Erkrankungen, Fettverteilungsstörungen anderer Genese sowie eine Ablehnung der konservativen Therapie (§ 3 Abs 2 Erp-RL Liposuktion). Nach den tragenden Gründen zu § 3 Abs 2 Erp-RL Liposuktion kann Adipositas "den Verlauf und das Beschwerdebild beim Lipödem verschlechtern. Bei den Studienpatientinnen soll eine allgemeine Adipositas ausgeschlossen werden. Maßgeblich ist hierbei vorrangig das Fehlen des Kriteriums 'Disproportion'. Im Rahmen der Erstellung des Studienprotokolls soll durch die unabhängige wissenschaftliche Institution operationalisiert werden, durch welche Kriterien die allgemeine Adipositas von der Disproportion des Lipödems abgegrenzt werden kann. Hierbei sollen auch medizinisch begründete Grenzwerte für die Operabilität festgelegt werden." Dieses Vorgehen entspricht den Stellungnahmen von Spitzenverband Bund der KKn, Kassenärztlichen Bundesvereinigung, DKG und Patientenvertretung im Stellungnahmeverfahren vor der Entscheidung des GBA (vgl dort, S 66 f). Die weiteren Ein- und Ausschlusskriterien (zB Alter, Komorbiditäten, Vorerkrankungen) sind so festzulegen, dass eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Zielpopulation ermöglicht wird (§ 3 Abs 3 Erp-RL Liposuktion). Die Konkretisierung erfolgt durch die mit der Durchführung der Erprobungsstudie zu beauftragende unabhängige wissenschaftliche Institution. Denn die Studie, die erforderlich ist, um notwendige Erkenntnisse für die Bewertung des Nutzens der Methode der Liposuktion zu gewinnen, soll durch eine unabhängige wissenschaftliche Institution nach Maßgabe der Erp-RL Liposuktion entworfen, durchgeführt und ausgewertet werden. Die Ausgestaltung des Studiendesigns ist - soweit nicht in der Erp-RL Liposuktion näher bestimmt - von der unabhängigen wissenschaftlichen Institution auf der Basis des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse vorzunehmen und zu begründen (vgl § 1 S 2 und 3 Erp-RL Liposuktion).
Soweit die Klägerin alle vorgenannten Voraussetzungen nach den vom LSG zu treffenden Feststellungen erfüllt, wird das LSG festzustellen haben, inwieweit die Klägerin einen Behandlungsplatz in einem Krankenhaus erhalten kann, das nach den Kriterien der Erprobung verfährt. Einzubeziehen sind neben den an der Erprobung teilnehmenden die nicht an der Erprobung teilnehmenden Krankenhäuser, die hierzu bereit sind, hierfür zumindest die Intervention entsprechend § 4 Abs 1 und Abs 2 Erp-RL Liposuktion durchführen, den sächlichen, personellen und sonstigen Anforderungen an die Qualität gemäß § 7 Erp-RL Liposuktion einschließlich der Konkretisierungen durch die unabhängige wissenschaftliche Institution (vgl § 7 Abs 1 S 5 und Abs 4 Erp-RL Liposuktion) genügen sowie die Kriterien zur Qualitätssicherung für nicht an der Erprobung teilnehmende Krankenhäuser erfüllen (vgl § 137e Abs 2 S 3 SGB V). Über deren Regelung entscheidet der GBA im Rahmen der Umsetzung der Erprobung (vgl tragende Gründe zum GBA-Beschluss vom 20.7.2017 S 8).
Sind mehr Interessenten als Behandlungsplätze vorhanden, ist der Anspruch der Versicherten auf Teilnahme an der Erprobung entsprechend dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) auf ermessensfehlerfreie Berücksichtigung bei der Auswahlentscheidung gerichtet. Der Anspruch der einzelnen Versicherten richtet sich gegen ihre jeweilige KK. Bei der verfahrensmäßigen Umsetzung dieses Anspruchs steht der Selbstverwaltung ein Gestaltungsspielraum zu, der etwa durch Organisation der Verteilung der interessierten Versicherten auf die teilnehmenden Leistungserbringer mit Unterstützung des Spitzenverbandes Bund der KKn ausgefüllt werden kann (vgl § 217 f Abs 2 S 1 SGB V). Voraussetzung einer ermessensfehlerfreien Auswahlentscheidung ist hierbei, dass alle interessierten Versicherten - vermittelt durch ihre jeweilige KK - gleichberechtigten Zugang zum Auswahlverfahren haben. Das LSG wird ggf auch die hierzu gebotenen Feststellungen zu treffen haben.
b) Es steht mit Gesetzesrecht in Einklang, dass der GBA das sektorenübergreifende Bewertungsverfahren Liposuktion bei Lipödem ausgesetzt und die genannten Regelungen der Erp-RL Liposuktion erlassen hat. Die Beschlüsse des GBA (vom 20.7.2017 und vom 18.1.2018, aaO) entsprechen den in § 137c Abs 1 S 3 SGB V (zum Wortlaut vgl oben) und § 137e SGB V geregelten gesetzlichen Anforderungen. Aufgrund der Richtlinie wird die Untersuchungs- oder Behandlungsmethode in einem befristeten Zeitraum ua im Rahmen der Krankenbehandlung zulasten der KKn erbracht (§ 137e Abs 1 S 2 SGB V).
Die gerichtliche Überprüfung der Aussetzungsbeschlüsse und der Erp-RL Liposuktion hat zu beachten, dass Richtlinien des GBA nach der Gesetzeskonzeption (§§ 91, 92, 94 SGB V) entsprechend der Rspr des BSG untergesetzliche Rechtsnormen sind, die alle Systembeteiligten binden (§ 91 Abs 6 SGB V idF des Art 2 Nr 14 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung ≪GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG≫ vom 26.3.2007, BGBl I 378; vgl BSGE 120, 170 = SozR 4-2500 § 34 Nr 18, RdNr 23 mwN). Als unterhalb des Gesetzesrechts stehende normative Regelungen unterliegen sie der formellen und inhaltlichen gerichtlichen Überprüfung, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen selbst als untergesetzliche Normen erlassen hätte. Zusätzlich ist besonderes Augenmerk auf die Normdichte der gesetzlichen Ermächtigung in Relation zur Eingriffstiefe zu richten, um verfassungsrechtlich die hinreichende Legitimation des GBA zu überprüfen (vgl dazu unten, unter II. 2. c; zum Ganzen vgl BSGE 120, 170 = SozR 4-2500 § 34 Nr 18, RdNr 23 mwN). Bei der Auslegung der gesetzlichen Rechtsbegriffe und bei der Einhaltung des gesetzlich vorgegebenen Verfahrens, einschließlich der Vollständigkeit der zu berücksichtigenden Studienlage, unterliegt der GBA der vollen gerichtlichen Überprüfung (stRspr, vgl zB BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 27; BSGE 116, 153 = SozR 4-2500 § 137 Nr 4, RdNr 15; BSGE 120, 170 = SozR 4-2500 § 34 Nr 18, RdNr 24). Erst über die weitere Konkretisierung des Gesetzes entscheidet der GBA als Normgeber. Insoweit darf die sozialgerichtliche Kontrolle ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom GBA getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (vgl BSGE 120, 170 = SozR 4-2500 § 34 Nr 18, RdNr 25; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 38; ähnlich BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 67 - Therapiehinweise). Dem GBA steht dementsprechend erst bei der Bewertung des Nutzens einer Methode nach den internationalen Standards evidenzbasierter Medizin und des Potentials einer erforderlichen Behandlungsalternative ein pflichtgemäßer - gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer - Ermessensspielraum zu (vgl hierzu etwa Hauck, GesR 2014, 257, 261 f mwN). Nach diesem Maßstab hat der GBA über die Aussetzung der Bewertungsverfahren und den Erlass der Erp-RL Liposuktion gesetzeskonform entschieden.
aa) Der GBA hat bei der Aussetzung des Bewertungsverfahrens und bei Erlass der Erp-RL Liposuktion die im Interesse der verfassungsrechtlichen Anforderungen der Betroffenenpartizipation umfassend durch Gesetz und VerfO des GBA ausgestalteten und abgesicherten Beteiligtenrechte gewahrt. Diese stellen sicher, dass alle sachnahen Betroffenen selbst oder durch Repräsentanten auch über eine unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten hinaus Gelegenheit zur Stellungnahme haben, wenn ihnen nicht nur marginale Bedeutung zukommt (vgl BSGE 120, 170 = SozR 4-2500 § 34 Nr 18, RdNr 26; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 34; Hauck, NZS 2010, 600, 604). Die tragenden Gründe der Beschlüsse des GBA vom 20.7.2017 und vom 18.1.2018 und die zusammenfassenden Dokumentationen belegen das formal korrekte Vorgehen des GBA. Insbesondere erfolgte die Einleitung des Beratungsverfahrens zur Erp-RL Liposuktion nach § 137e SGB V auf der Grundlage eines laufenden Bewertungsverfahrens nach § 135 Abs 1 und § 137c Abs 1 S 1 SGB V (Beschlüsse des GBA vom 20.7.2017, BAnz AT 17.10.2017 B3 und B4). Dies entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Danach kann der GBA unter Aussetzung seines Bewertungsverfahrens eine Richtlinie zur Erprobung beschließen, um die notwendigen Erkenntnisse für die Bewertung des Nutzens der Methode zu gewinnen, wenn er bei der Prüfung ua von Behandlungsmethoden nach § 137c SGB V zu der Feststellung gelangt, dass eine Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist (§ 137e Abs 1 S 1 SGB V).
Die Patientenvertretung war durch die Antragstellung für die Bewertungsverfahren nach § 140f Abs 2 S 5 SGB V, die Mitberatung nach § 140f Abs 2 S 1 und 2 SGB V und die Berücksichtigung von ihrer Position ordnungsgemäß eingebunden (vgl B-2.2.2, B-4.1, B-6.2, B-7.3.2, B-9.2, C-3.2, D-5.2, D-6 und E-2 der zusammenfassenden Dokumentation zum Beratungsverfahren nach §§ 135 Abs 1, 137c SGB V sowie A-1.2.10 und B-5 der zusammenfassenden Dokumentation zum Beratungsverfahren nach § 137e SGB V). Die nach § 91 Abs 5, § 91 Abs 5a, § 92 Abs 7d SGB V, 1. Kap §§ 8 bis 14 VerfO vorgesehenen Stellungnahme- und Anhörungsverfahren wurden ordnungsgemäß durchgeführt (vgl D der zusammenfassenden Dokumentation zum Beratungsverfahren nach §§ 135 Abs 1, 137c SGB V sowie B der zusammenfassenden Dokumentation zum Beratungsverfahren nach § 137e SGB V nebst Anlagen).
bb) Der GBA hat als Grundlage seiner Entscheidung die Studienlage vollständig berücksichtigt. Er hat sich auf die relevanten und verfügbaren Fachveröffentlichungen und zwei (im Wesentlichen deckungsgleiche) Leitlinien, insbesondere die S1-Leitlinie 037/012: Lipödem der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie (http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/037-012l_S1_Lipoedem_2016-01.pdf), gestützt (A-1.2.2.1, A-2.2.2.1 und B-3 der zusammenfassenden Dokumentation zum Beratungsverfahren nach §§ 135 Abs 1, 137c SGB V). Er hat ein Expertengespräch durchgeführt (B-5 der zusammenfassenden Dokumentation zum Beratungsverfahren nach §§ 135 Abs 1, 137c SGB V) und - wie dargelegt - die eingegangenen schriftlichen und im Rahmen der durchgeführten Anhörungen abgegebenen mündlichen Stellungnahmen berücksichtigt (vgl oben unter 2. b. aa).
cc) Der GBA ist rechtmäßig gesetzeskonform davon ausgegangen, dass die Liposuktion bei Lipödem eine Methode ist (1.), deren Nutzen noch nicht hinreichend belegt ist (2.), die aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet (3.), welches die Festlegung der Eckpunkte der noch erforderlichen Studie gestattet (4.) und welches sich vertretbar aus der Studienlage und den weiteren verfahrensmäßig korrekt gewonnenen Erkenntnissen ableiten lässt (5.).
(1.) "Behandlungsmethoden" im Sinne der GKV sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 29 RdNr 16 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Dazu zählt auch die Liposuktion bei Lipödem. Sie ist ein operativer Eingriff, bei dem Teile des Unterhautfettgewebes mit Hilfe von Kanülen abgesaugt werden (Tragende Gründe zur Erp-RL Liposuktion S 3).
(2.) Der GBA geht rechtmäßig davon aus, dass der Nutzen einer stationären Methode hinreichend belegt ist, wenn sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich ist (vgl § 137c Abs 1 S 1 SGB V). Hierzu überprüft er den Nutzen einer Methode bezüglich therapeutischer Leistungen - hier Liposuktion bei Lipödem - insbesondere auf der Basis von Unterlagen zum Nachweis der Wirksamkeit bei den beanspruchten Indikationen, zur Abwägung des Nutzens gegen die Risiken, zur Bewertung der erwünschten und unerwünschten Folgen (outcomes) und zum Nutzen im Vergleich zu anderen Methoden gleicher Zielsetzung (vgl VerfO 2. Kap § 10 Abs 2 Nr 1 Buchst a, c bis e gemäß § 91 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB V). Das entspricht den Anforderungen der Rspr des BSG (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 9 RdNr 13 ff mwN).
Auch die Gesamtbewertung des Nutzens im Versorgungskontext durch den GBA steht in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben. Danach ist der Nutzen einer Methode durch qualitativ angemessene Unterlagen zu belegen. Dies sollen, soweit möglich, Unterlagen der Evidenzstufe I mit patientenbezogenen Endpunkten (zB Mortalität, Morbidität, Lebensqualität) sein. Soweit qualitativ angemessene Unterlagen dieser Aussagekraft nicht vorliegen, erfolgt die Nutzen-Schaden-Abwägung einer Methode aufgrund qualitativ angemessener Unterlagen niedrigerer Evidenzstufen. Die Anerkennung des medizinischen Nutzens einer Methode auf Grundlage von Unterlagen einer niedrigeren Evidenzstufe bedarf jedoch - auch unter Berücksichtigung der jeweiligen medizinischen Notwendigkeit - zum Schutz der Patientinnen und Patienten umso mehr einer Begründung, je weiter von der Evidenzstufe I abgewichen wird. Dafür ist der potentielle Nutzen einer Methode, insbesondere gegen die Risiken der Anwendung bei Patientinnen oder Patienten abzuwägen, die mit einem Wirksamkeitsnachweis geringerer Aussagekraft einhergehen (vgl VerfO 2. Kap § 13 Abs 2; zur Klassifizierung und Bewertung von Unterlagen vgl VerfO 2. Kap § 11 Abs 3, 5 bis 7). Die Auswertung der Unterlagen besteht aus einer Evidenzklassifizierung und einer Qualitätsbewertung (vgl VerfO 2. Kap § 11 Abs 1). Bei der Klassifizierung der Unterlagen zu therapeutischen Methoden gelten folgende Evidenzstufen: I a Systematische Übersichtsarbeiten von Studien der Evidenzstufe I b; I b Randomisierte klinische Studien; II a Systematische Übersichtsarbeiten von Studien der Evidenzstufe II b; II b Prospektive vergleichende Kohortenstudien; III Retrospektive vergleichende Studien; IV Fallserien und andere nicht vergleichende Studien; V Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte, uä; nicht mit Studien belegte Meinungen anerkannter Expertinnen und Experten, Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen (vgl VerfO 2. Kap § 11 Abs 3). Auch dies entspricht der Rspr des BSG (vgl zB BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 14 ff mwN).
Nach diesen Maßstäben sieht der GBA gesetzeskonform die Voraussetzungen eines hinreichenden Nutzenbelegs gemäß VerfO für die Liposuktion bei Lipödem als nicht erfüllt an. Die wenigen gefundenen Studien entsprechen nach vertretbarer Einschätzung des GBA der Evidenzklasse IV (vgl VerfO 2. Kap § 11 Abs 3). Der GBA bewertet vertretbar die darin beschriebenen Ergebnisse in ihrer Ergebnissicherheit als nicht ausreichend, um daraus bereits einen Nutzen ableiten zu können. Er sieht für die Bewertung des Nutzens vielmehr Ergebnisse aus einer randomisierten kontrollierten Studie als erforderlich und die Durchführung einer solchen Studie als möglich an (Tragende Gründe zur Erp-RL Liposuktion S 3). Die Beschlüsse des GBA, das sektorenübergreifende Bewertungsverfahren zur Liposuktion bei Lipödem auszusetzen (vgl VerfO 2. Kap § 14 Abs 2), knüpfen gesetzeskonform hieran an.
(3.) Der GBA hat auch den Begriff des "Potentials einer erforderlichen Behandlungsalternative" gesetzeskonform angewandt. Der GBA versteht den Begriff des Potentials dahingehend, dass der Nutzen der Methode mangels aussagekräftiger wissenschaftlicher Unterlagen weder eindeutig belegt noch deren Schädlichkeit oder Unwirksamkeit festgestellt werden kann, die Methode aufgrund ihres Wirkprinzips und der bisher vorliegenden Erkenntnisse aber mit der Erwartung verbunden ist, dass andere aufwändigere, für den Patienten invasivere oder bei bestimmten Patienten nicht erfolgreich einsetzbare Methoden ersetzt werden können, die Methode weniger Nebenwirkungen hat, sie eine Optimierung der Behandlung bedeutet oder die Methode in sonstiger Weise eine effektivere Behandlung ermöglichen kann. Es genügt, dass die gefundenen Publikationen die Konzeption einer entsprechenden Studie erlauben, die ein randomisiertes, kontrolliertes Design aufweisen muss, um die bestehende Evidenzlücke zu füllen (vgl VerfO 2. Kap § 14 Abs 3 und 4; vgl auch B-8 der zusammenfassenden Dokumentation zum Beratungsverfahren nach §§ 135 Abs 1, 137c SGB V). Dieses Verständnis entspricht Wortlaut (vgl oben, RdNr 16, 31), Zweck und Regelungskonzeption des § 137c Abs 1 S 3 und § 137e SGB V. Danach soll ua eine Behandlungsmethode, deren Nutzen nach den internationalen Standards der evidenzbasierten Medizin noch nicht ausreichend belegt ist, dann in einem strukturierten Verfahren durch eine Studie erprobt werden, wenn aufgrund der bisher vorliegenden Erkenntnisse zu erwarten ist, dass die bestehende Evidenzlücke durch diese Studie in einem begrenzten Zeitraum geschlossen werden kann (vgl Gesetzentwurf der BReg eines GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906 S 87 f; Becker in Becker/Kingreen, SGB V, 5. Aufl 2017, § 137e RdNr 3; Deister, NZS 2016, 328, 331; Hauck, GesR 2014, 257, 261 f; Jung in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, Stand November 2017, § 137e SGB V RdNr 6; Roters in KassKomm Stand 1.12.2017, § 137e RdNr 3; Stallberg, NZS 2017, 332, 336; Roters/Propp, MPR 2013, 37, 40).
(4.) Auch das vom GBA gewählte zweiphasige Verfahren, Eckpunkte in der Erp-RL Liposuktion zu regeln und der unabhängigen wissenschaftlichen Institution im Rahmen der Operationalisierung und Konkretisierung die nähere technische Ausgestaltung des Studiendesigns und -protokolls zu überlassen (vgl oben, § 3 Abs 2 und Abs 3 sowie § 7 Abs 1 S 5 sowie Abs 4 Erp-RL Liposuktion), begegnet noch keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der GBA hat in den §§ 2 bis 6 Erp-RL Liposuktion die wesentlichen Eckpunkte für die Durchführung der Erprobung (vgl VerfO 2. Kap § 22 Abs 2) geregelt, nämlich insbesondere die Indikation, die erfassten Patientenpopulationen, die ins Auge gefassten Interventionen und Vergleichsinterventionen, die Evidenzstufe der Studie, die patientenrelevanten Endpunkte und den Beobachtungszeitraum. Die der unabhängigen wissenschaftlichen Institution eingeräumten Spielräume sind unter Berücksichtigung der zur Vorbereitung der Erp-RL Liposuktion eingegangenen Stellungnahmen und der tragenden Gründe der Erp-RL Liposuktion gering und eher technischer Natur. Der GBA hält sich damit noch an die Vorgaben seiner VerfO (vgl VerfO 2. Kap § 22 Abs 1 und 2). Er beauftragt eine unabhängige wissenschaftliche Institution mit der näheren Ausgestaltung des Studiendesigns sowie dem Entwurf, der Durchführung und der Auswertung der Erprobungsstudie (§ 1 S 2 und S 3 Erp-RL Liposuktion). Die Regelung beachtet noch den gesetzlichen Rahmen. Danach regelt der GBA in der Erp-RL Liposuktion die in die Erprobung einbezogenen Indikationen und die sächlichen, personellen und sonstigen Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung im Rahmen der Erprobung. Er legt zudem Anforderungen an die Durchführung, die wissenschaftliche Begleitung und die Auswertung der Erprobung fest (vgl § 137e Abs 2 S 1 und 2 SGB V). Für die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung der Erprobung beauftragt der GBA eine unabhängige wissenschaftliche Institution (§ 137e Abs 5 S 1 SGB V). Die vom GBA gewählte Ausgestaltung entspricht auch dem Regelungsziel des § 137e Abs 5 SGB V, auf der Grundlage ausreichend konkreter Vorgaben zum Studienziel sowie zu den Eckpunkten für die Durchführung der Studie externen Sachverstand einzubinden. Auf einer solchen Grundlage darf der GBA die nähere Ausgestaltung des Studiendesigns der beauftragten unabhängigen wissenschaftlichen Institution überlassen.
(5.) Der GBA ist vertretbar zu dem Ergebnis gelangt, die Liposuktion bei Lipödem biete das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative, welche die konkrete Ausgestaltung der Erp-RL Liposuktion rechtfertige. Die zusammenfassenden Dokumentationen zum Beratungsverfahren nach §§ 135 Abs 1, 137c SGB V und zum Beratungsverfahren nach § 137e SGB V belegen, dass er die Studienlage sowie die Ergebnisse der Expertenbefragung und des Stellungnahme- und Anhörungsverfahrens und die Position der Patientenvertretung ausführlich ausgewertet und daraus die vertretbaren Schlussfolgerungen sowohl hinsichtlich des Potentials als auch der Planbarkeit einer Erprobungsstudie und ihrer Ausgestaltung gezogen hat.
c) Die Erp-RL Liposuktion, ihre gesetzliche Grundlage und die Rechtsanwendung stehen auch mit Verfassungsrecht in Einklang. Es ist verfassungsrechtlich zulässig, dass der Gesetzgeber den GBA in § 137c Abs 1 S 3 iVm § 137e SGB V konkret ermächtigt, Richtlinien zur Erprobung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu erlassen, die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten. Der GBA verfügt hierdurch über eine hinreichende demokratische Legitimation (vgl zu den Voraussetzungen BVerfGE 140, 229 = SozR 4-2500 § 92 Nr 18, RdNr 22; BSGE 120, 170 = SozR 4-2500 § 34 Nr 18, RdNr 43 mwN).
Im hier einschlägigen Bereich der funktionalen Selbstverwaltung fordert das demokratische Prinzip nicht, dass eine lückenlose personelle Legitimationskette vom Volk zum Entscheidungsträger vorliegen muss. Es ist vielmehr bei hinreichend normdichter gesetzlicher Ausgestaltung ausreichend, dass Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Organe gesetzlich ausreichend vorherbestimmt sind, ihre Wahrnehmung der Aufsicht personell legitimierter Amtswalter unterliegt (vgl BVerfGE 107, 59, 94; 111, 191, 217 f; BSGE 120, 170 = SozR 4-2500 § 34 Nr 18, RdNr 44 mwN) und die Wahrung der Interessen der Betroffenen rechtssicher gewährleistet ist (BVerfGE 111, 191, 217; BSGE, aaO). Der GBA droht die Grenzen hinreichender demokratischer Legitimation für eine Richtlinie zu überschreiten, wenn er mit hoher Intensität Angelegenheiten Dritter regelt, die an deren Entstehung nicht haben mitwirken können. Maßgeblich ist hierfür insbesondere, inwieweit der GBA für seine zu treffenden Entscheidungen gesetzlich angeleitet ist (vgl BVerfGE 140, 229 = SozR 4-2500 § 92 Nr 18, RdNr 22; BSGE 120, 170 = SozR 4-2500 § 34 Nr 18, RdNr 43 f mwN). Diesen Anforderungen wird die Ermächtigung des GBA gerecht, Richtlinien zur Erprobung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu erlassen. Seine Aufgaben und Handlungsbefugnisse sind in Relation zur Eingriffsintensität durch hinreichend normdichte gesetzliche Regelungen ausreichend vorherbestimmt (hierzu aa und bb). Er unterliegt der Aufsicht durch personell legitimierte Amtswalter und die Wahrung der Interessen der Betroffenen ist rechtssicher gewährleistet (hierzu cc und dd).
aa) Der GBA ist verfassungskonform kraft Gesetzes zur Konkretisierung des sich aus § 137c Abs 1 S 2, § 137e SGB V ergebenden Regelungsprogramms ermächtigt, außenwirksame Normen im Range untergesetzlichen Rechts in Gestalt von Erp-RL Liposuktion zu erlassen (vgl § 137c Abs 1 S 2, § 137e Abs 1 S 1 SGB V, zur Gesetzeskonzeption vgl bereits oben, II. 2. b.). Die vorgeschriebene Handlungsform ist gesetzlich präzise ausgeformt und genügt rechtsstaatlichen Anforderungen. Das Verfahren zum Erlass der Richtlinien ist transparent, die Publizität gesichert und die Reichweite der Bindungswirkung gegenüber den Systembeteiligten gesetzlich festgelegt (vgl § 91 Abs 6 SGB V). Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit dieser gesetzlich ausgestalteten Handlungsform des GBA steht für die Erp-RL Liposuktion schon entgegen, dass die Handlungsform der Normsetzung durch eine Allgemeinverfügung nach § 31 S 2 SGB X als eine andere verfassungskonforme spezifische Form der Normanwendung nach dem hinreichend dichten Normprogramm wirkungsgleich substituiert werden könnte, wäre nicht die Entscheidung durch untergesetzliche Rechtsnorm vom Gesetz vorgegeben (vgl entsprechend BSGE 120, 170 = SozR 4-2500 § 34 Nr 18, RdNr 46 mwN).
bb) Der GBA ist auch inhaltlich hinreichend normdicht für seine zu treffenden Entscheidungen gesetzlich angeleitet, unter welchen Voraussetzungen mit welchem Zweck (§ 137e Abs 1 S 1 SGB V), welchen Folgen (§ 137e Abs 1 S 2 SGB V) und welchem Inhalt (§ 137e Abs 2 SGB V) er Richtlinien zur Erprobung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden erlassen darf (vgl § 137c Abs 1 S 3 iVm § 137e SGB V). Wie oben dargelegt, knüpft die Regelung daran an, dass die Überprüfung einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode durch den GBA ergibt, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet. Dann beschließt der GBA eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e SGB V (§ 137c Abs 1 S 3 SGB V), um die notwendigen Erkenntnisse für die Bewertung des Nutzens der Methode zu gewinnen (§ 137e Abs 1 S 1 SGB V). Hierzu beauftragt der GBA eine unabhängige wissenschaftliche Institution mit der wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung der Erprobung (vgl § 137e Abs 5 SGB V).
Die Begriffe des "Nutzens einer Methode" und ihres "hinreichenden" Belegt-Seins sind jedenfalls durch die Rspr des BSG (vgl oben, RdNr 41 ff) so präzisiert, dass dem GBA kein nennenswerter Auslegungsspielraum verbleibt. Auch bei der Feststellung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse zur Operationalisierung der genannten Rechtsbegriffe unterliegt der GBA weitgehender gerichtlicher Kontrolle: So überprüft das Gericht bei entsprechendem Anlass auch die Vollständigkeit der vom GBA zu berücksichtigenden Studienlage (vgl zB BSGE 116, 153 = SozR 4-2500 § 137 Nr 4, RdNr 15) und - so diese Voraussetzung erfüllt ist - die Vertretbarkeit seiner Schlussfolgerung (vgl auch BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 28).
Der Gesetzgeber wählte die Ausgestaltung der Erp-RL Liposuktion durch den GBA, um die Qualität der Erprobung zu sichern, durch eine befristete Ausnahme vom Qualitätsgebot hinreichende Erkenntnisse für die Versorgungsqualität zu erzielen und eine Gleichbehandlung der Versicherten zu erreichen. Dies gewährleistet, dass die betroffenen Methoden mit Potential aber noch unzureichendem Nutzenbeleg in einem strukturierten Verfahren auf ihren therapeutischen Nutzen nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sachverständig geprüft werden, um die Entscheidung über die Bewertung der Methode und ihren dauerhaften Einsatz zulasten der GKV auf eine fachlich-medizinisch zuverlässige Grundlage zu stellen. Ein solches Vorgehen darf dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verwehrt sein (vgl entsprechend BVerfGE 115, 25, 46 f = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 28; BSGE 102, 30 = SozR 4-2500 § 34 Nr 4, RdNr 19).
Die Bedeutung und Reichweite der Erp-RL Liposuktion ist von vornherein dadurch gesetzlich begrenzt, dass die Erp-RL Liposuktion nur befristet wirkt (vgl § 137e Abs 1 S 2 SGB V). Ihre Eingriffsintensität ist insgesamt gering. Betroffen von Änderungen des Leistungsrechts sind in erster Linie Versicherte, zudem Ärzte in ihrer ärztlichen Therapiefreiheit (vgl zur Bedeutung als dienende Freiheit Hauck, SGb 2014, 8 f mwN). Die Erp-RL Liposuktion stellt auf Kosten der GKV ein Verfahren zur Verfügung, um den bisher nicht gesicherten Nutzen von Untersuchungs- und/oder Behandlungsmethoden nachzuweisen. Versicherte erhalten hierdurch vorübergehend die Chance auf zusätzliche Leistungen über die am Qualitätsgebot ausgerichtete Regelversorgung hinaus. Dementsprechend weitet sich das Feld aus, in dem Ärzte zulasten der GKV therapieren können. Die grundsätzliche Ausrichtung der Regelversorgung Versicherter am Qualitätsgebot bildet die eigentliche Einschränkung, die ihrerseits aber unter Berücksichtigung ihrer Begrenzung durch die Möglichkeit grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts verfassungskonform ist (stRspr, vgl zB BVerfGE 140, 229 = SozR 4-2500 § 92 Nr 18, RdNr 12; BVerfGE 115, 25, 46 f = SozR 4-2500 § 27 Nr 5, RdNr 59). Einer Ungleichbehandlung Versicherter, die sich aus der eingeschränkten Verfügbarkeit der Leistung und dem Fehlen von Garantien ergeben kann, wirkt der Anspruch Versicherter auf gleichgerechte Teilhabe an Erprobungsleistungen entgegen. Verbleibende Ungleichheit ist wegen des mit der Erprobung verknüpften wichtigen öffentlichen Zwecks und des nur vorübergehenden Ausnahmefalls aufgrund notwendiger Befristung der Erprobung verfassungsrechtlich gerechtfertigt (vgl hierzu oben II. 2. a.).
cc) Der GBA unterliegt bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben und Handlungsbefugnisse - hier speziell beim Erlass der Erp-RL Liposuktion nach § 137c Abs 1 S 2, § 137e Abs 1 S 1 SGB V - der Aufsicht personell demokratisch legitimierter Amtswalter. Das SGB V regelt in § 91a Abs 1 S 1 und 2, § 94 Abs 1 im Zusammenspiel mit dem SGB IV (§ 91a Abs 1 S 2 SGB V iVm §§ 87 bis 89 SGB IV) detailliert und umfassend die staatliche Aufsicht über den GBA speziell beim Erlass von Richtlinien. Danach sind die vom GBA beschlossenen Richtlinien dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vorzulegen. Es kann sie innerhalb von zwei Monaten beanstanden. Das BMG kann im Rahmen der Richtlinienprüfung vom GBA zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern; bis zum Eingang der Auskünfte ist der Lauf der Zweimonatsfrist für eine Beanstandung unterbrochen. Die Nichtbeanstandung einer Richtlinie kann vom BMG mit Auflagen verbunden werden; es kann zur Erfüllung einer Auflage eine angemessene Frist setzen. Kommen die für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Beschlüsse des GBA nicht oder nicht innerhalb einer vom BMG gesetzten Frist zustande oder werden die Beanstandungen des BMG nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, erlässt es die Richtlinien selbst.
§ 94 Abs 1 SGB V ermöglicht damit eine präventive aufsichtsrechtliche Kontrolle, bevor die Richtlinien des GBA im Bundesanzeiger publiziert und damit grundsätzlich wirksam werden. Die aufsichtsrechtlichen Befugnisse des BMG sind auf eine Rechtskontrolle beschränkt. Das entspricht dem Grundsatz, dass die Staatsaufsicht gegenüber Selbstverwaltungsträgern prinzipiell auf eine Rechtsaufsicht begrenzt und für eine weiterreichende Zweckmäßigkeitskontrolle nur Raum ist, wenn der Gesetzgeber dies ausdrücklich angeordnet hat (vgl hierzu BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 40 mwN). Die danach gebotene reine Rechtmäßigkeitskontrolle führt beim Prüfmaßstab zum Gleichlauf mit der gerichtlichen Kontrolle. Die Kontrolle ist - wie oben dargelegt (vgl II. 2. b.) - in der Prüfdichte nur dort eingeschränkt, wo dem GBA ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist.
dd) Die verfassungsrechtlich erforderliche Beteiligtenpartizipation wird durch das Stellungnahme- und Anhörungsverfahren nach § 91 Abs 5 und 5a SGB V und § 92 Abs 7d SGB V sowie die Einbindung der Patientenvertretung über die Antragstellung nach § 140f Abs 2 S 5 SGB V und die Mitberatung nach § 140f Abs 2 S 1 und 2 SGB V gewahrt.
3. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 11864736 |
BSGE 2019, 262 |