Beteiligte
Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Höhe des dem Kläger bewilligten Übergangsgeldes.
Der Kläger war bis zum 30. Juni 1974 als kaufmännischer Angestellter tätig. Sein Bruttogehalt (ohne Berücksichtigung einer einmaligen Zuwendung von DM 120,--) betrug im Juni 1974 DM 1.400,--. Daraus errechnete sich unter Zugrundelegung der Steuerklasse I (Ledige) ein Nettoeinkommen von DM 923,18. Die am 15. Juni 1974 erfolgte Eheschließung des Klägers konnte vom Arbeitgeber bei der Berechnung des Nettoeinkommens nicht mehr berücksichtigt werden.
Ab 1. Juli 1974 wurde der Kläger beim Berufsförderungswerk Heidelberg zum staatlich geprüften Betriebswirt umgeschult. Von diesem Zeitpunkt an gewährte ihm die Beklagte Übergangsgeld. Mit Bescheid vom 22. Oktober 1974 stellte sie die Leistung für die Zeit ab 1. Oktober 1974 unter Berücksichtigung des an diesem Tage in Kraft getretenen Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl. I S. 1881) und der dadurch erfolgten Änderungen des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) neu fest. Dabei errechnete sie aus dem Bruttoentgelt des Monats Juni 1974 (DM 1.400,--) einen täglichen Regellohn von DM 46,67 und aus diesem ein Übergangsgeld von 80 v.H. = DM 37,34 sowie aus dem Nettoeinkommen des Monats Juni 1974 ein entgangenes regelmäßiges Nettoentgelt von täglich DM 30,77. Dieser Betrag wurde dem Kläger als Übergangsgeld gewährt.
Mit seiner Anlage begehrte der Kläger im wesentlichen, unter Berücksichtigung seiner am 15. Juni 1974 erfolgten Eheschließung der Berechnung des entgangenen regelmäßigen Nettoentgeltes ein nach der Steuerklasse III oder IV ermitteltes höheres Nettoeinkommen zugrundezulegen. Er wandte sich ferner gegen den Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 1975, durch welchen sein Antrag vom 26. November 1974 auf Erhöhung des Übergangsgeldes wegen der Geburt seines Sohnes am 13. November 1974 abgelehnt worden war.
Im Verlaufe des Klageverfahrens stellte die Beklagte durch Bescheid vom 27. Mai 1975 das Übergangsgeld aufgrund des Art. 42 des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz (EG - EStRG) vom 21. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3656) für die Bezugszeit ab 1. Januar 1975 neu fest. Das Übergangsgeld betrug nunmehr DM 35,49 täglich. Bei der Feststellung dieses Betrages ließ die Beklagte einen in die Steuerkarte des Klägers eingetragenen Freibetrag für die Monate Mai bis Dezember 1975 in Höhe von DM 910,-- unberücksichtigt.
Nach Beiladung der Bundesanstalt für Arbeit hat das Sozialgericht (SG) Mannheim mit Urteil vom 4. Juni 1975 die Beklagte in Abänderung ihrer Bescheide vom 22. Oktober 1974 und 27. Mai 1975 verurteilt, das Übergangsgeld des Klägers neu zu berechnen, dabei für die Zeit bis zum 28. Februar 1975 bei der Bemessung des entgangenen regelmäßigen Entgelts denjenigen Nettoarbeitsverdienst zugrundezulegen, der sich bei Berücksichtigung der durch seine Verehelichung geänderten Steuerklasse errechnet, und für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Dezember 1975 einen Lohnsteuerfreibetrag von DM 114, -- monatlich bei der Berechnung des regelmäßigen Nettoarbeitsentgelts zu berücksichtigen. Im übrigen hat das SG die Klage abgewiesen; es hat die Berufung zugelassen.
Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Im Verlaufe des Berufungsverfahrens hat sie durch Bescheid vom 12. Oktober 1976 mit Wirkung ab 1. Juli 1976 das Übergangsgeld auf DM 43,84 pro Kalendertag erhöht (§ 18c AVG). Die Umschulung des Klägers ist am 3. Juli 1976 beendet worden.
Mit Urteil vom 21. Juni 1977 hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage auch insoweit abgewiesen, als mit ihr die Abänderung des Bescheides vom 22. Oktober 1974 begehrt worden ist. Im übrigen hat es die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß in Abänderung des Bescheides vom 27. Mai 1975 bei der Berechnung des Übergangsgeldes ab 1. Januar 1975 die Steuerabzüge unter Berücksichtigung eines monatlichen steuerfreien Einkommensbetrages in Höhe von DM 76,-- festzusetzen sind. Den Bescheid vom 12. Oktober 1976 hat es entsprechend abgeändert und im übrigen die deswegen erhobene Klage abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen.
Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Die Beklagte habe zu Recht das Übergangsgeld des Klägers weder wegen seiner vor dem Beginn der Rehabilitationsmaßnahme erfolgten Eheschließung noch wegen der Geburt seines Sohnes erhöht. Angesichts der Lohnersatzfunktion des Übergangsgeldes und der aus Gründen der Praktikabilität erforderlichen Klarheit und Eindeutigkeit der anzuwendenden Bezugsgrößen könne im Regelfall für die Errechnung des entgangenen regelmäßigen Nettoarbeitsentgelts nur das während des letzten Lohnzahlungszeitraums tatsächlich ausbezahlte Arbeitsentgelt berücksichtigt werden. Auswirkungen steuerrechtlicher Regelungen, sofern sie nicht zu einer tatsächlichen Erhöhung des letzten Nettoeinkommens geführt hätten, seien hingegen nicht zu berücksichtigen. Anderenfalls werde die Durchführung des Gesetzes erschwert und die Beklagte in die Funktion eines Steuerberaters gedrängt. Von diesem Grundsatz mache Art. 42 EG-EStRG eine Ausnahme. Hiernach sei die an sich bei der Feststellung des Nettolohns nicht berücksichtigungsfähige Änderung der persönlichen Verhältnisse im Hinblick auf die zum 1. Januar 1975 eingetretenen steuerrechtlichen Veränderungen ausnahmsweise zu berücksichtigen. Dabei seien entgegen der Auffassung der Beklagten nicht allein die am Stichtag (1. Januar 1975) gegebenen Verhältnisse maßgebend.
Vielmehr habe die Beklagte alle im Zeitpunkt der ersten Verwaltungsentscheidung auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Freibeträge zu berücksichtigen. Bei diesen Freibeträgen handele es sich um Jahresbeträge, die lediglich dann, wenn ihre Eintragung nicht im Monat Januar erfolge, entsprechend dem Zeitpunkt der Eintragung auf die restlichen Monate des Jahres verteilt würden. Demgemäß müsse das Übergangsgeld ab 1. Januar 1975 unter Berücksichtigung eines steuerfreien Betrages von monatlich (ein Zwölftel von DM 910,-- ) DM 76,-- berechnet und auf dieser Grundlage auch die Erhöhung ab 1. Juli 1976 vorgenommen werden.
Gegen dieses Urteil haben der Kläger und die Beklagte Revision eingelegt. Der Kläger verfolgt sein Begehren auf Gewährung eines höheren Übergangsgeldes unter Berücksichtigung seiner am 15. Juni 1974 erfolgten Eheschließung und der Geburt seines Sohnes am 13. November 1974 weiter und trägt zur Begründung vor: Anders als in den durch die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. März 1977 - 4 RJ 177/75 - (BSG SozR 2200 § 1241 Nr. 3) und vom 10. Mai 1977 - 11 RA 110/76 - (BSG SozR 2200 § 1241 Nr. 4) und 11 RA 80/76 entschiedenen Fällen handele es sich vorliegend nicht darum, daß eine einmalige Leistung rückwirkend berücksichtigt werden solle. Vielmehr gehe es ihm - dem Kläger - um die "vorwärtsgerichtete" Beachtung der Änderungen seines Familienstandes vom Zeitpunkt ihres Eintritts an. Eine Nichtberücksichtigung dieser Änderungen würde dazu führen, daß er trotz seiner Eheschließung und der Geburt seines Kindes weiterhin wie ein Lediger ohne Kinder behandelt werde. Dies verstoße gegen Art. 3 und 6 des Grundgesetzes (GG). Im Rahmen der Steuerpolitik werde der Verheirateten-Status sofort und unmittelbar aufgrund der Eintragung in der Steuerkarte anerkannt. Der selbe Grundsatz müsse im Sozialversicherungsrecht gelten. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, daß das Abstellen auf das tatsächliche Nettoarbeitsentgelt auch bei Eintritt von Veränderungen maßgebend bleiben solle.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung und des Urteils des Sozialgerichts Mannheim vom 4. Juni 1975 sowie der entgegenstehenden Bescheide die Beklagte zu verurteilen, ihm ein höheres Übergangsgeld unter Berücksichtigung der am 15. Juni 1974 erfolgten Eheschließung ab 1. Oktober 1974 und der am 13. November 1974 erfolgten Geburt eines Sohnes ab 1. Dezember 1974 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
1. die Revision des Klägers zurückzuweisen;
2. unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Juni 1977 die Klage in vollem Umfange abzuweisen.
Sie rügt eine Verletzung des Art. 42 EG-EStRG in Verbindung mit § 18 Abs. 1 AVG und § 182 Abs. 4 und 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Die Auffassung des LSG, daß unabhängig vom Zeitpunkt der Geltung der nach Monaten aufgegliederten Steuerfreibeträge ein Zwölftel des Jahresfreibetrages bei der Ermittlung des fiktiven Nettoarbeitsentgeltes in Ansatz zu bringen sei, führe im Regelfall nicht zur Vermeidung von Härten. Vielmehr ermögliche ein solches Verfahren die Manipulation mit Steuerfreibeträgen und den Mißbrauch dieser steuerrechtlichen Vergünstigungen. Bei diesem Verfahren verbrauche sich der Jahresfreibetrag während des Bezuges des umgerechneten Übergangsgeldes um monatlich ein Zwölftel. Daneben bleibe der vom Finanzamt nach Monaten aufgegliederte Jahresfreibetrag, der bei einer Eintragung nach dem 31. Januar des Jahres stets höher als ein Zwölftel des Jahresbetrages sei, bestehen und voll wirksam, sofern der Versicherte im selben Kalenderjahr eine Beschäftigung aufnehme. Ihm komme damit ein über dem vom Finanzamt nach steuerrechtlichen Vorschriften ermittelten Betrag liegender Freibetrag zugute. Darin liege eine ungerechtfertigte Begünstigung. Daß diese Folgen im vorliegenden Falle wegen des durchgehenden Bezuges von Übergangsgeld im Jahre 1975 nicht eingetreten seien, sei erst durch eine rückschauende Betrachtung des Geschehensablaufes erkennbar geworden; das Ergebnis einer solchen Betrachtung könne nicht Grundlage für die hier zu treffende Entscheidung sein. Im übrigen sei entgegen der Ansicht des LSG bei der Umrechnung des Übergangsgeldes der individuelle Status des Versicherten, wie er sich am 1. Januar 1975 aufgrund des geltenden Steuerrecht und nach dem Inhalt der Lohnsteuerkarte ergebe, zugrunde zu legen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat von einer Stellungnahme abgesehen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revisionen sind zulässig. Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Revision der Beklagten muß insoweit zum Erfolg führen, als sie sich gegen ihre Verurteilung zur anderweitigen Berechnung des Übergangsgeldes bereits für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 1975 wendet.
Unter den Beteiligten ist nicht streitig, daß das dem Kläger bis zum 30, September 1974 gezahlte Übergangsgeld niedriger als das ihm aufgrund des RehaAnglG (vgl. § 17 AVG) zustehende Übergangsgeld gewesen und somit für die Zeit ab 1. Oktober 1974 neu zu berechnen ist (vgl. § 39 RehaAnglG). Diese Neuberechnung hat nach § 18 Abs. 1 AVG zu erfolgen (§ 18a Abs. 1 AVG). Danach gilt mit bestimmten, hier nicht erheblichen Einschränkungen für die Berechnung des Übergangsgeldes bei einem Betreuten, der vor Beginn einer Rehabilitationsmaßnahme gegen Arbeitsentgelt versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist, § 182 Abs. 4, 5 und 7 RVO. Nach § 182 Abs. 4 Sätze 1 und 2 RVO beträgt das Krankengeld (= Übergangsgeld) 80 v.H. des wegen der Arbeitsunfähigkeit (bzw. der Rehabilitationsmaßnahme) entgangen regelmäßigen Entgelts (Regellohn); es darf das entgangene regelmäßige Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen. Der Regellohn wird nach § 182 Abs. 5, 6 und 9 RVO berechnet. Gegen diese Berechnung wendet sich der Kläger nicht. Er erstrebt lediglich eine andersartige bzw. neue Berechnung des entgangen regelmäßigen Nettoarbeitsentgelts im Sinne des § 182 Abs. 4 Satz 1 RVO für die Zeiträume ab 1. Oktober und 1. Dezember 1974.
Die im Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 1974 vorgenommene Berechnung des entgangenen regelmäßigen Nettoarbeitsentgelts für die Zeit ab 1. Oktober 1974 ist nicht zu beanstanden. Der Kläger kann eine andersartige Berechnung unter Berücksichtigung seiner am 15. Juni 1974 erfolgten Eheschließung nicht verlangen.
Die Art der Berechnung des entgangenen regelmäßigen Nettoarbeitsentgelts ist in § 182 RVO nicht ausdrücklich geregelt. § 182 Abs. 4 Satz 2 WO verweist nur bezüglich der Berechnung des Regellohns auf Abs. 5, 6 und 9 der Vorschrift. Für die Berechnung des entgangenen regelmäßigen Nettoarbeitsentgelts fehlt eine entsprechende Verweisung. Dieser bedarf es jedoch nicht. Nettoarbeitsentgelt ist das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Bruttoarbeitsentgelt (vgl. Verbandskommentar zur RVO, 6. Aufl., Stand 1. Juli 1977, § 1241, Anm. 3.5). Es ist somit keine selbständige Berechnungsgröße. Vielmehr wird es auf der Grundlage des Bruttoarbeitsentgelts berechnet. Dieses ist bei der Feststellung des Übergangsgeldes nach § 18 Abs. 1 AVG in Höhe des in den letzten vor Beginn der Rehabilitationsmaßnahme abgerechneten vier Wochen bzw. dem letzten abgerechneten Kalendermonat erzielten Entgelts zu berücksichtigen (§ 182 Abs. 5 Sätze 1 und 3 RVO). Folgerichtig gilt dasselbe für das entgangene regelmäßige Nettoarbeitsentgelt im Sinne des § 182 Abs. 4 Satz 1 RVO. Als von der Höhe des Bruttoarbeitsentgelts abhängiges Einkommen ist es ebenfalls in Höhe des für die letzten vor Beginn der Maßnahme abgerechneten vier Wochen bzw. für den letzten abgerechneten Kalendermonat erzielten Betrages zu berücksichtigen (vgl. auch BSG SozR 2200 § 1241 Nr. 4).
Daraus ergeben sich für das berücksichtigungsfähige Nettoarbeitsentgelt zwei Einschränkungen: Einmal muß es nicht allein vor Beginn der berufsfördernden Maßnahme, sondern in einem vor diesem Zeitpunkt liegenden abgeschlossenen Bemessungszeitraum erworben worden sein. Damit bleiben bei seiner Berechnung Zahlungen außer Betracht, die zwar in der Zeit zwischen dem Ende des letzten Lohnabrechnungszeitraums und dem Beginn der Maßnahme geleistet worden sind, deren Abrechnung aber erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen wird (Vorschüsse, Abschlagszahlungen usw.). Zum anderen muß das für den Höchstbetrag des Übergangsgeldes maßgebende Nettoarbeitsentgelt im letzten Lohnabrechnungszeitraum "erzielt" worden sein. Es kann dahinstehen, ob Arbeitsentgelt bereits dann "erzielt" ist, wenn alle Voraussetzungen für die Auszahlung an den Arbeitnehmer erfüllt sind. Jedenfalls ist es spätestens dann erzielt, wenn der Arbeitnehmer nach seiner eigenen Bestimmung frei darüber verfügen kann (vgl. BSG SozR 4100 § 44 Nr. 10). Damit ist ein Arbeitsentgelt nicht im letzten Lohnabrechnungszeitraum "erzielt" worden, wenn es nicht bis zum Ende dieses Zeitraumes in die Verfügungsgewalt des Arbeitnehmers gelangt ist (vgl. zur Berücksichtigung rückwirkender tariflicher Einkommensverbesserungen bei der Berechnung des Unterhaltsgeldes nach § 44 in Verbindung mit § 112 des Arbeitsförderungsgesetzes - AFG - BSG SozR 4100 § 112 Nrn. 3 und 5; bei der Berechnung des Krankengeldes in der Zeit vor Inkrafttreten des RehaAnglG Urteil des BSG vom 10. November 1977 - 3 RK 82/75 -). Darüber hinaus ist derjenige Teil des Arbeitsentgelts nicht im letzten Lohnabrechnungszeitraum "erzielt" worden, der nach dem Ende dieses Zeitraums durch in ihn zurückwirkende, den Arbeitnehmer begünstigende Veränderungen der Grundlagen für die Berechnung des Nettoarbeitsentgelts zwar im wirtschaftlichen Endergebnis zu dessen Erhöhung führt, effektiv dem Arbeitnehmer aber erst nach Beendigung des Lohnabrechnungszeitraums zufließt. U.a. aus diesem Grunde haben der 4. und der 11. Senat des BSG ausgesprochen, daß - vorbehaltlich abweichender Ausnahmevorschriften - spätere rückwirkende Veränderungen im Entgelt und in den Abzügen etwa infolge einer Steuererstattung im Rahmen des Lohnsteuerjahresausgleichs oder der Veranlagung zur Einkommensteuer nicht als im Bemessungszeitraum "erzieltes" Arbeitsentgelt berücksichtigt werden können (BSG SozR 2200 § 1241 Nrn. 3 und 4). Der erkennende Senat teilt diese Auffassung. Sie entspricht nicht nur dem Wortlaut des § 182 Abs. 5 RVO. Vielmehr trägt sie auch der Funktion des Übergangsgeldes als Lohnersatz Rechnung. Das Übergangsgeld tritt für die Dauer der Rehabilitationsmaßnahme an die Stelle des vorher vom Rehabilitanden selbst erzielten Erwerbseinkommens und soll ihm die Beibehaltung seines unmittelbar vor Beginn der Maßnahme innegehabten Lebensstandards ermöglichen. Dieser wird bei dem versicherungspflichtig Beschäftigten entscheidend von der Höhe des tatsächlich verfügbaren Erwerbseinkommens geprägt. Rückwirkende Erhöhungen des Einkommens können typischerweise den Lebensstandard während eines in der Vergangenheit liegenden Zeitraums nicht mehr beeinflussen. Vielmehr wirken sie sich hierauf erst in dem späteren Zeitpunkt der effektiven Verfügbarkeit über den Erhöhungsbetrag aus. Dieser kann somit nicht als in einem der Vergangenheit angehörenden, abgeschlossenen Zeitraum "erzielt" angesehen werden.
Dies steht dem Anspruch des Klägers auf eine anderweitige Berechnung des entgangenen regelmäßigen Nettoarbeitsentgelts unter Berücksichtigung seiner am 15. Juni 1974 erfolgten Eheschließung entgegen. Zwar kann diese im wirtschaftlichen Endergebnis zu einer Verringerung der Lohnsteuer und dadurch zu einer Erhöhung des Nettoarbeitsentgelts auch für einen Teil des hier maßgeblichen Bemessungszeitraums Juni 1974) geführt haben. Für die Höhe der Lohnsteuer ist u.a. die Steuerklasse und für diese wiederum der Familienstand von Bedeutung. Ledige ohne Anspruch auf einen Kinderfreibetrag gehören der Steuerklasse I an (vgl. § 7 Abs. 5 Nr. 1 der hier noch einschlägigen Lohnsteuer-Durchführungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. April 1971; BGBl. I S. 397 - LStDV 1971 -; für Lohnzahlungszeiträume nach dem 31. Dezember 1974 vgl. Neufassung der LStDV vom 13. Dezember 1974, BGBl. I 3645). Verheirateten hingegen sind je nachdem, ob ihr Ehegatte Arbeitslohn bezieht oder nicht, die Steuerklassen III oder IV zu bescheinigen (§ 7 Abs. 7 Nr. 1, Abs. 8 LStDV 1971). Für die Bescheinigung der Steuerklasse sind die Verhältnisse zu Beginn des Kalenderjahres maßgebend, für das die Lohnsteuerkarte wirksam wird (§39 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - in der für den Veranlagungszeitraum 1974 maßgebenden Fassung der Bekanntmachung vom 15. August 1974 - EStG 1974 -, BGBl. I S. 1993; § 7 Abs. 9 LStDV 1971). Erfüllt der lohnsteuerpflichtige Arbeitnehmer erst nach dem Beginn des Kalenderjahres die Voraussetzungen für die Bescheinigung einer ihm günstigeren Steuerklasse, so kam dies in zweierlei Weise berücksichtigt werden: Einmal kann der Lohnsteuerpflichtige bei der zuständigen Gemeindebehörde die Ergänzung seiner Lohnsteuerkarte beantragen (§ 39 Abs. 2 Satz 2 EStG 1974; § 18 Abs. 1 LStDV 1971); auf ihr ist sodann der Zeitpunkt der Ergänzung, d.h. der Tag einzutragen, an welchem die erforderlichen Voraussetzungen erstmalig erfüllt sind (vgl. Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl. 1972, § 39, Anm. 4, S. 2712 und 2713). Diese Ergänzung darf der Arbeitgeber erst bei den nachfolgenden Lohnzahlungen berücksichtigen (§ 28 Satz 1 LStDV 1971: Grundsatz der Maßgeblichkeit der Steuerkarte; vgl. Blümich-Falk, a.a.O., § 38, Anm. 3, S. 2681, und Anm. 5, S. 2683). Zum anderen kam der Lohnsteuerpflichtige die Berücksichtigung der ihm günstigeren Steuerklasse im Rahmen des Lohnsteuer-Jahresausgleichs nach Maßgabe der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich (JAV), hier maßgebend in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1971 (BGBl. I S. 194), verlangen. Dies ist nach der Natur der Sache erst nach dem 31. Dezember des Ausgleichsjahres möglich. Ob und gegebenenfalls auf welchem Wege - Ergänzung der Lohnsteuerkarte oder Lohnsteuer-Jahresausgleich - der Kläger die Einordnung in eine günstigere Steuerklasse aus Anlaß seiner Eheschließung beantragt hat, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Das ist auch nicht erforderlich gewesen. Denn selbst im Falle einer solchen Antragstellung hätte der Kläger die mit der Einordnung in eine günstigere Steuerklasse im wirtschaftlichen Ergebnis verbundene Erhöhung seines Nettoarbeitsentgelts auch für den Monat Juni 1974 nicht mehr in diesem Zeitraum erzielt. Der Arbeitgeber hat eine etwaige Ergänzung der Lohnsteuerkarte nicht mehr berücksichtigen können. Die Durchführung eines Lohnsteuer-Jahresausgleichs ist erst nach dem 31. Dezember 1974 und damit ebenfalls nicht während des hier maßgeblichen Bemessungszeitraums zulässig gewesen. Ohne Rücksicht auf das vom LSG nicht festgestellte Verhalten des Klägers kann demnach schon aus rechtlichen Gründen die Tatsache der Eheschließung bei der Ermittlung der am Nettoarbeitsentgelt orientierten Höhe des Übergangsgeldes nicht berücksichtigt werden.
Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt diese Konsequenz der Verweisung des § 18 Abs. 1 AVG auf § 182 Abs. 4 und 5 RVO nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Diese Verfassungsnorm verbietet dem Gesetzgeber eine ohne sachlich zureichenden Grund getroffene Differenzierung von im wesentlichen gleichliegenden Sachverhalten oder Nichtdifferenzierung von im wesentlichen verschiedenen Sachverhalten (BVerfGE 25, 193, 205). Er besitzt jedoch eine weitgehende Freiheit bei der Bestimmung der Merkmale derjenigen Vergleichspaare, die für Gleichheit oder Ungleichheit der gesetzlichen Regelung maßgeblich sein sollen (BVerfGE 35, 263, 272). Dabei steht dem Gesetzgeber im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit ein noch größerer Gestaltungsspielraum zu als auf dem Gebiete der Eingriffsverwaltung (BVerfGE 17, 210, 216; 36, 230, 235; jeweils m.w.N.). Die Anknüpfung an das während des Bemessungszeitraums tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt bei der Berechnung des Übergangsgeldes überschreitet den Rahmen dieser Gestaltungsfreiheit nicht. Sie ist insbesondere angesichts der Lohnersatzfunktion des Übergangsgeldes sachgerecht und bietet die Gewähr für ein praktikables und im Interesse des Rehabilitanden beschleunigtes Verwaltungsverfahren. Eine generelle Schlechterstellung Verheirateter durch Gleichbehandlung mit Ledigen wird durch sie nicht bewirkt. Allenfalls die zahlenmäßig kleine Gruppe derjenigen Rehabilitanden, die entweder erst nach der letzten Lohnabrechnung die Ehe geschlossen haben oder die zwar schon vorher verheiratet gewesen sind, bis zum Zeitpunkt der letzten Lohnabrechnung aber eine Ergänzung ihrer Lohnsteuerkarte noch nicht beantragt haben, müssen eine gewisse Benachteiligung in Kauf nehmen. Diese Besonderheit hat der Gesetzgeber jedoch im Rahmen einer notwendigerweise generalisierenden und pauschalierenden Regelung ohne Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes vernachlässigen dürfen. Dies steht dem Anspruch des Klägers auf andersartige Berechnung des Übergangsgeldes für die Zeit ab 1. Oktober 1974 entgegen.
Dasselbe gilt für den Anspruch des Klägers auf Neuberechnung des Übergangsgeldes ab 1. Dezember 1974 unter Berücksichtigung der Geburt seines Sohnes am 13. November 1974. Dies ergibt sich aus den vorstehend dargelegten Erwägungen und muß um so mehr gelten, als noch nicht einmal die Personenstandsveränderung, deren nachträgliche Berücksichtigung der Kläger begehrt, während des maßgebenden Bemessungszeitraums (Juni 1974) eingetreten ist.
Die Revision des Klägers kann nach alledem nicht zum Erfolg führen. Hingegen wendet sich die Beklagte zu Recht gegen ihre Verurteilung zur Zahlung eines unter Berücksichtigung eines steuerfreien Einkommensbetrages von monatlich DM 76,-- errechneten Übergangsgeldes bereits für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 1975. Rechtsgrundlage für die Neuberechnung des Übergangsgeldes für die Zeit ab 1. Januar 1975 ist Art. 42 EG-EStRG. Hiernach wird, wenn Krankengeld oder Übergangsgeld in Höhe des Nettoentgeltes für eine Zeit nach dem 28. Februar 1975 zu zahlen ist und der Bemessungszeitraum ganz oder teilweise in der Zeit vor dem 1. Januar 1975 liegt, das regelmäßige kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt neu berechnet. Die Neuberechnung wird vorgenommen, indem das regelmäßige kalendertägliche Bruttoarbeitsentgelt (Regellohn) um die gesetzlichen Lohnabzüge vermindert wird, die nach dem am 1. Januar 1975 geltenden Recht und der Lohnsteuerkarte für das Kalenderjahr 1975 in Betracht kommen würden. Führt die Neuberechnung zu einem höheren Krankengeld oder Übergangsgeld, so ist dieses vom Leistungsbeginn, frühestens vom 1. Januar 1975 an, zu zahlen.
Die Voraussetzungen des Art. 42 Sätze 1 und 3 EG-EStRG für eine Neuberechnung des Übergangsgeldes und für die Gewährung eines höheren Betrages ab 1. Januar 1975 sind - wie durch den Erlaß des Bescheides vom 27. Mai 1975 auch die Beklagte anerkannt hat - erfüllt. Dies ist unter den Beteiligten nicht streitig. Streitig ist allein, ob und gegebenenfalls in welcher Weise der auf der Lohnsteuerkarte des Klägers mit Wirkung ab 1. Mai 1975 eingetragene Freibetrag von insgesamt DM 910,-- für das Kalenderjahr 1975 bei der Neuberechnung des Nettoarbeitsentgelts zu berücksichtigen ist. Insoweit kam der Senat weder der Meinung der Beklagten folgen, daß der Freibetrag unberücksichtigt bleiben müsse, noch der Ansicht des Berufungsgerichts, daß er bereits ab 1. Januar 1975 in monatlicher Höhe eines Zwölftels des Jahresbetrages zu berücksichtigen sei.
Die Ansicht der Beklagten, es könne nur der Freibetrag berücksichtigt werden, der mit Wirkung ab 1. Januar 1975 in die Lohnsteuerkarte eingetragen worden ist, ist schon mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht in Einklang zu bringen. Nach Art. 42 Satz 2 EG-EStRG ist der Regellohn einmal um die nach dem am 1. Januar 1975 geltenden Recht und zum anderen um die nach der Lohnsteuerkarte für das Kalenderjahr 1975 in Betracht kommenden Lohnabzüge zu mindern. Der Gesetzgeber hat damit für die in Betracht kommenden Lohnabzüge zwei unterschiedliche Zeitbestimmungen getroffen und voneinander abgegrenzt. Für die allein auf den geltenden Recht und nicht zugleich auf Eintragungen in der Lohnsteuerkarte beruhenden Lohnabzüge ist der 1. Januar 1975 maßgebend. Allenfalls insoweit kann es sich - was hier nicht abschließend entschieden zu werden braucht - um eine Stichtagsregelung des Inhaltes handeln, daß Rechtsänderungen nach dem 1. Januar 1975 nicht zu berücksichtigen sind. Hingegen ist ein Stichtag für die Berücksichtigung der in der Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnabzüge nicht bestimmt worden. Sie sind zur Minderung des Regellohns heranzuziehen, soweit sie "für das Kalenderjahr 1975" in Betracht kommen. Ob und unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, ist in Art. 42 EG-EStRG nicht geregelt. Vielmehr wird mit dieser Formulierung ein Bezug zum Steuerrecht - der schon darin zum Ausdruck kommt, daß Art. 42 EG-EStRG Bestandteil eines Steuergesetzes ist - hergestellt. Hiernach richtet es sich, welcher Lohnabzug nach der Lohnsteuerkarte für das Kalenderjahr 1975 in Betracht kommt. Nach § 39a Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes in der erstmalig für den Veranlagungszeitraum 1975 geltenden Fassung vom 5. September 1974 (EStG 1975; BGBl. I S. 2165) kann die Eintragung eines Freibetrages im Sinne des § 39a Abs. 1 EStG 1975 bis zum 30. November des Kalenderjahres beantragt werden, für das die Lohnsteuerkarte gilt. Der Freibetrag ist ein Jahresbetrag; er ist durch Aufteilung in Monatsfreibeträge, erforderlichenfalls in Wochen- oder Tagesfreibeträge jeweils auf die der Antragstellung folgenden Monate des Kalenderjahres gleichmäßig zu verteilen (§ 39a Abs. 2 Satz 5 EStG 1975). Lediglich der Jahresfreibetrag, der im Monat Januar eines Kalenderjahres beantragt wird, darf abweichend hiervon mit Wirkung vom 1. Januar des Kalenderjahres an eingetragen werden (§ 39a Abs. 2 Satz 6 EStG 1975).
Somit kann in die Lohnsteuerkarte ein Freibetrag selbst dann noch eingetragen werden, wenn dies erst am 30. November beantragt wird und der Freibetrag damit in einer Summe auf den Monat Dezember entfällt. Grundsätzlich in derselben Weise kommt im Sinne des Art. 42 Satz 2 EG-EStRG ein Freibetrag "für das Kalenderjahr 1975" in Betracht. Dies ist nicht etwa nur dann der Fall, wenn der Freibetrag mit Wirkung ab 1. Januar 1975 eingetragen und somit die Eintragung spätestens bis zum 31. Januar 1975 beantragt worden ist. Hierin würde eine entscheidende Abweichung vom Steuerrecht als dem vom Gesetzgeber selbst gewählten Anknüpfungspunkt für die Neuberechnung des Übergangsgeldes liegen. Sie hätte ausdrücklich geregelt werden müssen. Das ist nicht geschehen. Darüber hinaus wäre bei einer Auslegung des Art. 42 Satz 2 EG-EStRG im Sinne der Auffassung der Beklagten die gesonderte Erwähnung der nach der Lohnsteuerkarte in Betracht kommenden Lohnabzüge überflüssig. Auch sie beruhen auf dem ab 1. Januar 1975 geltenden Recht und hätten neben den hiernach in Betracht kommenden Lohnabzügen nicht besonders erwähnt zu werden brauchen, wenn sie zur Minderung des Regellohns nur insoweit herangezogen werden könnten, als sie bereits mit Wirkung ab 1. Januar 1975 in die Lohnsteuerkarte eingetragen worden sind.
Schon nach dem Wortlaut des Art. 42 Satz 2 EG-EStRG und seinem systematischen Zusammenhang mit dem Steuerrecht ist somit der Regellohn im Grundsatz um diejenigen Lohnabzüge zu mindern, denen Eintragungen in die Lohnsteuerkarte im Verlaufe des Kalenderjahres 1975 zugrundeliegen, auch wenn diese Eintragungen nicht schon zum 1. Januar 1975 wirksam geworden sind. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Der Regierungsentwurf des EG-EStRG hat vorgesehen, daß Kranken- und Übergangsgeld, welches auf das Nettoarbeitsentgelt begrenzt ist, für Bezugszeiten nach dem 31. Dezember 1974 auf Antrag insoweit neu zu berechnen ist, als sich aufgrund des EStRG ein höheres Nettoarbeitsentgelt ergibt (damals Art. 37; vgl. BT-Drucks. 7/2722, S. 22). Dies ist damit begründet worden, daß die Nettoarbeitsentgelte nach Inkrafttreten des EStRG vor allem bei Ledigen und Verheirateten ohne Kinder vielfach merklich höher seien als nach bisher geltendem Einkommenssteuerrecht und demzufolge das durch das Nettoarbeitsentgelt begrenzte Kranken- bzw. Übergangsgeld unter der Geltung des neuen Einkommensteuerrechts höher sei als das Kranken- und Übergangsgeld eines Leistungsbeziehers in vergleichbarer Einkommenssituation, dessen Maßnahme bereits vor dem 1. Januar 1975 begonnen habe. Damit den Leistungsverbesserungen aufgrund des EStRG Rechnung getragen werden könne, der Verwaltungsaufwand aber in Grenzen gehalten werde, sei eine Neuberechnung des Kranken- bzw. Übergangsgeldes auf Antrag vorgesehen (a.a.O., S. 37). Seine geltende Fassung hat Art. 42 (damals Art. 37) EG-EStRG während der Beratungen des Gesetzesentwurfs im Finanzausschuß erhalten (vgl. BT-Drucks. 7/2931, S. 43). Dadurch hat unter Beibehaltung des vom Regierungsentwurf verfolgten Zieles, die Entlastungen der Einkommensteuerreform auch an Kranke und Rehabilitanden weiterzugeben, die verwaltungsmäßige Durchführung der Neuberechnungen vereinfacht werden sollen. Auf das Antragserfordernis ist zugunsten einer gleichmäßigen Behandlung aller Berechtigten verzichtet worden (vgl. BT-Drucks. 7/2945, S. 5 f.). Den Gesetzesmotiven ist demnach nicht zu entnehmen, daß bei der Neuberechnung des Nettoarbeitsentgeltes lediglich die bereits mit Wirkung ab 1. Januar 1975 in die Lohnsteuerkarte eingetragenen Freibeträge zu berücksichtigen sind. Sie stehen dieser Ansicht sogar entgegen. Denn in diesem Falle würde die vom Gesetzgeber erstrebte gleichmäßige Behandlung der Berechtigten verhindert und nur ein geringer Teil von ihnen in die Verbesserungen durch die Reform der Einkommensteuer einbezogen. Dabei ist zusätzlich zu bedenken: Das EG-EStRG ist in dem am 24. Dezember 1974 ausgegebenen Bundesgesetzblatt Nr. 141 und damit erst eine Woche vor seinem Inkrafttreten verkündet worden. Der Zeitraum zwischen der Verkündung des Gesetzes und dem 31. Januar 1975 hat wenig mehr als 5 Wochen betragen. Innerhalb dieses relativ kurzen Zeitraums hätten Rehabilitanden, um auf ihrer Lohnsteuerkarte bereits mit Wirkung ab 1. Januar 1975 Freibeträge eintragen zu lassen, nicht nur von Art. 42 EG-EStRG Kenntnis erlangen und die Eintragung eines Freibetrages beantragen müssen (vgl. § 39a Abs. 2 Satz 6 EStG 1975). Sie hätten vielmehr darüber hinaus, obgleich hierzu bis dahin keine Veranlassung bestanden hat, erst einmal die Ausschreibung einer Lohnsteuerkarte beantragen müssen. Denn grundsätzlich hat die Gemeindebehörde Lohnsteuerkarten nur für Arbeitnehmer auszuschreiben (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG 1974; § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 LStDV 1971). Rehabilitanden sind keine Arbeitnehmer. Bei dieser Sachlage hat bereits im Zeitpunkt der Verkündung des EG-EStRG damit gerechnet werden müssen, daß bis zum 31. Januar 1975 nur ein geringer Teil der Rehabilitanden die Ausschreibung einer Lohnsteuerkarte und die Eintragung eines Freibetrages beantragen werden. Dieser auch dem Gesetzgeber voraussehbaren Erkenntnis würde es widersprechen, wenn gleichwohl gemäß der Ansicht der Beklagten bei der Neuberechnung des Übergangsgeldes nur die mit Wirkung ab 1. Januar 1975 auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen und somit spätestens am 31. Januar 1975 beantragten Freibeträge berücksichtigt werden könnten. Dies würde im Ergebnis zu einem vom Gesetzgeber gerade nicht gewollten Ausschluß des überwiegenden Teils der Rehabilitanden von den Verbesserungen der ab 1. Januar 1975 eingeführten Reform der Einkommenssteuer führen.
Nach seinem Wortlaut, systematischen Zusammenhang, Sinn und Zweck ist demnach Art. 42 EG-EStRG dahingehend auszulegen, daß grundsätzlich bei der Neuberechnung des Nettoarbeitsentgelts die Eintragungen in der Lohnsteuerkarte zu berücksichtigen sind, deren Vornahme im Verlaufe des Kalenderjahres 1975 nach steuerrechtlichen Vorschriften zulässig ist und tatsächlich erfolgt. In einer Hinsicht muß dieser Grundsatz allerdings eine Einschränkung erfahren. Im Rahmen des Art. 42 EG-EStRG braucht die Beklagte nur diejenigen Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte zu berücksichtigen, die bis zum Zeitpunkt der ersten Neuberechnung des Übergangsgeldes in der Zeit nach dem 1. Januar 1975 erfolgt sind.
Zur abermaligen Neuberechnung unter Berücksichtigung nachträglicher Eintragungen oder nachträglicher Änderungen der Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte ist sie nicht verpflichtet. Dies würde dem vom Gesetzgeber ebenfalls verfolgten Ziel einer Vereinfachung der verwaltungsmäßigen Durchführung der Neuberechnungen (vgl. BT-Drucks. 7/2945, S. 6) widersprechen und ist auch vom Interesse der Rehabilitanden her nicht zwingend geboten. Diese werden im allgemeinen bis zum Zeitpunkt der Neuberechnung des Übergangsgeldes die Eintragung der für sie in Betracht kommenden Freibeträge in die Lohnsteuerkarte veranlaßt und damit die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die Verbesserungen der Einkommensteuerreform geschaffen haben. Die Einzelfälle, in denen dies ausnahmsweise nicht geschehen ist, müssen im Rahmen einer notwendigerweise generalisierenden Betrachtungsweise und im Interesse der Praktikabilität des Neuberechnungsverfahrens vernachlässigt werden.
Die Beklagte ist hiernach grundsätzlich zur Berücksichtigung des in die Lohnsteuerkarte des Klägers eingetragenen Freibetrages von DM 910,-- bei der Neuberechnung des Übergangsgeldes verpflichtet. Sie hat diese Neuberechnung mit Bescheid vom 27. Mai 1975 vorgenommen. Der Freibetrag ist für die Monate Mai bis Dezember 1975 eingetragen worden. Die Eintragung ist demnach im April 1975 (§ 39a Abs. 2 Satz 5 EStG) und somit vor dem Erlaß des Bescheides vom 27. Mai 1975 erfolgt.
Der Jahresfreibetrag von DM 910,-- ist aber nicht in der nach Auffassung des Berufungsgerichts gebotenen Weise mit jeweils einem Zwölftel (= DM 76,--) monatlich ab 1. Januar 1975 zu berücksichtigen. Zutreffend hat die Beklagte auf die bei einer solchen Berechnungsweise gegebenen Möglichkeiten einer ungerechtfertigten steuerrechtlichen Bevorteilung des Rehabilitanden für den Fall hingewiesen, daß dieser im Verlaufe des Kalenderjahres 1975 eine lohnsteuerpflichtige Beschäftigung aufnimmt. Nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Lohnsteuerkarte hätte dann der Arbeitgeber bei der Berechnung des Nettoarbeitsentgelts einen monatlichen Freibetrag von mehr als einem Zwölftel - im Falle der Eintragung mit Wirkung ab 1. Mai 1975 ein Achtel - des Jahresbetrages zu berücksichtigen, obgleich auch schon in der Zeit vor der Wirksamkeit der Eintragung in die Lohnsteuerkarte monatlich ein Zwölftel des Jahresfreibetrages berücksichtigt worden ist. Der Ansicht des Berufungsgerichts kann ferner und vor allem aus rechtssystematischen Gründen nicht gefolgt werden. Art. 42 EG-EStRG steht - wie bereits ausgeführt - nach Systematik und sachlichem Inhalt in unlösbarem Zusammenhang mit dem Steuerrecht. Er enthält keine eigenständige Regelung über die Art der Neuberechnung des Übergangsgeldes. Vielmehr bezieht er insofern seinen sachlichen Gehalt aus dem Steuerrecht. Das gilt nicht nur für das materielle Steuerrecht im engeren Sinne, sondern ebenso für dessen Regelungen über die Wirkung steuerrechtlicher Entscheidungen. Zu diesen Regelungen gehört u.a. der speziell im Lohnsteuerrecht geltende Grundsatz der Maßgeblichkeit der Lohnsteuerkarte. Primär begründet er eine Bindung des Arbeitgebers an die Eintragungen in der Lohnsteuerkarte bei der Berechnung des Nettoarbeitsentgelts eines lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmers. Der Rehabilitand ist weder lohnsteuerpflichtiger Arbeitnehmer, noch ist der Rehabilitationsträger Arbeitgeber. Gleichwohl gilt auch für ihre Rechtsbeziehungen der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Lohnsteuerkarte. Dies folgt aus der engen Verbindung des Art. 42 EG-EStRG mit dem Steuerrecht und ist auch vom Sinn und Zweck der Vorschrift her geboten. Die Vorteile der am 1. Januar 1975 in Kraft gesetzten Reform der Einkommensteuer kommen unmittelbar nur den Beziehern steuerpflichtiger Einkünfte zugute. Ihnen sollen durch Art. 42 EG-EStRG u.a. die Empfänger von Übergangsgeld jedenfalls partiell gleichgestellt und sie damit ebenfalls in die Verbesserungen des neuen Einkommensteuerrechts einbezogen werden. Diese Gleichstellung wäre nicht mehr gewährleistet, wenn bei Empfängern von Übergangsgeld das Nettoarbeitsentgelt ohne Bindung an die Eintragungen in der Lohnsteuerkarte und damit nach anderen Grundsätzen als bei Beziehern lohnsteuerpflichtiger Einkünfte berechnet werden könnte. Schon dies gebietet eine Heranziehung des Grundsatzes der Maßgeblichkeit der Lohnsteuerkarte auch im Rahmen des Art. 42 EG-EStRG. Das hat überdies den Vorteil der Verwaltungsvereinfachung für sich und vermeidet divergierende Entscheidungen. Durch seine Bindung an die Eintragungen durch die Finanzbehörden ist der Rehabilitationsträger der Notwendigkeit eigener Feststellungen und Entscheidungen enthoben.
In die Lohnsteuerkarte des Klägers ist ein Freibetrag erst mit Wirkung ab 1 Mai 1975 eingetragen worden. Somit braucht die Beklagte vor diesem Zeitpunkt einen Freibetrag nicht zu berücksichtigen. Sie hat bei der Berechnung des Übergangsgeldes des Klägers für die Zeit ab 1. Januar 1975 den Regellohn zunächst nur um die nach dem am 1. Januar 1975 geltenden Recht in Betracht kommenden Lohnabzüge zu mindern. Dies ist im angefochtenen Bescheid vom 27 Mai 1975 geschehen. Erst für die Zeit ab 1. Mai 1975 hat die Beklagte zusätzlich den Freibetrag von DM 910,-- zu berücksichtigen. Ihm entspricht im Mittel der Monate Mai bis Dezember 1975 ein Betrag von ca. DM 114,-- monatlich. An sich wäre dieser Freibetrag bei der Neuberechnung des monatlichen Nettoarbeitsentgelts des Klägers ab 1. Mai 1975 zu berücksichtigen. Das Berufungsgericht hat - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig - die Beklagte zur Berücksichtigung eines Freibetrages von lediglich DM 76,-- pro Monat verpflichtet. Hiergegen hat allein die Beklagte Revision eingelegt; der Kläger hat insofern das Urteil des LSG nicht angefochten. Der Senat ist deswegen durch das Verbot der Schlechterstellung des Rechtsmittelklägers (reformatio in peius) gehindert, die Beklagte zur Berücksichtigung eines Freibetrages von monatlich DM 114,-- zu verpflichten. Vielmehr muß es für die Zeit ab 1. Mai 1975 bei der Verurteilung zur Berücksichtigung eines monatlichen Freibetrages von DM 76,-- sein Bewenden haben. Für die vorhergehende Zeit bis zum 30. April 1975 besteht eine solche Verpflichtung nicht. In diesem Umfange führt die Revision der Beklagten zum Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 518691 |
BSGE, 203 |