Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Ehegattensplitting für Alleinstehende mit Kindern. Kinderlastenausgleich für Berufstätige, alleinerziehende Elternteile verfassungswidrig. altes Recht bis 31.12.1984 anwendbar
Leitsatz (amtlich)
1.Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG gebietet es nicht, das Ehegattensplitting auf die Besteuerung von Alleinstehenden mit Kindern auszudehnen.
2.Im Einkommensteuerrecht darf aber nicht außer acht bleiben, daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berufstätiger Alleinstehender mit Kindern durch zusätzlichen zwangsläufigen Betreuungsaufwand gemindert sein kann, der bei Ehepaaren typischerweise nicht entsteht oder – bei Berufstätigkeit beider Ehepartner – leichter getragen werden kann.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; EStG § 32 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 4, §§ 32a, 33, 53a; BKGG § 10
Verfahrensgang
Tenor
1. § 32 a des Einkommensteuergesetzes in den Fassungen vom 1. Dezember 1971 (Bundesgesetzbl. I S. 1881), vom 5. September 1974 (Bundesgesetzbl. I S. 2165), vom 5. Dezember 1977 (Bundesgesetzbl. I S. 2365), vom 21. Juni 1979 (Bundesgesetzbl. I S. 721) und vom 6. Dezember 1981 (Bundesgesetzbl. I S. 1249) ist mit Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes insoweit nicht vereinbar, als er für zusammenzuveranlagende Ehegatten eine steuerliche Entlastung durch die Anwendung des Splittingtarifs vorsieht, während einer verminderten steuerlichen Leistungsfähigkeit alleinerziehender Elternteile auch unter Berücksichtigung anderer steuerlicher Entlastungsmaßnahmen nicht hinreichend Rechnung getragen wird.
2. Die gemäß § 32 a des Einkommensteuergesetzes in den unter 1. genannten Fassungen maßgebliche Grundtabelle kann bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens bis zum 31. Dezember 1984, im Wege der vorläufigen Festsetzung der Einkommensteuer (§ 165 Abgabenordnung) für alleinerziehende Elternteile weiter angewendet werden.
3. Die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 7. April 1978 – VI R 142/76 –und vom 22. September 1978 – VI R 146/76 –, des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 18. Juli 1979 – V 240/77 – und des Finanzgerichts München vom 6. Februar 1980 – I 364/78 – E – verletzen die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sachen werden an die genannten Gerichte zurückverwiesen.
4. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
A.
Die Beschwerdeführer sind verwitwet oder unverheiratet. Zu ihrem Haushalt gehören ein oder mehrere minderjährige Kinder. Sie halten die von ihnen zu entrichtende Einkommensteuer im Vergleich zu der von Ehepaaren nach dem Splittingtarif zu zahlenden für unangemessen hoch. Die Beschwerdeführer sehen hierdurch den Schutz der Familie, das Prinzip der Steuergerechtigkeit und damit den Gleichheitssatz sowie das Sozialstaatsprinzip verletzt.
I.
Die Einkommensteuer alleinstehender (verwitweter, geschiedener, getrenntlebender oder unverheirateter) Eltern mit mindestens einem Kind (Halbfamilie) ergibt sich grundsätzlich aus der dem Einkommensteuergesetz (EStG) beigegebenen Grundtabelle. Demgegenüber findet für zusammenveranlagte Ehegatten die niemals ungünstigere, in aller Regel aber günstigere Splittingtabelle Anwendung.
1. In den Streitjahren galten folgende Vorschriften:
a) Für 1973 (EStG 1971 in der Fassung vom 1. Dezember 1971 [BGBl. I S. 1881]):
§ 32 a
Tarif
(1) Die zu veranlagende Einkommensteuer ergibt sich, vorbehaltlich der §§ 34, 34 b und 34 c, aus der diesem Gesetz beigefügten Anlage (Einkommensteuertabelle).
(2) Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26 b zusammen veranlagt werden, ist die Einkommensteuer in der Weise zu ermitteln, daß die Einkommensteuer von der Hälfte des zu versteuernden Einkommensbetrags nach Absatz 1 errechnet und der sich ergebende Betrag sodann verdoppelt wird.
(3) Absatz 2 gilt auch bei einer verwitweten Person, wenn bei ihr und ihrem verstorbenen Ehegatten im Zeitpunkt seines Todes die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 vorgelegen haben,
- für den Veranlagungszeitraum, der dem Veranlagungszeitraum folgt, in dem der Ehegatte verstorben ist,
- für spätere Veranlagungszeiträume, in denen die verwitwete Person einen Kinderfreibetrag für ein Kind erhält, das aus der Ehe mit dem Verstorbenen hervorgegangen ist oder für das mindestens einer der Ehegatten auch in dem Veranlagungszeitraum, in dem der Ehegatte verstorben ist, einen Kinderfreibetrag (Kinderermäßigung) erhalten hatte.
(4) …
b) Für 1975 und 1976 (EStG 1975 in der Fassung vom 5. September 1974 [BGBl. I S. 2165]):
§ 32 a
Einkommensteuertarif
(1) Die tarifliche Einkommensteuer bemißt sich nach dem zu versteuernden Einkommen. Sie beträgt …
(2)…
(3)…
(4) Für zu versteuernde Einkommen bis 130.019 Deutsche Mark ergibt sich die nach den Absätzen 1 bis 3 berechnete tarifliche Einkommensteuer aus der diesem Gesetz beigefügten Anlage 1 (Einkommenteuer-Grundtabelle).
(5) Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26 b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, beträgt die tarifliche Einkommensteuer vorbehaltlich der §§ 32 b, 34 und 34 b das Zweifache des Steuerbetrags, der sich für die Hälfte ihres gemeinsam zu versteuernden Einkommens nach den Absätzen 1 bis 3 ergibt (Splitting-Verfahren). Für zu versteuernde Einkommen bis 260.039 Deutsche Mark ergibt sich die nach Satz 1 berechnete tarifliche Einkommensteuer aus der diesem Gesetz beigefügten Anlage 2 (Einkommensteuer-Splittingtabelle).
(6) Das Verfahren nach Absatz 5 ist auch anzuwenden zur Berechnung der tariflichen Einkommensteuer für das zu versteuernde Einkommen
- bei einem verwitweten Steuerpflichtigen für den Veranlagungszeitraum, der dem Kalenderjahr folgt, in dem der Ehegatte verstorben ist, wenn der Steuerpflichtige und sein verstorbener Ehegatte im Zeitpunkt seines Todes die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 erfüllt haben,
bei einem Steuerpflichtigen, dessen Ehe in dem Kalenderjahr, in dem er sein Einkommen bezogen hat, durch Tod, Scheidung oder Aufhebung aufgelöst worden ist, wenn in diesem Kalenderjahr
- der Steuerpflichtige und sein bisheriger Ehegatte die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 erfüllt haben,
- der bisherige Ehegatte wieder geheiratet hat und
- der bisherige Ehegatte und dessen neuer Ehegatte ebenfalls die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 erfüllen.
Voraussetzung ist, daß der Steuerpflichtige nicht nach den §§ 26, 26 a getrennt zur Einkommensteuer veranlagt wird.
c) Das Einkommensteuergesetz 1977 in der Fassung vom 5. Dezember 1977 (BGBl. I S. 2365) brachte einen neuen Tarif. Dieser galt jedoch nach § 52 Abs. 25 EStG 1977 erstmals für den Veranlagungszeitraum 1978, so daß für das Streitjahr 1977 der für 1975 und 1976 maßgebende Tarif weiter wirksam war.
2. Die Anwendung des Splittingtarifs führt zu einer günstigeren Besteuerung als die Anwendung der Grundtabelle, weil der Splittingtarif nicht nur einen, sondern zwei Grundfreibeträge berücksichtigt und darüber hinaus zu einer Kappung der Progression führt. Der Grundfreibetrag soll das Existenzminimum des Steuerpflichtigen steuerfrei lassen. Dieser Betrag machte 1965 bis 1974 1.680 DM, von 1975 bis 1977 3.000 DM aus; ab 1982 wurde er auf 4.212 DM erhöht. Die nach der Splittingtabelle vorgeschriebene Berechnung der Einkommensteuer – Halbierung des Gesamteinkommens der zusammenzuveranlagenden Ehegatten, Ablesen der Steuer aus der Grundtabelle für das halbierte Einkommen und Multiplikation dieses Steuerbetrags mit 2 – führt dazu, daß die Progression bei Anwendung des Splittingstarifs später einsetzt und langsamer ansteigt als bei Anwendung der Grundtabelle. In den Jahren 1965 bis 1974 betrug der Proportionalsteuersatz 19 v. H. und war anwendbar für zu versteuernde Einkommen bis 8.000 DM. Bei höheren Einkommen stieg der Steuersatz von 19 v. H. bis 53 v. H. progressiv an. Eine Besteuerung nach der Splittingtabelle hatte mithin den Vorzug, daß die Progression erst ab 16.000 DM einsetzte und sodann entsprechend langsamer anstieg. Ab 1975 betrug der Proportionalsteuersatz 22 v. H., die Proportionalzone reichte bei Anwendung der Grundtabelle bis 16.000 DM, bei Anwendung der Splittingtabelle bis 32.000 DM. Bei Überschreiten dieser Beträge setzte die Progression mit einem Anfangssteuersatz von 30,8 v. H. ein und steigerte sich bis zum Spitzensteuersatz von 56 v. H.
3. Der Gesetzgeber versucht der besonderen Belastung der Alleinstehenden mit Kindern dadurch Rechnung zu tragen, daß er diesem Personenkreis einen besonderen Freibetrag (Haushaltsfreibetrag) einräumt, der vor Anwendung der Einkommensteuer-Grundtabelle abgesetzt wird. Dieser Freibetrag belief sich im Streitjahr 1973 auf 1.200 DM (§ 32 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b EStG 1971). Er wurde mit Wirkung ab 1975 auf 3.000 DM aufgestockt (§ 32 Abs. 3 Nr. 2 EStG 1975).
Ab 1982 ist dieser Haushaltsfreibetrag auf 4.212 DM erhöht worden (Art. 1 Nr. 6 Buchst. b und Nr. 15 Buchst. h des Gesetzes zur Steuerentlastung und Familienförderung vom 16. August 1980 [BGBl. I S. 1381]).
Durch Einräumung des Haushaltsfreibetrags wird den Halbfamilien ein Teil der sich aus der Anwendung des Splittingtarifs ergebenden Vergünstigungen zuteil, nämlich je nach Verhältnis zwischen Grundfreibetrag und Haushaltsfreibetrag die volle oder teilweise Begünstigung, die der Splittingtarif durch Berücksichtigung des zweiten Grundfreibetrags mit sich bringt. Der Grundfreibetrag betrug 1973 1.680 DM und 1975 3.000 DM. Keinen Ausgleich erhalten die Alleinstehenden mit Kindern für die Splittingvergünstigung, die zusammenzuveranlagende Ehegatten durch die später einsetzende und langsamer ansteigende Progression erfahren.
Trotz Gewährung des zusätzlichen Haushaltsfreibetrags hat danach ein Alleinstehender mit Kindern gegenüber einem zusammenzuveranlagenden Ehepaar mit entsprechender Kinderzahl eine einkommensteuerliche Mehrbelastung hinzunehmen. Diese steigt mit der Höhe der Einkünfte, weil den alleinerziehenden Eltern die Progressionsmilderung nicht zugute kommt.
4. Aufwendungen für den Unterhalt von Kindern werden bei Alleinerziehenden ebenso wie bei Eheleuten berücksichtigt. Bis 1974 wurden Kinderfreibeträge gewährt, die das Existenzminimum des unterhaltenen Kindes steuerfrei lassen sollten. Diese betrugen gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 4 EStG 1971 für das erste Kind 1.200 DM, für das zweite Kind 1.680 DM, für jedes weitere Kind 1.800 DM.
Ab 1975 ist an die Stelle der Kinderfreibeträge das Kindergeld getreten, das gemäß § 10 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) in der Fassung vom 31. Januar 1975 (BGBl. I S. 412) für das erste Kind auf 50 DM, für das zweite Kind auf 70 DM und für das dritte und jedes weitere Kind auf je 120 DM monatlich festgesetzt wurde.
5. Aufwendungen für die Beschäftigung von Hilfspersonal können Alleinstehende mit Kindern in gleicher Weise wie Ehepaare mit Kindern steuerlich absetzen. In den Streitjahren 1973, 1975, 1976 und 1977 konnten für die Beschäftigung einer Hausgehilfin als außergewöhnliche Belastung (§ 33 a Abs. 3 EStG) monatlich höchstens 100 DM, jährlich 1.200 DM abgezogen werden, für die stundenweise Beschäftigung einer Haushaltshilfe die Hälfte dieses Betrags. Voraussetzung für den Abzug dieser Aufwendungen war nach der ursprünglichen Rechtslage, daß mindestens zwei Kinder vorhanden waren. Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 1977 (BVerfGE 47, 1) ) wurde diese Bestimmung für die Veranlagungszeiträume vor 1980 rückwirkend dahin abgeändert, daß der Betrag von 1.200 DM oder 600 DM auch schon dann zu gewähren ist, wenn zum Haushalt des Steuerpflichtigen nur ein Kind gehörte und die Beschäftigung einer Hausgehilfin/Haushaltshilfe zwangsläufig war (Art. 1 Nr. 22 Steueränderungsgesetz 1979 [BGBl. 1978 I S. 1849] = § 53 a EStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 1979 – EStG 1979 – [BGBl. I S. 721]). Seit dem Veranlagungszeitraum 1980 sind für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung und zur Betreuung eines Kindes jährlich je Kind 600 DM, bei zusammenveranlagten Ehegatten 1.200 DM steuerlich absetzbar (§ 33 a Abs. 3 und § 52 Abs. 25 EStG 1979).
II.
Den Verfassungsbeschwerden liegen folgende Sachverhalte zugrunde:
1. 1 BvR 620/78
Der Beschwerdeführer zu 1) ist seit 1971 verwitwet. Er bezog im Streitjahr 1976 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in einer Höhe, die im Progressionsbereich lag. Von seinen fünf Kindern wurden ihm die vier jüngeren im Alter von 8, 11, 13 und 26 Jahren steuerlich zugerechnet, weil sie noch die Schule besuchten öder studierten. Auf der Lohnsteuerkarte des Beschwerdeführers war für 1976 nach § 39 Abs. 3 EStG 1975 die Steuerklasse II/4 (Grundtabelle) eingetragen, während er bis einschließlich 1974 als Verwitweter mit Kindern in den Genuß der Steuerklasse III (Splittingtabelle) gekommen war.
Das Verlangen des Beschwerdeführers auf Eintragung der Steuerklasse III/4 war ebenso erfolglos wie sein Hilfsantrag, ihm für die Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen Kindern als außergewöhnliche Belastung (§ 33 ff. EStG) einen Freibetrag zu gewähren, den der Beschwerdeführer anhand seiner zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung errechnet hatte. Der Bundesfinanzhof führte in dem der Verfassungsbeschwerde zugrunde liegenden Urteil (vom 7. April 1978 – VI R 142/76 – [BStBl II S. 388]) aus, dem Beschwerdeführer könne als Verwitwetem die Splittingvergünstigung und damit die Steuerklasse III nicht zuerkannt werden, weil das Gesetz diese Möglichkeit ab 1975 für Verwitwete mit Kindern nicht mehr vorsehe (§ 32 a Abs. 5 und 6 EStG 1975). Selbst wenn man sich den verfassungsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers gegen die gesetzliche Neuregelung anschlösse, könnten diese nur im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer errechnet seine Mehrbelastung gegenüber einem in die Steuerklasse III/4 eingestuften Steuerpflichtigen mit 8.820 DM und gegenüber einem kinderlosen in die Steuerklasse III/0 einzustufenden Ehepaar auf 8.340 DM.
2. 1 BvR 1335/78
Die Beschwerdeführerin zu 2) ist unverheiratet. Sie erzielte im Streitjahr 1973 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in einer Höhe, die in der Progressionszone lag. Ihr Sohn war damals sieben Jahre alt, wohnte in ihrem Haushalt und wurde von ihr unterhalten. Der Vater zahlte damals keinen Unterhalt. Nach Feststellung der Vaterschaft 1975 oder 1976 leistete der Vater für den Unterhaltsbeitrag eine Nachzahlung. Für das Jahr 1973 veranlagte das Finanzamt die Beschwerdeführerin zur Einkommensteuer nach der Grundtabelle. Die Beschwerdeführerin verlangte demgegenüber bei Verwaltung und Gerichten erfolglos eine Berechnung der Steuer nach dem Splittingtarif. Bei Anwendung der Splittingtabelle – ohne Berücksichtigung des Sonderfreibetrags für Alleinstehende mit Kindern – hätte die Beschwerdeführerin für 1973 3.256 DM weniger Einkommensteuer zahlen müssen.
Der Bundesfinanzhof führte aus: Die Fachgerichte seien außerstande, der Beschwerdeführerin entgegen den gesetzlichen Vorschriften die nur für zusammenlebende Ehegatten und – damals – für Verwitwete mit Kindern geltende Splittingvergünstigung zuzuerkennen. Der Bundesfinanzhof habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die Einzelveranlagung dauernd getrennt lebender Eheleute mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Entsprechendes müsse für die unterschiedliche Behandlung von Ledigen mit Kindern gegenüber zusammenveranlagten Ehegatten gelten.
3. 1 BvR 1104/79
Die Beschwerdeführerin zu 3) ist seit 1966 verwitwet. Sie betreibt eine Apotheke und erzielte im Streitjahr 1975 ein Einkommen, das in der Progressionszone lag. Ihr 1963 geborener Sohn besuchte 1975 eine mit einem Internat verbundene Schule. Er ist Legastheniker und bedarf deshalb besonderer Betreuung bei den Schulaufgaben. Hierzu ist seine Mutter aufgrund ihrer Berufstätigkeit nicht in der Lage. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 1975 berechnete das Finanzamt als Folge der geänderten Vorschriften die Steuer erstmals nicht nach der Splitting-, sondern nach der Grundtabelle. Die Beschwerdeführerin hält den Wegfall der Splittingvergünstigung für Verwitwete mit Kindern und die sich hieraus nach den Berechnungen ihres Steuerberaters im Streitjahr ergebende Mehrbelastung von etwa 5.000 DM nicht für verfassungsgemäß. Ihr Einspruch und ihre Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht hielt die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht für stichhaltig. Bei Alleinstehenden mit Kindern fehle es an einem gemeinschaftlich erwirtschafteten Familieneinkommen, so daß für die Gewährung des Splittings keine Grundlage vorhanden sei. Es werde zwar nicht verkannt, daß die steuerliche Leistungsfähigkeit Alleinerziehender im Einzelfall geringer sein könne als die zusammenveranlagter Ehegatten; das reiche jedoch nicht aus, um in der Versagung der Splittingvergünstigung einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen.
4. 1 BvR 363/80
Der Beschwerdeführer zu 4) betreibt einen Brennstoffhandel und erzielte hieraus im Streitjahr 1977 ein Einkommen, das im Progressionsbereich lag. Er ist seit 1975 verwitwet. Aus der Ehe sind fünf Kinder hervorgegangen, die 1977 das 15., 13., 9., 8. und 6. Lebensjahr vollendet hatten. Zur Betreuung der Kinder und zur Versorgung des Haushalts beschäftigte er im Streitjahr nacheinander verschiedene Hilfspersonen, da er wegen der großen Arbeitslast eine Wirtschafterin in Dauerstellung nicht gewinnen konnte. Für die Hilfskräfte wendete er im Streitjahr 1977 insgesamt 19.677,70 DM an Barlohn auf. Die Aufwendungen für die Urlaubsvertretung schätzt er auf weitere 2.600 DM.
Bei der Veranlagung für 1977 berücksichtigte das Finanzamt von den Kosten für das Hilfspersonal nach § 33 a Abs. 3 EStG 1977 einen Betrag von 1.200 DM. Die vorgeschriebene Anwendung der Grundtabelle führte unter Berücksichtigung des Haushaltsfreibetrags für Alleinstehende mit Kindern gegenüber der Anwendung des Splittingtarifs für den Beschwerdeführer zu einer Mehrsteuer von 6.134 DM.
Gegenüber Finanzamt und Finanzgericht machte der Beschwerdeführer geltend, er sei gegenüber einem kinderlosen Ehepaar in einer Weise belastet, die sich mit einer an der Leistungsfähigkeit orientierten Besteuerung nicht rechtfertigen lasse.
Das Finanzgericht wies die Klage ab. Das Gericht sei an das Gesetz gebunden. Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt, weil die angegriffene Regelung jedenfalls bei typisierender Betrachtung noch im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liege.
III.
Gegen die in den Ausgangsverfahren ergangenen Entscheidungen richten sich die Verfassungsbeschwerden.
1. Die Beschwerdeführer zu 1) und 4) sind der Auffassung, die Besteuerung Alleinstehender mit Kindern, besonders aber der Verwitweten mit Kindern, verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Diese Vorschrift schütze auch die Alleinerziehenden, für die sogar eine erhöhte Schutzbedürftigkeit anerkannt sei. Mit Art. 6 Abs. 1 GG sei es nicht vereinbar, wenn der bis 1974 an sich schon nicht ausreichende Schutz der Verwitweten mit Kindern mit Wirkung ab 1975 noch verschlechtert worden sei. Es sei schon zweifelhaft, ob die derzeitige steuerliche Behandlung der Vollfamilie – insbesondere der kinderreichen – noch verfassungsmäßig sei. Die vom Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten Grundsätze zur Alimentierung kinderreicher Beamter (BVerfGE 44, 249) seien auf Nichtbeamte mit Kindern zwar nicht in dem Sinne zu übertragen, daß auch ihnen der Staat die erforderlichen Mittel zahlen müsse, damit sie sich ohne Rücksicht auf die Größe der Familie „annähernd das gleiche leisten” könnten (BVerfGE 44, 249 [267]). Es sei aber naheliegend, aus dieser Entscheidung zu folgern, daß der Staat auch bei nichtbeamteten Familien mit Kindern verpflichtet sei, wenigstens den unabweisbaren Unterhaltsbedarf für die Kinder nicht mit Einkommensteuer zu belegen. Diesen Anforderungen genüge das geltende Einkommensteuergesetz nicht.
Jedenfalls verstoße es gegen Art. 6 Abs. 1 GG, wenn der Staat die Mehrbelastungen, die Alleinerziehende mit Kindern – besonders aber die Verwitweten – typischerweise zu tragen hätten, steuerlich nicht nur nicht berücksichtige, sondern umgekehrt die Alleinerziehenden auch noch stärker besteuere als beispielsweise ein kinderloses Ehepaar.
Während in einer normalen Familie beide Ehegatten zum Unterhalt der Kinder beitragen könnten – sei es durch Berufstätigkeit beider Ehegatten oder durch Arbeitsteilung in Berufstätigkeit des einen und Versorgung des Haushalts und der Kinder durch den anderen –, träfen diese Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Kindern den Verwitweten allein. Er sei somit gezwungen, eine doppelte Unterhaltslast zu tragen. Er müsse sowohl die finanziellen Mittel für den Unterhalt der Familie beschaffen als auch Haushalt und Kinder versorgen. Da ein Elternteil in der Regel diese doppelte Arbeitslast nicht erbringen könne, sei er auf die Mitwirkung Dritter angewiesen. Deshalb würden bei Alleinerziehenden regelmäßig Hilfspersonen für die Betreuung des Haushalts und der Kinder eingesetzt. Hieraus erwüchsen typischerweise zusätzliche Aufwendungen. Diese berücksichtige der Steuergesetzgeber aber nicht. Der mit 1.200 DM sehr niedrige Höchstbetrag für die Beschäftigung von hauswirtschaftlichem Hilfspersonal stehe auch der Vollfamilie zu. Der Haushaltsfreibetrag von 3.000 DM (ab 1975) reiche nicht annähernd aus, um wenigstens den Unterhaltsmehrbedarf der Alleinerziehenden mit Kindern steuerfrei zu lassen. Das zeige ein Blick in das Bundessozialhilfegesetz. Wenn nach § 70 BSHG bei vorübergehendem Ausfall der Hausfrau und Mutter Hilfe zur Weiterführung des Haushalts gewährt werde, so leiste der Sozialhilfeträger allein 260 DM für den Unterhaltsmindestbedarf einer Betreuungsperson. Hinzu komme noch ein Betrag von 148,50 DM für die Unterkunft dieser Person, so daß monatlich insgesamt 408,50 DM zu zahlen seien. Schon hieraus ergebe sich, daß der Haushaltsfreibetrag von monatlich 250 DM nicht einmal ausreiche, die für die Fortführung des Haushalts nach dem Bundessozialhilfegesetz gewährten und – gemessen an der Wirklichkeit – unrealistisch niedrigen Zuschüsse steuerfrei zu belassen. In Wahrheit seien die Belastungen der Alleinerziehenden weit höher. Das Beispiel des Beschwerdeführers zu 4) zeige, daß keine Hauswirtschafterin zu finden sei, die auf Dauer die Arbeitslast für die Betreuung des Haushalts und der Kinder für einen Alleinstehenden mit fünf Kindern übernehmen wolle. Das Beispiel zeige ferner, daß der Beschwerdeführer zu 4) für die wechselnden Hilfspersonen, die wenigstens Teile der anfallenden Arbeiten übernommen hätten, rund 20.000 DM allein an Barlohn habe aufwenden müssen. Dem Beschwerdeführer zu 4) sei deshalb von seinem Erwerbseinkommen weniger verblieben als unter gleichen Verhältnissen einem nicht berufstätigen Sozialhilfeempfänger.
Die geltende Besteuerung der Alleinerziehenden verstoße auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es sei mit dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit nicht vereinbar, wenn Alleinstehende mit Kindern je nach Einkommen bis über 10.000 DM mehr Steuern als ein kinderloses Ehepaar zu entrichten hätten und diese Mehrsteuern schon bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 50.000 DM etwa 4.000 DM pro Jahr betrügen. Wenn sich – wie anerkannt – die Besteuerung an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu orientieren habe, sei es darüber hinaus mit dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit auch nicht vereinbar, die den Alleinerziehenden typischerweise zusätzlich entstehenden Lasten nicht nur nicht zu berücksichtigen, sondern demgegenüber den Alleinstehenden mit Kindern auch noch eine erheblich höhere Einkommensteuer abzuverlangen als Vollfamilien.
Die schärfere Besteuerung der infolge der unabweisbaren zusätzlichen Aufwendungen wirtschaftlich weniger leistungsfähigen Alleinerziehenden verstoße auch gegen das Sozialstaatsprinzip.
2. Die Beschwerdeführerin zu 2) ist der Auffassung, daß die unterschiedliche Behandlung zusammenveranlagter Ehegatten einerseits und der Alleinstehenden mit Kindern andererseits gegen Art. 6 und Art. 3 Abs. 1 GG verstoße.
Betrachte man das Splitting als eine Maßnahme zur Familienförderung, so sei Art. 6 GG verletzt, weil der Gesetzgeber die kinderlose Hausfrauenehe durch das Splitting unvergleichlich viel stärker fördere als Alleinstehende mit Kindern. Auch die Alleinerziehenden seien in das dem Schutz der Familie dienende Splittingverfahren einzubeziehen.
Die geltende Regelung verstoße, wenn man das Splitting außer acht lasse, auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil eine gleichmäßige Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nur am disponiblen Einkommen anknüpfen dürfe, also das Existenzminimum des Steuerpflichtigen sowie etwaiger Unterhaltsberechtigter einkommensteuerfrei belassen müsse. Diesen Erfordernissen genüge das geltende Einkommensteuergesetz nicht. Es berücksichtige die bestehenden Unterhaltsverpflichtungen alleinerziehender Eltern gegenüber ihren Kindern nur mit zu niedrigen Beträgen, die in keiner Weise den tatsächlichen Belastungen entsprächen. Das Kindergeld decke nur einen Bruchteil der Kinderlasten ab. Die Differenz zwischen Kindergeld und Kinderlast müsse zum Abzug zugelassen werden.
Weiterhin werde die Steuergerechtigkeit dadurch verletzt, daß die Leistungsfähigkeit alleinerziehender Eltern typischerweise durch höhere Aufwendungen für die Betreuung der Kinder gemindert werde, dieser Umstand aber in den steuerlichen Vorschriften keine Berücksichtigung finde. Es liege nicht im wertenden Ermessen des Gesetzgebers, welchen Anteil der Kosten für hauswirtschaftliches Hilfspersonal er steuermindernd berücksichtigen wolle. Wenn derartige Aufwendungen – wie bei alleinerziehenden Eltern – zwingend erforderlich seien, stellten sie einen die Leistungsfähigkeit unabwendbar mindernden Umstand dar. Deshalb verstoße es gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und damit gegen die Steuergerechtigkeit, wenn die unabweisbaren Aufwendungen eines alleinerziehenden Elternteils für Hilfspersonen zur Betreuung von Kindern und Haushalt nur mit einem irreal niedrigen Höchstbetrag (1.200 DM) berücksichtigt würden.
3. Die Beschwerdeführerin zu 3) macht geltend, die Besteuerung diskriminiere Alleinstehende mit Kindern im Vergleich zu kinderlosen Ehepaaren und verstoße daher gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die zur Rechtfertigung des Splittingvorteils für Ehegatten vorgebrachten Argumente seien nicht zutreffend. Bei gleicher Leistungsfähigkeit werde das kinderlose Ehepaar geschont und der alleinerziehende Elternteil übermäßig belastet. Diese scharfe Besteuerung verstoße ferner gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Zum geschützten Bereich „Familie” gehörten auch Alleinstehende mit Kindern. Gerade diese schwächste Gruppe werde am stärksten steuerlich belastet und am wenigsten geschützt. Dies verstoße auch gegen die Grundsätze eines sozialen Rechtsstaats. Die Diskriminierung werde auch nicht durch die steuerliche Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten abgebaut. Die geltende Regelung stehe in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Höhe der Aufwendungen und berücksichtige nur einen geringen Teil der Kosten, die über den Unterhalt hinaus durch die Notwendigkeit der Kinderbetreuung entstünden.
IV.
Zu den Verfassungsbeschwerden haben sich für die Bundesregierung der Bundesminister der Finanzen, ferner die Bayerische Staatsregierung und die Regierung des Landes Rheinland-Pfalz geäußert.
1. Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerden für unbegründet.
Die steuerliche Belastung eines alleinstehenden Elternteils mit Kindern sei mit der Verfassung vereinbar. Zu berücksichtigen seien neben den rein steuerlichen Entlastungen auch die vielfältigen nichtsteuerlichen staatlichen Sozialleistungen für Kinder wie Kindergeld, Schul-, Bildungs- und Ausbildungssystem sowie Ausbildungsförderung. Gegenüber kinderlosen zusammenveranlagten Ehepaaren seien Alleinerziehende allerdings in der Regel steuerlich nicht entlastet, sondern zusätzlich – zum Teil beträchtlich – belastet. Dies beruhe aber auf sachlich gerechtfertigten Unterschieden. Das Splitting, das Eheleuten ohne Rücksicht auf vorhandene Kinder gewährt werde, und die den Eltern wegen der Kinder eingeräumten Transferleistungen und Steuerentlastungen seien zwei grundlegend verschiedene, nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht vergleichbare Sachverhalte. Während sich die steuerliche Entlastung der Alleinstehenden mit Kindern lediglich mit den Unterhaltsverpflichtungen des Elternteils gegenüber dem Kind oder den Kindern rechtfertigen lasse, berücksichtige das Ehegattensplitting – wenn überhaupt – nicht nur die Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem anderen und gegebenenfalls nichterwerbstätigen Ehegatten, sondern beruhe auf der der gesetzlichen Zugewinngemeinschaft zugrunde liegenden Vorstellung, daß das marktwirtschaftliche Einkommen des alleinverdienenden Ehegatten durch die Gemeinschaft der Ehegatten erwirtschaftet werde. Es sei deshalb steuerlich folgerichtig so zu behandeln, als ob jeder Ehegatte die Hälfte des Gesamteinkommens erzielt hätte.
Abgesehen davon liege der Unterhaltsbedarf der Kinder – jedenfalls dann, wenn sie noch im Alter der Kinder der Beschwerdeführer stünden – typischerweise deutlich unter dem Unterhaltsbedarf Erwachsener. Kinder prägten nicht den Lebenszuschnitt einer Familie. Hierfür maßgebend seien vielmehr die Verhältnisse beider Ehegatten. Der Lebensbedarf der Kinder sei typischerweise begrenzt, er wachse nicht in demselben Verhältnis wie der der Ehegatten.
Die Annahme der Beschwerdeführer zu 1) und 4), alleinstehende Eltern hätten eine doppelte Unterhaltslast zu tragen, sei nicht zutreffend. Diese Annahme setze voraus, daß sich ein „normaler” Unterhaltsaufwand für Kinder feststellen ließe. Das sei jedoch wegen der Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse nicht möglich.
Es liege auch im gesetzgeberischen Gestaltungsraum, wenn der Aufwand für hauswirtschaftliches Hilfspersonal durch, § 33 a Abs. 3 EStG 1971/75/77 auf 1.200 DM jährlich begrenzt worden sei. Derartige Aufwendungen gehörten zur persönlichen Lebensführung. Es stehe dem Steuergesetzgeber frei, sie nur mit einem bestimmten Höchstbetrag zu berücksichtigen.
Ferner sei zu beachten, daß nicht nur Halbfamilien zwingend auf hauswirtschaftliches Hilfspersonal angewiesen sein könnten. Das gelte in gleichem Maße für intakte Familien bei Krankheit der Ehefrau oder für Alleinstehende bei körperlicher Hilflosigkeit. Eine erhöhte Abzugsfähigkeit der Kosten für Hilfspersonal allein für die Halbfamilien sei deshalb nicht zu rechtfertigen.
Für die verfassungsrechtliche Beurteilung sei das Gesamtbild der staatlichen Maßnahmen zur finanziellen Entlastung der Familie zu würdigen. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, daß der Haushaltsfreibetrag für Alleinstehende mit Kindern mit Wirkung ab 1982 auf 4.212 DM angehoben und dadurch die Gleichbehandlung der Halbfamilien mit zusammenveranlagten Ehepaaren in der Proportionalzone und damit im Bereich der Masseneinkommen erreicht worden sei. Der Gesetzgeber habe weiterhin in der zurückliegenden Zeit das Kindergeld zum Teil beträchtlich erhöht. Gleiches gelte für die Erhöhung des Wohngeldes. Die Gesamtwürdigung der Förderung der Halbfamilie führe deshalb zu dem Ergebnis, daß die Besteuerung der Beschwerdeführer in den Streitjahren aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu beanstanden sei.
Auf Antrage des Senats hat sich die Bundesregierung zu den Möglichkeiten und Auswirkungen einer eventuellen Neuregelung wie folgt geäußert: Eine spürbare Erhöhung des Haushaltsfreibetrags sei verfassungsrechtlich bedenklich, weil sie die Alleinerziehenden mit Kindern gegenüber Verheirateten im Proportionalbereich des Tarifs wesentlich stärker entlasten würde. Außerdem entstünde bei Auflösung oder dauernder Trennung einer Doppelverdienerfamilie eine verfassungsrechtlich bedenkliche Besserstellung der Alleinstehenden gegenüber intakten Ehen mit Kindern. Bei einer Erhöhung des Abzugs von Kinderbetreuungskosten müsse ausgeschlossen werden, daß mit Rücksicht auf den Gleichheitssatz auch die Kinderbetreuungskosten beiderseits berufstätiger Ehegatten in die Regelung einbezogen werden müßten. Deshalb dürften die Kosten nur insoweit zum Abzug zugelassen werden, als die Berufstätigkeit erforderlich sei, um den notwendigen Lebensunterhalt für die Alleinerziehenden und gegebenenfalls für ihre Kinder erwirtschaften zu können. Hierbei ergäben sich für die Abgrenzung der begünstigten Fälle im Gesetz und für seinen verwaltungsmäßigen Vollzug erhebliche Probleme. Ein Sondertarif nach dem Vorbild der USA, der den Alleinerziehenden (unter Wegfall des Haushaltsfreibetrags) eine Entlastung in Höhe der Hälfte des für Ehegatten bestehenden Splittingvorteils gewährte, würde den Umfang der Steuertabellen um 50 v. H. vergrößern und die Alleinstehenden mit Kindern in der Proportionalzone und im unteren Bereich der Progressionszone gegenüber der geltenden Regelung schlechterstellen. Ein Familiensplitting nach französischem Vorbild liefe der Zielsetzung des Einkommensteuergesetzes 1975 zuwider, unterschiedliche steuerliche Auswirkungen des Kinderlastenausgleichs durch Einführung eines allgemeinen und einheitlichen Kindergeldes zu vermeiden. Obendrein käme die Entlastung nur zu einem geringen Bruchteil (5 bis 6 v. H.) Alleinerziehenden mit Kindern zugute. Rund ein Viertel von ihnen würde wegen der geringen Höhe der Einkünfte durch ein Familiensplitting weniger entlastet werden als durch den Haushaltsfreibetrag. Ferner würden erhebliche praktische Schwierigkeiten auftreten. Steuerfrei zufließende Unterhaltszahlungen an die Kinder könnten dadurch berücksichtigt werden, daß nach dem Vorbild des § 33 a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG die steuerliche Entlastung des alleinerziehenden Elternteils um Einkünfte und Bezüge gemindert werde, soweit diese dazu bestimmt seien, den Bedarf zu decken, für den auch die steuerliche Entlastung gewährt werde.
2. Die Bayerische Staatsregierung hält die Verfassungsbeschwerden für begründet.
Allerdings sei der Ausschluß der Alleinerziehenden von der Begünstigung des Splittingverfahrens sachgerecht im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG. Im Gegensatz zu Alleinstehenden mit Kindern erwirtschafteten Verheiratete nach dem bürgerlichen Recht das Familieneinkommen gemeinsam. Da Art. 6 Abs. 1 GG auch die Entscheidung der Ehegatten schütze, gemeinsam berufstätig zu sein oder einen der Ehegatten den häuslichen Bereich versorgen zu lassen und die notwendigen finanziellen Mittel durch die Berufstätigkeit des anderen Ehegatten zu erwirtschaften, sei die gleichmäßige Besteuerung der Ehegatten in beiden Fällen grundgesetzlich geboten. Diesem Verfassungsgebot genüge das Splittingverfahren. Ein alleinstehender Elternteil könne mit seinem Kind keine Erwerbs- und Wirtschaftsgemeinschaft bilden, so daß auf ihn das Splittingverfahren auch keine Anwendung finden könne. Im übrigen hätte die Gewährung der Splittingvergünstigung für Halbfamilien die bedenkliche Folge, daß zwei „ohne Trauschein zusammenlebende Alleinstehende” steuerlich günstiger gestellt wären als Verheiratete.
Die Beschwerdeführer rügten dagegen zu Recht die unzureichende steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltslasten für Kinder. Erhebliche Mängel in der steuerlichen Berücksichtigung der Unterhaltslasten für Kinder bei allen Familien zeige eindrucksvoll der Umstand, daß Steuerpflichtige mit Kindern nach Abzug der Einkommensteuer unter das Existenzminimum nach dem Bundessozialhilfegesetz fallen könnten. Das Kindergeld von 50 DM für das erste Kind reiche nicht einmal aus, um die auf den lebensnotwendigen Bedarf des Kindes entfallende Einkommensteuer zu decken. Dieser Umstand werde in der Öffentlichkeit nicht zu Unrecht als „Kindersteuer” bezeichnet.
Bei Prüfung der Frage, ob die wirtschaftliche Belastung durch Unterhaltsverpflichtung gegenüber Kindern vom Gesetzgeber ausreichend berücksichtigt werde, könne es nur auf direkte, auf den Steuerpflichtigen selbst bezogene Leistungen und Vergünstigungen ankommen. Die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 43, 108) in die Betrachtung einbezogenen allgemeinen staatlichen Leistungen (Schul-, Bildungs- und Ausbildungsangebot) dürften demgegenüber keine Berücksichtigung finden. Auch wenn der Staat allgemeine Leistungen in großem Ausmaß anbiete, helfe das einem Steuerpflichtigen wenig, der durch die Besteuerung mit seinem Nettoeinkommen unter das Sozialhilfeniveau gedrückt werde. Mit einer solchen Betrachtung ließe sich im Ergebnis eine konfiskatorische Besteuerung rechtfertigen, sofern nur ein ausreichendes Angebot für die allgemeine Lebensvorsorge zur Verfügung stünde. Hierin liege aber ein unüberbrückbarer Widerspruch zum verfassungsrechtlichen Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.
Zu den Möglichkeiten und Auswirkungen einer eventuellen Neuregelung hat die Bayerische Staatsregierung ausgeführt: Eine Neuregelung dürfe intakte Familien nicht benachteiligen. In Betracht komme eine Berücksichtigung der Kinderunterhaltslasten durch Freibeträge, wie das Gesetz sie bis 1975 vorgesehen habe. Als Alternative biete sich die Einführung eines Splittingverfahrens mit gekapptem Splittingdivisor (Teilsplitting) an. Für Kinder sei – ohne sie in die Veranlagung einzubeziehen – generell ein Divisorzuschlag vorzusehen, der die geminderte Leistungsfähigkeit der Eltern berücksichtige. Dieser „Kinderdivisor” sei auch dem Unterhalt leistenden Elternteil zuzuerkennen, bei dem das Kind nicht lebe. Ein solches „familienbezogenes Teilsplitting” würde zu keinen nennenswerten Verwaltungsproblemen führen.
3. Die Regierung des Landes Rheinland-Pfalz hält die Verfassungsbeschwerden ebenfalls für begründet: Eine sachgerechte Gleichbehandlung zwischen Halbfamilien und kinderlosen Ehepaaren lasse sich wohl am besten durch die Einführung entweder eines besonderen Splittingtarifs für Familien oder einer Familienbesteuerung mit abgestuftem Splittingdivisor erreichen. Es handele sich aber um ein allgemeines Problem der gerechten Familienbesteuerung. Das Splitting bei Eheleuten beruhe auf dem Merkmal „Ehe”, während die Kinderentlastung für Alleinerziehende an das Merkmal „Kind” anknüpfe. Deshalb sei es zweifelhaft, ob ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliege. Dies könne jedoch offenbleiben, weil die Verfassungsbeschwerden schon aus anderen Gründen Erfolg haben müßten. Die Familienbesteuerung sei allgemein angesichts der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse ungerecht geworden und stehe deshalb mit Art. 6 Abs. 1 und mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr in Einklang. Bei der Neuregelung des Familienlastenausgleichs durch Abschaffung der Kinderfreibeträge und Umstellung auf ein einheitliches Kindergeld im Jahre 1975 sei eine Entlastung in Höhe von 50 v. H. der Kinderkosten als wünschenswert genannt worden. Diese Zielvorstellung sei schon damals nicht erreicht worden. Seitdem habe sich der Familienlastenausgleich relativ ständig verschlechtert. Die Kosten, die eine Familie heute monatlich für ein Kind aufzuwenden habe, betrügen im Durchschnitt mindestens 500 DM. Dies sei schon das Existenzminimum für ein einzelnes Kind. Die Kindergeldzahlungen würden diesen Kosten trotz der in den letzten Jahren erfolgten Erhöhungen in keiner Weise mehr gerecht, zumal das Erstkindergeld seit der Neuregelung der Kinderentlastung niemals erhöht worden sei. Förderungsmaßnahmen, die, wie die derzeitigen Kindergeldzahlungen, so weit hinter den tatsächlichen Kosten zurückblieben, könnten dem in Art. 6 Abs. 1 GG statuierten Gebot einer staatlichen Förderung der Familie nicht mehr gerecht werden. Vor allem verstoße das derzeitige Recht gegen das Gebot der Steuergerechtigkeit. Danach sei die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Die Leistungsfähigkeit des einzelnen werde in erster Linie durch sein Einkommen angezeigt. Wirtschaftlich betrachtet bedeute Einkommen Kaufkraft, denn mit dem Einkommen sei dem Einkommensbezieher ein Fonds von Gütern verfügbar, den er – ohne Schmälerung seines Vermögens – zur Bestreitung des persönlichen Bedarfs beliebig verwenden könne (Giloy, FR 1982, S. 129). Aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip ergebe sich demnach, daß solche Ausgaben einkommensteuerrechtlich berücksichtigt werden müßten, die außerhalb der Sphäre der Einkommenserzielung notwendig würden und, weil sie unvermeidbar seien, die Kaufkraft des Steuerpflichtigen minderten. Dazu zählten die Belastungen durch die gesetzlich festgelegten Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern. Diese unabweisbare Sonderbelastung dürfe der Gesetzgeber nicht ohne Verstoß gegen die Steuergerechtigkeit außer acht lassen. Das Bundesverfassungsgericht habe es zwar dem Gesetzgeber überlassen, ob er die Minderung der Leistungsfähigkeit der Eltern im Steuerrecht berücksichtige oder ob er unabhängig vom Steuerrecht staatliche Zahlungen an die Familien vorsehe. Wenn der zweite Weg gewählt werde, müßten die staatlichen Leistungen aber die Minderung der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen angemessen berücksichtigen. Tatsächlich stehe das Kindergeld vor allem beim Erst- und Zweitkind in keinem Verhältnis mehr zu den anfallenden Kosten. Aus dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit müsse dann folgen, daß Steuervergünstigungen in Form von Kinderfreibeträgen oder durch die Einführung des Splitting einzuräumen seien. Das derzeitige unzureichende Kindergeld bewirke auch eine Ungleichbehandlung von Kinderkosten und sonstigen Unterhaltsleistungen, die an andere Familienangehörige oder ehemalige Familienangehörige erbracht würden. Das Bundesverfassungsgericht habe zwar im Jahr 1977 festgestellt, daß es damals ausreichende Gründe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG für eine unterschiedliche Behandlung von Unterhaltsleistungen für Kinder und andere Angehörige gegeben habe (BVerfGE 45, 104 [125]). Die steuerliche Behandlung von Unterhaltsleistungen an geschiedene oder getrennt lebende Ehegatten sei aber mittlerweile insbesondere durch die Neuregelung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG so verbessert worden, daß bezweifelt werden müsse, ob für die nunmehr bestehenden großen Unterschiede bei der Behandlung der Unterhaltsaufwendungen für Kinder einerseits und für geschiedene und getrenntlebende Ehegatten andererseits noch hinreichende sachliche Gründe vorlägen.
V.
In der mündlichen Verhandlung haben sich die Beschwerdeführer durch ihre Bevollmächtigten geäußert, für die Beschwerdeführerin zu 3) hat außerdem Prof. Dr. Friauf Stellung genommen. Für die Bundesregierung haben sich der Parlamentarische Staatssekretär Huonker und Ministerialdirektor Dr. Uelner, für die Bayerische Staatsregierung Ministerialdirektor Dr. Hübner und für die Regierung des Landes Rheinland-Pfalz Ministerialdirektor Prof. Dr. Klein geäußert.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig.
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Verfassungsbeschwerde zu 1), der ein Lohnsteuerermäßigungsverfahren zugrunde liegt, ergibt sich daraus, daß Entscheidungen im Lohnsteuerermäßigungsverfahren – ungeachtet der fehlenden rechtlichen Bindung (BFH, BStBl 1955 III S. 213) – im nachfolgenden Veranlagungsverfahren „eine natürliche Autorität genießen” (BFH, BStBl 1973 II S. 223 [224]). Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Lohnsteuerermäßigungsverfahren wird sich auf die noch nicht endgültig vorgenommene Veranlagung auswirken. Der Beschwerdeführer zu 1) wurde für das Streitjahr nur unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt (§ 164 AO) und hat zudem Einspruch erhoben. Das Finanzamt hat das Einspruchsverfahren über die Veranlagung bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde im Ermäßigungsverfahren ausgesetzt.
2. Von der Beschwerdeführerin zu 3) und dem Beschwerdeführer zu 4) kann die Erschöpfung des Rechtswegs nicht verlangt werden, weil dies nicht zumutbar wäre (BVerfGE 21, 160 [167]; 27, 253 [269] m.w.N.; 47, 1 [18]. Zur Besteuerung von Alleinstehenden mit Kindern besteht eine gefestigte jüngere und einheitliche höchstrichterliche Rechtsprechung. Aus den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs in den Verfahren der beiden anderen Beschwerdeführer ergibt sich, daß der Bundesfinanzhof aufgrund der gesetzlichen Lage keine Möglichkeit sieht, den Beschwerdeführern eine Besteuerung nach der Splittingtabelle einzuräumen. Aus den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 25. Oktober 1957 – VI 175/56 U – (BStBl III S. 444 [445]) und vom 14. Februar 1975 VI R 125/74 – (BStBl II S. 607 [609]) ist zu entnehmen, daß der Bundesfinanzhof grundsätzlich auch einen Abzug der durch die Betreuung von Kindern bedingten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung – abgesehen von den Sondertatbeständen des § 33 a EStG – ablehnt, weil ein solcher Abzug neben der Gewährung des Kinderfreibetrags/Kindergelds nicht in Betracht kommt.
C.
Die Verfassungsbeschwerden sind auch begründet.
I.
Die Einkommensbesteuerung verwitweter, geschiedener, getrenntlebender oder unverheirateter Eltern mit mindestens einem Kind ist mit Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar, weil sie schon im Vergleich zu Ehepaaren mit Kindern zu einer nicht zu rechtfertigenden Mehrbelastung der Alleinerziehenden führt. Soweit diesen zwangsläufig zusätzlicher Aufwand für die Kinderbetreuung entsteht, wird er steuerlich nicht berücksichtigt, obwohl er die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Alleinerziehenden mindert.
1. Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung sind die Normen, auf denen die von den Beschwerdeführern gerügte steuerliche Belastung alleinerziehender Eltern beruht.
Die Besteuerung Alleinerziehender mit Kindern ist gekennzeichnet durch
- Anwendung des Grundtarifs (§ 32 a Abs. 1 EStG 1971; § 32 a Abs. 1 bis 4 EStG 1975/77),
Beschränkung der Berücksichtigung der durch Kinder verursachten Aufwendungen (§ 12 EStG 1971/77) auf
aa) den Haushaltsfreibetrag (§ 32 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b EStG 1971/§ 32 Abs. 3 Nr. 2 EStG 1975/77),
bb) den Kinderfreibetrag/das Kindergeld (§ 32 Abs. 2 Nr. 4 EStG 1971/§ 10 BKGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 1975 [BGBl I S. 412]),
cc) den Höchstbetrag von 600/1.200 DM für die Beschäftigung einer Hausgehilfin/Haushaltshilfe (§ 33 a Abs. 3 EStG 1971/75/77; § 53 a EStG 1979).
Maßgebend für die Beurteilung dieser Vorschriften ist die Auslegung, welche die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ihnen gegeben hat. Danach werden sämtliche durch die Kinder verursachten Unterhaltsaufwendungen mit Ausnahme der in § 33 a EStG besonders genannten und der Krankheitskosten steuerlich mit den Kinderfreibeträgen oder dem Kindergeld abgegolten, so daß daneben ein weiterer Abzug als außergewöhnliche Belastung nicht in Betrag kommt (BFH, BStBl 1957 III S. 444; 1958 III S. 377; 1975 II S. 607).
2. Prüfungsmaßstab für den Vergleich der steuerlichen Behandlung von alleinstehenden Eltern mit Kindern und Ehepaaren mit Kindern, die gleichhohe Einkünfte beziehen, ist in erster Linie Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 43, 108 [118] m.w.N.). In der einkommensteuerlichen Belastung beider Gruppen entstehen dadurch Ungleichheiten, daß für Alleinstehende mit Kindern der Haushaltsfreibetrag vom Einkommen abgezogen und dann der Grundtarif angewendet wird, während Ehepaare mit Kindern zwar keinen Haushaltsfreibetrag in Anspruch nehmen können, aber nach dem in der Regel günstigeren Splittingtarif (unter Berücksichtigung von zwei Grundfreibeträgen) besteuert werden. Ob und in welchem Umfang der Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet ist, diese Ungleichheit zu mildern oder zu beseitigen, ist am. Maßstab des aus Art. 3 Abs. 1 GG zu entnehmenden Gebots der Steuergerechtigkeit zu prüfen, an das der Gesetzgeber gebunden ist (BVerfGE 13, 331 [338]; 26, 302 [310]; 43, 108 [118 f.]; dabei sind die Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten von Ehe und Familie sowie das Sozialstaatsprinzip zu beachten (BVerfGE 43, 108 [119]m.w.N.).
Es ist ein grundsätzliches Gebot der Steuergerechtigkeit, daß die Besteuerung nach der (wirtschaftlichen) Leistungsfähigkeit ausgerichtet wird. Dies gilt insbesondere für die Einkommensteuer (BVerfGE 43, 108 [120] m.w.N.). Denn das moderne Einkommensteuerrecht ist auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt (BVerfGE 6, 55 [67]; 9, 237 [243]; 13, 290 [297]; 14, 34 [41]; 27, 58 [64]; 32, 333 [339]; 36, 66 [72]; 47, 1 [29]. Im Gesetzgebungsverfahren ist es als „das Prinzip der Steuergerechtigkeit” bezeichnet worden, „jeden Bürger nach Maßgabe seiner finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mit Steuern zu belasten” (BT-Drucks. 7/1470 S. 211 f.; vgl. Gutachten der Steuerreformkommission, 1971, Abschnitt I, Allgemeiner Teil, Rdnr. 39; Abschnitt IV, KSt, Rdnr. 54).
Aus dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ergibt sich jedenfalls, daß auch solche Ausgaben einkommensteuerrechtlich von Bedeutung sind, die außerhalb der Sphäre der Einkommenserzielung – also im privaten Bereich – anfallen und für den Steuerpflichtigen unvermeidbar sind. Die wirtschaftliche Belastung durch Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern ist ein besonderer, die Leistungsfähigkeit der Eltern beeinträchtigender Umstand. Diese unabweisbare Sonderbelastung darf der Gesetzgeber ohne Verstoß gegen die Steuergerechtigkeit nicht außer acht lassen (vgl. BVerfGE 43, 108 [120].
3. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, daß die Besteuerung von Ehepaaren mit Kindern in den Streitjahren verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerfGE 43, 108). Unter dieser Voraussetzung hält auch die Besteuerung Alleinstehender mit Kindern im Vergleich zu der von Ehepaaren mit Kindern nach den von 1975 bis 1977 geltenden Fassungen des Einkommensteuergesetzes einer verfassungsrechtlichen Nachprüfung stand, soweit das Einkommen der Alleinerziehenden in der Proportionalzone des Einkommensteuertarifs liegt. Für die genannten Jahre sind Alleinerziehende in diesem Einkommensbereich nicht schlechter gestellt als zusammenveranlagte Ehepaare. Auch diese können insoweit die Abflachung der Progression, welche den Hauptvorteil des Splittingtarifs darstellt, nicht nutzen. Denn in der Proportionalzone wirkt sich der Splittingtarif lediglich durch die Gewährung des doppelten Grundfreibetrags aus. Derselbe Effekt wird für Alleinstehende mit Kindern durch die Einräumung des zusätzlichen Haushaltsfreibetrags erreicht, wenn dieser in der Höhe dem Grundfreibetrag entspricht. Dies ist in den Streitjahren seit 1975 der Fall.
4. In der Progressionszone des Einkommensteuertarifs, in der alle Beschwerdeführer in den Streitjahren mit ihren Einkünften lagen, ist der steuerliche Eingriff für Alleinstehende mit Kindern ungleich schwerer als für Ehepaare mit Kindern. Für zusammenveranlagte Ehepaare setzt die Progression aufgrund der auf das Doppelte verlängerten Proportionalzone später ein und verläuft wesentlich flacher, so daß Ehepaare den Spitzensteuersatz von 56 v. H. erst bei einem doppelt so hohen Einkommen erreichen wie Alleinstehende. Der den Alleinerziehenden eingeräumte Haushaltsfreibetrag stellt demgegenüber keinen ausreichenden Ausgleich dar, obwohl auch dieser Freibetrag, der vom Einkommen abgezogen wird, progressiv entlastend wirkt. Aus den Berechnungen der Beschwerdeführer und den Angaben der Bundesregierung ergibt sich trotz des Haushaltsfreibetrags für Alleinstehende mit Kindern gegenüber Ehepaaren mit Kindern eine deutliche Mehrbelastung.
Die Besteuerung der Ehepaare nach der Splittingtabelle erscheint für sich allein gerechtfertigt. Es ist auch nicht geboten, das Splitting auf Alleinstehende mit Kindern auszudehnen. Bei deren Besteuerung darf aber nicht außer Betracht bleiben, daß ihre steuerliche Leistungsfähigkeit in vielen Fällen durch zusätzlichen Betreuungsaufwand gemindert wird und daher geringer ist als die Leistungsfähigkeit von Ehepaaren, bei denen ein vergleichbarer Aufwand nicht anfällt oder aber leichter getragen werden kann.
a) Das Splittingverfahren entspricht dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Es geht davon aus, daß zusammenlebende Eheleute eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs bilden, in der ein Ehegatte an den Einkünften und Lasten des anderen wirtschaftlich jeweils zur Hälfte teilhat (Begründung des Regierungsentwurfs zum Steueränderungsgesetz 1958, das zum Splitting führte [BT-Drucks. III/260 S. 34]; Gutachten der Steuerreformkommission, 1971, Abschnitt II, ESt, LSt, Rdnr. 554; ebenso Begründung des Regierungsentwurfs eines Dritten Steuerreformgesetzes [BT-Drucks. 7/1470 S. 222] sowie die Stellungnahme der Bundesregierung in diesem Verfahren). Damit knüpft das Splitting an die wirtschaftliche Realität der intakten Durchschnittsehe an, in der ein Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit zwischen den Partnern stattfindet (vgl. Joachim Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, Kölner Habilitationsschrift 1981, 6. Kap. D II). Diese Ehegattenbesteuerung steht auch in Einklang mit den Grundwertungen des Familienrechts. Die Institute des Zugewinnausgleichs und neuerdings des Versorgungsausgleichs lassen den Grundsatz erkennen, daß das während der Ehe Erworbene gemeinschaftlich erwirtschaftet ist (vgl. BT-Drucks. III/260 S. 34; 7/1470 S. 222: Splitting als Reflex der Zugewinngemeinschaft; vgl. die Stellungnahme der Bundesregierung in diesem Verfahren). Ferner ist durch die gegenseitige Verpflichtungsbefugnis (§ 1357 BGB) und die Beschränkungen der Verwaltungsbefugnis der Ehegatten (§§ 1365 bis 1367, 1369 BGB) auch während der Ehe dem Gedanken der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft familienrechtlich Rechnung getragen.
Darüber hinaus bedeutet das Splittingverfahren nach seinem vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Zweck unter anderem „eine besondere Anerkennung der Aufgabe der Ehefrau als Hausfrau und Mutter” (BT-Drucks. III/260 S. 34). Damit ist es auch Ausdruck der Gleichwertigkeit der Arbeit von Mann und Frau, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Haus- oder Berufsarbeit handelt (vgl. BT-Drucks. 7/1470 S. 222; Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung, 1982, Nr. 71, S. 647). Dieser Zweck des Splittingverfahrens steht in Einklang mit Art. 6 Abs. 1 GG. Aus dieser Grundsatznorm folgt die Pflicht des Staates, die Familiengemeinschaft sowohl im immateriell-persönlichen als auch im materiell-wirtschaftlichen Bereich als eigenständig und selbstverantwortlich zu repetieren (BVerfGE 33, 236 [238]; 51, 386 [398]; 53, 257 [296]). Die Ehegatten bestimmen in gleichberechtigter Partnerschaft (BVerfGE 42, 64 [77]) ihre persönliche und wirtschaftliche Lebensführung (BVerfGE 53, 257 [296 f.]). Die Aufgabenverteilung in der Ehe unterliegt der freien Entscheidung der Eheleute (BVerfGE 39, 169 [183]; 48, 327 [338]). Das Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten in ihren finanziellen Beziehungen untereinander wird insoweit verfassungsrechtlich geschützt (BVerfGE 60, 329 [339]). In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen ermöglicht das Splitting den Ehegatten die freie Entscheidung, ob einer allein ein möglichst hohes Familieneinkommen erwirtschaften und sich deshalb in seinem Beruf vollständig engagieren soll, während der andere Partner den Haushalt führt, oder ob statt dessen beide Partner sowohl im Haushalt als auch im Beruf tätig sein wollen, so daß beide ihre Berufstätigkeit entsprechend beschränken. Auf diese Weise wird sowohl die bei einer Zusammenveranlagung ohne Splitting gegebene verfassungswidrige Benachteiligung derjenigen Ehe vermieden, in der beide Partner berufstätig sind (vgl. BVerfGE 6, 55 [79], als auch die bei einer getrennten Veranlagung drohende Gefahr der Benachteiligung der Hausfrauen- oder Hausmannehe ausgeschlossen (vgl. BFH, BStBl 1957 III S. 162 [163]; Stellungnahme der Bayerischen Staatsregierung in diesem Verfahren). Damit ist das Ehegattensplitting keine beliebig veränderbare Steuer-„Vergünstigung”, sondern – unbeschadet der näheren Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers – eine an dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare (Art. 3 Abs. 1 GG) orientierte sachgerechte Besteuerung. Durch dieses Verfahren wird auch vermieden, daß Eheleute mit mittleren und kleineren Einkommen in der Progressionszone, vor allem Arbeitnehmer, gegenüber Eheleuten mit hohem Einkommen, vor allem Gewerbetreibenden und freiberuflich Tätigen, benachteiligt werden. Letztere können – worauf schon 1958 und 1974 im Gesetzgebungsverfahren und neuerdings wieder von der Bundesregierung mit Recht hingewiesen worden ist (BT-Drucks. III/260 S. 33; 7/1470 S. 222; 9/1512 S. 14) – durch vertragliche Aufteilung ihres Gesamteinkommens die Steuerprogression mit dem gleichen Effekt wie beim Ehegattensplitting senken, was für die Masse der Arbeitnehmer nicht möglich ist.
b) Die Gründe, die den Splittingtarif für Eheleute rechtfertigen, sind auf Alleinerziehende mit Kindern nicht übertragbar, so daß der Gleichheitssatz in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG eine Ausdehnung des Splittingvorteils auf diese Personengruppe nicht gebietet. Zwischen Alleinerziehenden und ihren Kindern besteht weder wirtschaftlich noch familienrechtlich eine Gemeinschaft des Erwerbs, die zu einer anteiligen Teilhabe am Familieneinkommen führt, sondern ein Unterhaltsverhältnis. Auch kommt für Alleinstehende mit Kindern ein durch Art. 6 Abs. 1 GG zu schützendes Recht, über die Aufgabenverteilung in der Ehe partnerschaftlich zu entscheiden, von vornherein nicht in Betracht.
c) Soweit nicht Leistungen von dritter Seite, zum Beispiel Unterhaltszahlungen des getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten, den Unterhalt sicherstellen, sind Alleinstehende mit Kindern zur Berufstätigkeit gezwungen. Dies wird auch dadurch belegt, daß der Anteil der berufstätigen alleinstehenden Mütter (in der Zeit von 1961 bis 1976) fast doppelt so hoch war wie der Anteil der berufstätigen Ehefrauen mit Kindern (vgl. Dritter Familienbericht der Bundesregierung, BT-Drucks. 8/3121 S. 24, Tabelle 3). Ihre Besteuerung ist im Vergleich zur Ehegattenbesteuerung deshalb mit Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar, weil das geltende Einkommensteuerrecht die Tatsache außer Betracht läßt, daß die Leistungsfähigkeit berufstätiger Alleinstehender mit Kindern durch zusätzlichen zwangsläufigen Betreuungsaufwand gemindert ist, der bei Ehepaaren typischerweise nicht anfällt oder, wenn beide Partner berufstätig sind, aus dem erhöhten Familieneinkommen bestritten werden kann. Dadurch führt die Besteuerung der Alleinerziehenden zu einer nicht zu rechtfertigenden Mehrbelastung (vgl. Simon, abw. Meinung, BVerfGE 47, 34 [44]).
aa) Wenn alleinstehende Eltern einer Berufstätigkeit nachgehen müssen und deshalb ihre Kinder selbst nicht ausreichend betreuen können, sind sie vielfach gezwungen, die Kinder weitgehend durch Dritte gegen Bezahlung betreuen zu lassen. Dadurch sind sie mit erheblichen zusätzlichen Aufwendungen belastet. Dies wird im Fall des Beschwerdeführers zu 4) besonders deutlich, der für die Betreuung seiner fünf Kinder im Streitjahr etwa 20.000 DM ausgegeben hat. Derartige Aufwendungen stellen keine Einkommensverwendung dar. Sie verringern, da sie zwangsläufig sind, das verfügbare Einkommen des Steuerpflichtigen und vermindern somit seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Diesem Umstand trägt die Steuergesetzgebung nicht ausreichend Rechnung. Kosten für die Kinderbetreuung waren in den Streitjahren bei den Alleinerziehenden wie bei den vollständigen Familien mit dem Kinderfreibetrag oder dem Kindergeld abgegolten (vgl. BFH, BStBl 1975 II S. 607 [609]; st. Rspr.). Auch bei der – in bescheidenem Umfang – möglichen Abzugsfähigkeit der Kosten für hauswirtschaftliches Hilfspersonal (600/1.200 DM für eine Haushaltshilfe/-gehilfin; § 33 a Abs. 3 EStG 1971/75/77 in Verbindung mit § 53 a EStG 1979) wurde in den Streitjahren der Umstand nicht berücksichtigt, daß gerade für Alleinerziehende Kinderbetreuungskosten häufig zusätzlich entstehen.
An der unzureichenden Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten bei Alleinerziehenden gegenüber Ehepaaren mit Kindern hat sich auch seit 1980 durch Einführung der Kinderbetreuungsbeträge gemäß § 33 a Abs. 3 und § 52 Abs. 25 EStG 1979 nichts geändert. Diese Vorschrift benachteiligt im Gegenteil die Alleinerziehenden zusätzlich ohne jeden sachlichen Grund gegenüber den Ehepaaren mit Kindern und verletzt auch deshalb den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Während nach der genannten Regelung bei Ehegatten für jedes Kind bis zu 1.200 DM Betreuungsaufwand als außergewöhnliche Belastung steuerlich berücksichtigt werden kann, ist es den Alleinerziehenden nur gestattet, je Kind die Hälfte, also 600 DM, geltend zu machen.
bb) Die durch Kinderbetreuungskosten geminderte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Ehepaaren wirkt sich demgegenüber in den meisten Fällen nicht in vergleichbarer Weise aus; ihnen kommt zusätzlich noch der Splittingtarif zugute.
Das Splittingverfahren soll – wie oben dargelegt – nach seinem vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Zweck unter anderem die Familien entlasten, in denen sich ein Ehepartner überwiegend oder vollständig der Haushaltsführung und Kinderbetreuung widmet. Dieser Zweck wird im Ergebnis auch erreicht, denn das Splitting kommt letztlich dem weitaus größten Teil aller Familien mit Kindern zugute. 91 v. H. aller Familien sind vollständige Familien (Dritter Familienbericht, BT-Drucks. 8/3121 S. 15, Tabelle 1). Demgegenüber bleiben nur etwa 20 v. H. aller Ehen kinderlos (Dritter Familienbericht, a.a.O., S. 100, Tabelle 35); nach einer neueren Untersuchung beträgt dieser Anteil 35 v. H. (Lietmeyer, DStZ 1982, S. 126 [128]). Das „Begünstigungsvolumen” des Splittingverfahrens kommt zu über 70 v. H. Familien, mit Kindern zugute (Lietmeyer, a.a.O.).
Der Splittingtarif erleichtert es Eheleuten mit Kindern, ihre Lebensführung so einzurichten, daß zusätzlicher Betreuungsaufwand für die Kinder nicht entsteht. Sie können die Ehe arbeitsteilig so gestalten, daß der eine Partner ein möglichst hohes Einkommen erzielt und der andere die Kinder betreut oder daß beide abwechselnd die Kinderbetreuung übernehmen und ihre Berufstätigkeit entsprechend einschränken. Sind beide Partner in einem solchen Umfang berufstätig, daß ihnen daneben die Betreuung ihrer Kinder nicht möglich ist, so können sie in der Regel aus dem durch die doppelte Erwerbstätigkeit erhöhten Familieneinkommen die zusätzlichen Betreuungsaufwendungen bestreiten. Diese Möglichkeit besteht dagegen für berufstätige Alleinerziehende nicht.
Allerdings können Ehepaare die durch das Splittingverfahren gewährleistete Entscheidungsfreiheit über die Aufgabenverteilung in der Ehe faktisch dann nicht nutzen, wenn sie aufgrund ihres niedrigen Einkommens beide zur Berufstätigkeit gezwungen sind, um den Unterhalt für sich und ihre Kinder sicherzustellen, oder wenn einer von ihnen wegen Krankheit oder Körperbehinderung oder aus ähnlichen Gründen weder zu einer Berufstätigkeit noch zur Kinderbetreuung in der Lage ist. Unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang in derartigen Fällen zwangsläufige Kinderbetreuungskosten auch bei Ehepaaren als Minderung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden müssen, bedarf hier keiner Entscheidung. Im Regelfall sind Eheleute jedenfalls durch das Splitting so gestellt, daß typischerweise zusätzlicher Betreuungsaufwand entweder nicht anfällt oder leichter getragen werden kann als bei Alleinerziehenden.
cc) Für die schärfere Besteuerung von Alleinstehenden mit Kindern, welche die durch erhöhte Betreuungskosten verursachte Minderung der Leistungsfähigkeit außer Betracht läßt, sind sachliche Rechtfertigungsgründe nicht ersichtlich. Deshalb führt diese Verletzung des Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu einem Eingriff, der einen Verstoß gegen die Steuergerechtigkeit darstellt und demgemäß mit Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar ist.
Dies wird noch deutlicher, wenn die Besteuerung kinderloser Ehepaare zum Vergleich herangezogen wird. Diese werden nach dem Splittingtarif veranlagt, haben aber keinerlei Leistungen oder Aufwendungen für Kinder zu erbringen.
5. Die sachlich nicht gerechtfertigte schärfere Besteuerung Alleinstehender mit Kindern entspricht im übrigen auch nicht der ursprünglichen Anlage des Einkommensteuergesetzes, sondern ist im wesentlichen eine Folge der wirtschaftlichen Entwicklung, dabei auch der Geldentwertung, welcher der Gesetzgeber steuerrechtlich nur unzureichend Rechnung getragen hat.
Bei Einführung des Splittings war sich der Gesetzgeber durchaus des Umstands bewußt, daß auch Alleinstehende mit Kindern „regelmäßig zu erhöhten Aufwendungen für Wohnung und Haushalt gezwungen sind” (BT-Drucks. III/260 S. 34). Deshalb gewährte er den Verwitweten mit Kindern den Splittingtarif und den anderen Alleinerziehenden einen Sonderfreibetrag von 1.200 DM (§ 32 a Abs. 3 Nr. 2, § 32 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b EStG 1958). Mit der Gewährung dieses „verhältnismäßig hohen Sonderfreibetrages” (Görbing, Die Neuregelung der Ehegattenbesteuerung, DStZ –A– 1958, S. 217 [221]) wurden die Alleinstehenden mit Kindern seinerzeit beinahe so gut wie die Masse der Familien gestellt. Der Vorteil des Splittings lag damals für die meisten Steuerpflichtigen ausschließlich in der Gewährung des zweiten Grundfreibetrags (1.680 DM; BT-Drucks. III/260 S. 43). Die Kappung der Progression spielte demgegenüber nur eine geringe Rolle. Die Progression setzte bei Alleinstehenden mit einem zu versteuernden Einkommen von jährlich 8.000 DM ein (BT-Drucks. III/260 S. 36). 1957 lag aber das Bruttoeinkommen von 87 v. H. aller Steuerpflichtigen unter 8.400 DM jährlich, so daß das zu versteuernde Einkommen 8.000 DM nicht überstieg (vgl. Ergebnisse der Lohn- und Einkommensteuerstatistik 1957, in: Wirtschaft und Statistik 1959, S. 440 [441] – Lohnsteuerstatistik – und 1961, S. 158 [161] – Einkommensteuerstatistik –). Der Gesetzgeber ging bei der Einführung des Splittingtarifs davon aus, daß „nach Durchführung der Neuregelung … annähernd 95 v. H. aller noch zu besteuernden Personen nach dem Proportionalsatz besteuert werden” (BT-Drucks. III/260 S. 43). Das bedeutet, daß seinerzeit die Masse der Steuerpflichtigen aus der mit dem Splittingtarif verbundenen Kappung der Progression keinen Vorteil zog. Dementsprechend sind die Alleinstehenden mit Kindern, die nicht in den Genuß des Splittingtarifs kommen konnten, durch die fehlende Kappung der Progression in der Regel auch nicht benachteiligt gewesen.
Ganz anders war die Situation in den Streitjahren. 1974 setzte die Progression bei Alleinstehenden immer noch bei 8.000 DM und bei Zusammenzuveranlagenden bei 16.000 DM ein (vgl. § 32 a Abs. 1 und 2 EStG 1974 [BGBl I S. 1993] in Verbindung mit der Einkommensteuertabelle, abgedruckt in BGBl 1964 I S. 894 ff.). 1974 erzielten aber bereits 79 v. H. aller Lohnsteuerpflichtigen einen Bruttolohn von mehr als 9.600 DM (Ergebnis der Lohnsteuerstatistik 1974, in: Wirtschaft und Statistik 1977, S. 602 [605]). Der Anteil der Einkommensteuerpflichtigen im Progressionsbereich war noch größer (vgl. Ergebnis der Einkommensteuerstatistik 1974, in: Wirtschaft und Statistik 1978, S. 772 [775]). Mit Wirkung ab 1975 wurde zwar der Proportionalbereich des Tarifs verlängert, so daß nunmehr die Progression bei Ledigen erst bei einem zu versteuernden Einkommen von 16.000 DM und bei zusammenzuveranlagenden Ehegatten bei 32.000 DM einsetzte. Hierdurch wurde auch der Anteil der von der Progression betroffenen Steuerpflichtigen wieder vermindert, so daß auch die Zurücksetzung der Alleinerziehenden durch Nichtgewährung des Splittings im Durchschnitt wieder abnahm. Gleichwohl ist der geringe Anteil von 5 v. H. progressiv besteuerter Steuerpflichtiger aus dem Jahre 1958 niemals wieder erreicht worden (Gerard/Söffing, FR 1974, S. 361). Man rechnete damit, daß nach der Tarifreform 1975 „nur noch” 35 v. H. der Steuerpflichtigen in den Progressionsbereich fielen (Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 7/2180 S. 8). Wegen der steigenden Einkommen ist der Anteil der von der Progression betroffenen Steuerpflichtigen in den Folgejahren wieder angestiegen. Die Bayerische Staatsregierung geht in ihrer Stellungnahme im vorliegenden Verfahren davon aus, daß 1980 mehr als die Hälfte aller Steuerpflichtigen wieder den Progressionsbereich erreicht haben. Der Bundesminister der Finanzen gibt in seiner Antwort auf die Antrage des Senats diesen Anteil der Steuerpflichtigen mit 43 v. H. (1980) und 41 v. H. (1981) an. Hieraus ergibt sich, daß Alleinstehende mit Kindern durch die fehlende Milderung der Progression bei Einführung des Splittingtarifs 1958 nur gering, in der Folgezeit dagegen fühlbar belastet wurden.
Eine weitere Verschlechterung der Situation der Alleinerziehenden in den Streitjahren gegenüber der Lage bei Einführung des Splittings 1958 ergab sich aus der fehlenden Dynamisierung der Kinderentlastung. Die Umstellung der Kinderfreibeträge auf Kindergeld ab 1975 hatte zur Folge, daß bei einem Hineinwachsen des Einkommens in die Progression infolge real oder nominell steigender Einkommen die Kinderentlastung relativ sank. Umgekehrt machte sich die mit dem Splittingtarif gewährte Progressionskappung bei Eheleuten durch die steigenden Einkommen relativ stärker bemerkbar (vgl. Dritter Familienbericht, BT-Drucks. 8/3121 S. 139). Der einstmals hohe Haushaltsfreibetrag von 1.200 DM entwertete sich entsprechend. Zwar bewirkte die Anhebung dieses Freibetrags auf 3.000 DM mit Wirkung ab 1975 eine gewisse Entlastung der Alleinerziehenden; gleichwohl blieb, wie die Angaben der Bundesregierung zeigen, eine erhebliche Schlechterbehandlung gegenüber den zusammenveranlagten Ehegatten bestehen. Dies gilt auch noch nach Wiederangleichung des Haushaltsfreibetrags an den Grundfreibetrag ab 1982.
II.
Wie die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von Alleinstehenden mit Kindern zu beseitigen ist, hat der Gesetzgeber zu entscheiden.
1. Er kann den Mangel im Steuerrecht selbst beheben. Er hat aber grundsätzlich auch die Wahl, Umstände, welche die Leistungsfähigkeit mindern, ausnahmsweise im Steuerrecht nicht oder nur am Rande zu berücksichtigen und sie statt dessen als förderungswürdigen Tatbestand im Sinne des Sozialrechts zu definieren. Die Berücksichtigung der verminderten Leistungsfähigkeit ist dann insoweit aus dem Steuerrecht ausgegliedert und als Förderungsaufgabe dem Sozialrecht zugewiesen, wie es zum Beispiel bei der Ersetzung der steuerlichen Kinderfreibeträge durch das Kindergeld erfolgt ist (vgl. BVerfGE 43, 108 [125]. Geschieht dies, ist bei der Festsetzung der Sozialleistung oder bei deren Änderung die im Steuerrecht vernachlässigte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu beachten.
2. Entscheidet sich der Gesetzgeber dafür, der bei Alleinerziehenden gebotenen Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten durch eine steuerliche Regelung Rechnung zu tragen, so erfordert das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit es grundsätzlich, Aufwendungen, die Alleinerziehende für die Betreuung ihrer Kinder erbringen müssen, soweit sie zwangsläufig (vgl. § 33 Abs. 2 EStG) sind, in der tatsächlich entstandenen Höhe steuerlich als Minderung des Einkommens zu berücksichtigen. Allerdings kann die mit den Betreuungsaufwendungen verbundene Verringerung der Leistungsfähigkeit ganz oder teilweise ausgeglichen werden, wenn dem betreuten Kind oder dem Alleinstehenden Bezüge zufließen, die dazu bestimmt oder geeignet sind, Kinderbetreuungskosten des alleinstehenden Elternteils zu bestreiten.
3. Um einen Verstoß gegen die Steuergerechtigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Schutzgebot für die Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) auszuschließen, darf die zu treffende gesetzliche Neuregelung Alleinstehende mit Kindern steuerlich nicht besser stellen als Ehepaare mit Kindern. Soweit das Splittingverfahren – im Regelfall – den innerhalb der ehelichen Gemeinschaft zu erbringenden Kinderbetreuungslasten angemessen Rechnung trägt, darf deshalb der Abzug zwangsläufiger Kinderbetreuungskosten – nach Kürzung um etwaige anrechenbare Bezüge – alleinstehende Eltern nicht stärker steuerlich entlasten als eine Anwendung des Splittingtarifs.
4. Unbenommen bleiben dem Gesetzgeber andere Lösungen zur Besteuerung der Alleinerziehenden (vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, BAnz. 1958 Nr. 81, S. 5 [6], Nr. 17: Einbeziehung der Alleinstehenden mit Kindern in das Splitting) oder zur Neuregelung der Familienbesteuerung, für die sich zum Beispiel die Bayerische Staatsregierung (familienbezogenes Teilsplitting) und die Regierung des Landes Rheinland-Pfalz ausgesprochen haben oder die im Schrifttum vorgeschlagen worden sind (zum Beispiel Rudolf Charlier, Steuerberater-Jahrbuch 1979/80, S. 479 [500]; Heinz Haller, Die Steuern, 3. Aufl., 1981, S. 69: Familien-Vollsplitting; Joachim Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, Kölner Habilitationsschrift 1981, 6. Kap. D III: Familien-Realsplitting).
D.
I.
Die Vorschriften, auf denen die im Vergleich zu Ehepaaren mit Kindern ungleich stärkere steuerliche Belastung Alleinstehender mit Kindern beruht, sind nach alledem mit Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar. Sie sind nach der Vorschrift des § 78 Satz 2 BVerfGG, die im Verfahren der Verfassungsbeschwerde entsprechend anwendbar ist (BVerfGE 18, 288 [300]; 19, 206 [225 f.]; 40, 296 [328 f.]), im Interesse der Rechtsklarheit auch in allen nach den Streitjahren geltenden Fassungen mit dem Grundgesetz für unvereinbar zu erklären (vgl. BVerfGE 8, 51 [71]; 14, 174 [175]; 14, 254 [255]; 20, 312 [313]. Dies hat grundsätzlich zur Folge, daß die betroffenen Normen in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang nicht mehr angewendet werden dürfen (BVerfGE 37, 217 [261]; 55, 100 [110]). Ausnahmsweise sind verfassungswidrige Vorschriften aber voll oder teilweise weiter anzuwenden, wenn die Besonderheit der für verfassungswidrig erklärten Norm es aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere aus solchen der Rechtssicherheit, notwendig macht, die verfassungswidrige Vorschrift als Regelung für die Übergangszeit fortbestehen zu lassen, damit in dieser Zeit nicht ein Zustand besteht, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige (vgl. BVerfGE 37, 217 [261]).
Im vorliegenden Fall ist es geboten, ausnahmsweise im Interesse der Rechtssicherheit die weitere Anwendung der angegriffenen Normen bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens bis zum 31. Dezember 1984, zuzulassen. Für die Neuregelung, die umfangreichere und zeitraubende Vorarbeiten erfordert, muß dem Gesetzgeber ausreichend Zeit zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 39, 169 [194]). Für die Übergangszeit muß aber verhindert werden, daß ein rechtliches Vakuum entsteht und bei den betroffenen Steuerpflichtigen wie bei den Behörden Unsicherheit über die Rechtslage herrscht (vgl. BVerfGE 37, 217 [261]). Die aus diesen Gründen gebotene weitere Anwendung der angegriffenen Normen darf indessen bei Alleinstehenden mit Kindern nur im Wege vorläufiger Steuerfestsetzung (§ 165 AO) erfolgen, damit den Steuerpflichtigen später nicht die Rechtskraft von Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidungen entgegengehalten werden kann. Wenn bis zum 31. Dezember 1984 keine Neuregelung in Kraft getreten ist, können die mit dem Grundgesetz unvereinbaren Vorschriften nicht mehr zur Besteuerung Alleinerziehender angewendet werden. Der Gesetzgeber ist auch dann verpflichtet, für die Zeit seit Inkrafttreten der beanstandeten Normen eine verfassungsmäßige Regelung zu schaffen (vgl. BVerfGE 55, 100 [110 f.]).
II.
Die angegriffenen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs und der Finanzgerichte Baden-Württemberg und München beruhen auf der als verfassungswidrig erkannten gesetzlichen Regelung. Sie sind deshalb aufzuheben und die Ausgangsverfahren an diese Gerichte zurückzuverweisen. Die von der Beschwerdeführerin zu 2) angegriffenen Entscheidungen des Finanzgerichts Berlin und des Finanzamts Berlin-Zehlendorf können als Berliner Rechtsanwendungsakte vom Bundesverfassungsgericht nicht aufgehoben werden (BVerfGE 47, 1 [33] m.w.N.. Dies hindert indessen nicht die Aufhebung des gegen die Beschwerdeführerin zu 2) ergangenen Beschlusses des Bundesfinanzhofs (vgl. BVerfGE 49, 329 [336]).
Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen beruht auf § 34 Abs. 4 BVerfGG.
Fundstellen
BStBl II 1978, 388 |
BStBl II 1982, 717 |