Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext. Personenbezogene Beschäftigtendaten. Von einem Mitgliedstaat gemäß Art. 88 dieser Verordnung vorgesehene spezifischere Vorschriften. Verarbeitung auf der Grundlage einer Kollektivvereinbarung. Spielraum der Parteien der Kollektivvereinbarung in Bezug auf die Erforderlichkeit der darin vorgesehenen Verarbeitung personenbezogener Daten. Umfang der gerichtlichen Überprüfung
Normenkette
EUVO 679/2016 Art. 88 Abs. 1-2, Art. 5, 6 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1-2
Beteiligte
K GmbH (Traitement de données personnelles des employés) |
Tenor
1.Art. 88 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung)
ist dahin auszulegen, dass
eine nach Art. 88 Abs. 1 dieser Verordnung erlassene nationale Rechtsvorschrift über die Verarbeitung personenbezogener Daten für die Zwecke von Beschäftigungsverhältnissen bewirken muss, dass ihre Adressaten nicht nur die Anforderungen erfüllen müssen, die sich aus Art. 88 Abs. 2 dieser Verordnung ergeben, sondern auch diejenigen, die sich aus Art. 5, Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 9 Abs. 1 und 2 der Verordnung ergeben.
2.Art. 88 Abs. 1 der Verordnung 2016/679
ist dahin auszulegen, dass
im Fall einer in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallenden Kollektivvereinbarung der Spielraum der Parteien dieser Kollektivvereinbarung bei der Bestimmung der „Erforderlichkeit“ einer Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 5, Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 9 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung das nationale Gericht nicht daran hindert, insoweit eine umfassende gerichtliche Kontrolle auszuüben.
Tatbestand
In der Rechtssache C-65/23
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) mit Beschluss vom 22. September 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Februar 2023, in dem Verfahren
MK
gegen
K GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Neunten Kammer N. Jääskinen (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Achten Kammer, des Richters M. Gavalec und der Richterin I. Ziemele,
Generalanwältin: L. Medina,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – von MK, vertreten durch Rechtsanwalt J. Zäh,
- – der K GmbH, vertreten durch Rechtsanwältin B. Geck,
- – von Irland, vertreten durch M. Browne, Chief State Solicitor, sowie A. Joyce und M. Tierney als Bevollmächtigte im Beistand von D. Fennelly, BL,
- – der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Natale, Avvocato dello Stato,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Bouchagiar, M. Heller und H. Kranenborg als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 82 Abs. 1 sowie von Art. 88 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 5, Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 9 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1, berichtigt in ABl. 2018, L 127, S. 2, im Folgenden: DSGVO).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen MK, einer natürlichen Person, und der K GmbH, ihrem Arbeitgeber, über den Ersatz des immateriellen Schadens, der dieser Person durch eine Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch die genannte Gesellschaft auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung entstanden sein soll.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 8, 10 und 155 DSGVO heißt es:
„(8) Wenn in dieser Verordnung Präzisierungen oder Einschränkungen ihrer Vorschriften durch das Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen sind, können die Mitgliedstaaten Teile dieser Verordnung in ihr nationales Recht aufnehmen, soweit dies erforderlich ist, um die Kohärenz zu wahren und die nationalen Rechtsvorschriften für die Personen, für die sie gelten, verständlicher zu machen.
…
(10) Um ein gleichmäßiges und hohes Datenschutzniveau für natürliche Personen zu gewährleisten und die Hemmnisse für den Verkehr personenbezogener Daten in der [Europäischen] Union zu beseitigen, sollte das Schutzniveau für die Rechte und Freiheiten von natürlichen Personen bei der Verarbeitung dieser Daten in allen Mitgliedstaaten gleichwertig sein. Die Vorschriften zum Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten von natür...