Rz. 20
§ 20 findet seinem Wortlaut nach Anwendung, wenn Arbeitnehmer im Inland beschäftigt werden. Inland ist das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Dazu gehören neben dem Festland das Küstenmeer und der Luftraum über dem Bundesgebiet.
Rz. 21
Zum Inland dürfte auch die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) gehören, jedenfalls soweit dort künstliche Inseln, Anlagen und Bauwerke wie z. B. Offshore-Windparkanlagen bestehen.
Rz. 22
Anders als Art. 3 Abs. 1 der Entsende-RL setzt § 20 keine Entsendung voraus, da diese Vorschrift Eingriffsnorm i. S. v. Art. 9 Rom-I-VO ist. Es ist daher grundsätzlich ausreichend, wenn die Tatbestandvoraussetzungen des § 20 erfüllt sind, d. h. dass ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland im Inland Arbeitnehmer beschäftigt.
Rz. 23
Was unter einer Beschäftigung im Inland i. S. v. § 20 zu verstehen ist, ist auslegungsbedürftig und in der Literatur umstritten, insbesondere, ob die Mindestlohnpflicht auch bei kurzzeitigen Tätigkeiten im Inland, die z. B. für ausländische Unternehmen der Speditions- und Transportbranche typisch sind, mit EU-Recht vereinbar ist (s. Rz. 32 ff.). Auch das BVerfG sieht den Begriff der Beschäftigung im Inland als auslegungsbedürftig an. Es führte aus, es sei ungeklärt, ob die Beschäftigung im Inland wie im Sozialversicherungsrecht zu verstehen sei. Also ob ausnahmslos jede, auch nur kurzfristige Tätigkeit auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland eine Inlandsbeschäftigung darstelle oder ob etwa eine bestimmte Dauer oder ein Bezug zu den deutschen Sozialversicherungssystemen und zu den Lebenshaltungskosten in Deutschland vorauszusetzen sei. Dabei stelle sich auch die Frage, ob eine Mindestlohnpflicht bei kurzzeitigen Einsätzen in Deutschland erforderlich sei, um die mit dem Mindestlohngesetz verfolgten Ziele zu erreichen.
Der BFH vertritt die Auffassung, die Anwendung von Mindestlohnbestimmungen auf Arbeitnehmer, die aus dem Ausland entsandt werden, führe zwar zu einer Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs, da solche Bestimmungen geeignet sind, die Tätigkeiten der im Ausland ansässigen Dienstleister zu behindern oder doch zumindest weniger attraktiv zu machen. Doch gehörten die mit der Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns verfolgten Ziele – Schutz der Arbeitnehmer, Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen und Schutz der sozialen Sicherungssysteme – zu den vom EuGH anerkannten zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die grundsätzlich geeignet sind, eine solche Beschränkung zu rechtfertigen.
Das Gericht führte weiter aus, eine Differenzierung nach der Art der erbrachten Leistungen oder nach der Branche, der der Arbeitgeber angehört, lasse sich dem Wortlaut der Mindestlohnregelungen nicht entnehmen.
Zu bedenken sei, dass eine an Sinn und Zweck der genannten Mindestlohnregelungen orientierte Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis führe. Orientiere man sich vorrangig an dem Ziel des gesetzlichen Mindestlohns, den Arbeitnehmern ein existenzsicherndes Monatseinkommen zu gewähren, ließe sich argumentieren, dass die Frage, was zur Existenzsicherung der ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer notwendig sei, nur in Bezug auf ihren gewöhnlichen Aufenthalt und gegebenenfalls den gewöhnlichen Aufenthalt ihrer Familien beantwortet werden könne. Arbeitnehmer, die sich nur vereinzelt oder jeweils nur für kurze Zeit in Deutschland aufhalten, ihren Lebensmittelpunkt aber in einem anderen Land haben, seien für die Gewährleistung eines Existenzminimums nicht auf den deutschen Mindestlohn angewiesen, wenn in ihrem eigenen Land die Lebenshaltungskosten deutlich unter den deutschen Verhältnissen lägen. Zahle der ausländische Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Löhne, die unter dem gesetzlichen Mindestlohn liegen, und habe er dadurch die Möglichkeit, seine Leistungen zu niedrigeren Preisen anzubieten, als es inländischen Arbeitgebern möglich ist, die ihrerseits an den gesetzlichen Mindestlohn gebunden sind, könne dies jedoch sowohl den Wettbewerb als auch die sozialen Sicherungssysteme beeinträchtigen.
Was die Kurzzeitigkeit der Inlandsbeschäftigung angeht, verweist der BFH darauf, dass nach Art. 2 Abs. 1 RL 96/71/EG als entsandter Arbeitnehmer jeder Arbeitnehmer gelte, der während eines begrenzten Zeitraums seine Arbeitsleistung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als demjenigen erbringt, in dessen Hoheitsgebiet er normalerweise arbeitet. Eine zeitliche Mindestdauer oder eine Beschränkung auf bestimmte Branchen enthalte die Regelung damit nicht. Gleichwohl habe der EuGH entschieden, dass ausgehend von der gesetzlichen Definition in Art. 2 Abs. 1 RL 96/71/EG ein Arbeitnehmer nicht als in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats "entsandt" angesehen werden könne, wenn seine Arbeitsleistung keine hinreichende Verbindung zu diesem Hoheitsgebiet aufweise.
Rz. 24
Unerheblich für die Verpflichtung nach § 20 ist, ob die Arbeitnehmer eines Arbeitgebers mit Sitz im Ausland in Deutschland zur Erfüllung v...