Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzungsfrist: Ablaufhemmung durch Beginn der Außenprüfung – Anforderung von Unterlagen als Prüfungshandlung – Prüfungsbeginn vor Erlass der Prüfungsanordnung für Erweiterungsjahr
Leitsatz (redaktionell)
- Die Voraussetzungen des für die Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist maßgeblichen Beginns der Außenprüfung für ein Erweiterungsjahr werden bereits durch die Anforderung der Vorlage von nicht auf einen bestimmten Einzelsachverhalt bezogenen Aufzeichnungen, Büchern und Geschäftspapieren für dieses Jahr durch den Prüfer erfüllt.
- Eine solche Prüfungshandlung ist nicht deshalb lediglich der Prüfungsvorbereitung zuzuordnen, weil sie vor der Bekanntgabe der ergänzenden Prüfungsanordnung und vor dem in dieser Prüfungsanordnung angegebenen Prüfungsbeginn erfolgt ist.
Normenkette
AO § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 171 Abs. 4
Tatbestand
Streitig ist, ob der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 2015 durch eine Erweiterung der Außenprüfung gehemmt wurde.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Bauleistungen und Bauträgertätigkeiten erbringt. Der Beklagte erteilte ihr am 16.11.2015 eine Bescheinigung zum Nachweis zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen und/oder Gebäudereinigungsarbeiten.
Die Klägerin reichte die Umsatzsteuererklärung 2015 am 21.06.2016 beim Beklagten ein. Diese stand einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Am 22.08.2016 reichte sie eine berichtigte Umsatzsteuererklärung ein, der der Beklagte zustimmte; der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.
Mit Schreiben vom 13.10.2020 ordnete der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung u.a. für die Umsatzsteuer 2016 bis 2018 an.
Auf einem Arbeitsbogen “Feststellungen im Betrieb” notierte der Prüfer als Prüfungsbeginn den 01.12.2020 um 08.00 Uhr, als Auskunftsperson Herrn B von A und als vorgelegte Unterlagen die Finanzbuchhaltung Datev als Stick, Bankkontoauszüge und Eingangs-/Ausgangsrechnungen.
In einem Aktenvermerk vom 14.12.2020 machte der Prüfer Ausführungen zur Anwendung des § 13b UStG im Prüfungszeitraum und notierte u.a., dass die für den Prüfungszeitraum 2016 bis 2018 vorgelegten Unterlagen darauf hindeuten würden, dass für die in 2015 bereits geleisteten Anzahlungen i.H.v. mindestens 85.000 € unzulässigerweise § 13b UStG nicht angewendet worden sei. Da die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 2015 m.A.d. 31.12.2020 ablaufe, sei mit der Prüfung noch in 2020 zu beginnen.
Mit Schreiben vom 15.12.2020 (Eingang laut Kanzleistempel des Prozessbevollmächtigten am 21.12.2020) erweiterte der Prüfer den Prüfungszeitraum u.a. auf die Umsatzsteuer 2015 und begründete dies damit, dass mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen sei. Als voraussichtlicher Prüfungsbeginn war der 21.12.2020 angegeben.
Mit Schreiben vom 18.12.2020 (Eingang beim Prozessbevollmächtigten per Fax am 18.12.2020), das auf die Erweiterung der Betriebsprüfung auf das Jahr 2015 vom 15.12.2020 Bezug nahm, bat der Prüfer den Prozessbevollmächtigten um die Vorlage von folgenden Unterlagen für 2015 bis zum 08.01.2021: Eingangs-/Ausgangsrechnungen, elektronische FiBu-Daten, Kontennachweis, Sachanlagenverzeichnis, Aufzeichnungen zu teilfertigen Arbeiten. Zudem bat er um die Beantwortung mehrerer, ausführlich formulierter Fragen für den Zeitraum 2016 bis 2018. Frage 13 betraf ein in 2009 erworbenes und erst 2019 vollständig verkauftes Grundstück in Z-Stadt . Frage 15 betraf die Errichtung und die Veräußerung von Bauten auf einem in 2015 erworbenen Grundstück in Z-Stadt .
Da mit Schreiben vom 11.01.2021 lediglich Unterlagen zu den Jahren 2016 bis 2018 übermittelt wurden, erinnerte der Prüfer am 18.01.2021 an die Einreichung der weiteren angeforderten Unterlagen und teilte mit, dass er wegen der verschärften Corona-Situation die Prüfung nicht vor Ort fortsetzen werde.
Im Prüfungsbericht vom 28.06.2021, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, traf der Prüfer u.a. folgende Feststellungen:
Tz. 2.2.1.2: In 2015 sei keine Aufteilung der nicht direkt zuzuordnenden Vorsteuer vorgenommen worden, obwohl sowohl steuerpflichtige als auch vorsteuerschädliche steuerfreie Umsätze getätigt worden seien. Die Vorsteuer sei daher in 2015 um2.325,45 € zu kürzen.
Tz. 2.2.3: Die Klägerin habe u.a. umsatzsteuerfreie Bauträgertätigkeiten erbracht, wobei die eigentlichen Bauarbeiten von fremden Unternehmen (u.a. Bietergemeinschaft C GmbH + D GmbH und der Firma E GmbH) ausgeführt worden seien. Diese hätten auch Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, § 13b UStG sei nicht angewendet worden. Vorsteuer habe die Klägerin zutreffend nicht abgezogen. Die Klägerin sei aufgrund der erteilten Bescheinigung Nachweis zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen und/oder Gebäudereinigungsarbeiten ein Unternehmen, welches nachhaltig Bauleistungen erbringe und schulde in 2015 Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 5 S. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG i.H.v. 19.5...