Entscheidungsstichwort (Thema)
Eintritt einer Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme
Orientierungssatz
1. Eine Sperrzeit tritt ein, wenn sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhält, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme liegt u. a. dann vor, wenn der Arbeitslose die Teilnahme an einer zumutbaren Maßnahme abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss an einer Maßnahme gibt.
2. Wird die in § 49 Abs. 3 SGB 3 für die Dauer einer Trainingsmaßnahme festgelegte Regelhöchstfrist überschritten, so ist sie für den Arbeitslosen nur dann zumutbar, wenn ein atypischer Fall vorliegt. Die Arbeitsagentur hat in einem solchen Fall das ihr eingeräumte Ermessen im Bewilligungsbescheid nachvollziehbar zu dokumentieren.
3. Im Übrigen ist Voraussetzung für den Eintritt einer Sperrzeit bei einer zumutbaren Trainingsmaßnahme, dass der Arbeitslose von sich aus die Maßnahme abgebrochen hat. Es genügt nicht, dass diese durch den Bildungsträger in Absprache mit der Arbeitsagentur beendet worden ist.
4. Auch der Ausschluss aus einer Trainingsmaßnahme wegen maßnahmewidrigen Verhaltens kann zum Eintritt einer Sperrzeit führen. Das setzt voraus, dass maßnahmewidriges Verhalten subjektiv vorwerfbar und der Ausschluss aus der Maßnahme vorhersehbar und rechtmäßig ist. Regelmäßig muss zunächst eine Abmahnung erfolgen, es sei denn, das Fehlverhalten wäre so gravierend, dass dem Maßnahmeträger eine Fortführung der Maßnahme von vorneherein unzumutbar gewesen wäre.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. November 2010 sowie die Bescheide der Beklagten vom 7. Juli 2008 und vom 14. Juli 2008 (Änderungsbescheid und Sperrzeitbescheid) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2008 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Eintritt einer Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme und die darauf beruhende Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld in der Zeit vom 11. Juni 2008 bis 1. Juli 2008.
Der 1953 geborene Kläger war in der Zeit vom 1. September 1991 bis zum 30. Juni 2006 als Verwaltungssachbearbeiter bei der B. GmbH und anschließend bis 30. Juni 2007 als Sachbearbeiter in der Auffanggesellschaft C. GmbH & Co. KG versicherungspflichtig beschäftigt. Am 28. Juni 2007 meldete er sich bei der Beklagten mit Wirkung zum 1. Juli 2007 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Beklagte entsprach dem Antrag durch Bescheid vom 23. Juli 2007 und bewilligte dem Kläger Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III) ab 1. Juli 2007 für 450 Tage.
Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Zeugin D., der für den Kläger zuständigen Arbeitsvermittlerin der Beklagten, am 13. Mai 2008 schlug die Beklagte ihm mündlich und durch ein entsprechendes Schreiben vom gleichen Tag die Teilnahme an einer vom Berufsbildungszentrum in E. (BBZ) durchgeführten Trainingsmaßnahme “Trainingscenter gewerbl.-techn./Lager„ mit Praktikum für die Zeit vom 19. Mai 2008 bis 8. August 2008 vor. Der Kläger trat die Maßnahme am 19. Mai 2008 an und erwarb zunächst den Staplerschein. Am 9. Juni 2008 war er dann erstmals bei einem sogenannten Kooperationsbetrieb des Maßnahmeträgers, der Fa. F. A-Stadt, eingesetzt. Da die Arbeit dort nach Auffassung des Klägers körperlich für ihn zu belastend war, kam es noch am selben Tag zu einem ersten Gespräch mit der erstinstanzlich vernommenen Zeugin G., einer Mitarbeiterin des BBZ. Nachdem ein weiteres Gespräch am Folgetag, dessen Ablauf zwischen den Beteiligten streitig ist, nicht zu einer Verständigung zwischen dem Kläger und Frau G. über einen Einsatz bei einem weiteren Kooperationsbetrieb, der Fa. H., führte, wurde die Maßnahme nicht mehr fortgeführt, wobei auch insoweit die Einzelheiten zwischen den Beteiligten streitig sind. Am 11. und 13. Juni 2008 kam es sodann zu telefonischen Kontakten zwischen dem Kläger und der Beklagten, wobei wiederum die Einzelheiten und insbesondere die Frage, ob der Kläger bei den Telefonaten ausschließlich eine von ihm ins Auge gefasste Selbständigkeit zur Sprache brachte oder auch um die Klärung der vorangegangenen Ereignisse bemüht war, streitig sind.
Bei einer Vorsprache am 16. Juni 2008 hörte die Zeugin D. den Kläger mündlich zu den Umständen für das Ende der Trainingsmaßnahme an. Der Kläger erhielt zudem Gelegenheit zu schriftlicher Stellungnahme, wobei er daraufhin unter dem 17. Juni 2008 zusammengefasst geltend machte, er habe im Rahmen der Vorsprache am 13. Mai 2008 mit der Zeugin D. abgestimmt, dass er die Trainingsmaßnahme - vor dem Hintergrund der Notwendigkeit, die selbständige Tätigkeit 90 Tage vor der Erschöpfung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld aufnehmen zu müsse...