Das zum 1.7.2021 im Wege des Teilhabestärkungsgesetzes in Kraft getretene Behindertengleichstellunggesetz (BGG) schafft erstmals eine Rechtsgrundlage für die Begleitung durch einen Assistenzhund. Seitdem darf der Zutritt zu Anlagen, die für den allgemeinen Publikums- und Benutzungsverkehr zugänglichen sind, nicht wegen der Begleitung durch einen Assistenzhund verweigert werden – soweit öffentlicher Träger, Besitzer oder Betreiber nicht nachweisen können, dass der Zutritt mit Assistenzhund eine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellt.
Eine Anlage ist dem Publikums- und Benutzungsverkehr zugänglich, sofern der Zutritt in einer Vielzahl von Fällen zu vergleichbaren Bedingungen zustande kommt und ohne Ansehen der Person gewährt wird bzw. das Ansehen der Person nachrangige Bedeutung hat. Dies gilt für feste bauliche Anlagen sowie für bewegliche Anlagen.
Gesetzliches Zutrittsrecht
Ein Zutrittsrecht besteht etwa für Transportmittel, Friseurgeschäfte, Arztpraxen und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens, für Museen, Kinos und Theater, Bankgebäude, Kindergärten und Schulen, für den Einzelhandel und die Gastronomie.
Alle Bereiche, die Menschen in Straßenkleidung offenstehen, dürfen grundsätzlich auch mit Assistenzhund betreten werden.
Unverhältnismäßig ist aber etwa (aus hygienischen Gründen) der Zutritt des Hundes zu Intensiv- und Isolierstationen, zu einem Operationssaal oder zu einem sterilen Arbeitsplatz in der Lebensmittelherstellung. Unbillig ist der Zutritt, sofern dem Betreiber der Anlage durch diesen mit Blick auf seine persönlichen Verhältnisse unzumutbare Kosten entstehen oder unzumutbar Einnahmen entgehen, die der Hundehalter nicht zu tragen bereit ist. Interessen Dritter, etwa Allergien oder Phobien, sind dabei nicht zwingend vorrangig, sondern der Betreiber hat dem Menschen mit Behinderung den Zutritt etwa durch zeitliche Staffelung oder räumliche Trennung zu ermöglichen. Die Beweislast hierfür liegt beim Betreiber der Anlage.
Befindet sich der Arbeitsplatz in einer Anlage, zu welcher nach § 12e Abs. 1 BGG ein Zutrittsrecht besteht und ist dieses weder unverhältnismäßig noch unbillig, ist die Begleitung durch den Assistenzhund grundsätzlich zu dulden – sonst liegt nach § 12e Abs. 2 BGG für Träger öffentlicher Gewalt eine Benachteiligung nach § 7 Abs. 1 BGG vor bzw. verletzt der private Arbeitgeber seine vertraglichen bzw. vorvertraglichen Nebenpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB. Erreicht der Grad der Behinderung des Menschen eine Schwerbehinderung, ist die unberechtigte Zutrittsverweigerung eine Benachteiligung i. S. d. §§ 1, 7 Abs. 1 AGG.
Besteht kein Zutrittsrecht nach § 12e Abs. 1 BGG und ist dem Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung ohne Assistenzhund nicht (mehr) möglich, ist der Arbeitnehmer auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu versetzen – auf einen Arbeitsplatz, zu welchem der Hund mitgeführt werden darf. Kommt dies nicht in Betracht, kann eine personenbedingte Kündigung wirksam sein.