Rz. 15
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Zeitpunktes der Einleitung des Versorgungsausgleichsverfahrens ist der Eingang des Scheidungsantrags oder des Antrags auf Durchführung bzw. Abänderung des Versorgungsausgleichs beim Familiengericht (zutreffend GRA der DRV zu § 268a SGB VI, Stand: 23.12.2020, Abschn. 4.1.1). Ist ein Abänderungsverfahren in Bezug auf den Versorgungsausgleich erst nach dem 1.9.2009 eingeleitet worden, so findet das in § 101 Abs. 3 bis zum 31.8.2009 geltende sog. Rentnerprivileg keine Anwendung (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 5.10.2021, L 2 R 67/19). Wird nach dem 31.8.2009 ein Abänderungsverfahren eingeleitet und die Ausgangsentscheidung abgeändert, endet daher zwingend auch das "Rentnerprivileg" (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 23.3.2021, L 14 R 650/17, Rz. 39 f.).
Rz. 15a
In seiner jüngsten Entscheidung hat das BSG daher eine Anwendung des § 268a Abs. 2 verneint (BSG, Urteil v. 22.2.2024, B 5 R 12/22 R; mit Anm. in SozSich 2024, Nr. 4, 36 und Anm. in SGb 2024, 226). Der Kläger konnte sich auch nicht auf die Übergangsvorschrift in § 268a Abs. 2 stützen. Die Voraussetzung dafür, dass das "Rentnerprivileg" ausnahmsweise weiterhin anzuwenden ist, wenn vor dem 1.9.2009 "das Verfahren über den Versorgungsausgleich eingeleitet worden ist", ist nicht erfüllt. Der Kläger hat den Antrag auf Abänderung des Versorgungsausgleichs erst im Juni 2015 gestellt. Das Abänderungsverfahren stellt ein selbstständiges bzw. eigenständiges Verfahren (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 5.10.2021, L 2 R 67/19, Rz. 26) über den Versorgungsausgleich dar. Für ein enges Verständnis der Übergangsvorschrift streitet auch ihr Sinn und Zweck unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte. Danach soll das Rentnerprivileg grundsätzlich nur zugunsten derjenigen Versicherten beibehalten werden, bei denen ein Versorgungsausgleich nach dem alten Recht i. S. eines Einmalausgleichs durchgeführt wird. Das Rentnerprivileg ist nicht auf die Systematik des ab dem 1.9.2009 geltenden Versorgungsausgleichsrechts ausgerichtet. Die Übergangsvorschrift schützt auch nicht generell das Vertrauen in den dauerhaften Fortbestand der bisherigen Rentenhöhe. Die durch das Rentnerprivileg gewährte Vergünstigung war seit jeher zeitlich begrenzt und reichte stets nur bis zum Beginn der Rente an den ausgleichsberechtigten Ehegatten. Der Kläger hat zudem selbst durch seinen Abänderungsantrag eine neue Rechtslage geschaffen (vgl. BSG-Terminbericht Nr. 3/24 v. 23.2.2024).
Rz. 16
Für vor dem 1.9.2009 eingeleitete Versorgungsausgleichsverfahren gilt nach der Übergangsvorschrift des § 48 Abs. 1 VersAusglG noch das bis zum 31.8.2009 geltende materielle Recht und Verfahrensrecht, also insbesondere das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG). Für vor dem 1.9.2009 eingeleitete Versorgungsausgleichsverfahren gilt daher die Vermutung, dass diese mit einer Entscheidung auf der Grundlage des bis 31.8.2009 geltenden Rechts (§ 1587 ff. BGB, VAHRG) abgeschlossen werden.
Rz. 17
Aber selbst wenn nach § 48 Abs. 2 und Abs. 3 VersAusglG in den dort vorgesehenen Ausnahmefällen das Recht ab dem 1.9.2009 zur Anwendung kommt, bleibt es für die Anwendung von Abs. 1 ausschließlich maßgeblich, wann das Versorgungsausgleichsverfahren eingeleitet wurde. Zu den vor dem 1.9.2009 eingeleiteten Verfahren zählen daher auch die Versorgungsausgleichsverfahren bzw. die Scheidungsverfahren, die abgetrennt, ausgesetzt oder ruhend gestellt waren und erst nach dem 31.8.2009 wieder aufgenommen wurden. Es kommt daher nicht darauf an, auf welcher Rechtsgrundlage der Versorgungsausgleich durchgeführt wurde.