0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 55 trat am 1.1.1992 in Kraft (Art. 85 Abs. 1 RRG 1992 v. 18.12.1989, BGBl. I S. 2261).
Durch Art. 1 Nr. 27 RRG 1999 v. 16.12.1997 (BGBl. I S. 2998) wurde die Vorschrift mit Wirkung zum 1.1.2000 (Art. 33 Abs. 13 RRG 1999) wie folgt geändert: Der bisherige Wortlaut, bestehend aus § 55 Satz 1 und 2 ist unverändert in Abs. 1 übernommen worden. Darüber hinaus wurde Abs. 2 angefügt, der eine Gleichstellung bestimmter Pflicht- und freiwilliger Beiträge mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit enthält, soweit solche in einem bestimmten Mindestumfang als Voraussetzung für einen Rentenanspruch gefordert werden.
Durch das Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG) v. 21.3.2001 (BGBl. I S. 403) wurde dem Abs. 1 der Satz 3 mit Wirkung zum 1.1.2002 (Art. 1 Nr. 10, Art. 12 Abs. 1 AVmEG) angefügt. Seitdem können nach dem 31.12.1991 zurückgelegte Berücksichtigungszeiten bei zeitgleicher Erziehung/Pflege mehrerer Kinder als fiktive Beitragszeiten anerkannt werden.
1 Allgemeines
Rz. 2
Abs. 1 der Vorschrift enthält die Legaldefinition des Begriffs "Beitragszeiten". Für zurückliegende Zeiträume wird Abs. 1 durch die in §§ 247 bis 249a enthaltenen Übergangsregelungen ergänzt.
Nach Abs. 1 Satz 1 sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflicht- oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Die Anerkennung von Beitragszeiten nach Abs. 1 Satz 1 setzt damit zwingend eine tatsächliche Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung voraus.
Darüber hinaus bestimmt Abs. 1 Satz 2, dass als Pflichtbeitragszeiten auch Zeiten gelten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (fiktive Pflichtbeitragszeiten); hierzu zählen z. B. Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung gemäß § 56, § 249, § 249a bis zum 31.5.1999 oder Zeiten des Wehr- oder Zivildienstes im Beitrittsgebiet in der Zeit vom 9.5.1945 bis zum 2.10.1990 gemäß § 248 Abs. 1.
Seit dem Inkrafttreten des AVmEG v. 21.3.2001 (BGBl. I S. 403) zum 1.1.2002 könnten nach Abs. 1 Satz 3 weitere (fiktive) Beitragszeiten anzurechnen sein, wenn Entgeltpunkte gutzuschreiben sind, weil gleichzeitig Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung oder Zeiten der Pflege eines pflegebedürftigen Kindes für mehrere Kinder vorliegen. Dies ist nach § 70 Abs. 3a der Fall, wenn der Rentenberechnung mindestens 25 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten zugrunde liegen und dem jeweiligen Versicherten für Zeiten nach dem 31.12.1991 für mehrere Kinder zeitgleich Berücksichtigungszeiten (§ 57) zuzuordnen sind; dabei stehen Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege eines pflegebedürftigen Kindes bis zu dessen vollendetem 18. Lebensjahr einer anzurechnenden Berücksichtigungszeit gleich. Die durch das AVmEG v. 21.3.2001 (BGBl. I S. 403) eingefügte Ergänzung der Vorschrift um (Abs. 1) Satz 3 dient dem Ziel der Verbesserung der sozialen Sicherung von Frauen.
Abs. 2 regelt, dass die in Nr. 1 bis 3 genannten Pflicht- und freiwilligen Beiträge den Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gleichstehen, wenn diese als Voraussetzung für einen Rentenanspruch gefordert werden (z. B. bei Prüfung der versicherungsrechtlichen Voraussetzung für einen Anspruch auf vorzeitige Erwerbsminderungsrente gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; sog. 3/5-Deckung).
2 Rechtspraxis
2.1 Beitragszeiten nach Bundesrecht
Rz. 3
Die Anerkennung von Beitragszeiten setzt nach Abs. 1 Satz 1 grundsätzlich die Zahlung von Pflichtbeiträgen oder freiwilligen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung nach "Bundesrecht" voraus. Bundesgebiets-Beitragszeiten sind Zeiten, für die Beiträge in den alten Bundesländern nach dem 8.5.1945 und im Beitrittsgebiet nach dem 2.10.1990 gezahlt worden sind (§ 113 Abs. 1 Satz 2, Umkehrschluss aus § 248 Abs. 3 Satz 1). Den Bundesgebiets-Beitragszeiten gleichgestellte Beitragszeiten ergeben sich aus den im Fünften Kapitel des SGB VI enthaltenen Übergangsregelungen (§ 113 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbsatz).
So regelt § 248 Abs. 3 Satz 1 die Gleichstellung zu Bundesgebiets-Beitragszeiten für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet in der Zeit vom 9.5.1945 bis zum 2.10.1990 sowie für Beitragszeiten im Saarland in der Zeit vom 8.5.1945 bis zum 31.12.1956. Nach § 247 Abs. 3 stehen darüber hinaus auch die vor dem 9.5.1945 zurückgelegten Beitragszeiten nach Reichsrecht den Bundesgebiets-Beitragszeiten gleich.
Nach dem in § 3 SGB IV verankerten Territorialitätsprinzip setzt die Zahlung von Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs grundsätzlich die Ausübung der Beschäftigung/Tätigkeit im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland voraus (§ 3 Nr. 1 SGB IV). Pflichtbeitragszeiten nach Bundesrecht aufgrund einer Versicherungspflicht aus sonstigen Gründen (z. B. wegen der Pflege einer pflegebedürftigen Person) bedingen nach § 3 Nr. 2 SGB IV einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt der zu beurteilenden Person im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Abweichend von diesem Grundsatz sehen § 4 SGB ...