0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Regelung ist durch das RRG 1992 v. 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261) am 1.1.1992 in Kraft getreten (BT-Drs. 11/4124 S. 34). Die Vorschrift ist seitdem nicht verändert worden, sondern nur im Zuge der Neufassung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch v. 19.2.2002 (BGBl. I S. 754) neu bekannt gemacht worden. Gültig ist die Vorschrift i. d. F. v. 19.2.2002 ab 1.1.2002.
1 Allgemeines
1.1 Inhalt der Regelung
Rz. 2
Die Vorschrift regelt den Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten (vgl. § 66 Abs. 1) bei Halb- und Vollwaisenrenten.
Rz. 3
Abs. 1 stellt dabei die Grundsätze der Zuschlagsermittlung für beide Rentenarten auf – Halb- und Vollwaisenrente. Abs. 2 beinhaltet eine Sonderreglung bei der Ermittlung des Zuschlags für eine Halbwaisenrente; Abs. 3 beinhaltet insoweit eine Sonderreglung bei der Ermittlung des Zuschlags für eine Vollwaisenrente.
1.2 Normzweck
Rz. 4
Der Sinn der zum 1.1.1992 neu eingeführten Zuschlagsregelung bei Waisenrenten erklärt sich aus dem Regelungsinhalt der einschlägigen Vorgängervorschriften, die jeweils regelten, dass sich die Waisenrente einer Halbwaise um den Kinderzuschuss und die Waisenrente einer Vollwaise um ein Zehntel der für die Berechnung der Versichertenrente maßgebenden allgemeinen Bemessungsgrundlage erhöhte. Im bisherigen Recht konnte es daher zu einem krassen Missverhältnis zwischen der Vorleistung des verstorbenen Versicherten und der Höhe der Waisenrente kommen, weil der sog. Erhöhungsbetrag beitragsunabhängig und auch unabhängig von der Dauer der Zugehörigkeit des Verstorbenen zum Solidarsystem war. Diese Unzuträglichkeiten sollten durch die neue Regelung verhindert werden, indem die Höhe des Zuschlags sich entsprechend an der Anzahl der mit rentenrechtlichen Zeiten belegten Kalendermonate orientiert. Gerade die langjährige Zugehörigkeit zum System führt daher durch § 78 zu Verbesserungen (vgl. insgesamt die gesetzgeberischen Erwägungen BT-Drs. 11/4124 S. 172 – vorgesehen noch in § 77).
Rz. 5
Weitergehender Zweck ist die Unterhaltsersatzfunktion von Waisenrenten (vgl. insoweit auch unter Rz. 27 – Verfassungsrecht).
1.3 Vorgängervorschriften
Rz. 6
Vorgängervorschriften finden sich in § 1269 Abs. 1 Satz 3 RVO, in § 46 Abs. 1 Satz 3 AVG und in § 69 Abs. 6 Satz 3 RKG.
1.4 Ergänzende bzw. korrespondierende Regelungen
Rz. 7
Korrespondierende bzw. ergänzende Vorschriften finden sich in § 66 Abs. 2 Nr. 2 und 3 und in § 264c Abs. 1 Satz 2 i. d. F. v. 5.12.2012, der den Zuschlag bei Waisenrenten bei persönlichen Entgeltpunkten (Ost) i. S. einer Übergangsvorschrift bis zum 30.6.2024 regelt. Zum 1.7.2024 greift dann die Rentenangleichung (vgl. insoweit § 254d i. d. F. v. 17.7.2017). Zur knappschaftlichen Rentenversicherung ist § 87 und zum Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten [Ost] ist weiter § 264b Abs. 1 zu beachten.
1.5 Gemeinsame rechtliche Anweisungen der DRV
Rz. 8
Die Deutsche Rentenversicherung hat im Anwendungsbereich des SGB VI umfangreiche Gemeinsame Rechtliche Anweisungen (GRA) geschaffen, die auch § 78 erfassen. Die GRA der DRV zu § 78 hat den Stand 13.7.2018 und ist online unter der folgenden Adresse abrufbar: https://rvrecht.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/rvRecht/01_GRA_SGB/06_SGB_VI/pp_0076_100/gra_sgb006_p_0078.html (zuletzt abgerufen am 24.4.2024).
2 Rechtspraxis
2.1 Berechnung der Zuschlagsmonate (Abs. 1)
2.1.1 Maßgebliches Versicherungskonto – verstorbener Versicherter (Satz 1)
Rz. 9
Nach Satz 1 richtet sich der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten bei Waisenrenten nach den rentenrechtlichen Zeiten und dem Zugangsfaktor des verstorbenen Versicherten.
2.1.1.1 Sachlicher Anwendungsbereich
Rz. 10
Durch die Bezugnahme auf die Waisenrenten ohne Differenzierung nach Halb- oder Vollwaisenrente wird der sachliche Anwendungsbereich des Abs. 1 beschrieben. Die Grundregeln des Abs. 1 gelten daher unterschiedslos für alle Waisenrentenarten. Der Zuschlag erfolgt durch die Gutschrift zusätzlicher Entgeltpunkte.
2.1.1.2 Rentenrechtliche Zeiten des verstorbenen Versicherten
Rz. 11
Grundlage für die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte bei Halbwaisenrente nach § 66 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ist stets das Bezugsversicherungskonto des verstorbenen Versicherten. Der Entgeltpunktezuschlag richtet sich daher nach der individuellen Beitragsleistung des Versicherten und ist dynamisch ausgestaltet. Die Höhe des Zuschlags hängt sowohl bei der Halbwaisen- als auch bei der Vollwaisenrente von der Anzahl der Kalendermonate mit rentenrechtlichen Zeiten (§ 54 Abs. 1), die insoweit von unterschiedlicher Wertigkeit sind, und dem Zugangsfaktor des verstorbenen Versicherten ab (Abs. 1 Satz 1).
2.1.1.3 Zugangsfaktor des verstorbenen Versicherten
Rz. 12
Satz 1 ordnet weiter an, dass der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten bei Waisenrenten sich auch nach dem Zugangsfaktor des verstorbenen Versicherten richtet. Für die Zuschlagsberechnung ist bei Halbwaisenrenten der Zugangsfaktor i. S. d. § 77 des verstorbenen Versicherten und bei Vollwaisenrenten aus mehreren Versichertenstämmen der Zugangsfaktor des verstorbenen Versicherten mit der höchsten Versichertenrente maßgebend; vgl. § 66 Abs. 2 Nr. 2 und 3. Allerdings ist insoweit Abs. 3 zu beachten; bei Vollwaisenrenten werden danach die Versicherungsleben beider Eltern berücksichtigt (vgl. BT-Drs. 11/4124 S. 172- vorgesehen noch in § 77; vgl. auch GRA der DRV zu § 78 SGB VI, Stand: 13.7.2018, Anm. 2.2).
2.1.2 Kalendermonate mit Beitragszeiten (Satz 2)
Rz. 13
Satz 2 ordnet an, dass der Zuschlag für jeden Kalendermonat mit Beitragszeiten in vol...