0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist Nachfolgenorm des § 560 Abs. 1 Satz 1 und 5, Abs. 2 RVO und wurde zum 1.1.1997 durch das Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG) v. 7.8.1996 (BGBl. I S. 1254) in das SGB VII eingeordnet. Eine Anpassung an das neue SGB IX erfuhr Abs. 2 zum 1.7.2001 durch das SGB IX v. 19.6.2001 (BGBl. I S. 1046).
Durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 24.12.2003 (BGBl. I S. 2954) wurde der Begriff der Arbeitslosenhilfe in Abs. 1 Satz 2 zum 1.1.2005 ersetzt durch die Formulierung "nicht nur darlehensweise gewährtes Arbeitslosengeld II oder nicht nur Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem Zweiten Buch". Mit Wirkung zum 1.1.2007 wurde durch das Gesetz zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung v. 24.4.2006 (BGBl. I S. 926) in Abs. 1 Nr. 2 das Winterausfallgeld gestrichen, das an Arbeitnehmer gezahlt wurde, deren Anspruch auf eine Winterausfallgeld-Vorausleistung in der jeweiligen Schlechtwetterzeit ausgeschöpft war (§§ 214 f. SGB III).
Durch Art. 7 des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf v. 23.12.2014 (BGBl. I S. 2462) wurde im Zusammenhang mit der Berechnung des Kinderpflegeverletztengeldes und der Einführung des Pflegeunterstützungsgeldes Abs. 4 mit Wirkung zum 1.1.2015 neu gefasst.
Durch Art. 12 Abs. 10 Nr. 1 des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeldgesetz) v. 16.12.2022 (BGBl. I S. 2328) wurde mit Wirkung zum 1.1.2023 in Abs. 1 Nr. 2 die Bezeichnung Arbeitslosengeld II durch die Bezeichnung Bürgergeld ersetzt.
1 Allgemeines
1.1 Inhalt
Rz. 2
Die Vorschrift normiert die Voraussetzungen für den Anspruch auf Verletztengeld bei einer Ersterkrankung in verschiedenen Konstellationen.
Abs. 1 regelt die Anforderungen an einen Bezug von Verletztengeld während der Arbeitsunfähigkeit oder einer Heilbehandlung, die eine ganztägige Erwerbstätigkeit ausschließt.
Abs. 2 stellt die Voraussetzungen für den Bezug von Verletztengeld in dem Zeitraum nach der Heilbehandlung und vor dem Beginn der Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie vor und während der Durchführung einer Maßnahme zur Berufsfindung oder Berufserprobung auf.
Abs. 3 betrifft den Bezug von Verletztengeld beim Zusammentreffen von Maßnahmen der Heilbehandlung mit berufsfördernden Leistungen.
In Abs. 4 wird das Verletztengeld geregelt, das bei einer Verletzung eines Kindes beansprucht werden kann.
1.2 Funktion
Rz. 3
Das Verletztengeld hat die Funktion, den infolge des Versicherungsfalls eingetretenen Verlust von Bezügen aus der versicherten Tätigkeit oder von bestimmten Transferleistungen auszugleichen. Es wird während einer Arbeitsunfähigkeit oder neben den Leistungen zur Heilbehandlung und zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt. Der Anspruch auf Verletztengeld entsteht daher unmittelbar nach dem Versicherungsfall und ist als vorübergehende Leistung zeitlich begrenzt. Das Verletztengeld wird von der Krankenkasse als Beauftragte ausgezahlt (§ 189). An diese Leistungen kann sich ein Anspruch auf Verletztenrente anschließen (§ 56, § 72 Abs. 1 Nr. 1). § 45 regelt den Fall einer Ersterkrankung. Bei einer Wiedererkrankung gilt § 48.
1.3 Abgrenzung zum Krankengeld nach § 44 SGB V
Rz. 4
Das Verletztengeld ist vom Krankengeld nach § 44 SGB V abzugrenzen, das ebenfalls Entgeltersatzfunktion hat und an einen ähnlichen Sachverhalt anknüpft. In der Regel liegen die Voraussetzungen für den Bezug des Krankengeldes gleichzeitig vor. Eine Konkurrenzsituation entsteht indes nur, wenn zugleich eine Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht und die versicherte Person nicht nach § 44 Abs. 1 SGB V kraft Gesetzes oder nach § 44 Abs. 2 SGB V als freiwillig Versicherter kraft Satzung der Krankenkasse vom Krankengeldbezug ausgeschlossen ist. Der Bezug von Krankengeld ist überdies gemäß § 11 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen, wenn es aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit i. S. d. gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen wäre. Besteht hingegen eine private Krankenversicherung, kann es zu Doppelzahlungen kommen (BSG, Urteil v. 14.11.1996, 2 RU 5/96).
Der angestellte Automechaniker A rutscht bei der Reparatur eines Kundenfahrzeugs auf einer Öllache aus, bricht sich den rechten Arm und ist wegen dieses Arbeitsunfalls 6 Wochen arbeitsunfähig. Er bekommt Verletztengeld nach § 45. Der Anspruch gegen seine Krankenversicherung auf Krankengeld ist ausgeschlossen.
Rz. 5
Falls der Anspruch auf Krankengeld höher ist als derjenige auf Verletztengeld, ist von dem Ausschluss des § 11 Abs. 4 SGB V auch der überschießende Teil, der sog. Krankengeld-Spitzbetrag umfasst (BSG, Urteil v. 25.6.2002, B 1 KR 13/01 R; Nehls, in: Hauck/Noftz, SGB VII, K § 46 Rz. 7; anders noch zu § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V a. F.: BSG, Urteil v. 23.11.1995, 1 RK 13/94). Zum Verhältnis zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vgl. von Koppenfels, NZS 2002 S. 241.
2 Rechtspraxis
2.1 Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1)
Rz. 6
Der Anspruch auf Verletztengeld setzt in der ersten Variante des Abs. 1 Nr. 1 Arb...