Dr. Christine Susanne Rabe
Ist ein Konflikt entstanden, gehen Menschen höchst unterschiedlich mit der Situation um, was dazu beiträgt, dass das Thema sehr komplex ist. Die Reaktion auf eine derartige Komplexität ist regelmäßig der Versuch, durch Kategorisierungen das Thema greifbarer zu machen. So verwundert es nicht, dass auch zu der Frage, wie Menschen mit Konflikten umgehen, verschiedene Kategorisierungen entwickelt wurden.
Konflikttypen
Menschen reagieren und agieren in Konflikten sehr unterschiedlich!
Eines der wohl bekanntesten Modelle ist das Modell der Konfliktstile von Kenneth Thomas und Thomas Ruble, auch als Thomas-Kilmann-Modell (TKI) bekannt.
Danach wird das Verhalten in Konflikten anhand von zwei Dimensionen beschrieben: Auf der einen Seite wird das Verhalten daran bemessen, ob die betroffene Person sich an eigenen Interessen orientiert oder eher nicht. Die Orientierung am eigenen Interesse wird auch als Durchsetzungsvermögen bezeichnet. Andererseits wird berücksichtigt, inwieweit auch die Bedürfnisse der anderen Konfliktparteien im Umgang mit der Situation eine Rolle spielen, der sog. Wille zur Mitarbeit. Aus dieser Matrix ergeben sich dann in der Summe fünf unterschiedliche Konfliktstile:
Quelle: Vgl. u. a. ten Hoedt, Konflikt-Coaching, 2021, S. 113 bzw. Groß, Ökonomische Aspekte der Mediation in: Haft/von Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 54 Rz. 58.
Wie dem Schaubild zu entnehmen ist, führt eine geringe Orientierung an eigenen und fremden Bedürfnissen dazu, dass eine Konfliktbearbeitung eher vermieden wird. Aus einer starken Orientierung an eigenen Bedürfnissen, während die Bedürfnisse der anderen Konfliktpartei nur eine untergeordnete oder sogar keine Rolle spielen, wird der Versuch folgen, die eigene Position durchzusetzen. Spielen umgekehrt die Bedürfnisse der anderen Person eine große Rolle, während eigene Bedürfnisse vernachlässigt werden, wird die betroffene Person im Konfliktfall vermutlich eher nachgeben. Ist die Orientierung an eigenen und fremden Bedürfnissen mittelstark ausgeprägt, wird der Versuch unternommen werden, einen Kompromiss zu finden. Bei sehr starker Orientierung an eigenen und fremden Bedürfnissen ist davon auszugehen, dass das Ziel eine Win-Win-Lösung ist, bei der beide Parteien ihre Interessen optimal zur Geltung bringen können.
Die Anwendung des Modells kann dabei helfen, Hypothesen zu entwickeln, wie eine Person sich in einer möglichen Konfliktsituation vermutlich verhalten wird.
Vermeiden
Eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie die Konfliktbearbeitung eher vermeiden, also nicht mit der anderen Konfliktpartei in die aktive Auseinandersetzung gehen wird, reagiert voraussichtlich mit Rückzug. Einer offenen Kommunikation wird aus dem Weg gegangen. Oft wird darauf verwiesen, dass eine Konfliktvermeidung zu Nachteilen für alle Konfliktbeteiligten führt. Dabei wird jedoch übersehen, dass jede Form des Konfliktverhaltens in bestimmten Situationen vorteilhaft sein kann. So kann eine Konfliktvermeidung z. B. dann sinnvoll sein, wenn das Konfliktthema nur eine untergeordnete Rolle spielt oder sich durch Zeitablauf selbst erledigt.
Konfliktverhalten "Vermeiden"
Gehört Mitarbeiter A aus dem oben genannten Beispielsfall zu den Personen, die einen Konflikt eher vermeiden, wird die Entscheidung voraussichtlich unkommentiert hingenommen werden. Unterstellt, A würde ohnehin zum Jahresende in den Ruhestand gehen, macht es auch durchaus Sinn für A, das Thema Urlaubsplanung bei Erkrankung der Vertretung mit dem Chef C nicht zu thematisieren.
Durchsetzen
Wer demgegenüber seine Interessen gegen die andere Person durchsetzt, mag zwar kurzfristig als "Gewinner" erscheinen. Es besteht dann jedoch das Risiko, dass die Situation mittel- bis langfristig eskaliert und das Verhältnis zur anderen Konfliktpartei dauerhaft gestört oder gar "zerstört" wird. Manchmal machen Notsituationen aber ein entsprechendes Verhalten erforderlich.
Konfliktverhalten "Durchsetzen"
Der Chef C hat im Beispielsfall die Situation so gelöst, dass er den A in Aussicht gestellten Urlaub wegen der Erkrankung von B und bestehenden Personalengpässen doch nicht genehmigt hat. Er hat damit seine bzw. die Unternehmensinteressen gegen die Interessen des A durchgesetzt. Aufgrund der akuten Notsituation war diese Entscheidung aber erforderlich, auch wenn C Gefahr läuft, dass A mit der Entscheidung nicht einverstanden ist.
Es ist in einer solchen Situation daher sinnvoll und wichtig, die Entscheidung gegenüber A zu erklären und sicherzustellen, dass A nicht wiederholt die Erfahrung macht, dass Absprachen – der Urlaub war in Aussicht gestellt – nicht eingehalten werden. Wird die Entscheidung nicht gut erklärt oder werden wiederholt Absprachen nicht eingehalten, ist davon auszugehen, dass das Verhältnis zwischen Chef C und Mitarbeiter A nachhaltig gestört werden wird.
Nachgeben
Der nachgebende Konflikttyp stellt die Bedürfnisse der anderen bis hin zur Selbstaufgabe über die eigenen Interessen.