Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmissbräuchliche Befristung einer Arbeitszeiterhöhung. Feststellungsklage einer Lehrkraft an katholischer Heimschule bei mehr als zehnjährigen befristeten Arbeitszeitaufstockungen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht zum institutionellen Rechtsmissbrauch zur Befristungskontrolle nach § 14 Abs. 1 TzBfG entwickelt hat, finden auch bei der Inhaltskontrolle der Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen nach § 307 BGB Anwendung, falls eine wertungsmäßige Vergleichbarkeit der Fallgestaltungen besteht. Eine derartige Vergleichbarkeit liegt etwa vor, wenn der Arbeitgeber bei einem Teilzeitarbeitsverhältnis mit 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit über Jahre hinweg (im Entscheidungsfall: 11 Jahre) nur befristete Aufstockungen der Arbeitszeit angeboten hat, obwohl der Arbeitnehmer den Wunsch nach einem unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnis geäußert hatte.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 305 Abs. 1, § 307 Abs. 1, § 611 Abs. 1; TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Abs. 2 S. 1; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ulm (Entscheidung vom 10.12.2012; Aktenzeichen 4 Ca 280/12)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.03.2016; Aktenzeichen 7 AZR 828/13)

 

Tenor

  • 1.

    Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 10.12.2012 - 4 Ca 280/12 - werden zurückgewiesen.

  • 2.

    Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 69 % und die Beklagte 31 %.

  • 3.

    Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer befristeten Arbeitszeiterhöhung sowie über einen Anspruch des Klägers auf Verlängerung der Arbeitszeit.

Der am 08.02.1953 geborene, geschiedene und zwei Kindern unterhaltverpflichtete Kläger ist bei der Beklagten bei der Heimschule KW als Lehrkraft im Arbeitsverhältnis beschäftigt. Das Bruttoentgelt des Klägers belief sich zuletzt bei 16 Wochenstunden auf € 2.950,72. Aufgrund eines Arbeitsvertrags vom 29.07./20.08.1996 (Abl. 52) findet auf das Arbeitsverhältnis die Arbeitsvertrags- und Vergütungsordnung für den Kirchlichen Dienst in der Erzdiözese Freiburg vom 14.12.1976 in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.

Die Beklagte ist die Trägerin nahezu aller katholischer weiterbildenden Schulden in der Erzdiözese Freiburg, darunter die Heimschule KW. Der Kläger unterrichtet an dieser Schule die Fächer Biologie, Erdkunde sowie Naturwissenschaft und Technik. Darüber hinaus besitzt er die Befähigung, das Fach Mathematik in der Unterstufe (5.-7. Klasse) zu unterrichten. Der Kläger ist an der Heimschule KW Mitglied der Mitarbeitervertretung.

Der Kläger hatte nach seinem Staatsexamen zunächst keine Anstellung als Lehrer gefunden. Nach Ausübung verschiedener anderer Tätigkeiten begann er zunächst mit Nachhilfeunterricht bei der Heimschule KW. Seit Anfang 1995 schloss er mit der Beklagten befristete Arbeitsverhältnisse mit geringen Stundendeputaten ab. Der erste schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien datiert vom 29.07./20.08.1996 (Abl. 101 ff.). In der Folgezeit schlossen die Parteien eine Vielzahl von sogenannten Zusatzverträgen. Mit dem IV. Zusatzvertrag vom 12./16.08.2000 (Abl. 13) vereinbarten die Parteien eine unbefristete Beschäftigung des Klägers im Umfang von 12 Wochenstunden. Zum damaligen Zeitpunkt betrug das Wochendeputat für eine Vollzeitbeschäftigung 24 Wochenstunden (derzeit 25 Wochenstunden).

Insgesamt schlossen die Parteien 20 Arbeitsverträge, wobei die seit dem Schuljahr 2001/02 geschlossenen Arbeitsverträge jeweils auf ein Schuljahr befristete Arbeitszeiterhöhungen enthalten. In der Regel wird als Befristungsgrund in den Arbeitsverträgen die Deputatsreduzierung anderer Lehrkräfte angegeben. Seit dem Schuljahr 2010/11 wird als Befristungsgrund auch die Umstellung von G9 auf G8 angeführt (vgl. Anlage K 12).

Im Einzelnen schlossen die Parteien folgende Arbeitsverträge ab:

Zeitraum

Vertragliche Regelung

Deputat gesamt

Begründung

01.02.1995 - 31.01.1996

5/23 Wochenstunden

5/23

mündlich

01.02.1996 - 31.08.1996

3/23 Wochenstunden

3/23

mündlich

01.09.1996 - 14.09.1997

6/23 Wochenstunden

6/23

"Im Hinblick auf die durch die Arbeitszeiterhöhung (ab Schuljahr 1997/98) erforderliche Personalreduzierung"

Schuljahr 1997/98 ab 15.09.1997

5/23 Wochenstunden

5/23

"Grund der Befristung ist die Reduzierung des Stundenumfanges einer anderen Lehrkraft für das Schuljahr 1997/98"

Schuljahr 1998/99 ab 01.09.1998

8/24 Wochenstunden

8/24

"Grund der Befristung ist die Reduzierung des Stundenumfanges einer anderen Lehrkraft für das Schuljahr 1998/1999"

Schuljahr 99/2000 ab 01.09.1999

11/24 Wochenstunden

11/24

"Grund der Befristung ist die Reduzierung des Deputates einer anderen Lehrkraft im Schuljahr 99/2000"

Schuljahr 2000/01 ab 01.09.2000

12/24

Wochenstunden unbefristet

12/24

Schuljahr 2001/02 ab 01.09.2001

3 Wochenstunden zusätzlich

15/24

mündlich

Schuljahr 2002/03 ab 01.09.2002

7 Wochenstunden zusätzlich

19/24

"Die Befristung der sieben Wochenstunden erfolgt hinsichtlich der Teilzeitbeschäftigung einer...

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