Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit Kündigungsschutzgesetz. ausländische Fluggesellschaft. Bodenbetrieb. Luftbetrieb. Schwellenwert
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Rahmen des § 23 KSchG ist unter „Betrieb” die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln zu verstehen, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt. Ein solcher Betrieb muss zudem im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG erfüllen.
Der „Bodenbetrieb” eines Luftfahrtunternehmens ist nach den gesetzlichen Regelungen in § 23 und § 24 KSchG ein eigener vom Luftbetrieb zu unterscheidender Betrieb.
2. Die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere in London, beschäftigten Arbeitnehmer des Bodenpersonals konnten auch dann nicht bei der Berechnung des Schwellenwertes berücksichtigt werden, wenn die in Deutschalnd und in England belegenen Bodenbetriebe einen einheitlichen Betrieb bilden würden. Denn dieser Betrieb würde auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG erfüllen. Zudem fehlt es für eine Berücksichtigung der in England beschäftigten Mitarbeiter an dem erforderlichen Bezug zum deutschen Arbeitsrecht; deren Arbeitsverhältnisse unterliegen nicht deutschem Recht. Im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse nicht dem deutschen Recht unterliegen, zählen aber auch dann bei der Berechnung des Schwellenwertes nicht mit, wenn die ausländische Arbeitsstätte mit der deutschen einen Gemeinschaftsbetrieb bildet.
Normenkette
KSchG § 23 Abs. 1, § 24
Verfahrensgang
ArbG Cottbus (Urteil vom 24.04.2010; Aktenzeichen 5 Ca 40/10) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 24. April 2010 – 5 Ca 40/10 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung und in diesem Zusammenhang insbesondere über die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes sowie über einen Anspruch des Klägers auf Teilzeit.
Die Beklagte ist eine international tätige Fluggesellschaft nach englischem Recht mit mehr als 6.000 Arbeitnehmern. Sitz der Beklagten ist London-L.. Dort ist auch die Hauptverwaltung angesiedelt. Von dort werden alle operativen und verwaltungstechnischen Entscheidungen getroffen, einschließlich sämtlicher Personalentscheidungen. In Deutschland ist der einzige Standort der Beklagten Berlin-Sch.. Dort beschäftigt sie einschließlich des Klägers acht Mitarbeiter als nicht fliegendes Personal. Außerdem sind in Sch. zwölf Flugzeuge der Beklagten mit jedenfalls mehr als zwei Arbeitnehmern des fliegenden Personals stationiert.
Der Kläger ist seit dem 5. Februar 2004 bei der Beklagten zuletzt auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 28. Mai 2008/2. Juni 2008 (Bl. 23 – 31 d.A.) als „ACCM-SXF” (Assistent Cabin Crew Manager) in Berlin – Sch. beschäftigt.
Im Jahr 2009 kam es beim Kläger zu verschiedenen krankheitsbedingten Fehlzeiten, unter anderem vom 10. Juni 2009 bis zum 31. Juli 2009 und vom 28. September 2009 bis zum 20. November 2009. Mit anwaltlichem Schreiben vom 8. Juli 2009 forderte der Kläger die Beklagte auf, einer Verringerung seiner wöchentlichen Arbeitszeit ab dem 1. November 2009 von 40 auf 20 bzw. 30 Stunden zuzustimmen. Die Beklagte erklärte sich zu einer bis zum 31. Dezember 2009 befristeten Verringerung der Arbeitszeit des Klägers auf 20 Stunden bereit. Ob der Kläger eine von ihm bereits unterschriebene Vereinbarung über eine befristete Verringerung der Arbeitszeit vom Schreibtisch seiner Vorgesetzten mitnahm – so die Beklagte – ist streitig. Jedenfalls forderte der Kläger die Beklagte erneut mit Schreiben vom 9. September 2009 zu einer Zustimmung auf, was die Beklagte mit Schreiben vom 28. September 2009 ablehnte.
Da es zu anderweitigen Vereinbarungen mit der Beklagten über eine Verringerung der Arbeitszeit nicht kam, begehrt der Kläger mit der am 4. November 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 25. November 2009 zugestellten Klage eine Verringerung seiner Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden und entsprechende Beschäftigung. Noch vor Klagezustellung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 10. November 2009, dem Kläger zugegangen am 12. November 2009 fristgemäß zum 31. Januar 2010. Gegen diese Kündigung richtet sich die beim Arbeitsgericht am 17. November 2009 eingegangene Klageerweiterung, die der Beklagten zusammen mit der Klageschrift am 25. November 2009 zugestellt wurde.
Der Kläger hält das Kündigungsschutzgesetz im Hinblick auf die Zahl der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer für anwendbar, die streitgegenständliche Kündigung für sozial ungerechtfertigt und wegen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot nach § 612 a BG...