Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung der Aufklärungspflicht des Arbeitgebers hinsichtlich vertraglicher Ausschlussfristen nur Vermutungswirkung für die rechtzeitige Geltendmachung (Stufe 1). Keine Vermutung rechtzeitiger Klageeinreichung durch Arbeitnehmer bei nicht aufklärungsgemäßem Verhalten des Arbeitgebers. Beschränkung der Bindungswirkung des Revisionsurteils auf dessen tragende Gründe
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vermutung eines aufklärungsgemäßen Verhaltens bei der Prüfung der adäquat-kausalen Schadensverursachung durch einen vorwerfbar pflichtwidrig unterlassenen Hinweis auf eine anwendbare Ausschlussfrist bezieht sich allein auf den Aufklärungsgegenstand. Sie erstreckt sich bei einstufigen Ausschlussfristen nicht auch auf eine - potentiell - rechtzeitige Klageerhebung. Zu vermuten ist mithin nur, dass der Arbeitnehmer bei gesetzeskonformem Hinweis auf die einstufige Ausschlussfrist seine Ansprüche rechtzeitig innerhalb dieser Frist außergerichtlich geltend gemacht hätte, nicht aber, dass er sie auch rechtzeitig vor Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist eingeklagt hätte.
2. Die Bindungswirkung des Revisionsurteils ist bei Aufhebung und Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht beschränkt auf die unmittelbar die Aufhebung tragenden Entscheidungsgründe.
3. Hinweis: Entscheidung nach Zurückverweisung durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 30.10.2019 - 6 AZR 465/18.
Normenkette
NachwG § 2 Abs. 2 S. 1; BGB § 249 Abs. 1; ArbGG § 72 Abs. 5; ZPO § 563 Abs. 2; BGB § 280 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 12.01.2017; Aktenzeichen 10 Ca 4540/16) |
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 12.01.2017 - Az.: 10 Ca 4540/16 - teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.594,27 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz hieraus seit dem 15.01.2016 zu zahlen.
II.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen zu 91%, die Beklagte zu 9%.
IV.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, der Entscheidung der Berufungskammer vom 10.04.2018 - 3 Sa 144/17 - und deren Aufhebung sowie Zurückverweisung des Rechtsstreits zur neuen Verhandlung und Entscheidung durch Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 30.10.2019 - 6 AZR 465/18 - weiterhin über Differenzvergütungsansprüche wegen einer aus Sicht des Klägers unzutreffenden Eingruppierung für zuletzt noch den Zeitraum von Mai 2004 bis einschließlich April 2015 und in diesem Zusammenhang insbesondere über die Frage, ob und in welchem Umfang dem Kläger im Zusammenhang mit dem Verfall seines Erfüllungsanspruchs wegen Verstoßes der Beklagten gegen ihre Pflichten aus § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG ein entsprechender Schadensersatzanspruch zusteht.
Der am 06.01.1951 geborene Kläger war in der Zeit vom 10.06.1996 bis zum 05.06.2016 als Küster und Reinigungskraft bei der Beklagten beschäftigt. Der am 24.07.1996 vom erzbischöflichen Generalvikariat genehmigte schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien (Blatt 10 ff. der Akte) enthält unter anderem folgende Regelungen:
"§ 2
Die kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) ist in ihrer jeweiligen Fassung einschließlich der Anlagen Bestandteil dieses Vertrages.
...
§ 5
Der Mitarbeiter ist in der Vergütungsgruppe K IX Fallgruppe ohne beginnend mit Stufe 08 eingruppiert. ...
§ 11
Sonstige Vereinbarungen: Herr K. verpflichtet sich zur Küsterausbildung am St. H. B. und diese mit der Küsterprüfung bis zum 09.06.1998 erfolgreich abzuschließen."
Der Kläger hat am 22.05.1971 in B. (Polen) die Abschlussprüfung des Berufstechnikums bestanden. Mit Bescheinigung des Regierungspräsidenten Arnsberg vom 14.07.1989 (Blatt 425 der Akte) wurde die Gleichwertigkeit dieser Ausbildung mit dem Zeugnis über das Bestehen der Staatlichen Technikerprüfung in der Fachrichtung Elektrotechnik anerkannt und dem Kläger gestattet, die Berufsbezeichnung "Staatlich geprüfter Techniker" zu führen.
Mit weiterem Bescheid der Handwerkskammer Düsseldorf vom 07.09.1989 (Blatt 428 der Akte) wurde der von dem Kläger in M. am 19.06.1968 erworbene Befähigungsnachweis als qualifizierter Arbeiter im Beruf Monteur für Radio- und Fernsehreparatur als gleichwertig mit der Gesellenprüfung im Radio- und Fernsehtechniker-Handwerk anerkannt. Darüber hinaus hat der Kläger in der Zeit vom 06.08. bis zum 03.09.1990 bei der Gewerbeförderungsanstalt der Handwerkskammer Düsseldorf einen Weiterbildungslehrgang "Grundlagen der Elektrotechnik" absolviert.
Aufgrund der vorstehend genannten, von ihm erworbenen Qualifikationen war der Kläger befugt und in der Lage, Arbeiten oder Reparaturarbeiten in den kirchlichen Räumen der Beklagten durchzuführen.
Nachdem der Kläger am 06.05.1998 die Küsterprüfung (Sakristan-Prüfung) bestanden hatte (Blatt 314 der Akte), wurde er mit Nachtragsvertrag vom 20.07.1998 (Blatt 315 der Akte) rückwirkend zum 01.05.1998 in...