Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Wirksamkeit von Betriebsratsbeschlüssen
Leitsatz (amtlich)
1. Der Mangel einer fehlenden Tagesordnung kann durch Beschluß der Betriebsratsmitglieder geheilt werden, sofern der Betriebsrat vollständig versammelt ist und kein Betriebsratsmitglied der Beschlußfassung widerspricht (wie BAG, Beschluß vom 28.10.1992 – 7 ABR 14/92 –, EZA § 29 BetrVG 1972 Nr. 2).
2. Betriebsratsbeschlüsse können nicht im Umlaufverfahren gefaßt werden.
3. Die Wirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses setzt voraus, dass er in einer Sitzungsniederschrift enthalten ist, die zumindest den Wortlaut des Beschlusses und die Stimmenmehrheit, mit der er gefaßt wurde, enthält.
4. Beschlüsse, die in einer Niederschrift stehen, die auf Anweisung des Betriebsratsvorsitzenden nachträglich in einem Anwaltsbüro gefertigt und anschließend auch von Betriebsratsmitgliedern unterschrieben wurden, die an der Sitzung nicht teilgenommen haben, sind unwirksam. Mit einer solchen Niederschrift wird über die Zahl der Betriebsratsmitglieder getäuscht, die an der Betriebsratssitzung teilgenommen haben. Auch wird die Stimmenmehrheit, mit der die Beschlüsse gefaßt sein sollen, unzutreffend dargestellt.
Normenkette
BetrVG §§ 29, 33-34
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Beschluss vom 19.03.1998; Aktenzeichen 8 BV 55/97 d) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 19.03.1998 – 8 BV 55/97 d – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz noch über die Frage, ob die Arbeitgegerin, die Antragsgegnerin, verpflichtet ist, dem antragstellenden Betriebsrat einen Raum mit Telefonanschluss und eine PC-Anlage zur Verfügung zu stellen. In diesem Zusammenhang streiten sie zunächst über die Frage, ob der Einleitung des vorliegenden Verfahrens ein ordnungsgemäß zustande gekommener Betriebsratsbeschluss zugrunde liegt.
Der Antragsteller ist der aus drei Mitgliedern bestehende Betriebsrat. Die Arbeitgeberin beschäftigt etwa 60 Arbeitnehmer.
Am 08.12.1997 machte der Betriebsrat das vorliegende Verfahren anhängig, mit dem er von der Arbeitgeberin die Zurverfügungstellung eines Raumes, eines Telefonanschlusses, einer PC-Anlage und von Literatur, letztere für jedes Betriebsratsmitglied, in Anspruch nahm.
Der Betriebsratsvorsitzende hat behauptet, der Betriebsrat habe auf einer Sitzung am 14.11.1997 beschlossen, seinen jetzigen Verfahrensbevollmächtigten, Herrn Rechtsanwalt B , mit der außergerichtlichen und gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche gegen die Arbeitgeberin auf zur Verfügungstellung eines Raumes für die Betriebsratsarbeit, sowie eines Telefonanschlusses, eines Personalcomputers, Schreibgeräts und von Fachliteratur zu beauftragen und zu bevollmächtigen.
Im Anhörungsverfahren vor dem Beschwerdegericht hat sich in diesem Zusammenhang folgender von den Beteiligten im Wesentlichen übereinstimmend vorgetragener Sachverhalt ergeben:
Am 12.11.1997 kündigte der Betriebsratsvorsitzende der Arbeitgeberin an, dass am 14.11.1997 eine Betriebsratssitzung stattfinden werde. Dem widersprach die Arbeitgeberin unter Hinweis auf dringend zu erledigende Arbeit. Dem Betriebsrat gehörten damals neben dem Vorsitzenden Sch die Mitglieder Ka und Ku an. Ersatzmitglied war der Arbeitnehmer W .
Am 14.11.1997 kamen der Betriebsratsvorsitzende Sch , das Betriebsratsmitglied Ka und das Ersatzmitglied W im Heizungskeller des Betriebes zusammen, wo die Betriebsratssitzung stattfinden sollte. Ob Herr Ka bereits in den Tagen zuvor erklärt hatte, er habe eigentlich keine Lust mehr, im Betriebsrat mitzuarbeiten, und ob mit Rücksicht darauf vereinbart war, dass er in der Sitzung vom 14.11.1997 seinen Rücktritt erklären solle, und ob er das auch getan hat, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls verließ Herr Ka die Sitzung alsbald. Nach etwa 20 Minuten erschien der Geschäftsführer der Arbeitgeberin bei den noch anwesenden Betriebsratsmitgliedern Sch und W im Heizungskeller und forderte sie auf, die Arbeit sofort wieder aufzunehmen. Herr W befolgte diese Anweisung.
Während der von der Arbeitgeberin erzwungenen Auflösung der Betriebsratssitzung erschien das Betriebsratsmitglied Ku und begab sich mit dem Betriebsratsvorsitzenden in dessen Privathaus, wo nach der Behauptung des Betriebsratsvorsitzenden der oben wiedergegebene Beschluss gefasst sein soll. Ein Protokoll über die Betriebsratssitzung existiert nicht. Der angeblich gefasste Beschluss wurde einige Tage später in der Kanzlei des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers niedergelegt, wo regelmäßig die Beschlüsse schriftlich ausgefertigt werden, die der Betriebsrat nach der Behauptung seines Vorsitzenden gefasst hat. Datiert wurde der Beschluss auf den 14.11.1997. Das Betriebsratsmitglied W unterschrieb den Beschluss einige Tage später und erklärte dazu im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht, er habe den Beschluss zwar unterzeichnet, jedoch sei über die Geltendmachung der Ansprüche hinsichtlich der zur Verfügungstellung ein...