Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechte des Arbeitnehmers bei Nichterfüllung des Urlaubsanspruchs
Leitsatz (amtlich)
1. Das Unionsrecht (Urteil des EUGH vom 12.06.2014 - C-118/13 - Bollacke) gebietet es, § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG so auszulegen, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Urlaubsanspruch von sich aus auch ohne ein Urlaubsverlangen des Arbeitnehmers zu erfüllen (wie LAG Berlin-Brandenburg 12.06.2014- 21 Sa 221/14).
2. Für die Jahre 2012 und 2013 scheitert aber ein dementsprechender Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen der ständigen gegenteiligen Rechtsprechung des BAG am Verschulden des Arbeitgebers.
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 21.10.2015; Aktenzeichen 4 Ca 1568/15) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 21.10.2015 - 4 Ca 1568/15 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger war vom 01.09.2009 bis zum 30.04.2015 als Kassierer mit einer monatlichen Arbeitszeit von 55 Stunden und einem Stundenlohn von7,20 € brutto bei dem Beklagten in dessen A C beschäftigt. Er wurde in jedem Monat in insgesamt acht Schichten jeweils an einem Samstag und Sonntag eingesetzt. Im Jahre 2012 betrug die monatliche Arbeitszeit bei acht Schichtdiensten 55 Stunden, die mit 396,00 € brutto = netto vergütet wurden. Im Jahre 2013 betrug die monatliche Arbeitszeit 60 Stunden, die mit 432,00 € brutto = netto vergütet wurden. Dem Kläger wurde in den Jahren 2012 und 2013 kein Jahresurlaub gewährt.
Nachdem er mit Schreiben vom 18.02.2015 das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2015 gekündigt hatte und seine gesetzlichen Urlaubsansprüche für die Jahre 2012 bis 2014 zu je acht Urlaubstagen geltend gemacht hat, galt der Beklagte die Urlaubsansprüche für das Jahr 2014 und anteilig 2015 ab, nicht aber die Urlaubsansprüche für die Jahre 2012 und 2013.
Der Kläger begehrt wegen des nicht gewährten Jahresurlaubs für die Jahre 2012 und 2013 Schadensersatz in Höhe des Entgelts für jeweils acht Urlaubstage, insgesamt - insofern rechnerisch unstreitig - 828,00 €, die der Kläger erstinstanzlich als Nettozahlung begehrte.
Der Kläger hat behauptet, den Beklagten mehrfach auf die Gewährung von Urlaub angesprochen zu haben. Er meint indes, auch ohne ein solches Verlangen sei es die Pflicht des Beklagten gewesen, ihm von sich aus Urlaub zu gewähren, sodass der Beklagte den Verfall seines Urlaubsanspruches und die damit eintretende Unmöglichkeit der Erfüllung zu vertreten habe und daher nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Schadensersatz verpflichtet sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von netto 828,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte beruft sich darauf, dass der Kläger weder schriftlich noch mündlich jemals den Urlaub in den vergangenen Jahren begehrt habe.
Das Arbeitsgericht hat unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die für einen entsprechenden Schadensersatzanspruch die Anforderung gestellt, dass der Arbeitgeber einen vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt, die Klage abgewiesen. Es ist dem Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 12.06.2014 - 21 Sa 221/14 -, auf das der Kläger sich berufen hatte, nicht gefolgt und hat die Auffassung vertreten, dass auch das Urteil des EUGH im Fall B (Urteil vom 12.06.2014 - C-118/13 - ) nicht zu einem anderen Ergebnis zwinge.
Gegen dieses ihm am 09.11.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.11.2015 Berufung eingelegt und diese am 28.12.2015 begründet. Er wendet sich mit Rechtsausführungen gegen das erstinstanzliche Urteil, wegen derer auf die Berufungsbegründung (Bl. 83 - 91 d. A.) Bezug genommen wird.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 21.10.2015 - 4 Ca 1568/15 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 828,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Insofern wird auf die Berufungserwiderung Bezug genommen.
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätzen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hatte in der Sache keinen Erfolg.
I. Das Arbeitsgericht ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass der Urlaub aus den Jahren 2012 und 2013 gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 und 2 BUrlG verfallen war, weil er nicht im jeweils laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen wurde und für eine Übertragung in das nächste Kalenderjahr die dafür erforderlichen dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitne...