Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen Arbeitsverhältnis und Rechtsverhältnis eines selbstständig Tätigen. Arbeitsvertragsdefinition in § 611a BGB. Keine persönliche Abhängigkeit oder Weisungsgebundenheit bei Aufträgen eines Crowdsourcing-Unternehmens. E-Mail als wirksame Kündigungserklärung eines Auftragsverhältnisses
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Arbeitsverhältnis besteht zwischen zwei Personen, die durch einen Arbeitsvertrag rechtlich miteinander verbunden sind. Es unterscheidet sich vom Rechtsverhältnis eines selbstständig Tätigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in dem sich der Verpflichtete befindet.
2. Der Begriff des Arbeitsvertrages ist in § 611a Abs. 1 BGB gesetzlich definiert. Danach wird durch den Arbeitsvertrag der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann dabei Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.
3. Bietet ein Crowdsourcing-Unternehmen über eine App Auftragnehmern verschiedene Aufträge zur Durchführung an und steht es dem Auftragnehmer frei, einen Auftrag anzunehmen oder abzulehnen, und sind keinerlei Vorgaben über Ort und Zeit der Arbeitsleistung vorgegeben, besteht kein Arbeitsverhältnis mit dem Auftraggeber i.S.d. § 611a BGB. Maßgeblich sind im entschiedenen Fall weitere tatsächliche Gegebenheiten, die jegliche persönliche Abhängigkeit oder Weisungsgebundenheit vermissen lassen.
4. Eine E-Mail kann die Kündigung eines Auftragsverhältnisses bewirken. Sie kann jedenfalls gem. § 133, 157 BGB als Kündigungserklärung ausgelegt werden. Sie erfüllt auch die Anforderung an eine vereinbarte Schriftform, weil sie gem. § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB ohne eigenhändige Unterschrift als telekommunikative Übermittlung des Erklärungswillens des Absenders ausreicht.
Normenkette
BGB §§ 611a, 127 Abs. 2 S. 1, §§ 133, 157, 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 20.02.2019; Aktenzeichen 19 Ca 6915/18) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 20.02.2019 - 19 Ca 6915/18 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.
Der am 05.01.1967 geborene Kläger war für die Beklagte seit 04.02.2017 als sogenannter Crowdworker tätig. Hierfür erzielte er bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von ca. 20 Stunden einen durchschnittlichen Monatsbetrag von 1.749,34 €. Der Kläger hat ein Gewerbe angemeldet (vgl. Gewerbeanmeldung vom 30.05.2014, Bl. 45 d. A.).
Die Parteien schlossen am 13.12.2016/06.02.2017 eine Basis-Vereinbarung, die auszugsweise wie folgt lautet:
"Vorbemerkung
C. (= Beklagte) ist ein Crowdsourcing Unternehmen, und bietet über die C. App Auftragnehmern verschiedene Aufträge zur Durchführung an. Nimmt der Auftragnehmer einen Auftrag an und führt diesen korrekt durch wird ihm die im Einzelauftrag vereinbarte Vergütung zzgl. der gesetzlichen MwSt direkt auf seinem virtuellen C. Account gutgeschrieben. Der Auftragnehmer kann sich ein virtuelles Guthaben dann jederzeit per Paypal auszahlen lassen.
§ 1 Tätigkeit
(...)
Der Auftraggeber bietet Aufträge der Crowd zur Durchführung an. Dem Auftragnehmer steht es jederzeit frei einen verfügbaren Auftrag anzunehmen, eine Verpflichtung dazu besteht nicht. Umgekehrt besteht keine Verpflichtung für den Auftraggeber Aufträge anzubieten.
Wenn der Auftragnehmer einen Auftrag annimmt ist dieser entsprechend der Auftragsbeschreibung korrekt durchzuführen. Sollten einzelne Auftragsbestandteile unklar sein obliegt es dem Auftragnehmer weitere Informationen beim Auftraggeber einzuholen. Eine Vergütungspflicht für den Auftraggeber entsteht nur bei vollständiger und korrekter Durchführung des Auftrags gem. der Auftragsbeschreibung.
Darüber hinaus ist der Auftragnehmer an keinerlei Vorgaben zum Arbeitsort oder Arbeitszeit gebunden. Projektbezogene Zeitvorgaben des Auftraggebers sind ebenso einzuhalten wie fachliche Vorgaben, soweit diese zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung erforderlich sind. (...)
§ 5 Leistungserbringung
Der Auftragnehmer ist berechtigt zur Erfüllung des Auftrags eigene Mitarbeiter einzusetzen oder Unteraufträge zu erteilen. (...)
§ 8 Vertragsdauer und Kündigung
Diese Vereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft und kann von beiden jederzeit gekündigt werden. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen. (...)
§ Schlussbestimmungen
1. (...) Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrags bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dieses Formerfordernis kann weder mündlich noch stillschweigend aufgehoben oder außer Kraft gesetzt werden. (...)"
Ergänzend wird auf die Kopie der Basis-Vereinbarung (Anlage B 6; Bl. 54 ff. d. A.) verwiesen.
Die die Basis-V...