Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechte einer Arbeitnehmerin wegen der Untersagung des Mitbringens eines Assistenzhundes an ihren Arbeitsplatz
Leitsatz (redaktionell)
Es ist vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt, wenn einer Mitarbeiterin die Mitnahme eines Assistenzhundes an den Arbeitsplatz untersagt wird, weil durch den von dem Tier entwickelten Beschützerinstinkt und sein Territorialverhalten die Arbeitsabläufe erheblich gestört werden.
Normenkette
AGG § 15 Abs. 2, §§ 22, 7; BGB §§ 133, 145, 157, 241 Abs. 2, § 315 Abs. 1; BGG § 12e; GewO § 106; GG Art. 3 Abs. 3 S. 2; IfSG § 28b; SGB IX § 164 Abs. 4; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 29.09.2021; Aktenzeichen 3 Ca 1284/20) |
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin zur Mitnahme ihres Hundes an den Arbeitsplatz berechtigt ist. Weiterhin macht die Klägerin Ansprüche auf Entschädigung sowie Schadensersatz aufgrund einer Benachteiligung wegen der Behinderung geltend und begehrt hilfsweise die Zurverfügungstellung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes.
Die am 07. Juni 1968 geborene Klägerin ist aufgrund Arbeitsvertrags vom 09. Oktober 1998 (Bl. 6 d. A.) seit dem 01. Januar 1999 bei der Beklagten als Verwaltungsangestellte mit derzeit 34 Wochenstunden gegen ein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt in Höhe von zuletzt 2.673,00 EUR im Eigenbetrieb Stadtentsorgung (ESN) beschäftigt.
Die Klägerin leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Seit Ende 2017 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Im Jahr 2018 schaffte sie sich nach dem Tod ihres Hundes "L." den neuen Hund "P." an. Im Mai 2019 begann sie die Wiedereingliederung in der Verwaltung des Eigenbetriebs (ESN) und brachte ihren Hund "P." mit zur Arbeit. Dabei erledigte sie Arbeiten von Frau S., die damals für längere Zeit ausfiel. Nach Rückkehr von Frau S., die eine Hundehaarallergie hat, wurde die Klägerin ab Dezember 2019 mit ihrem Hund in verschiedenen Räumlichkeiten des Eigenbetriebs (ESN) untergebracht. Am 01. September 2020 ging Frau S. in Rente.
Per E-Mail vom 09. April 2020 (Bl. 51 d. A.) wurde vom Werkleiter, Herrn K., unter Verweis auf das Thema Coronavirus im Hinblick auf das unklare Risiko bei Haustieren ab dem 14. April 2020 das Mitbringen von Haustieren auf Grundstücke des Eigenbetriebs (ESN) verboten. Nach einem Gespräch im Mai 2020 mit dem Werkleiter durfte die Klägerin ihren Hund mitbringen, der aber auf der Terrasse und im Garten bleiben sollte. Per E-Mail vom 06. Juli 2020 (Bl. 10 f. d. A.) teilte der Werkleiter der Klägerin Folgendes mit:
"Sehr geehrte Frau A.,
leider kann ich das weitere Mitbringen Ihres Hundes zum ESN nicht mehr zulassen.
Ich sehe auch die Lösung mit dem Hund im Garten als gescheitert an.
Dies hat zum einen den Grund, dass ich Ihren Hund als gefährlich ansehe, zum anderen ist die Regelung nicht umzusetzen bzw. der Hund lief trotzdem ohne Leine in das Haus.
Die Bedrohung, welche durch diesen nicht sozialisierten Hund ausgeht, sehe ich als erheblich.
Sie haben nicht beweisen können, dass das von mir entgegengebrachte Vertrauen angebracht ist.
Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich zu diesem Ergebnis komme.
Das Verhalten des Tieres und ihr Umgang mit den getroffenen Regelungen lassen mir keine andere Wahl, als das Mitbringen des Hundes in den Bereich des ESN zu verbieten.
Bei Zuwiderhandlungen muss mit disziplinarischen Maßnahmen gerechnet werden."
In der Folgezeit war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 24. Juli 2020 (Bl. 13 f. d. A.) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass ihr Hund "P." ein Assistenzhund sei und sie zur Arbeit begleiten müsse. Von Seiten der Beklagten wurde mit Schreiben vom 30. Juli 2020 (Bl. 52 f. d. A.) dem Hund die Eigenschaft als Assistenzhund abgesprochen und darauf verwiesen, dass das Verbot gemäß der E-Mail vom 06. Juli 2020 uneingeschränkt weiter gelte.
Am 19. November 2020 fand ein Gespräch im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) mit der Klägerin statt. Mit Schreiben vom 27. November 2020 (Bl. 50 d. A.) untersagte die Beklagte der Klägerin eine Arbeitsaufnahme mit Begleitung ihres Hundes unter Verweis darauf, dass der Hund nicht sozial kompatibel sei und dadurch die betrieblichen Abläufe nachhaltig gestört würden.
Am 21. Juli 2020 stellte die Klägerin beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft (Eingangsbestätigung vom 24. Juli 2020, Bl. 139 d. A.).
Mit ihrer am 25. August 2020 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein eingegangenen Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass sie zur Mitnahme ihres Assistenzhundes an den Arbeitsplatz berechtigt ist, und Ansprüche auf Schmerzensgeld sowie Schadenersatz geltend gemacht. Klageerweiternd hat sie hilfsweise die Zurverfügungstel...