Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. Pflegefachkraft für außerklinische Intensivpflege sowie für Beatmungspflege. häusliche Versorgung eines 24 Stunden beatmungspflichtigen Patienten für ein Pflegeunternehmen. Abgrenzung. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die regelmäßige Erbringung von ambulanten Pflegeleistungen für einen anderen Vertragspartner als den Patienten ist in der Regel als abhängige Beschäftigung aufzufassen, es sei denn, es treten besondere Umstände hinzu, die die Abhängigkeit der Pflegefachkraft im Einzelfall aufheben.

 

Orientierungssatz

1. Zur Sozialversicherungspflicht eines staatlich anerkannten Altenpflegers und Pflegefachkraft für außerklinische Intensivpflege sowie für Beatmungspflege, der neben einem Vollzeitarbeitsverhältnis beim Pflegedienst für ein weiteres Pflegeunternehmen, soweit sein Dienstplan dies zuließ, als Pflegefachkraft auf Basis eines "Vertrags über freie Mitarbeit“ zum Zwecke der Erbringung von Leistungen der Krankenpflege ausschließlich die häusliche Versorgung eines 24 Stunden beatmungspflichtigen Patienten als Tagesdienst, als Nachtdienst oder als kombinierten Tages-/Nachtdienst sicherstellte.

2. Für Unternehmer bestehende Schwierigkeiten, qualifizierte Beschäftigte zu gewinnen, und Erfordernisse einer Kostenoptimierung sind für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung einer Tätigkeit nicht relevant. Dies gilt selbst für etwaige Versorgungsprobleme im Gesundheitswesen. Finden Einrichtungen der Daseinsvorsorge wie Krankenhäuser nicht genügend Personal, das bereit ist, ein Arbeitsverhältnis mit dem Krankenhaus einzugehen, weil die Arbeitsbedingungen als nicht attraktiv angesehen werden (Bezahlung, Arbeitszeiten, Schicht- und sonstige Dienste), können Krankenhäuser und Pflegefachkräfte die insoweit bestehenden Probleme nicht dadurch lösen, dass sie einen Honorarvertrag vereinbaren.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 01.12.2020; Aktenzeichen B 12 KR 39/20 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Februar 2017 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin im Zeitraum 2. Januar 2014 bis 22. November 2014.

Das klägerische Unternehmen erbringt u.a. ambulante Intensiv- und Beatmungspflege.

Der im Jahre 1973 geborene Beigeladene zu 1. ist staatlich anerkannter Altenpfleger und Pflegefachkraft für außerklinische Intensivpflege sowie für Beatmungspflege. Er stand im streitigen Zeitraum in einem Vollzeitarbeitsverhältnis beim Pflegedienst S & M GbR. Daneben war er, soweit sein Dienstplan dies zuließ, für drei weitere Pflegeunternehmen, darunter die Klägerin, als Pflegefachkraft tätig.

Mit der Klägerin schloss der Beigeladene zu 1. am 2. Januar 2014 einen „Vertrag über freie Mitarbeit“ zum Zwecke der Erbringung von Leistungen der Krankenpflege, der u.a. folgende Regelungen enthielt:

㤠2 Weisungsfreiheit

(1) Der Auftragnehmer unterliegt bei der Durchführung der übertragenen Tätigkeiten keinen Weisungen des Auftraggebers. Er ist in der Gestaltung seiner Tätigkeit (Zeit, Dauer, Art und Ort der Arbeitsausübung) selbstständig tätig und vollkommen frei. Auf besondere betriebliche Belange im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit ist jedoch Rücksicht zu nehmen.

(2) Der Auftragnehmer ist an keinerlei Vorgaben zum Arbeitsort oder zur Arbeitszeit gebunden. Projektbezogene Zeitvorgaben des Auftraggebers sind allerdings einzuhalten, ebenso fachliche Vorgaben des Auftraggebers, soweit diese zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung erforderlich sind.

(3) Der Auftragnehmer ist ferner berechtigt, Aufträge des Auftraggebers ohne Angabe von Gründen abzulehnen.

(4) Gegenüber den Angestellten des Auftraggebers hat der Auftragnehmer keine Weisungsbefugnis.

§ 3 Leistungserbringung

(1) Der Auftragnehmer ist verpflichtet, die Arbeitsleistung höchstpersönlich zu erbringen. Die Hinzuziehung eigener Mitarbeiter oder die Vergabe von Unteraufträgen bedarf der vorherigen Zustimmung des Auftraggebers.

(2) Der Auftragnehmer übt seine Tätigkeit in seinen eigenen Räumlichkeiten aus. Soweit in Einzelfällen eine betriebliche Anwesenheit erforderlich wird, stellt der Auftraggeber nach jeweiliger vorheriger Absprache die entsprechenden Einrichtungen zur Verfügung.

§ 8 Honorar

(1) Es wird ein Stundenhonorar von 25 Euro zuzüglich der jeweiligen gesetzlichen Mehrwertsteuer vereinbart. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, jeweils bis zum 10. des Folgemonats eine spezifizierte Abrechnung in Form einer Rechnung zu erstellen.

(2) Eine Erstattung von Nebenkosten findet nicht statt.

§ 10 Sonstige Ansprüche/Rentenversicherung

(1) Mit der Zahlung der in diesem Vertrag vereinbarten Vergütung sind alle Ansprüch...

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