Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis ohne tatsächliche Zahlung von Arbeitsentgelt
Orientierungssatz
1. Erfüllt der Arbeitslose die Voraussetzungen für die Bewilligung von Arbeitslosengeld, so hat er nach § 143 Abs. 3 S. 1 SGB 3 in der bis zum 31. 3. 2012 geltenden Fassung i. V. m. § 115 Abs. 1 SGB 10 entsprechend dem Grundsatz der Gleichwohlgewährung Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld, wenn er noch Arbeitsentgelt tatsächlich deshalb nicht erhält, weil der Arbeitgeber seinen Entgeltanspruch nicht erfüllt.
2. Der bloße rechtliche Fortbestand des Arbeitsverhältnisses allein ändert an der für die Gewährung von Arbeitslosengeld allein maßgeblichen faktischen Beschäftigungslosigkeit nichts.
3. Eine spätere Rückabwicklung des Leistungsfalls sieht das Gesetz auch für den Fall nicht vor, dass der Arbeitgeber der Bundesagentur für Arbeit deren Aufwendungen für den Versicherungsfall ersetzt.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 4. Juni 2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Dauer des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld.
Vorgeschichte Der am xxx 1952 geborene Kläger war vom 1. März 1984 bis 30. Juni 2009 bei der Firma H. GmbH beschäftigt. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2008 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt außerordentlich unter Einhaltung der sozialen Auslauffrist zum 30. Juni 2009. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Hamburg. Am 12. Juni 2009 meldete er sich mit Wirkung zum 1. Juli 2009 bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Diese Leistung wurde ihm mit Bescheid vom 8. Juli 2009 für die Dauer von 540 Tagen ab dem 1. Juli 2009 bewilligt. Zeitgleich machte die Beklagte gegenüber der Arbeitgeberin und dem Kläger hinsichtlich etwaiger Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis einen Anspruchsübergang geltend und wies den Kläger darauf hin, dass sie ihm Arbeitslosengeld gemäß § 143 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zunächst ohne Berücksichtigung seiner noch offenen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zahle (Schreiben vom 8. Juli 2009).
Das Arbeitsgericht Hamburg stellte mit Urteil vom 4. August 2009 (Az.: 25 Ca 32/09) fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 29. Dezember 2008 aufgelöst worden sei. Die hiergegen eingelegte Berufung der Arbeitgeberin wies das Landesarbeitsgericht Hamburg mit Urteil vom 1. Februar 2010 (Az.: 8 Sa 75/09) zurück. Während des Kündigungsschutzverfahrens hatte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 29. September 2009 erneut eine betriebsbedingte außerordentliche Kündigung unter Einhaltung der sozialen Auslauffrist zum 31. März 2010 ausgesprochen, die der Kläger mit einer weiteren Kündigungsschutzklage angriff. Das diesbezüglich vom Arbeitsgericht Hamburg unter dem Aktenzeichen 25 Ca 308/09 geführte Verfahren endete mit einem Vergleich vom 21. April 2010. Darin vereinbarten die Parteien, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung vom 29. September 2009 mit Ablauf des 31. März 2010 sein Ende gefunden habe. Im Gegenzug verpflichtete sich die Arbeitgeberin, das Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der wegen Erkrankungen des Klägers eingeschränkt zu leistenden Entgeltfortzahlungen bis zum Beendigungsdatum ordnungsgemäß abzurechnen und abzuwickeln. Wegen diesbezüglicher und weiterer Einzelheiten des Vergleichs wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 21. April 2010 (Blatt 45 f. der Prozessakte 25 Ca 308/09 dieses Gerichts) Bezug genommen.
Während der genannten arbeitsgerichtlichen Verfahren bezog der Kläger aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 8. Juli 2009 sowie aufgrund eines weiteren, nach persönlicher Wiedermeldung zum 19. August 2009 erteilten Bewilligungsbescheides vom 25. August 2009 mit Unterbrechungen durch den Bezug von Krankengeld am 18. August 2010, vom 1. Juli bis 17. August 2009 und vom 19. August bis 7. Oktober 2009 für insgesamt 97 Leistungstage Arbeitslosengeld in Höhe von 3.069,08 EUR. Auf Anforderung der Beklagten vom 30. April 2010 zahlte die Arbeitgeberin mit Rücksicht auf den geltend gemachten Übergang der Entgeltansprüche des Klägers diesen Betrag an die Beklagte aus. In der Zeit vom 8. Oktober 2009 bis 24. Juni 2010 erhielt der Kläger erneut Krankengeld. Die Beschäftigung bei seiner bisherigen Arbeitgeberin nahm er nicht wieder auf.
Verwaltungsverfahren Am 25. Juni 2010 meldete sich der Kläger erneut persönlich arbeitslos und beantragte die Wiederbewilligung von Arbeitslosengeld. Mit zunächst vorläufig erteiltem Bescheid vom 6. Juli 2010, später ersetzt durch endgültigen Bescheid vom 30. Juli 2010, wurde ihm diese Leistung ab dem 25. Juni 2010 für 540 Tage gewährt. Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch ma...