Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. rückwirkende Aufhebung eines Beitragsbescheides zuungunsten des Beitragspflichtigen. Neufassung. keine Ermessensausübung. keine Heilung. Arbeitnehmer in Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften. Beitragspflicht. Unfallversicherungspflicht
Orientierungssatz
1. Die rückwirkende Aufhebung eines bestandskräftigen Beitragsbescheides zuungunsten des Beitragspflichtigen gem § 168 Abs 2 SGB 7 (idF vom 7.8.1996) erfordert eine Ermessensentscheidung. Die Neufassung dieser Vorschrift durch Art 1 Nr 22a Buchst a UVMG (gebundene Entscheidung) gebietet keine andere Auslegung.
2. Erstmals anzustellende Ermessenserwägungen können während des Klage- oder Berufungsverfahrens nicht mit heilender Wirkung gem § 41 Abs 2 SGB 10 nachgeschoben werden.
3. Die in einer Auffang- und Beschäftigungsgesellschaft begründeten Arbeitsverhältnisse stellen reguläre sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse dar; sie begründen Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7. Die fehlende Teilnahme von Transferkurzarbeitergeld-Mitarbeitern an den arbeitstechnischen Zwecken der Beschäftigungsgesellschaft und die Anordnung von Kurzarbeit Null stehen daher der Annahme regulärer Beschäftigungsverhältnisse nicht entgegen. Auffang- und Beschäftigungsgesellschaften unterliegen infolgedessen auch hinsichtlich dieser Mitarbeiter gem § 150 Abs 1 S 1 SGB 7 der Beitragspflicht.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13. November 2007 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 04. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2006 betreffend das Beitragsjahr 2003 aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Neufeststellungsbescheid der Beklagten für das Beitragsjahr 2003 rechtmäßig ist.
Die Klägerin, die bei der Beklagten Mitglied ist, ist eine zum 01.12.1997 gegründete Beschäftigungs-, Auffang- und Qualifizierungsgesellschaft, die von Arbeitslosigkeit betroffene oder bedrohte Arbeitnehmer aus Firmen, die in einer Strukturkrise stecken oder von Insolvenz bedroht sind, auffängt. Die Mitarbeiter der betroffenen Firmen, die von der Klägerin in Kurzarbeit Null übernommen werden sowie für die bei der Bundesagentur für Arbeit Strukturkurzarbeitergeld (Struktur-Kug) bzw. seit dem 01.01.2004 Transferkurzarbeitergeld (Transfer-Kug) beantragt wird, werden in einer vom Arbeitgeber und Betriebsrat der jeweiligen Firmen gebildeten "betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit" (beE) übernommen, die sodann von der Klägerin verwaltet wird. Diese entrichtet für die in einer beE übernommenen Mitarbeiter Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung.
Mit Bescheid vom 27.06.2001 veranlagte die Beklagte die Klägerin auf der Grundlage des ab dem 01.01.2001 geltenden, von der Vertreterversammlung der Beklagten am 07.12.2000 beschlossenen und vom Bundesversicherungsamt am 13.12.2000 genehmigten Gefahrtarifs 2001 zu den Gefahrtarifstellen 32 (Organisation zur Betreuung, Unterstützung im sozialen Bereich) sowie 52 und 53 (gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung). In der Gefahrtarifstelle 32 war die Gefahrklasse für das Jahr 2001 mit 2,46 und ab dem 01.01.2002 mit 2,77 festgesetzt.
Auf der Grundlage des von der Klägerin für das Jahr 2003 vorgelegten Entgeltnachweises, der ein nachweispflichtiges Arbeitsentgelt in Höhe von 832.952 EUR für 27 Versicherte in der Gefahrtarifstelle 32 auswies, setzte die Beklagte den Beitrag für das Beitragsjahr 2003 mit Bescheid vom 21.04.2004 in Höhe von 12.887,03 EUR fest.
Bei einer Betriebsprüfung am 28.01.2005 stellte der Betriebsprüfer C fest, dass die Bezügebestandteile Urlaubsgeld, Urlaubslohn, Feiertagslohn und Weihnachtsgeld der im Bezug von Struktur-Kug bzw. Transfer-Kug befindlichen Mitarbeiter der Klägerin nachträglich veranlagt werden müssten und der Gefahrtarifstelle 32 zuzuordnen seien. Das meldepflichtige Entgelt für das Jahr 2003 wurde im Prüfbericht mit 6.833.753,00 EUR beziffert. Hierauf gestützt erließ die Beklagte am 04.04.2005 (u.a.) für das Beitragsjahr 2003 einen Beitragsberichtigungsbescheid, in dem der Gesamtbeitrag auf 107.013,19 EUR festgesetzt und abzüglich der Forderung in Höhe von 12.887,03 EUR (Bescheid vom 21.04.2004) von der Klägerin ein Restbetrag in Höhe von 94.126,16 EUR geltend gemacht wurde.
Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, es sei fehlerhaft, bei der Bemessung der Beiträge die von den Transfer-Kug-Beschäftigten bezogene Vergütung einzubeziehen, denn bei diesen Beschäftigten handele es sich nicht um ihre Arbeitnehmer. Das zwischen den in die beE eingetretenen Arbeitnehmern und ihr begründete Arbeitsverhältnis werde von ihr als Dienstleistung eingegangen, so dass arbeitsrechtliche Beziehungen nur formal bestünden. Dies werde bereits dar...