Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Entfernungspauschale für Fahrten eines erwerbslosen Steuerpflichtigen im Rahmen seines Teilzeitstudiums
Leitsatz (redaktionell)
Ein Studium oder eine Bildungsmaßnahme ist auch in Zeiten einer Erwerbslosigkeit des Steuerpfichtigen nicht notwendig mit der Folge als Vollzeitstudium oder vollzeitige Bildungsmaßnahme zu qualifizieren, dass die steuerliche Berücksichtigung von Fahrtkosten auf die Entfernungspauschale begrenzt ist (entgegen Tz. 34 des BMF-Schreibens vom 25.11.2020, BStBl 2020 I S. 1228).
Normenkette
EStG § 9 Abs. 4 S. 8
Streitjahr(e)
2017
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Fernuniversität in Hagen die erste Tätigkeitsstätte des Klägers i.S. des § 9 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist.
Die Kläger wurden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger schloss im Jahr 2008 ein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität in Hagen mit Diplom ab. Ab dem Wintersemester 2016/17 belegte er einen weiteren Studiengang „Diplom-II/Uni BWL/Wirtschaftswissenschaften” an der Fernuniversität in Hagen. Ausweislich der vorgelegten Studienbescheinigungen ist er während der gesamten (bisherigen) Studienzeit als „Teilzeitstudent” eingeschrieben.
Auf der Website der Fernuniversität in Hagen (https://www.fernuni-hagen.de/studium/fernstudieren/hoererstatus.shtml, abgerufen am 18. November 2021, 21:11 Uhr) heißt es:
„Vollzeitstudierende haben eine entsprechende Hochschulzugangsberechtigung und studieren den geplanten Studiengang in einem zeitlichen Umfang von etwa 40 Stunden wöchentlich. Dieser Status entspricht dem Status eines Studierenden an einer Präsenzhochschule und ist Voraussetzung für die Förderung durch BAföG. Vollzeitstudierende erhalten einen Studienausweis und sind Mitglieder der Hochschule. (…)
Teilzeitstudierende sind ebenfalls Studierende eines Studienganges und müssen eine entsprechende Hochschulzugangsberechtigung nachweisen, studieren aber überwiegend berufsbegleitend in einem zeitlichen Umfang von etwa 20 Stunden wöchentlich. Die Studiendauer verlängert sich. Teilzeitstudierende erhalten einen Studienausweis und sind Mitglieder der Hochschule.”
Im Streitjahr 2017 übte der Kläger keine Erwerbstätigkeit aus.
In der gemeinsamen Steuererklärung machte er bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für Fahrtkosten für 29 Hin- und Rückfahrten zwischen seiner Wohnung und der Fernuniversität in Hagen zu je 277 km i.H. von insg. 4.819,80 € als Werbungkosten geltend. Die Berechnung der Fahrkosten hatte der Kläger nach Reisekostengrundsätzen, mithin mit 0,30 € pro gefahrenem Kilometer, durchgeführt und begründete dies damit, dass es sich um „ein Studium neben dem Beruf” handele.
Das beklagte Finanzamt berücksichtigte die Fahrtkosten im Bescheid vom 4. Juni 2019 nur unter Anwendung der Entfernungspauschale i.H. von insg. 2.410 € und führte dazu aus, dass eine Bildungseinrichtung, die – wie im Streitfall – außerhalb eines Arbeitsverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht werde, eine erste Tätigkeitsstelle darstelle und somit nur die Entfernungspauschale berücksichtigt werden könne.
Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein und vertraten die Auffassung, die Entfernungspauschale sei nicht anzuwenden, weil es sich bei dem Fernstudium nicht um eine vollzeitige Bildungsmaßnahme handele. Das Studium werde zu Hause und üblicherweise neben einer Berufstätigkeit ausgeübt und die Universität werde lediglich für Klausuren, zum Besuch der Bibliothek oder für Lerngemeinschaften mit Studienkollegen aufgesucht. Im Streitfall seien darüber hinaus die Diplomarbeiten gegengelesen worden. Der Umstand, dass er, der Kläger, im Streitjahr arbeitslos gewesen sei, ändere an der steuerlichen Behandlung nichts. Das ergebe sich auch aus Tz. 33 des BMF-Schreibens vom 24. Oktober 2014 (BStBl. I 2014, 1412). In den Vorjahren habe er während des Studiums mehr als geringfügig gearbeitet, sodass kein Vollzeitstudium vorliege. Der „Hauptpunkt des Studiums” habe sich in seiner Wohnung befunden. Zur Universität sei er lediglich 29-mal, also weniger als einmal pro Woche, gefahren.
Durch Einspruchsentscheidung vom 3. April 2020 wies das Finanzamt den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Die Fernuniversität in Hagen sei die erste Tätigkeitsstätte des Klägers i.S. des § 9 Abs. 4 EStG, sodass die Fahrten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG mit der Entfernungspauschale abgegolten seien. Nach § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG gelte als erste Tätigkeitsstätte auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird. Gemäß Tz. 34 des BMF-Schreibens vom 25. November 2020 (BStBl. I 2020, 1228) liege ein Vollzeitstudium oder eine vollzeitige Bildungsmaßnahme insbesondere dann vor, wenn der Steuerpflichtige im Rahmen des Studiums oder im Rahmen der Bildungsmaßnahme für einen Beruf ausgebildet wird und daneben entw...