Leitsatz (amtlich)
Der Abschluss eines Vergleichs (hier: zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Erben eines Kassenarztes über die Rückforderung betrügerisch erlangter Honorarzahlungen) ist nur dann pflichtwidrig i. S. des § 266 Abs. 1 StGB, wenn der Handelnde die Grenzen überschreitet, welche durch die für ein ordnungsgemäßes Verwaltungshandeln geltenden Normen und sonstigen Grundsätze gezogen werden. Dies ist der Fall, wenn der Abschluss der Vergleichsvereinbarung in ihrer konkreten Ausgestaltung unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe bei der aus ex-ante-Sicht objektiv gegebenen Sachlage nicht mehr vertretbar war.
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landgerichts M. vom 03. August 2004, soweit die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die Angeschuldigten Dr. X., Y. und Z. abgelehnt und die Anklagen der Staatsanwaltschaft M. vom 17. Dezember 2001 gegen die Angeschuldigten Y. und Z. sowie vom 30. Januar 2002 gegen den Angeschuldigten Dr. X. nicht zur Hauptverhandlung zugelassen worden sind, wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Angeschuldigten trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft M. erhebt mit ihren Anklagen vom 17.12.2001 und 30.01.2002 u. a. gegen die Angeschuldigten den Vorwurf der Untreue (Angeschuldigte Y. und Dr. X.) sowie der Beihilfe zur Untreue (Angeschuldigter Z.) im Zusammenhang mit dem Abschluss eines im November 1999 zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung N. und der Erbin des verstorbenen Arztes Dr. A. vereinbarten Vergleichs über die Rückzahlung an Dr. A. im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung geleisteter Honorare.
Nach der Schilderung in den Anklagesätzen hätten der Angeschuldigte Y. als Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung N. sowie der Abrechnungsstelle M. der Kassenärztlichen Vereinigung N. und der Angeschuldigte Dr. X. in seiner Eigenschaft als stellvertretender Vorsitzender der Abrechnungsstelle M. der Kassenärztlichen Vereinigung N. - gemeinschaftlich handelnd - gegenüber der Erbin des am 27.05.1998 verstorbenen Dr. A., der zu Lebzeiten bei der Kassenärztlichen Vereinigung N. als Kassenarzt zugelassen gewesen sei und dessen Abrechnungen mindestens in den Quartalen I/95 bis II/98 als fehlerhaft erkannt worden seien, trotz eines von der früheren Mitangeschuldigten W. errechneten Rückforderungsanspruchs in Höhe von 6.618.413,- DM auf Grund eines am 10./19.11.1999 zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche abgeschlossenen Vergleichs lediglich 2 Millionen DM zurückgefordert. Die allein erbende Ehefrau des Dr. A. habe in der Zeit von November 1999 bis Oktober 2000 in vier Monatsraten insgesamt 1.451.116,20 DM an die Kassenärztliche Vereinigung N. gezahlt, in Höhe von 548.883,80 DM sei mit noch offenen Honoraransprüchen aufgerechnet worden. Zum Nachteil der übrigen in der Kassenärztlichen Vereinigung N. zusammengeschlossenen Ärzte hätten die Angeschuldigten Y. und Dr. X. somit auf einen Betrag von 4.618.413,- DM verzichtet, wodurch diesen ein Schaden in der genannten Höhe entstanden sei. Der Angeschuldigte Z. habe als Geschäftsführer der Kassenärztlichen Vereinigung N. - Abrechnungsstelle M. - die Tat der Angeschuldigten Y. und Dr. X. gefördert, indem er in Kenntnis dessen, dass der Kassenärztlichen Vereinigung N. tatsächlich ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 6.618.413,- DM zugestanden habe, mit der Alleinerbin des Dr. A., vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten Dr. S., den später abgeschlossenen Vergleich ausgehandelt habe.
Mit Beschluss vom 03.08.2004 hat das Landgericht M. die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die Angeschuldigten aus tatsächlichen Gründen abgelehnt, weil nach Auffassung der Wirtschaftsstrafkammer der hinreichende Tatverdacht einer Untreuehandlung bzw. der Beihilfe hierzu nach Aktenlage nicht bestehe. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde. Soweit sich das Rechtsmittel ursprünglich auch gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens gegen die Mitangeschuldigte W. richtete, hat die Staatsanwaltschaft die sofortige Beschwerde zurückgenommen.
Das zulässige Rechtsmittel (§ 210 Abs. 2 StPO) bleibt in der Sache ohne Erfolg.
II.
Das Landgericht M. hat die Eröffnung des Hauptverfahrens zu Recht abgelehnt, weil ein hinreichender Tatverdacht im Sinne des Anklagevorwurfs nicht gegeben ist.
Die Eröffnung des Hauptverfahrens setzt voraus, dass der Angeschuldigte nach dem Ergebnis des vorbereitenden Verfahrens einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint (§ 203 StPO). Hinreichender Tatverdacht ist anzunehmen, wenn die nach Maßgabe des Akteninhalts vorzunehmende vorläufige Tatbewertung ergibt, dass die Verurteilung des Angeschuldigten wahrscheinlich ist (BGHSt 23, 304, 306; Senat wistra 2005, 72; B. v. 01.08.2005 - 3 Ws 285/04). Die Wahrscheinlichkeit muss so groß sein, dass es einer Entscheidung durch das erkennende Gericht bedarf, um festzustellen, ob noch bestehen...