Entscheidungsstichwort (Thema)
Behinderung der Betriebsratstätigkeit
Tenor
wird auf Antrag des Anzeigeerstatters, des Betriebsrats der Firma A.
die Erhebung der öffentlichen Klage angeordnet.
Die Anschuldigung lautet:
Der Beschuldigte habe vorsätzlich die Tätigkeit des Betriebsrats behindert, indem er als Arbeitgeber in seiner Firma A. vor der vom Betriebsrat für den 17. März 1988 angesetzten Betriebsversammlung am 8. März 1988 in einem Bekanntmachungskasten im Betrieb das nachstehende von ihm verfaßte und unterzeichnete Schreiben aushängen ließ, womit er möglichst viele Arbeitnehmer von der Teilnahme an der Betriebsversammlung abhalten wollte:
„An den Betriebsrat
Betr.: Ihre Mitteilung vom 04.03.1988, die ich am heutigen Tage erhalten habe, mit dem Beschluß, am 17.03.1988 eine Betriebsversammlung abzuhalten.
Hierzu möchte ich Ihnen folgendes mitteilen:
- Es ist seit eh und je Sitte und Brauch, Termine der Betriebsversammlungen mit mir abzustimmen.
Wir hatten erst vor zwei Monaten eine Betriebsversammlung durchgeführt, so daß kein Grund vorhanden ist, schon wieder eine Betriebsversammlung anzuberaumen.
Beim jetzigen Krankenstand und den Ausstellungsterminen haben wir wirklich keine Zeit dazu.
- Die Tarifverhandlungen sind nach wie vor noch nicht abeschlossen. Es ist daher müßig, über die Tarifsituation zu diskutieren Diskussion und Abschlüsse sind der Tarifkommission vorbehalten.
- Die ganze Sache sehe ich nur unter dem Gesichtspunkt, dem Gewerkschaftsfunktionär ein Forum zu bieten. Dazu ist eine Betriebsversammlung nicht da.
P.S. Ich kann den Meistern und den Leuten nicht empfehlen, diese Versammlung zu besuchen. Es bleibt Ihnen jedoch unbenommen, für Ihre Mitglieder eine private Versammlung abzuhalten.
P.S: Wenn die Unternehmer bisher kein Angebot vorgelegt haben, so ist dies meines Erachtens darin zu suchen, daß eine Lohnerhöhung von 6,9 % in der heutigen Zeit vollkommen indiskutabel ist.”
Ein Vergehen der vorsätzlichen Behinderung der Betriebsratstätigkeit nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.
Tatbestand
I.
Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten nach § 170 Abs. 2 StPO mit der Begründung eingestellt, daß von der IG Metall-Verwaltungsstelle Stuttgart im Auftrag des Betriebsrats der Firma A. angezeigte Vergehen der Behinderung der Betriebsratstätigkeit nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG sei dem Beschuldigten in subjektiver Hinsicht nicht nachzuweisen; im übrigen sei schon zweifelhaft, ob das Verhalten des Beschuldigten überhaupt den objektiven Tatbestand der Behinderung der Betriebsratstätigkeit erfülle. Auf die rechtzeitig eingelegte Beschwerde der Anzeigeerstatterin hat der Generalstaatsanwalt mit Bescheid vom 14. Juni 1988 die Entscheidung der Staatsanwaltschaft bestätigt und zur Begründung ausgeführt, eine vollendete Behinderung im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG liege hier tatbestandlich nicht vor, eine versuchte Behinderung bzw. Störung einer Veranstaltung des Betriebsrats sei nicht strafbar.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Der Betriebsrat ist Verletzter im Sinne von § 172 Abs. 1 StPO, da durch die Tat in seine nach §§ 43, 45 BetrVG verbrieften Rechte eingegriffen wurde. Daß der Betriebsrat Verletzter eines Vergehens nach § 119 Abs. 1 BetrVG sei kann, zeigt sich auch darin, daß ihm in § 119 Abs. 2 BetrVG ein Strafantragsrecht eingeräumt wird; dieses hat er hier über die im Betrieb vertretene, von ihm beauftragte Industriegewerkschaft Metall-Verwaltungsstelle Stuttgart rechtzeitig wahrgenommen.
Der Beschuldigte ist der vorsätzlichen Behinderung der Betriebsratstätigkeit nach dem Ermittlungsergebnis hinreichend verdächtig.
Aufgabe des Betriebsrats ist es nach § 43 Abs. 1 BetrVG, einmal im Kalendervierteljahr eine Betriebsversammlung einzuberufen. Nach § 43 Abs. 1 Satz 3 BetrVG kann er in jedem Kalenderhalbjahr eine weitere Betriebsversammlung einberufen, wenn dies aus besonderen Gründen zweckmäßig erscheint. Der Arbeitgeber ist zur Betriebsversammlung unter Mitteilung der Tagesordnung einzuladen (§ 43 Abs. 2 BetrVG). Einer Genehmigung des Arbeitgebers bedarf die Betriebsversammlung nicht. Kommt es zu Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Einberufung der Betriebsversammlung, so ist das Arbeitsgericht anzurufen (§§ 2 a, 80 ff. Arbeitsgerichtsgesetz). Die Auswahl der Themen der Betriebsversammlung obliegt ebenfalls dem Betriebsrat; Angelegenheiten tarifpolitischer oder sozialpolitischer Natur dürfen behandelt werden, wenn sie den Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen (§ 45 BetrVG).
Wegen der laufenden Tarifverhandlungen im Metallbereich war danach sowohl die Einberufung einer außerordentlichen Betriebsversammlung als auch die Erörterung der Tarifsituation in dieser Versammlung vom Betriebsverfassungsgesetz gedeckt. Seine – nur teilweise auf betriebliche Belange gestützten – Einwendungen gegen die Betriebsversammlung hätte der Beschuldigte beim Arbeitsgericht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend machen müssen. Statt dessen h...