Sachverhalt
Ein Arbeitnehmer, der noch Urlaubsansprüche hat, stirbt. Haben die Erben gegen den Arbeitgeber Anspruch auf Urlaubsabgeltung?
Ergebnis
Das Arbeitsverhältnis endet aufgrund seines höchstpersönlichen Charakters automatisch mit dem Tod des Arbeitnehmers. Zahlungsansprüche, die bis zu diesem Zeitpunkt entstanden sind, gehen nach § 1922 BGB auf die Erben über, auch wenn sie noch nicht zur Zahlung fällig sind. Das bedeutet, dass noch offene Vergütungsansprüche auf die Erben übergegangen sind.
Hatte der Verstorbene Urlaubsansprüche, gingen diese bisher nach der Rechtsprechung des BAG wegen ihres höchstpersönlichen Charakters unter. Der EuGH sah dies jedoch anders und entschied, dass nach Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vom 4.11.2003 – wonach jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von 4 Wochen hat, der außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden kann – einzelstaatlichen Rechtsvorschriften entgegenstehe, die für den Fall des Todes des Arbeitnehmers die Abgeltung nicht genommenen Jahresurlaubs ausschlössen.
Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub sei ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts. Jahresurlaub und Bezahlung während des Urlaubs seien 2 Aspekte eines einzigen Anspruchs. Bezahlter Jahresurlaub bedeute, dass für dessen Dauer das Entgelt fortzuzahlen sei. Ein finanzieller Ausgleich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod stelle die praktische Wirksamkeit des Urlaubsanspruchs sicher. Der unwägbare Eintritt des Todes dürfe nicht rückwirkend zum vollständigen Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub führen. Es komme auch nicht darauf an, ob der Betroffene im Vorfeld einen Urlaubsantrag gestellt habe.
Das BAG war jedoch nicht bereit, diese Auffassung zu übernehmen. Es legte mit Beschluss vom 18.10.2016 dem EuGH die Frage vor, ob Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dem Erben eines während des Arbeitsverhältnisses verstorbenen Arbeitnehmers einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich für den dem Arbeitnehmer vor seinem Tod zustehenden Mindestjahresurlaub einräume und verwies darauf, dass dies in Deutschland nach § 7 Abs. 4 BUrlG i. V. m. § 1922 Abs. 1 BGB ausgeschlossen sei. Es argumentierte, dass mit dem Tod des Arbeitnehmers der Erholungszweck des Urlaubs nicht mehr verwirklicht werden könne.
Das interessierte jedoch den EuGH wenig. Mit Entscheidungen vom 6.11.2018 stellte er fest, dass die Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers von dessen ehemaligem Arbeitgeber eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub verlangen könnten. Soweit das deutsche Erbrecht dem entgegenstehe, müsse es unangewendet bleiben. Die Erben könnten sich unmittelbar auf Unionsrecht berufen, dies gelte sowohl für öffentliche als auch für private Arbeitgeber. Das BAG hat dies nun mit Urteil vom 22.1.2019 akzeptiert.