2.3.1 Grundsatz und Begriff

Nach der vom Gesetzgeber vorgenommenen Definition der ersten Tätigkeitsstätte kommen nur ortsfeste betriebliche Einrichtungen infrage. Der Gesetzgeber folgt insoweit dem vom BFH zum bisherigen Arbeitsstättenbegriff aufgestellten Grundsatz, dass nur ortsfeste Einrichtungen eine ausreichend sichere Abgrenzung gegenüber der beruflichen Auswärtstätigkeit gewährleisten können.[1] Ortsfeste Einrichtungen sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden fest verbunden sind bzw. dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden.[2]

 
Praxis-Beispiel

Als erste Tätigkeitsstätte kommen z. B. in Betracht:

  • der Betrieb,
  • ein Zweigbetrieb,
  • Bus- oder Straßenbahndepots,
  • Fahrkartenverkaufsstellen,
  • Postzustellzentren oder
  • Rettungswachen.

Auch ein großflächiges, infrastrukturell erschlossenes Gebiet kann eine (großräumige) erste Tätigkeitsstätte sein, z. B.

  • eine Werksanlage,
  • ein Betriebsgelände,
  • ein Bahnhof,
  • ein Flughafen oder
  • ein betriebliches Schienennetz einer Werksbahn.[3]

Dabei ist es unerheblich, wenn einzelne Teile davon für sich betrachtet selbstständige betriebliche Einrichtungen darstellen können, z. B. Werkshallen, Büro- oder Verkaufsgebäude. Sofern diese in einem organisatorischen, technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers, des verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten stehen, sind diese Betriebsmittel zu einer großräumigen ersten Tätigkeitsstätte zusammenzufassen.[4]

Keine ortsfeste betriebliche Einrichtung = keine erste Tätigkeitsstätte

Ein Hochseeschiff bzw. Marineboot kann danach keine Tätigkeitsstätte sein. Dasselbe gilt für andere Fahrzeuge, wie der Lkw eines Speditionsfahrers, der Reise- oder Linienbus, Züge, Straßenbahn u. a. Schienenfahrzeuge, aber auch Flugzeuge.

Keine ersten Tätigkeitsstätten i. S. d. § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG sind öffentliche (Bus-)Haltestellen oder Schiffsanlegeplätze oder andere Tätigkeitsgebiete ohne weitere ortsfeste Arbeitgebereinrichtungen.

2.3.2 Arbeitgeberfremde Einrichtungen

Eine erste Tätigkeitsstätte kann nicht nur an einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers begründet werden, es kann auch eine betriebliche Einrichtung eines Konzernunternehmens (verbundenes Unternehmen i. S. d. § 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten fremden Dritten sein, wenn der Arbeitnehmer diesem Einsatzort dauerhaft zugeordnet ist oder dort dauerhaft qualitativ tätig wird, also dort

  • unbefristet oder
  • für die Dauer des Dienstverhältnisses oder
  • für einen Zeitraum von mehr als 4 Jahren

tätig werden soll. Dauerhaft kann danach auch die dienstliche Zuordnung zu einer betrieblichen Einrichtung über einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten sein.[1]

Entsendung, Outsourcing und Leiharbeit

Langfristige Tätigkeiten an betriebsfremden ortsfesten Einrichtungen, etwa bei einem Kunden des Arbeitgebers, können damit zu einer ersten Tätigkeitsstätte führen. Das Entsprechende gilt für Entsendungen im Rahmen von Konzernunternehmen[2] oder Outsourcing-Fällen sowie den Einsatz von Zeitarbeitnehmern beim Entleiher, sofern es sich hierbei um dauerhafte Tätigkeiten an der fremden (nichtarbeitgebereigenen) Einrichtung im Sinne einer dauerhaften Zuordnung handelt.[3]

Ein Leiharbeitnehmer hat seine erste Tätigkeitsstätte bei der Entleiherfirma, wenn er laut Überlassungsvertrag einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung der Entleiherfirma unbefristet zugeordnet ist.[4] Von einer unbefristeten Tätigkeit ist auch bei der vertraglichen Formulierung "bis auf Weiteres" in dem zwischen dem Verleiher und dem Entleiher geschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag auszugehen.

 
Wichtig

Keine dauerhafte Zuordnung bei Leiharbeitnehmern mit mehreren Einsatzorten

Die Zuweisung eines Zeitarbeitnehmers in eine betriebliche Einrichtung des Entleihers mit der Maßgabe "bis auf Weiteres" kann eine unbefristete und damit dauerhafte Zuordnung im Sinne einer ersten Tätigkeitsstätte begründen, wenn es sich um die einzige Einsatzstelle im Rahmen des befristeten Leiharbeitsverhältnisses handelt.[5] Eine Zuordnung zu einer Tätigkeitsstäte ist unbefristet, wenn sie nicht von vornherein kalendermäßig bestimmt ist. Aber auch eine befristete Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte kann dauerhaft sein, wenn sie für die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses gelten soll. Der arbeitsrechtliche Vorbehalt der jederzeitigen Versetzungsmöglichkeit steht dem nicht entgegen.

Wird der Leiharbeitnehmer allerdings im Verlauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses an einen anderen Einsatzort versetzt, kann die Zuordnung nicht dauerhaft sein, weil sie dann nicht für die gesamte Dauer des (befristeten) Beschäftigungsverhältnisses Bestand hat. Der Ar...

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