Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Betriebsweg. sachlicher Zusammenhang. objektivierte Handlungstendenz. Rückweg nach dem Ende der Tätigkeit im Homeoffice. Treppenunfall. Weg vom Arbeitsbereich in den privaten Wohnbereich
Leitsatz (amtlich)
Auch der Rückweg nach dem Ende der Tätigkeit im Homeoffice steht als mitversicherter Betriebsweg unter gesetzlichem Unfallversicherungsschutz (Anschluss BSG vom 8.12.2021 - B 2 U 4/21 R = BSGE 133, 180 = SozR 4-2700 § 8 Nr 78).
Tenor
Es wird unter Aufhebung des Bescheides vom 31.05.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2022 festgestellt, dass die Klägerin am 01.03.2022
einen von der Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall erlitten hat.
Die Beklagte erstattet der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin am 01.03.2022 einen von der Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall erlitten hat.
Die am 16.02.1980 geborene Klägerin war seit 2015 als Sachbearbeiterin/Integrationsfachkraft bei der Bundesagentur für Arbeit in der H-Stadt beschäftigt. Die dortige Arbeitszeitvereinbarung sieht vor, dass die Hälfte der Arbeitszeit in der Dienststelle zu erbringen ist und die andere Hälfte im Homeoffice erbracht werden kann. Die Klägerin verrichtete ihre Arbeit an 3 Tagen der Woche (üblicherweise Montag, Mittwoch, Freitag) in der Dienststelle und an den anderen 2 Tagen der Woche (üblicherweise Dienstag und Donnerstag) im Homeoffice. Im Homeoffice begann sie häufig frühzeitig zu arbeiten, damit sie regelmäßig einen früheren Arbeitsschluss am Freitag herausarbeiten konnte. Sie wohnt in einer zweigeschossigen Wohnung, s.g. Maisonettewohnung in B-Stadt. Die unterschiedlichen Wohnungsetagen sind mit einer Metalltreppe verbunden. Ihr vollausgestattetes Arbeitszimmer (Telefon, Schreibtisch, Rechner, Notebook, 2 Monitore, Drucker, WLAN-Anschluss = PC-Arbeitsplatz/Büro) befindet sich im Dachgeschoss, dem Obergeschoss ihrer Wohnung. Die Metalltreppe führt von unten, gegenüber der Küche, direkt in das zweigeteilte Obergeschoss (ohne Flur), in dem sich rechts der Arbeitsbereich und links eine Abstellfläche befinden. Am Dienstag, den 01.03.2022 ging die Klägerin ab 06.00 Uhr ihrer Tätigkeit an ihrem häuslichen Arbeitsplatz im Homeoffice nach. Gegen 16.03 Uhr, nach dem digitalen Ausstempeln und Herunterfahren des Rechners, sammelte die Klägerin von ihrem Arbeitsplatz ihre Signaturkarte, ihr Headset, den Büroschlüssel und ihre Notizen vom Arbeitstag in einer üblicherweise hierfür von ihr verwendeten „blauen Mappe“ und verließ damit den Arbeitsbereich. Sie stürzte auf der Treppe auf dem direkten Weg vom Obergeschoss in den Wohnbereich im Untergeschoss ihrer Wohnung und zog sich hierbei eine Sprunggelenksdistorsion mit Außenbandteilruptur rechts zu. Eine knöcherne Verletzung wurde ausgeschlossen. Ab dem 04.05.2022 war die Klägerin wieder arbeitsfähig. Tätigkeitsbegleitend führte sie die physikalische Therapie weiter, die erst im November 2022 abgeschlossen werden konnte. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage nach Einschätzung des behandelnden D-Arztes Dr. J. 0 v.H. Für den Zeitraum vom 13.04.2022 bis zur Arbeitsfähigkeit (03.05.2022) gewährte die Beklagte der Klägerin Verletztengeld.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 31.05.2022 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls vom 01.03.2022 und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Zur Begründung führte sie aus, dass während der Homeoffice-Tätigkeit nur Unfallversicherungsschutz für Tätigkeiten in sachlichem Zusammenhang mit der Tätigkeit bestehe. Hier sei auf den konkreten Moment der Verrichtung abzustellen und die entsprechende objektivierte Handlungstendenz. Nach neuerer Rechtsprechung seien die Wege innerhalb des häuslichen Bereiches während der Homeoffice-Tätigkeit versichert, wenn es sich hierbei um einen Weg zur Toilette oder zur Nahrungsaufnahme handele. Hier bestehe der Unfallversicherungsschutz im gleichen Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Betriebsstätte, d.h., dass Wege innerhalb des häuslichen Bereiches in Ausgangs- und Zielpunkt durch die Notwendigkeit geprägt sein müssten, die betriebliche Arbeit zu verrichten. Im Unfallzeitpunkt sei - im Fall der Klägerin - die Tätigkeit bereits beendet gewesen und die Bürotür durchschritten. Als sie auf der Treppe stürzte, habe sich die Klägerin auf dem Weg in ihren Wohnbereich befunden. Nach dem Durchschreiten der Tür des Homeoffice-Büros sei die Homeoffice-Tätigkeit beendet gewesen, und die objektivierte Handlungstendenz für das Betreten der Treppe habe darin bestanden, eine private Verrichtung aufzunehmen. Da sich der Unfall im unversicherten privaten Bereich ereignet habe, bestehe hierfür kein Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, weshalb die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls gem. § 8 SGB VII und die Leistungspflicht der Beklagten nicht vorliegen würden.
Mit ihrem Widerspruch hiergegen wandte d...