Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Erhebung von Beitragsnachforderungen gegenüber Insolvenzverwalter. Abzug von BA getragenen Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung im Rahmen der Gleichwohlgewährung
Leitsatz (amtlich)
Bei der Erhebung von Beitragsnachforderungen gegenüber dem Insolvenzverwalter nach einer Betriebsprüfung sind die von der Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der so genannten Gleichwohlgewährung von Arbeitslosengeld an freigestellte Arbeitnehmer (§ 143 SGB III) getragenen Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung in Abzug zu bringen, weil der Insolvenzverwalter insoweit von der Pflicht zur Entrichtung befreit ist (§ 335 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 SGB III). Hieran ändert auch das Ergebnis einer Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit vom 25./26.09.2008 nichts.
Tenor
Der Bescheid vom 07.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2011 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine aufgrund einer Betriebsprüfung erhobene Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter der Firma F., über deren Vermögen am 02.10.2006 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Kläger kündigte angesichts der - von ihm angezeigten und bekannt gemachten (Bl. 11 SG-Akte) - Masseunzulänglichkeit den beschäftigten Arbeitnehmern und stellte sie zugleich von der Arbeitsleistung frei. Die Arbeitsverhältnisse endeten - je nach Kündigungsfrist - spätestens zum 31.08.2007. Hinsichtlich der Beendigungszeitpunkte im Einzelnen wird auf die vom Kläger vorgelegte Liste Bl. 19 SG-Akte Bezug genommen. Da nach der Insolvenzeröffnung kein Lohn gezahlt wurde, bezogen die Arbeitnehmer von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld (so genannte Gleichwohlgewährung) und die Bundesagentur entrichtete entsprechend Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung für den jeweiligen Leistungsempfänger. Im Februar 2011 zahlte der Kläger - zwischenzeitlich war die Masseunzulänglichkeit überwunden - an die für den jeweiligen Arbeitnehmer zuständige Einzugsstelle die von ihm aus der Differenz der tatsächlich zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge und der von der Bundesagentur getragenen Beiträge errechneten restlichen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 177.522,97 €. Hinsichtlich der Aufteilung der einzelnen Zahlungen wird auf Bl. 141 und hinsichtlich der Berechnung auf Bl. 142 ff. SG-Akte verwiesen.
Auf Grund einer am 18.11.2010 durchgeführten Betriebsprüfung über den Zeitraum vom 02.10.2006 bis 31.08.2007 erhob die Beklagte mit Bescheid vom 07.12.2010 und Widerspruchsbescheid vom 28.03.2011 eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 698.528,24 € über ausstehende Beiträge zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversichrung, aufgeschlüsselt für jeden Arbeitnehmer und die für ihn zuständige Krankenkasse (Einzugsstelle). Die von der Bundesagentur für Arbeit geleisteten Beiträge brachte sie nicht in Abzug. Die Einwände des Klägers, es sei durch die Zahlung des Arbeitslosengeldes auch zur Zahlung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung durch die die Bundesagentur für Arbeit gekommen, die er der Bundesagentur für Arbeit zu erstatten habe, hielt die Beklagte auf Grund des Ergebnisses einer Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit vom 25./26.09.2008 (Bl. 7 VA) für nicht durchschlagend. Sie führte im Widerspruchsbescheid aus, der Kläger müsse die von der Bundesagentur geltend gemachte Erstattungsforderung den Einzugsstellen melden, die dann das Beitragskonto zu berichtigen hätten.
Am 26.04.2011 hat der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart Klage erhoben. Er meint, durch die Beitragsfestsetzung ohne Abzug der von der Bundesagentur für Arbeit geleisteten Beiträge werde er, weil gegenüber der Bundesagentur für Arbeit erstattungspflichtig, doppelt in Anspruch genommen. Im Übrigen wälze die Beklagte nur Arbeitsaufwand auf ihn ab, wobei er im Verhältnis zu den Einzugsstellen auch noch die Beweislast für den Erstattungsanspruch der Bundesagentur für Arbeit trage.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 07.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 07.12.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2011 und damit die von der Beklagten gegenüber dem Kläger zur Zahlung festgestellten Beiträge zur Sozialversicherung für die Zeit vom 02.10.2006 bis 31.08.2007. Allein zulässige Klageart ist daher die Anfechtungsklage. Denn mit Aufhebung der angefochtenen Bescheid entfällt die Beschwer...