Rz. 28
Abs. 7 der Vorschrift sieht die Bekanntmachung der Festbeträge im BAnz und darüber hinaus die Klagemöglichkeit vor (Sätze 2 bis 4). Danach hat die Klage gegen die Festsetzung keine aufschiebende Wirkung und findet ohne Vorverfahren statt. Die Festbetragsfestsetzung ist ein gestaltender Verwaltungsakt in der Form der Allgemeinverfügung (BT-Drs. 11/3480 S. 54). Durch die Regelung in Abs. 7 Satz 2 ist einstweiliger Rechtsschutz nach § 86b SGG nicht ausgeschlossen. Gegen Einzelpunkte der Festsetzung wie Gruppeneinteilung und rechnerische Ermittlung ist eine gesonderte Klage nicht gegeben.
Die Festbetragsfestsetzung ist ein Verwaltungsakt in Form der Allgemeinverfügung, der sich nach der gesetzlichen Konzeption an Versicherte und Vertragsärzte wendet. Dagegen kann sich ein Versicherter/eine Versicherte mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG) ohne Vorverfahren wenden. Streitgegenstand ist der Anspruch auf Aufhebung der Festbetragsfestsetzung. Aufgrund einer ärztlichen Verordnung haben Versicherte gegen ihre Krankenkasse einen Sachleistungsanspruch auf das verordnete Arzneimittel und können mit der Klage geltend machen, dieser Anspruch werde durch die Festbetragsfestsetzung rechtswidrig beschränkt. Die Anfechtungsklage ist aber nur mit einer vertragsärztlichen Verordnung eines nicht zum Festbetrag erhältlichen Fertigarzneimittels zulässig. Andernfalls fehlt es an der Klagebefugnis (BSG, Urteil v. 1.3.2011, B 1 KR 10/10 R; zu der Rechtmäßigkeitskontrolle der Festbetragsfestsetzung bei Hilfsmittel vgl. Urteil v. 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R). Eine abstrakte Klage Versicherter gegen die Festbetragsfestsetzung ist unzulässig. Ärzte sind klagebefugt vor dem Hintergrund ihrer Therapiefreiheit und der Verpflichtung zur Aufklärung der Versicherten als Bestandteile der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).
Rz. 29
Die Festbetragsfestsetzung richtet sich nach der Gesetzeskonzeption nicht an Arzneimittelhersteller. Gleichwohl sind Hersteller eines Arzneimittels, das von einer Festbetragsfestsetzung betroffen ist, klagebefugt, soweit sie ihren Anhörungsrechten verletzt oder wegen einer willkürlichen Handhabung des § 35 benachteiligt sind (BSG, Urteil v. 1.3.2011, B 1 KR 7/10 R). Zu messen ist die angegriffene Entscheidung am allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Einer staatlichen Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergibt, ist es aufgrund des Gleichheitssatzes verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen. Gleiches gilt für die Vorstufe von Vergaben wie die Festbetragsfestsetzungen. Nach diesem Maßstab können staatliche Maßnahmen, die den Wettbewerb der Unternehmen untereinander willkürlich verfälschen, im Einzelfall eine Grundrechtsverletzung bedeuten (BSG, a. a. O., Rz. 17).
Rz. 30
Die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses in seiner Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung, für welche Gruppen von Arzneimitteln Festbeträge festgesetzt werden können und welche Vergleichsgrößen dabei zugrundezulegen sind, ist nicht isoliert anfechtbar (Abs. 7 Satz 4). Ihre Überprüfung erfolgt hingegen im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der auf dieser Grundlage ergangenen Allgemeinverfügung.
Rz. 31
§ 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG begründet eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg für Klagen gegen die Festsetzung von Festbeträgen durch die Spitzenverbände der Krankenkassen oder den Spitzenverband Bund der Krankenkassen.
Rz. 32
Wegen kartellrechtlicher Fragen und Rechtsschutz durch die Kartellgerichte vgl. OLG Düsseldorf, NZS 1998 S. 567 m. w. N.; BGHZ 114 S. 218, 221; vgl. auch Knispel, NZS 1998 S. 563. Die im Hinblick auf das europäische Wettbewerbsrecht aufgeworfenen Frage, ob die Krankenkassen bei der Festbetragsfestsetzung als Unternehmen i. S. d. europäischen Wettbewerbsrechts (Art. 81, 82 EGV) anzusehen seien und durch die Festbetragsfestsetzung möglicherweise eine Wettbewerbsbeschränkung erfolge, hat der EuGH beantwortet. In seiner Entscheidung v. 16.3.2004 (C-264/01, C-306/01, C-354/01 und C-355/01) hat er dargelegt, die Festbetragsregelung sei gemeinschaftsrechtlich unbedenklich. Die Spitzenverbände der Krankenkassen nähmen eine soziale Aufgabe wahr und handelten nicht als Unternehmensvereinigungen i. S. d. Art. 81 Abs. 1 EGV.