Rz. 44
Nach neuerer Rechtsprechung des BAG steht fest, dass sowohl einstufige als auch zweistufige Ausschlussfristen in Formulararbeitsverträgen vereinbart werden können. Veränderungen gegenüber der früheren Rechtsprechung zur Rechtslage vor der Schuldrechtsmodernisierung ergeben sich jedoch hinsichtlich der zulässigen Dauer einer solchen Ausschlussfrist. Früher hielt das BAG Ausschlussfristen, die nicht kürzer als 4 Wochen waren, für zulässig. Inzwischen hat es diese Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben und schreibt eine Mindestausschlussfrist von 3 Monaten vor. Außerdem ist eine Angemessenheit nach § 307 BGB nur dann gegeben, wenn die Frist für beide Vertragsparteien gleichermaßen gilt. Das bedeutet, dass auch der Arbeitgeber nach Fristablauf keine Ansprüche mehr gegen den Arbeitnehmer geltend machen kann. Das BAG hat bereits im Jahr 2006 zum Fristbeginn der 1. Stufe der Ausschlussfrist entschieden, dass arbeitsvertraglich nicht allein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgestellt werden kann. Das Gericht hält die Anknüpfung der Ausschlussfrist an die Fälligkeit ausdrücklich für zulässig. Wegen des Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB muss der Arbeitnehmer aber regelmäßig darauf hingewiesen werden, dass als Folge nicht fristgerechter Geltendmachung seine Ansprüche verfallen. Bei einer Verfallklausel müssen aufgrund der schwerwiegenden Folgen für den Arbeitnehmer Rechtsfolgen und Verhinderungsmöglichkeiten ersichtlich sein. Insbesondere dürfen diese nicht missverständlich oder unzutreffend die Rechtslage darstellen oder die Geltendmachung begründeter Ansprüche unterlaufen. Bei der Vereinbarung einer zweistufigen Ausschlussfrist muss auch die für die Klageerhebung vorgesehene Frist mindestens 3 Monate betragen. Dem Arbeitnehmer muss eine faire Chance zur Durchsetzung seiner Ansprüche verbleiben, wozu auch die Möglichkeit der Einholung fachkundigen Rats und die Abwägung von Chancen und Risiken eines Prozesses gehören. Eine zu kurz bemessene Frist benachteiligt den Arbeitnehmer deshalb entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben unangemessen i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 BGB. Bei der Vertragsgestaltung ist ferner zu beachten, dass nach § 202 BGB die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen werden kann. Eine allgemeine Ausschlussfrist kann daher nach §§ 202 Abs. 1, 134, 139 BGB teilweise nichtig sein, soweit sie die Haftung wegen Vorsatzes mit umfasst. Auf bestimmte gesetzliche Ansprüche, z. B. den Anspruch auf Mindestlohn, kann ein Arbeitnehmer nicht verzichten, weshalb die Erfassung in der Ausschlussfrist zur Unwirksamkeit der Klausel führt. Eine Ausnahme gilt für Verträge, die vor dem 1.1.2015 geschlossen wurden. Deren Ausschlussfristenklausel bleibt wirksam, auch wenn Mindestlohnansprüche nicht ausgenommen wurden. Es empfiehlt sich nun eine Differenzierung zwischen Mindestlohnansprüchen und anderen Ansprüchen. Sinnvollerweise nimmt die Ausschlussfristenklausel alle Ansprüche in dem Umfang aus, in dem auf diese aus gesetzlichen Gründen nicht verzichtet werden kann, insbesondere Mindestlohnansprüche. Nicht deutlich hervorgehobene Ausschlussfristen können als Überraschungsklauseln i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB gewertet werden. Befindet sich die Ausschlussklausel beispielsweise in einem umfangreichen Formulararbeitsvertrag inmitten der Schlussbestimmungen nach salvatorischen Klauseln und Schriftformklauseln, ist dies bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild so ungewöhnlich, dass der Vertragspartner des Verwenders nicht damit zu rechnen braucht. Eine solche Klausel wird nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil. Somit muss der Arbeitgeber Ausschlussfristen transparent, am besten unter eigener Überschrift und unter drucktechnischer Hervorhebung, in den Arbeitsvertrag aufnehmen. Nach Ansicht des LAG Niedersachsen genügt eine Regelung der Ausschlussfrist unter einem eigenen Gliederungspunkt "Vergütung/Zahlungsweise". Vom Durchschnittsarbeitnehmer kann zumindest erwartet werden, dass er alles, was zur Vergütung vertraglich geregelt wird, vor der Unterschrift "überfliegt". Als Empfehlung für die Gestaltungspraxis sollte die Frist für beide Stufen keinesfalls unter 3 Monaten liegen. Kürzere Fristen werden von der Rechtsprechung als unzulässig angesehen.
Alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sowie solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich oder in Textform geltend gemacht werden. Dies gilt nicht für Ansprüche, die auf vorsätzlichen unerlaubten Handlungen beruhen sowie für Ansprüche, auf die aus gesetzlichen Gründen nicht verzichtet werden kann (z. B. Anspruch auf Mindestlohn) in dem Umfang, in dem auf sie nicht verzichtet werden kann.
- Alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sowie solche, die mit dem Arb...